Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Interessierter » 14. August 2016, 13:13

Konfliktpunkt Jahresendprämie

Als jährliche Einmalzahlung bildete die Jahresendprämie ein Art 13. Monatsgehalt, das oftmals für die Anschaffung langlebiger Konsumgüter verwendet wurde. Die Ursprünge der Jahresendprämie lagen in den wirtschaftlichen Reformversuchen der 60er Jahre. Einzelne leistungsabhängige Prämienformen und andere Lohnzusätze waren zu einer Zahlung zusammengefaßt worden, deren Höhe vom Gesamtergebnis des Betriebes abhing. Einerseits zielte die Einführung der Jahresendprämie auf die Eindämmung der Arbeitskräftefluktuation ab. Sie wurde erst bei einjähriger Betriebszugehörigkeit ausgezahlt. Ihre Hauptfunktion bestand jedoch darin, die Arbeiter an der Planerfüllung des gesamten Betriebes »materiell zu interessieren«, wie es verharmlosend hieß. De facto drohte bei einer Nichterfüllung des Plans Kürzung oder Entzug.9 Eine Vertrauensfrau drückte im November 1989 ihren Frust über diese Prämienregelung in einem Brief an den FDGB-Bundesvorstand aus:

»Es kam in manchen Jahren dazu, das der Parteisekretär eines Betriebes mit BGL u. dem Betriebsleiter beim GD [Generaldirektor] sogenannte Bettelbriefe verteidigt haben um den Kollegen des Betriebes wenigstens die im BKV verankerte Prämiensumme pro Beschäftigten zu garantieren. Es ging also beim Näherrücken der Prämienzuführung, der Auswertung u. Zahlung/Termin, immer heiß her in den Kollektiven.

Wir hatten 1983 mal als Zahlungstermin den 21.3.1983. In Rechenschaftslegungen des BD [Betriebsdirektors] wurde im letzten Quartal eines Jahres, das Wort Jahresendprämie immer dazu benutzt, die Werktätigen fast erpresserisch anzuhalten mehr zu tun, damit die Prämie überhaupt in Aussicht gestellt wurde.«10
Mit der Absicht, ein wirksameres Instrument zur Kontrolle der Arbeitsdisziplin zu finden, schuf man zugleich einen neuen potentiellen Konfliktpunkt. Bereits im April 1970 hatte sich die SED-Führung mit einem solchen Konfliktfall befassen müssen. In dem renommierten DDR-Wohnungsbaukombinat (WBK) Cottbus war es in mehreren Abteilungen zu Arbeitsniederlegungen gekommen, da die vorgesehene Auszahlung der Jahresendprämie in Frage gestellt wurde.11 Die Ursache dafür, die Nichterfüllung des Plans, stand stellvertretend für das Scheitern der wirtschaftlichen Reformversuche der 60er Jahre.

Größeren Problemen im Zusammenhang mit einer unzureichenden Jahresendprämie versuchte man mit sogenannten Ausnahmeentscheidungen zu begegnen. Betroffenen Betrieben wurde die Möglichkeit eröffnet, staatliche Unterstützung zu beantragen. Aus dem Staatshaushalt wurden dann gegebenenfalls finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. 12 Ein Ausgleich der fehlenden Summe in voller Höhe war damit jedoch nicht verbunden. Staatsekretär Beyreuther informierte 1982 DDR-Wirtschaftschef Günter Mittag, daß diese Ausgleichzahlungen »für einen beträchtlichen Teil der Betriebe niedriger festgelegt (wurden) als im Vorjahr, besonders wenn sie die Sofortprämien während des Planjahres zu Lasten der Jahresendprämie erhöht hatten. Diese Kürzungen betrugen bis zu 50 Mark je Beschäftigten, in Einzelfällen auch mehr.«13

Zumindest gab es so ein Instrument, mit dem man ein flächendeckendes Auftreten des Problems verhindern zu können hoffte. Die Entscheidung für Ausnahmeregelungen wurde stets im Spannungsfeld zwischen ökonomischen Belastungen und sozialem Konfliktpotential getroffen.
Die Jahresendprämie war somit seit ihrem Bestehen ein bewegendes Thema in den Betrieben. Die Konfliktlinie verlief hierbei allerdings nicht immer eindeutig zwischen Belegschaft und betrieblicher Leitung. Nicht selten gaben die Undurchsichtigkeit des Prämiensystems, gepaart mit den verschiedenen Kennziffern zur Lohnbestimmung, genügend Anlaß für innerkollektiven Streit, teilweise um Beträge von 10 oder 20 Mark.

Den vollständigen und längeren Beitrag findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 04-klenke/

Gibt es hier im Forum User, die über ihre Erfahrungen mit den Konflikten über die Jahresendprämie berichten können?
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Spartacus » 14. August 2016, 17:14

Gibt es hier im Forum User, die über ihre Erfahrungen mit den Konflikten über die Jahresendprämie berichten können?


