Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Alle Themen die eine Bezug zur Wende und Grenzöffnung haben. Persönliche Erlebnisse, Gedanken aus dieser Zeit, Dokumente und ähnliches.

Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Olaf Sch. » 19. Juli 2020, 07:08

ich war 1988 in Siofok - und neben baden und Sommerfeeling ging es auch um die Beschaffung von Langspielplatten, für mich U2 und Beatles... endlich das Weiße Album...
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 11:42

Nach dem Ungarnurlaub ging es heim. Im August bezog ich meine erste eigene Wohnung in Leipzig. 2,5 Zimmer ... mit Innentoilette und Bad. Das war schon was! Das bekam nicht jeder. Ich hatte außerordentlich gute Karten. Man wollte mich an mehreren Orten.
Und ich hatte den Leipzigern klargemacht, dass ich in meiner erzgebirgischen Heimat eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit Bad und Fernheizung in Aussicht hatte.
Mit Fernheizung konnte man in Leipzig nicht dienen, dafür aber mit Bad und Innentoilette (absolut unvorstellbar, dass das 1989 tatsächlich in Leipzig nicht überall Standard war. Man hatte mir 3 andere Wohnungen im Rahmen der Absolventenlenkung bereits angeboten, die ich müde lächelnd ablehnte. Mein Glück war wirklich, dass ICH wählen konnte, wohin ich gehe).

Der Vormieter meiner neuen Wohnung war erst vor wenigen Wochen ausgereist. Somit profitierte ich und zog in seine Wohnung. Sein Einrichtungsgeschmack war sehr speziell: überall Sperrholzverkleidungen ... das musste man mögen oder eben dulden. Ich gehörte zur 2. Gruppe. Baumärkte gab es nicht, auch die Beschaffung von Tapeten und Kleister war nicht gänzlich unproblematisch. Mein damaliger "Schwiegervater" arbeitete in einem Thüringer Betrieb und half mir und meiner damaligen Freundin beim Einzug. Tapete konnte ich selbst sehr günstig aus Flöha besorgen. Dort arbeitete ein Kumpel.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon augenzeuge » 7. August 2020, 12:25

Der Vormieter meiner neuen Wohnung war erst vor wenigen Wochen ausgereist.

Ich hoffe, er hat so eine Wohnung wieder gefunden.

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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 13:02

Auch die Beschaffung von Farbe (und Möbeln und Inneneinrichtung sowieso) war alles andere als einfach.
Es war eine Erdgeschosswohnung, draußen alter Baumbestand und entsprechend dunkel. Der Vormietergeschmack war wirklich speziell. Anstatt die Wohnung aufzuhellen, war das Wohnzimmer dunkelbraun (!) gestrichen. Man lebte wie im Bärenarsch. Wir brauchten neben abwaschen, gründlicher Farbentfernung und ordentlicher Tapete mehrere Anstriche, um dem Zimmer einen halbwegs wohnlichen Charakter zu geben. Und dennoch sah man an einigen Stellen immer noch den ursprünglich dunklen Anstrich des Vormieters.
Er hatte Bekannte beauftragt, mir sozusagen das, was er hinterlassen hat, zu verkaufen. Allerdings biss er da bei mir auf Granit. Ich hatte den "Nachlassverwaltern" angeboten, alles auf eigene Kosten auszubauen und den ursprünglichen Zustand herzustellen. Das wollten (bzw. konnten) sie dann doch nicht ... somit blieb es, wie es war und wenige Jahre später hatte ich mir diese Bude dann halbwegs so eingerichtet, wie ich es mir vorgestellt hatte. Leider dann allein, denn unsere Beziehung hielt nur bis 1992.

