Hallo Berliner und ABV, erstmal Danke für Eure Kommentare. Das macht Mut, weiter zu machen und vielleicht doch an meinem seit Jahren auf Eis liegenden Buch zu schreiben.
Klar könnte ich tagelang über meine Erlebnisse erzählen und schreiben. Aber es macht mich wütend, dass die Leute, die für und mit dem System zusammengearbeitet haben, auch in den Genuß von Redefreiheit kommen und sich als "Opfer des Systems" darstellen dürfen. Man denke nur an solche Deppen wie Egon Krenz oder Kati Witt - dem Honecker-Vorzeigesportler - oder Stasi-Offiziere, Grenzer; all die dürfen im TV auftreten und ihre Geschichten erzählen und sich als Opfer darstellen. Das kommt mir sehr bekannt vor...1945 - wir haben von all dem nichts gewußt und haben nur Befehle ausgeführt... Da krieg ich das K.....
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Grade derzeit werden im TV auf fast allen Sendern Geschichten erzählt und leider auch Leute interviewt, die lieber in der Versenkung verschwinden sollten und sich dessen, was sie getan haben, schämen sollten, von wegen Opfer des Systems und Befehlsträger....
Ich war damals mit dabei auf dem Alex, als wir Plakate getragen haben (z.B. Egon Krenz - Wolf im Schafspelz) oder als uns die Stasi am Palast der Republik auseinander treiben und den Mund verbieten wollte. Diese Leute sollten lieber schweigen und nicht auf Mitgefühl hoffen.
Und dann noch Leute, die sich erdreisten, Meinungen zu äußern zu Dingen, von denen sie keine Ahnung haben. Da hat in einem der Foren jemand geschrieben...die Mutter von Chris Gueffroy wäre selbst Schuld an dem Ganzen, denn sie hätte ihren Sohn nicht mehr im Griff gehabt, er wäre ihr entglitten...Ja hat der Typ denn einen an der Klatsche ? Ich kannte Chris, wenn auch nur als Gast in dem Jugendclub in Baumschulenweg, in dem ich Teammitglied war und an der Bar gearbeitet habe. Chris war damals ein unauffälliger, netter Junge, ein wenig schüchtern, nie auffällig. Leider war er irgendwann nicht mehr da, die Zeit unseres Clubs war vorbei und Geschichte.
Ok, eine weitere kleine Episode; Stell Dir vor, Du bist eine Blondine, Mitte 20, nicht häßlich, intelligent, fleißig und kein Kind von Traurigkeit. Ich war jedes Wochenende, nach meinem Dienst im Club, mit Freunden in den angesagtesten Clubs in Ostberlin unterwegs. Meist sind wir mit "Schwarztaxis" gefahren, denn zum einen gabs kaum richtige Taxen und man wollte seine schwer verdiente Kohle ja nicht einem Taxifahrer in den Rachen werfen. Also haben wir uns zu mehreren Personen zusammen getan und uns ein "Schwarztaxi" geteilt, das waren meist Leute mit ihren privaten Autos, die sich nachts ein wenig Geld dazu verdient haben. In einem Club in Treptow, ich glaube, das war auch Baumschulenweg, habe ich ein paar nette junge Leute aus Westberlin kennengelernt. In Berlin hatten wir ja das Privileg, ein wenig offener leben zu können als außerhalb von Berlin, sozusagen in der "Provinz". Aus der Bekanntschaft wurde ganz schnell eine enge Freundschaft und die Jungs und Mädels kamen mindestens 1 x im Monat zu uns nach Ostberlin. Leider ging es nicht öfter, denn sie waren alle noch in der Ausbildung und konnten sich nicht jedes Wochenende das "Eintrittsgeld" leisten. Eines Freitags entschieden wir uns, zum 25. Geburtstag meiner Schwester zu fahren und meine ganze Familie zu überraschen. Die wohnte aber nicht in Berlin sondern in der Nähe von Cottbus. Das Problem war, dass das Besuchsvisum nur für Ostberlin galt und nicht für weiter. Egal, wir haben uns zu Viert in einem Jetta gequetscht und sind auf die Autobahn. Der Überraschungsbesuch schlug ein wie ein Hammer, denn meine Familie wußte von meinen Freunden, hatte sie aber nie kennengelernt. Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wußten, über meinen Eltern in dem Mietshaus wohnte ein Stasi-Spitzel. Als wir das erfuhren, hatten wir alle ganz schön Bammel, dass er das mitbekommt und uns verpetzt. Trotz der Angst im Nacken wurde es ein gelungenes Wochenende. Auf der Rückfahrt nach Ostberlin fuhren wir dann aber sicherheitshalber immer nur auf der äußersten linken Spur, denn dort konnte uns ja keiner anhalten, waren ja nur noch die Leitplanken da. Trotzdem hielt uns in Berlin, ich glaube es war bei Schönefeld, ein VoPo an und kassierte die Jungs ab, natürlich ohne Quittung. Aber lieber bezahlen als lebenslanges Einreiseverbot oder noch Schlimmeres. Zu dem Zeitpunkt wußte ich aber nocht nicht, dass wir alle im Radar der Stasi waren, wahrscheinlich, weil einer der Jungs Azubi bei IBM war.