Wollte ich auch gerade fragen und vor allem, wie hoch war die denn so im Schnitt?

Und gab es die nur in der Großindustrie? Ich habe nie eine bekommen. [flash]

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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Danny_1000 » 14. August 2016, 17:27

Interessierter hat geschrieben:Konfliktpunkt Jahresendprämie......Die Jahresendprämie war somit seit ihrem Bestehen ein bewegendes Thema in den Betrieben. Die Konfliktlinie verlief hierbei allerdings nicht immer eindeutig zwischen Belegschaft und betrieblicher Leitung. Nicht selten gaben die Undurchsichtigkeit des Prämiensystems, gepaart mit den verschiedenen Kennziffern zur Lohnbestimmung, genügend Anlaß für innerkollektiven Streit, teilweise um Beträge von 10 oder 20 Mark.

Den vollständigen und längeren Beitrag findet man hier:
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Gibt es hier im Forum User, die über ihre Erfahrungen mit den Konflikten über die Jahresendprämie berichten können?

Undurchsichtig war die Jahresendprämie (JEP) bei uns nicht. Die Kennziffern kannte jeder Mitarbeiter. Zudem hingen diese gepaart mit dem kummulativen Erfüllungsstand öffentlich aus.
Die kollektiven Summen der JEP legten bei uns die Betriebsleitung, Gewerkschaftsleitung sowie die SED Parteibetriebsleitung anhand der Erfülllung der Kollektive fest. In den einzelnen Kollektiven wurde dann in einem zutiefst urdemkratischen Prozess die JEP für jeden einzelnen Mitarbeiter anhand seiner persönlichen Planerfüllung bestimmt.
Das führte dann tatsächlich oftmals zu innerkollektiven Streit, bei dem dann der Kollektivleiter die letzte Entscheidung fällte.

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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Kumpel » 14. August 2016, 18:13

So kenne ich das auch. Im Zusammenhang mit der JEP ist mir noch sehr gut in Erinnerung als die in unserem VEB in der Kantine bar ausgezahlt wurde ,bat man auch um Spenden für die Erdbebenopfer in
Armenien.
Da gaben Kollegen ihre gerade erhaltene JEP komplett am nächsten Tisch als Spende wieder ab.
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon ratata » 14. August 2016, 19:18

Weit über 12 Jahre habe ich mich mit dieser Auszahlung der Jahresendprämie rumgeärgert . Romane könnte ich darüber schreiben , Jedes Jahr im Februar, dieser gleiche Mist .
Kurz und Schmerz los ,war diese Prozedur nicht . In meiner damaligen Firma vor 1990 war es so ,es bekam jede Abteilung eine gewisse gesamte Summe Geld zu gewiesen . Sie entsprach damals etwa die Höhe, eines monatlichen Bruttoverdienstes, eines jeden Kollegen . Im Schnitt 850 Ostmark.
So bekam man aber eine etwas höhere Summe für den Bereich zugeteilt.
Damals gab es in jeder Abteilung einen gewählten Vertrauensmann ( Gewerkschaft ), mit dem Vertrauensmann , mit dem Lohnrechner , und noch einen der besten Kollegen , setzten wir uns hin und teilten, die mir zugeteilte Summe erstmal für jeden Kollegen auf .
Im jährlichen Schreiben zur Auszahlung der JEP ,wurden bestimmte Kriterien , von der Betriebsleitung festgelegt .
Diese wiederholten sich aber immer wieder . So Bsp. Arbeitsleistungen , Pünktlichkeit, Verhalten gegenüber der Vorgesetzten , kollegiales Verhalten ,Einsatzbereitschaft bei Havarien , da kam schon ein Punkte Katalog zu Stande .
im allgemeinen sollte ja die JEP eine zusätzliche Leistungsprämie sein .
So nun konnte sich allgemein jeder selber ausrechnen , welche JEP ihm zu steht , Aber die Forderungen der Betriebsleitung war eben , zu differenzieren , So musste man also einem schlechteren Kollegen Geld abziehen und dem besseren etwas zu mehr geben .
Der Kollege sollte also seine eigenen Leistungen eben selber einschätzen .
Nun kommt der Knaller , vor der Versammelte Mannschaft wurde die Summe ,die jeder einzelne Kollege bekam , vorgelesen . Hier kam es dann zu den Diskussionen und Streitereien in der Abteilung .
Es gab bei mir schon Fälle , das musste ich zur Konfliktkommission des Betriebes und begründen , warum der besagte Kollege 40 Ostmark , weniger bekam . Zum Glück hatte ich nie die Summe für den Kollegen festgelegt . Es waren immer ein Vertrauensmann , zugegen . Mfg ratata
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Volker Zottmann » 14. August 2016, 22:00

