Die Mauer fiel, die Kamera lief. Oder war es umgekehrt? Über die Rolle der Medien in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989. Ein Essay. Günther von Lojewski
Zeitzeugen, wenn sie klug sind, werden nie beanspruchen, im Besitz der historischen Wahrheit zu sein. Wohl aber sind sie eine unentbehrliche Quelle für jede Geschichtsschreibung. Und manchmal auch deren Korrektiv.
Es geht, wieder einmal, um „die Medien“. Sie sollen in der Nacht des Mauerfalls der „Motor“ gewesen sein und falsche Realitätsbilder vermittelt, also manipuliert haben. Sie sollen eine „Fiktion verbreitet“ haben, die dann auch Realität wurde. Aber nein, so wie es der Potsdamer Historiker Hans-Hermann Hertle, der Journalist Georg Mascolo und andere im Nachhinein gerne hätten, so war es am 9. November 1989 nicht, so wahr ich dabei war.
Wer von „den Medien“ spricht, kann nur die im Westen meinen, denn die im Osten waren zwischen 19.40 und 21.53 Uhr sprachlos. Der kann sich auch nur auf die elektronischen Medien beziehen, Hörfunk und Fernsehen, denn alles, was gedruckt wurde, kam an diesem Abend zu spät. Wer von „den Medien“ spricht, zielt mithin zuerst auf den Sender Freies Berlin (SFB), die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt vor Ort, die an jenem Abend so schnell und so intensiv berichtet hat wie keine andere in ihren Hörfunkprogrammen, im Ersten und im Dritten Fernsehen N3, und die mit eigenen und ARD-Sendemasten nahezu das ganze geteilte Land erreichte.
Eine Fiktion verbreitet? Die Pressekonferenz von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski war Realität pur, so wie es danach der Aufbruch der Menschen zur Mauer auch war. „Ab sofort“ sollte die neue Reiseregelung der DDR gelten, „unverzüglich“ schauten Ossis und Wessis nach.
Der SFB diente vor dem Mauerfall als "Transmissionsriemen" zwischen Ost und West
Unbestreitbar, dass der SFB seit seiner Gründung als „Transmissionsriemen“ (Klaus Bresser) zwischen Ost und West gedient hat. Dies war sogar seine Aufgabe. Dabei war es geradezu systemimmanent, dass er mit allem, was er veröffentlichte, in der DDR Einfluss hatte. Dieser Einfluss nahm noch zu, je mehr sich deren staatlich gelenkte Medien und der Staat selbst um jede Glaubwürdigkeit brachten, indem nur berichtet wurde, was und wie es dem Generalsekretär und dem Politbüro der SED gefiel – und zuletzt gar nicht mehr, was im eigenen Land, in Ungarn und in Prag geschah. In den Archiven in der Nalepastraße habe ich nach der Wende die hohe Akzeptanz der Medien des Klassenfeindes bestätigt gefunden. „Die eigene Medienpolitik“, so hat es später, zu spät auch Markus Wolf, der Ex-Spionagechef in Ost-Berlin, erkannt, „hat unserem Land mehr geschadet als sämtliche westliche Propaganda.“
Den vollständigen Beitrag kann man hier lesen:
http://www.tagesspiegel.de/politik/9-no ... 56918.html
Die West-Medien prangerten von Anfang an die Unterdrückungen und Menschrechtsverletzungen dieses Unrechtsstaates an und waren somit für die Bürger der DDR von Bedeutung. Beeindruckend und unvergesslich, wie diese mutigen Menschen dieses SED - Regime davonjagten.