Die Kontrollen an der Grenze wurden ab da immer heftiger. Einem der Mädels haben die Grenzer bei der Einreise sogar mal die Pille (Antibaby) abgenommen, weil sie sie nicht kannten und als verbotenes Medikament eingestuft hatten. Sie bekam sie bei der Ausreise aber wieder zurück.... Das Witzige an der Sache war, dass die Jungs und Mädels 1 oder 2 Wochen vor Grenzöffnung noch bei mir waren und meinten, ich solle mich im Kofferraum verstecken und mit rüber kommen, die Grenzer hätten eh nichts mehr gepeilt und wüßten icht mehr, was los ist... Heute denke ich, es war wohl gut, so ein Feigling gewesen zu sein und nicht mitgefahren zu sein, Hätten uns die Grenzer erwischt, hätten sie den Leuten eine weitere Einreise verboten und ich wäre wahrscheinlich im Knast gelandet. Auch wenn es später eine Amnestie für politische Gefangene gegeben hat, in den Knast wollte ich nicht.
Tja, und Wochen später fiel ich in dem Club, in dem ich auch die Westberliner kennengelernt hatte, in das Radar eines sehr gut aussehenden 1,90 großen schwarzhaarigen jungen Mannes mit dem Gesicht eines Männermodels. Naja, ich war etwas überrascht, dass grade ich die Auserwählte war, denn zu dem Zeitpunkt war meine jüngere Schwester immer diejenige, die mir meine Männerbekanntschaften ausspannte. Egal, ich war geschmeichet und irgendwann zog der Typ mehr oder weniger bei mir ein. Ich war nur verwundert, dass er nie mit mir zusammen morgens aufstand und zur Arbeit ging. Er meinte nur, dass er Computerfachmann sei und Fußball spiele und deshalb viel unterwegs sei und nie morgens aufstehen müsse. Ok, ich habs geglaubt. Dann lernte ich sogar seinen kleinen Bruder kennen, mit dem ich mich prächtig verstand. Dann verschwand Mike, ich weiß sogar noch seinen Namen und hab auch ein Foto von ihm, abends immer öfter, um in der Kneipe Zigaretten zu holen und ein Bierchen zu trinken. War auch ok, denn ich war ja kein "Klammeraffe". Dann kam nach 6 Monaten der Abend, an dem wir mal richtig schick ausgehen wollten. Wir waren in der Discothek im Palast der Republik, so richtig schick und cool. Bei "In The Air tonight" von Phil Collins eröffnete er mir, er mache Schluß, weil er sich ein Modell verknallt hätte, das an dem Abend noch aufgetreten war. Hab nicht schlecht gestaunt, war sauer, mußte es aber so hinnehmen. Ich wußte ja, dass er in einem Wohnheim in Baumschulenweg wohnte und hab mehrfach versucht, Kontakt aufzunehmen, leider erfolglos.
Einige Monate später war dann die Grenzöffnung und eines abends klingelte es an meiner Tür in Friedrichshain. Zu dem Zeitpunkt bereitete ich meinen Umzug nach Tempelhof zu meinen Freunden vor. Tja, und da stand der Cousin von Mike, meinem Ex, vor der Tür. Er wollte wissen, ob ich was über den Verbleib von Mike wisse und wie es mir so geht. Da hab ich ihm dann eröffnet, dass wir nicht mehr zusammen sind und er sich ein Modell gekrallt hätte, Und da platzte die Bombe; er erzählte mir, dass Mike Unteroffizier der Stasi war und er den Auftrag hatte, mit mir ein Verhältnis anzufangen. Er sollte Infos aus mir herausholen über meine Westberliner Freunde, über meine Familie und über eventuelle Fluchtpläne. He, und das kurz vor der Maueröffnung, welch ein Schwachsinn.
Die abendliche Kneipengänge waren einfach nur Treffen mit seinen Vorgesetzten, die auch noch in dem Haus gegenüber wohnten. Er sollte Bericht erstatten und als es nichts mehr zu berichten gab, hatte er halt das Model als nächsten Auftrag, denn die fuhr öfter ins Ausland und hätte ja auch Fluchtpläne haben können. Ich hab gedacht, mich trifft der Schlag. Ich wußte ja, dass ich in meiner Abwesenheit Besuch von den Herren in Schwarz hatte und dass die in meiner Wohnung waren. Aber dass die soweit gehen würden, war mir bis zu dem Zeitpunkt nicht bewußt.
Also, wenn ich die Möglickeit hätte, den Typen wieder zu sehen, ich würde ihm ins Gesicht spucken und ihn fragen, ob es das wert war....
Ich merke grade, wie sehr mein Adrenalin steigt und ich mich wieder in Rage rede. Aber es tut gut, diese kleine Episode zu erzählen.
Menschen, die so etwas nicht erlebt haben, können es auch nicht glauben oder staunen mit großen Augen.
Es wußte damals ja auch keiner, dass im Hotel Mercure in Leipzig eine ganze Etage von der Stasi besetzt war. Da stand all das Abhör-Equipment, um Hotelgäste zu bespitzeln. Als ich das erfuhr, war ich sprachlos. Meine Schwester und ich hatten uns dort damals mit Freunden aus Düsseldorf und Bayern einquartiert. Wir haben Pläne geschmiedet, wie wir abhauen können. Und da fiel es uns wie Schuppen von den Augen; das Mercure-Hotel war wohl der Anfang von allem...
So ich hoffe, ich habe Dich und andere Leser nicht zu sehr gelangweilt
. Auf jeden Fall könnte ich noch lange so weiter schreiben, denn beim Schreiben fallen mir immer mehr Details ein.
Viele Grüße
Ela62