Günther,
mir juckte vorhin schon die Pfote...
Wollte genau das, was Du beschreibst, nicht schreiben, weil dann wieder der Zottmann die geliebte DDR verteufelt.
Ich hatte im Wohnungsbau jedes Jahr, so ab 1975 gab es da erstmals nach meiner Erinnerung dies JEP, trotz Meisterstatus damit nichts zu tun. Das änderte sich mit meinem Betriebswechsel 1977 schlagartig. Musste dann auch Summen für die Betriebshandwerker um die 850.- Mark zuteilen. Mal mehr, mal weniger.
Und die halbe Mannschaft war logischer Weise am maulen. Zusammenhalt hat die Prämie nie gefördert.
Es war 1985 mit meiner Selbständigkeit ein Quantensprung, all diesen oft geist-und sinnlosen Verteilungskämpfen adieu sagen zu können.
Ich bestätige jedenfalls, dass es auch im Harz so, wie von Ratata beschrieben, zuging.

Gruß Volker
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Wosch » 14. August 2016, 22:34

Von einen Jahresendpraemie kann ich nichts berichten, Ich kann mich aber noch an die Quartalspraemien erinnern welche wir als Lehrlinge Ende der 50er-Anfang der 60er zugeteilt bekamen. Der Ausbilder bekam fuer die ganze Brigade eine bestimmte Summe und verteilte die Haelfte davon an uns 9 Lehrlinge, der Rest ging dann gewoehnlich zu seinen eigenen Gunsten. Meine "Praemie" belief sich immer so um die 12,- Mark,
Sorry fuer's OT.
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon augenzeuge » 15. August 2016, 07:36

@Edelknabe
Kannst du nicht hier auch etwas berichten?
AZ
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Danny_1000 » 15. August 2016, 14:34

ratata hat geschrieben: .......Der Kollege sollte also seine eigenen Leistungen eben selber einschätzen .
Nun kommt der Knaller , vor der Versammelte Mannschaft wurde die Summe ,die jeder einzelne Kollege bekam , vorgelesen . Hier kam es dann zu den Diskussionen und Streitereien in der Abteilung .
Es gab bei mir schon Fälle , das musste ich zur Konfliktkommission des Betriebes und begründen , warum der besagte Kollege 40 Ostmark , weniger bekam . Zum Glück hatte ich nie die Summe für den Kollegen festgelegt . Es waren immer ein Vertrauensmann , zugegen . Mfg ratata

Was soll denn hier der Knaller sein ? Im Gegensatz zu der heutigen Geheimniskrämerei, wieviel mein Schreibtischnachbar verdient, war dieses System doch transparent.

Danny
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Volker Zottmann » 15. August 2016, 14:44

Von einem Knaller haben weder @ratata noch irgend jemand Anders etwas geschrieben.
Nimm doch einfach die Schilderungen hin, wie sie da stehen.

Gruß Volker
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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon Spartacus » 15. August 2016, 14:45

Danny_1000 hat geschrieben:
ratata hat geschrieben: .......Der Kollege sollte also seine eigenen Leistungen eben selber einschätzen .
Nun kommt der Knaller , vor der Versammelte Mannschaft wurde die Summe ,die jeder einzelne Kollege bekam , vorgelesen . Hier kam es dann zu den Diskussionen und Streitereien in der Abteilung .
Es gab bei mir schon Fälle , das musste ich zur Konfliktkommission des Betriebes und begründen , warum der besagte Kollege 40 Ostmark , weniger bekam . Zum Glück hatte ich nie die Summe für den Kollegen festgelegt . Es waren immer ein Vertrauensmann , zugegen . Mfg ratata

Was soll denn hier der Knaller sein ? Im Gegensatz zu der heutigen Geheimniskrämerei, wieviel mein Schreibtischnachbar verdient, war dieses System doch transparent.

Danny


Da du es gerade erwähnst.

Um die Löhne der Frauen auf das selbe Niveau wie das der Männer zu bringen, sollen doch tatsächlich Frauen demnächst erfahren dürfen, was Mann im selben Betrieb verdient.

Und das in Deutschland. [flash]

Nee Danny, das bist du voll im kapitalistischen Teil von Deutschland angekommen, mit der Geheimniskrämerei, wer wie viel verdient.

LG

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Re: Konflikte um die Jahresendprämie in den 80er Jahren

Beitragvon ratata » 15. August 2016, 14:54

@ Danny
Das führte dann tatsächlich oftmals zu innerkollektiven Streit, bei dem dann der Kollektivleiter die letzte Entscheidung fällte.

Der Knaller hätte bei uns damals gezündet . [wink]
Der Leiter des Kollektives durfte nie alleine über die Höhe der JEP eines Kollegen entscheiden .
MfG ratata

Volker , uns kann doch keiner etwas über das wirkliche Leben in der DDR,erzählen . [ich auch] Ratata
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