von augenzeuge » 17. Juli 2010, 18:32
Es war schon ein komischer Zufall. Die Wende der DDR kommt zu einem Zeitpunkt, wo die BRD als mit reichster Staat Europas diese jetzt anfallenden Kosten bewältigen kann. Man hatte einen Beschäftigungszuwachs von 500.000 Menschen, Deutschland war Ende '89 auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit. Die BRD als einziges Land in der westl. Welt, welches 1989 im öffentlichen Sektor mit einem Überschuss abgeschnitten hatte. Damals nahm man das aber kaum zur Kenntnis.
Ich glaube, es gab kaum einen Fleck in Deutschland wo die Einheit enthusiastischer begangen wurde, als Berlin. Nach den vielen Jahren der Nachteile durch die besondere Lage der Stadt war die Freude übermächtig. Und es gab auch kaum einen Fleck, der vom Verkehr betroffener war, als Berlin. Über die Nadelöhr-Güst-Stellen fiel unablässig aus allen Himmelsrichtungen ein Autoverkehr in die Stadt, wie ihn bisher niemand erlebt hatte. Täglich entstanden neue Übergänge, Kontrollen gab es kaum noch.
Zu keinem Zeitpunkt habe ich in den ersten 8 Wochen Menschen erlebt, die sich negativ über diese Entwicklung beklagt haben. Die, die es vielleicht gedacht haben, trauten sich nicht etwas in dieser Richtung zu sagen. An einen Menschen erinnere ich mich, der es nicht gut fand. Er war mittels Ausreiseantrag nach Jahren aus Ostberlin kurz zuvor ausgereist, und jetzt kamen sogar die Menschen rüber, die ihn jahrelang im Betrieb schikaniert hatten. Damit kam er nicht klar.
Aber die Mehrheit nahm alles hin, den längeren Arbeitsweg, den Lärm, die vollen Geschäfte, ausverkaufte Obstabteilungen.
Ich fand es erstaunlich, wie gut in Berlin die Wessis und Ossis zurecht kamen. Ein Höhepunkt war der 3.10.90, abends am Reichstag. Nie zuvor hatte ich größere Menschenmengen gesehen, hatte mich in diesen bewegt. Man spürte plötzlich, welch ein Glück dieses Volk gehabt hatte. Trunken von Freude und Glück wechselten die Sektflaschen den Besitzer....ich war dankbar hier dabeisein zu dürfen.
AZ
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