Konfliktpunkt Jahresendprämie
Als jährliche Einmalzahlung bildete die Jahresendprämie ein Art 13. Monatsgehalt, das oftmals für die Anschaffung langlebiger Konsumgüter verwendet wurde. Die Ursprünge der Jahresendprämie lagen in den wirtschaftlichen Reformversuchen der 60er Jahre. Einzelne leistungsabhängige Prämienformen und andere Lohnzusätze waren zu einer Zahlung zusammengefaßt worden, deren Höhe vom Gesamtergebnis des Betriebes abhing. Einerseits zielte die Einführung der Jahresendprämie auf die Eindämmung der Arbeitskräftefluktuation ab. Sie wurde erst bei einjähriger Betriebszugehörigkeit ausgezahlt. Ihre Hauptfunktion bestand jedoch darin, die Arbeiter an der Planerfüllung des gesamten Betriebes »materiell zu interessieren«, wie es verharmlosend hieß. De facto drohte bei einer Nichterfüllung des Plans Kürzung oder Entzug.9 Eine Vertrauensfrau drückte im November 1989 ihren Frust über diese Prämienregelung in einem Brief an den FDGB-Bundesvorstand aus:
»Es kam in manchen Jahren dazu, das der Parteisekretär eines Betriebes mit BGL u. dem Betriebsleiter beim GD [Generaldirektor] sogenannte Bettelbriefe verteidigt haben um den Kollegen des Betriebes wenigstens die im BKV verankerte Prämiensumme pro Beschäftigten zu garantieren. Es ging also beim Näherrücken der Prämienzuführung, der Auswertung u. Zahlung/Termin, immer heiß her in den Kollektiven.
Wir hatten 1983 mal als Zahlungstermin den 21.3.1983. In Rechenschaftslegungen des BD [Betriebsdirektors] wurde im letzten Quartal eines Jahres, das Wort Jahresendprämie immer dazu benutzt, die Werktätigen fast erpresserisch anzuhalten mehr zu tun, damit die Prämie überhaupt in Aussicht gestellt wurde.«10
Mit der Absicht, ein wirksameres Instrument zur Kontrolle der Arbeitsdisziplin zu finden, schuf man zugleich einen neuen potentiellen Konfliktpunkt. Bereits im April 1970 hatte sich die SED-Führung mit einem solchen Konfliktfall befassen müssen. In dem renommierten DDR-Wohnungsbaukombinat (WBK) Cottbus war es in mehreren Abteilungen zu Arbeitsniederlegungen gekommen, da die vorgesehene Auszahlung der Jahresendprämie in Frage gestellt wurde.11 Die Ursache dafür, die Nichterfüllung des Plans, stand stellvertretend für das Scheitern der wirtschaftlichen Reformversuche der 60er Jahre.
Größeren Problemen im Zusammenhang mit einer unzureichenden Jahresendprämie versuchte man mit sogenannten Ausnahmeentscheidungen zu begegnen. Betroffenen Betrieben wurde die Möglichkeit eröffnet, staatliche Unterstützung zu beantragen. Aus dem Staatshaushalt wurden dann gegebenenfalls finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. 12 Ein Ausgleich der fehlenden Summe in voller Höhe war damit jedoch nicht verbunden. Staatsekretär Beyreuther informierte 1982 DDR-Wirtschaftschef Günter Mittag, daß diese Ausgleichzahlungen »für einen beträchtlichen Teil der Betriebe niedriger festgelegt (wurden) als im Vorjahr, besonders wenn sie die Sofortprämien während des Planjahres zu Lasten der Jahresendprämie erhöht hatten. Diese Kürzungen betrugen bis zu 50 Mark je Beschäftigten, in Einzelfällen auch mehr.«13
Zumindest gab es so ein Instrument, mit dem man ein flächendeckendes Auftreten des Problems verhindern zu können hoffte. Die Entscheidung für Ausnahmeregelungen wurde stets im Spannungsfeld zwischen ökonomischen Belastungen und sozialem Konfliktpotential getroffen.
Die Jahresendprämie war somit seit ihrem Bestehen ein bewegendes Thema in den Betrieben. Die Konfliktlinie verlief hierbei allerdings nicht immer eindeutig zwischen Belegschaft und betrieblicher Leitung. Nicht selten gaben die Undurchsichtigkeit des Prämiensystems, gepaart mit den verschiedenen Kennziffern zur Lohnbestimmung, genügend Anlaß für innerkollektiven Streit, teilweise um Beträge von 10 oder 20 Mark.
Den vollständigen und längeren Beitrag findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 04-klenke/
Gibt es hier im Forum User, die über ihre Erfahrungen mit den Konflikten über die Jahresendprämie berichten können?