Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Alle Themen die eine Bezug zur Wende und Grenzöffnung haben. Persönliche Erlebnisse, Gedanken aus dieser Zeit, Dokumente und ähnliches.

Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon pentium » 7. August 2020, 17:50

Um mal wieder zum Thema zu kommen:

1989 setzt sich der Lehrer Wendler (Jürgen Schmidt) samt Frau aus der DDR zu seinem bayerischen Onkel ab. Im Westen wird der linientreue Pädagoge mit geschöntem Lebenslauf sofort wieder in den Schuldienst aufgenommen. Er avanciert zum Musterbayern. Bis eines Tages ein Schüler aus vergangenen DDR-Tagen auftaucht…

....
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Interessierter » 8. August 2020, 08:38

Eigentlich sollten damals und heute nicht nur übernommene Volkspolizisten ,sondern auch ihre westdeutschen Kollegen über die nachstehenden Dinge informiert sein.

Polizisten sollten in Grundzügen über die historische Entwicklung der gesellschaftlichen Institution, die sie repräsentieren, Bescheid wissen;
sie sollten wissen, in welchem Maße die Polizei von totalitären Regimen in Deutschland im 20. Jahrhundert missbraucht wurde und sich missbrauchen ließ;
sie sollten sich bewusst machen, welche Gefahren des Missbrauchs in der ihnen vom Staat gegebenen Macht über ihre Mitbürger liegen
.

Bezüglich viel zu oft öffentlich gewordener Ereignisse stellt sich allerdings die Frage, sind sie das denn überhaupt?

Wenn sich, den Ereignissen geschuldet, das Augenmerk zunächst und überwiegend auf die neuen Kollegen der ehemaligen VP richtet, ist das nachvollziehbar.

Diese müssen sich zwangsläufig zunächst damit befassen, was sie zukünftig tun dürfen und was nicht, sie müssen versuchen ein neues Vertrauensverhältnis zu den Bürgern aufzubauen und natürlich auch weiter für Recht und Ordnung sorgen.

Zugegebenermaßen keine leichte Aufgabe.

Besonders nicht für diejenigen VP die es ( wie auch immer ) trotz intensiver Kontakte zu Stasi, geschafft haben übernommen zu werden.
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Interessierter » 12. August 2020, 10:23

Zur Demokratisierung der VP verweise ich gerne auch auf den bereits 2018 von mir unter " Interessante Webseiten " nachstehend eingestellten Link:

Interessante Webseiten

Beitragvon Interessierter » 31. Okt 2018, 09:49
Demokratisierung der Deutschen Volkspolizei

Neues Leitbild und bundesdeutsche Unterstützung

Um den Prozess der Demokratisierung der Volkspolizei voranzubringen, werden unterschiedliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. Sie sollen zum einen helfen, die rund 85.000 VP-Angehörigen (Stand Juni 1990) zu motivieren, deren Stimmung geprägt ist von Verunsicherung aufgrund des Wegfalls der gewohnten festen Strukturen und der Sorge um die eigene berufliche Existenz. Zum anderen soll mit den Maßnahmen die Dezentralisierung der Volkspolizei und ihr Übergang in die Zuständigkeit der neu zu bildenden Länder unter Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit vorbereitet werden.

Integraler Bestandteil des Erneuerungsprozesses ist es, ein neues Berufsbild der Polizeiarbeit zu etablieren, das sich an demokratischen Werten, Menschenrechten und den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit orientiert.

https://deutsche-einheit-1990.de/minist ... neren/dvp/
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Interessierter » 18. August 2020, 09:46

Das Ende der Volkspolizei – Chronologie des Zerfalls

Ungeachtet der Ereignisse vom Sommer, als Tausende DDR-Bürger ihre Ausreise erzwangen, und ohne Rücksicht auf die allgemeine Stimmung im Volk führt die Staatsführung der DDR im Oktober ihre 40-Jahre-Feiern durch.

