nach der Schilderung meiner Erlebnisse in der weltbewegenden Nacht vom 09. zum 10. November 1989, müßen auch mal einige Gedanken geäußert werden zum Thema: Wie ging es weiter?
Am 11. November wurde ich überraschender Weise ins Grenzregiment befohlen. Der mir gestellte Befehl lautete, dass ich mit dem Bestand meiner Batterie und den Mitteln der pioniertechnischen Ausrüstung (Pionierspaten, Kreuz- oder Spitzhacke, Schaufeln und Brechstangen) zum Gassentor Schlesischer Busch (verlängerte Elsenstraße in Berlin Treptow) zu begeben habe. Dort angekommen, waren bereits anwesend der Oberoffizier rückwärtige Dienste (OOffz. RD), der stellvertreter des Regimentskommandeurs und Leiter Polit sowie der Kompaniechef der Pionierkompanie. Dazu noch jede Menga schwere Technik. Angafangen vom Bagger T 174 über Tieflader, Tatra 813 4x4 bis zum Kraz. Der gestellte Befehl lautete, dass bis 1300 Uhr der Grenzübergang Schlesischer Busch zu erstellen ist. Mein Einwand, dass die von mir geführten Soldaten nicht Grenzdienst bestätigt sind, wurde vom Polit einem Oberleutnant abgetan mit den Worten: "Mensch Genosse Stabsfähnrich, dann müssen Sie besser aufpassen auf ihre Leute, schließlich haben Sie eine Waffe. Und nun Ausführung des Befehls". In der Zwischenzeit hatten die Pionierkräfte bereits das Gassentor in der Hinterlandsmauer entfernt. Die Aufgabe meiner Einheit lautete, in gerader Flucht zur Grenzmauer einen ca. 1, 20 Meter tiefen Kabelgraben zu schaffen. Dank der Unterstützung durch einen T 174 konnte die Aufgabe in der befohlenen Zeit erfüllt werden. In der Zwischenzeit wurden bereits die ersten Segmente der Grenzmauer entfernt. Neugierig wie ich war, sah ich mir die restliche Aktion des Entfernen der Segmente aus nächster Nähe an. Nachdem das letzte Segment der ca. 7 Meter breiten Gasse entfernt war, fuhren Zugmaschinen mit Teeranhänger in den Grenzabschnitt und es wurde eine ca. 500 Meter lange und ca. 5 Meter breite Fahrbahn gegossen. Zur gleichen Zeit wurden Postenhäuser sowie "Bastei" Campingwagen aufgestellt. Diese sollten der Paßabfertigung dienen. Noch wärend der Arbeiten (es wurden noch Lichtmasten aufgestellt) erfolgte auf der Ostberliner Seite bereits die feierliche Einweihung der GÜST. Ich stand immer noch mit einzelnen Kräften der Pioniere am vorderen Sperrelement. Den Befehl über meine Einheit hatte ich in der Zwischenzeit an zwei Unteroffiziere meiner Einheit übertragen. Wie ich also noch etwas ungläubig da stand, wurde die GÜST eröffnet und ich befand mich in mitten vieler Ostberliner, welche gegen Westberlin eilten. Die Kontrollkräfte zahlenmäßig unterlegen, führten keine Kontrolle durch. Wie bereits geschildert, ich in Mitten der vielleicht 1.000 - 1.500 Menschen eingekeilt, in voller Felddienst, mit Pistole usw. war plötzlich in Westberlin. Die Grenzmauer war so ca. 70 - 80 Meter von mir entfernt. Oh man, was hatte ich für Gedanken: Wenn das jemand sieht - Fahnenflucht - Schwedt. Plötzlich standen zwei westberliner Polizisten neben mir: Na kamerad - haste Dir verlaufen? Oh man dachte ich auch eine direkte Kontaktaufnahme. Mir wurde siedendheiß in meiner Felddienst. Trotzdem nahm ich das Angebot an, die beiden mich mit ihrem Bully bis an die Grenze brachten. Das ganze mit Blaulicht und Sondersignal. Da mein Auftritt nun nicht mehr verborgen blieb, konnte ich mir auch gleich die ersten Anranzer anhören. Sonderbarer Weise sprach aber keiner Bestrafung. Mußte mir nur die Frage gefallen lassen, warum ich keine Feldmütze trage - diese mußte irgendwo im Eifer des Gefechts verloren gegangen sein.
Das war also mein erster unfreiwilliger Besuch Westberlins. War übrigens nicht der Einzigste.
Bei Interesse werde ich noch weiter berichten, wie die Tage nach der Wende aus persönlichem Erleben weiter gingen.