In vielen DDR-Betrieben fand ein Wettbewerb um die Auszeichnung "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" statt. Siegfried Wittenburg hat ihn erlebt - als absurde Veranstaltung, bei der es am Ende vor allem um eines ging: feuchtfröhliches Feiern.
Ende Oktober 1974 war mein 18-monatiger Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee beendet. Ich brachte das "Ehrenkleid", wie der Staat die an die Wehrmacht erinnernde Uniform nannte, sowie Stahlhelm und Stiefel in die Kleiderkammer. Und begann mein ziviles Leben als erwachsener Mensch.
Ich kehrte zum Arbeitskollektiv zurück, in dem ich knapp zwei Jahre zuvor meine Berufsausbildung beendet hatte. Eine Kiste Bier für die Kollegen musste ich beisteuern - schon war ich wieder im Kollektiv integriert.
Doch während der "Friedenswacht" hatte sich in Ost-Berlin das Machtgefüge verschoben: Staatschef Walter Ulbricht war gestorben, die Macht seines Nachfolgers Erich Honecker begann zu wachsen. Schon in den Jahren zuvor war der Mauerbauer Ulbricht in Moskau in Ungnade gefallen, weil ihm eine eigene "sozialistische Leistungsgesellschaft" vorgeschwebt hatte. Dagegen plante Leonid Breschnew, damaliger Parteichef der KPdSU, termingerecht den Kommunismus zu erreichen und "neue Menschen" für eine "neue Gesellschaftsordnung" im Sinne des Marxismus-Leninismus heranzuziehen. Dafür sollte Honecker sorgen.
Dieser Plan ließ sich am besten am Arbeitsplatz der Werktätigen umsetzen. Eines Tages kehrte der Leiter der Servicestelle, in der ich tätig war, zurück von einer Sitzung mit dem Betriebsparteisekretär, dem Betriebsdirektor und dem Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung (in dieser Rangordnung) und verkündete: "Für die Entwicklung der Menschen zu allseits gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten wird jetzt der sozialistische Wettbewerb mit dem Kampf um den Titel 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit' eingeführt."
Die Kollegen fragten skeptisch, wie das aussehen solle. "Ganz einfach", fuhr er fort, "bisher haben wir unsere Brigadefeste einfach so gefeiert und sind anschließend um die Häuser gezogen. Jetzt führen wir ein Brigadetagebuch, schreiben einen Bericht über unsere Brigadefeiern, kleben ein Foto ein und reichen das Buch bei der Wettbewerbskommission des Betriebes ein. Wenn wir damit als 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit' ausgezeichnet werden, gibt es einen Orden und eine Prämie." Die Kollegen erkundigten sich, wie die Prämie aufgeteilt werden solle. "Sie darf nur im Kollektiv verwendet werden und dient der Festigung unserer sozialistischen Menschengemeinschaft", verdeutlichte der Chef. Die Kollegen einigten sich darauf, das Geld einfach für das nächste Brigadefest zu verwenden.
"Im sozialistischen Wettbewerb wird alles besser"
Ob das stimmte, erfährt man hier:
http://www.spiegel.de/einestages/ddr-au ... 34415.html