Im Zuge dieser Feiern kommt es in verschiedenen Städten zu Protestkundgebungen und Schweigemärschen, ihren Höhepunkt erreichen diese Proteste am 08. Oktober 1989 in Ostberlin. Mehrere tausend Menschen ziehen vom Alexanderplatz zum Palast der Republik, wo der sowjetische Staatspräsident und Parteichef Gor-batschow am Abschlußempfang der „Feierlichkeiten“ teilnimmt.

Die SED-Führung setzt daraufhin massiv Volkspolizei gegen die Demonstranten ein. Erstmals sind auch Einheiten der Betriebskampfgruppen im Einsatz, das STASI-Eliteregiment „Felix Dzierzynski“ liegt in Bereitschaft. In Berlin und Leipzig kommt es zu schwersten Ausschreitungen der Vopo, während die Protestierenden zumeist keinerlei Widerstand leisten. „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“ sind die zentralen Parolen der Unzufriedenen.
Die Rechnung der SED geht indes nicht auf. Je mehr Menschen von der Vopo mißhandelt und festgenommen werden, umso mehr drängen neue nach. Für die DDR wird der 07./08. Oktober 1989 zum Wendepunkt. Auch während der folgenden Tage reißen die Proteste nicht ab, und münden schließlich einen Monat später in der Öffnung der Berliner Mauer.

Auch für die Volkspolizei ist dieses Datum der Beginn des bisherigen organisatorischen Zusammenbruchs, wie die nachfolgende Chronologie (beginnend mit dem Januar 1990) zeigt.

03.01.90: Eine „Koordinierungsgrup-pe Gewerkschaftlicher Neubeginn“ und die „Inititative für eine eigen-ständige Gewerkschaft der Volkspolizei“ nehmen vorbereitende Arbeiten zur Gründung einer landesweiten un-abhängigen Polizeigewerkschaft auf. In der Gewerkschaft sollen sowohl die Angehörigen von Schutz- und Kriminalpolizei als auch die Verwaltung, einschließlich des neuen Innenministeriums vertreten sein.

08.01.90: Bei den Untersuchungen der gewalttätigen Polizeiübergriffe während der Demonstration vom 07. Oktober 89 stößt der ermittelnde Generalstaatsanwalt immer wieder auf eine „Wand des Schweigens, des Nichterinnerns oder des plötzlichen Gedächtnisverlustes“. Über die Nachrichtenagentur ADN wirft er der Ostberliner Polizeiführung „mangelnde Bereitschaft zur Kooperation“ vor. Als Zeugen und Beschuldigte gela-dene Polizisten blieben den Verneh-mungen fern und oft fehle das Be-weismaterial.
Generalmajor Dirk Bachmann wird neuer Polizeipräsident von Ost-Berlin. Bachmann löst den am 12.12.89 kom-missarisch mit der Amtsführung be-trauten Oberst Joachim Griebel ab.
Griebel, früher Polizeivizepräsident, hatte das Amt von Generalleutnant Friedhelm Rausch übernommen, der in Folge der Ereignisse um den 07./08. Oktober 89 nicht mehr im Amt gehalten werden konnte.
Mit der Ernennung von Generalmajor Dieter Wunderlich zum Chef der Deutschen Volkspolizei wird dieses Amt erstmals nicht mehr vom Innenminister selbst ausgeübt. Gleichzeitig wird Wunderlich auch Stellvertreter von DDR-Innenminister Ahrendt.

Der detaillierte Bericht geht hier weiter:
https://www.cilip.de/1990/12/27/das-end ... -zerfalls/

Auch wenn es themenfremd ist, weil es die heutige Polizei betrifft: Diese„Wand des Schweigens, des Nichterinnerns oder des plötzlichen Gedächtnisverlustes“ gibt es auch leider heute noch. Daher fordern die Öffentlichkeit und die Politik ja richtigerweise nur noch externe Ermittlungen und Kontrollen bei der Polizei.
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon augenzeuge » 18. August 2020, 16:26

Wann ist ein Beamter verfassungstreu - und wann nicht?

