Er glaubte an eine reformierbare DDR und ging dafür wochenlang auf die Straße: Pastor Christoph Poldrack ist einer der Mitbegründer des Neuen Forums in Greifswald. 25 Jahre nach Gründung der ersten DDR-Oppositionsbewegung erinnert er sich.
"In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört." Als der Theologe Christoph Poldrack am 18. Oktober 1989 die berühmten Worte aus dem Gründungsaufruf des Neuen Forums im Greifswalder Dom vorliest, tut er dies mit "weichen Knien". Fast 1.000 Menschen hören ihm zu. Heute stellt er fest: "Die offiziellen DDR-Medien haben sich über die neu gegründete Oppositionsbewegung ausgeschwiegen, nachdem das Neue Forum als staatsfeindliche Plattform verboten worden war."
Früh aufgestanden für den politischen Wandel: Der Theologe Christoph Poldrack (ganz links) hat Anfang Oktober 1989 das Neue Forum in Greifswald mit gegründet.
Anfang Oktober 1989 gründen in Poldracks Wohnzimmer 30 Bürgerrechtler das Neue Forum Greifswald - Wochen nach der offiziellen Gründungsveranstaltung in Berlin. "Im Süden der DDR wurde schon demonstriert, wir wollten nicht länger hinterherhinken", verrät er. Dass die ahnungslosen Bürgerrechtler in Greifswald einen Stasispitzel in ihren Sprecherrat wählen, erfährt Poldrack erst später aus seiner Stasiakte. "Doch die Geheimpolizei war machtlos, unsere Sache war zu weit gediehen." Und so kann Poldrack im Greifswalder Dom ungestört über Ziele und Aktionen des Neue Forums informieren: "Noch am selben Abend sind 70 Greifswalder dem Neuen Forum beigetreten." Dass viele schon Fragen zur Wiedervereinigung haben, verblüfft Poldrack an jenem 18. Oktober. "Für uns Bürgerrechtler war das zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Thema, wir glaubten fest an eine reformierbare DDR-
Die Volkspolizei demonstriert mit
Im Jahr 1989 strömten die Greifswalder jeden Mittwoch auf die Straßen, um für mehr Freiheit und ein einiges Deutschland zu demonstrieren.
Dass er die erste friedliche Demonstration nach dem Friedensgebet am 18. Oktober verpasst, ist die Ironie seiner Geschichte. Und dass Hunderte Bürger spontan durch die Innenstadt ziehen, während er sich im Dom den Fragen zum Neuen Forum stellt, erfährt Christoph Poldrack erst einen Tag später. Danach demonstriert er mit, immer mittwochs. Als "Demo-Anfänger" bewegen ihn vor allem Fragen wie: Was tun, wenn wir einer Polizeisperre gegenüberstehen? Und tatsächlich: Die Greifswalder Volkspolizei blockiert Straßen und leitet den Verkehr um - aber damit die Bürgerrechtler freie Bahn haben! "Damit haben wir nach den Bildern von den Polizeiübergriffen in Leipzig nicht gerechnet", gesteht Poldrack. "Ende November demonstrieren sogar Volkspolizisten mit - wohl einmalig damals in der DDR."
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