Die politische Treuepflicht war schon immer eine Kernpflicht des Beamten. Die Gewähr des jederzeitigen Eintretens für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne der Verfassung ist für Bewerber ein persönliches Eignungskriterium. Der Beamte schuldet dem Dienstherrn die Erfüllung der beamtenrechtlichen Treuepflicht, einschließlich der Pflicht zum aktiven Eintreten für die „verfassungsmäßige Ordnung“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz. Die Verpflichtung betrifft gleichermaßen das dienstliche wie das außerdienstliche Verhalten des Beamten.


So stellte das Bundesverfassungsgericht bereits 1975 in der Entscheidung zum Radikalenerlass fest, dass der moderne Verwaltungsstaat auf eine intakte, loyale, pflichttreue, dem Staat und seiner verfassungsmäßigen Ordnung innerlich verbundene Beamtenschaft angewiesen ist. Der Beamte ist dem Allgemeinwohl und damit zur uneigennützigen Amtsführung verpflichtet und hat bei der Erfüllung der ihm anvertrauten Aufgaben seine eigenen Interessen zurückzustellen.

Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen. Diese Garantie umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. Antisemitische oder auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar und verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.


Insbesondere muss sich der Beamte eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... nicht.html

AZ
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Interessierter » 28. August 2020, 07:45

Was wurde aus der Volkspolizei?

Im Herbst 1989 hatten Volkspolizisten noch den Befehl, gegen friedliche Demonstranten vorzugehen. Ein Jahr später schworen viele von ihnen einen Eid auf das deutsche Grundgesetz. Eine unglaubliche Geschichte.

"Die Polizisten brauchten Sicherheit", so beschreibt Heinz Eggert, von 1991 bis 1995 sächsischer Innenminister, die Situation der Polizei in den Jahren nach der friedlichen Revolution. Die Kriminalitätsstatistiken meldeten dramatisch steigende Verbrechenszahlen bei gleichzeitig sinkenden Aufklärungsraten. Die Polizei war überfordert, ihre Ausstattung noch auf dem Niveau der DDR-Volkspolizei. Mit altersschwachen Trabbis jagten die ehemaligen Volkspolizisten nun Bankräubern hinterher, die längst über PS-starke Westautos verfügten. Als Handlanger des alten Regimes wurden sie beschimpft, bedroht und ausgelacht.

https://www.mdr.de/zeitreise/schwerpunk ... i-100.html
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Volker Zottmann » 28. August 2020, 13:36

Ich stellte mir das Geschriebene gerade bildlich vor und musste lachen.

Selbst habe ich keinen einzigen Polizeitrabant gesehen, noch je davon gehört.
Wartburg, Lada, Polski Fiat und vereinzelt Wolgas gurkten da eher durch die Gegend. Bei den maroden Straßen damals, kamen die oft besser zurecht, als die weniger robust gebauten "Westimporte".
Es stimmt aber, dass ein rechtsfreier Raum entstand. Wenn ein Jugendlicher mal gegen den Baum fuhr, hat er den Wagen einfach abgefackelt. Hier ist das mehrfach geschehen. Da konnte nicht mal Polizei ausrücken, weil es keine gab.

Zumindest bei uns ist ein vor der Wende knüppelnder Polizist gerade deshalb nicht übernommen worden.

Gruß Volker
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Merkur » 28. August 2020, 14:11

Volker Zottmann hat geschrieben:Selbst habe ich keinen einzigen Polizeitrabant gesehen, noch je davon gehört.
Gruß Volker


Es gab sie ausschließlich in der zivilen Variante als normalen Pkw und als spezielle Kombi-Variante zum Transport von Diensthunden.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Ost-Beamte-Fragebögen nach d. pol. Vergangenheit

Beitragvon Volker Zottmann » 28. August 2020, 16:46

...Und die paar Trabis als Kübelwagen für die Grenzer fallen nicht ins Gewicht, waren auch nie für die Polizei gedacht.

Gruß Volker
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