Zurück zum Sommer 1989: In Leipzig fanden die Montagsdemos statt. Dienstags war es dann ab und an Gesprächsstoff, wer am Montag zur Demo war. Ich muss einräumen, dass ich nicht dazu gehörte. ich schrieb bereits an anderer Stelle, dass ich kein Widerstandskämpfer war und die DDR trotz aller Widrigkeiten immer noch als mein Heimatland sah, der/dem ich viel zu verdanken hatte.
Allerdings sollte es medial schon bald einen Vorfall geben, der mich nachdenken ließ ...
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Olaf Sch. » 7. August 2020, 17:01

der Mitropa Koch?
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 18:47

Exakt. Hartmut Ferworn. Leider bin ich zu doof, das Foto dieses Artikels hier einzubinden. Deshalb hier der Link zum Original aus dem NEUEN DEUTSCHLAND vom 21. September 1989:

http://www.leipziger-montagsdemo.de/inf ... uerger.htm

Vielleicht gibt es Talentiertere als mich, die ich besser sichtbar machen können.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 18:53

Wer mehr dazu lesen möchte ... hier entlang: https://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_Ferworn
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon augenzeuge » 7. August 2020, 21:26

OaZ hat geschrieben:Wer mehr dazu lesen möchte ... hier entlang: https://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_Ferworn


Ich kannte den namen gar nicht. Aber die Story.

Das war mir klar, als ich das damals gelesen hatte...jeder im Westen hat sich darüber kaputt gelacht.

Darin schilderte Ferworn, wie er nach seiner Rückkehr in die DDR vom Ministerium für Staatssicherheit zu seinen Aussagen erpresst worden sei.


Vielleicht kann ja mal einer erklären, wer hierfür die Verantwortung hatte..... [flash] ,

Chefredakteur Herbert Naumann soll nach der Wende behauptet haben, dass Ferworns Geschichte der Zeitung von der Abteilung Agitation des ZK „aufgenötigt“ worden sei: „Ich habe sie leider zunächst geglaubt, denn natürlich gab es in Ungarn auch Abwerbung, und der Mann versicherte immer wieder auf Tonband, daß die Sache stimmt. ZK-Abteilung und Staatssicherheit bürgten für die Wahrheit.


Das wäre sogar dem Spiegel aufgefallen.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 21:36

Ich hatte mich seinerzeit sehr gewundert. Diese Story passte nicht zu dem, was ich wenige Wochen vorher in Ungarn in der bundesdeutschen Botschaft gesehen hatte. Warum sollte der Westen auf diese Art und Weise der DDR die Bürger klauen? Meine Zweifel wuchsen ...

Und als ich am 7.10.1989 (40. Jahrestag der DDR) in der Leipziger Innenstadt (Nikolaikrchhof) war und gesehen habe, wie die Volkspolizei Menschen, die absolut nichts Verbotenes getan hatten, auf LKW warf (!), hatte ich ein ungutes Gefühl. Die Staatsmacht zeigte gegenüber dem eigenen Volk eine Stärke, die mir unverständlich war.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon steffen52 » 7. August 2020, 21:44

OaZ hat geschrieben:Ich hatte mich seinerzeit sehr gewundert. Diese Story passte nicht zu dem, was ich wenige Wochen vorher in Ungarn in der bundesdeutschen Botschaft gesehen hatte. Warum sollte der Westen auf diese Art und Weise der DDR die Bürger klauen? Meine Zweifel wuchsen ...

Und als ich am 7.10.1989 (40. Jahrestag der DDR) in der Leipziger Innenstadt (Nikolaikrchhof) war und gesehen habe, wie die Volkspolizei Menschen, die absolut nichts Verbotenes getan hatten, auf LKW warf (!), hatte ich ein ungutes Gefühl. Die Staatsmacht zeigte gegenüber dem eigenen Volk eine Stärke, die mir unverständlich war.

Ja OaZ und wo ist der Unterschied zu Heute? Nur mal so als Frage! Was damals in der DDR abging hat mich genau so geschockt wie Dich. Aber was Heute hier bei einer anderen Meinung abgeht, so groß ist der Unterschied nun auch nicht,
bis halt auf den LKW werfen. [denken] Entschuldige, musste ich los werden, will Deinen Thread nicht zerstören. Schreibe weiter, werde nicht mehr stören! [hallo]
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 21:46

@Steffen52

Was meinst du mit "heute" und "andere Meinung haben"?
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon steffen52 » 7. August 2020, 21:58

OaZ hat geschrieben:@Steffen52

Was meinst du mit "heute" und "andere Meinung haben"?

Ist schon okay, OaZ! Passt nicht hier rein. Habe es nur mal so eingeworfen. Könnte Dir darauf antworten halt aber nicht hier in Deinen Beitrag. Sonst springen ein paar Experten hier wieder im Dreieck.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 7. August 2020, 22:01

steffen52 hat geschrieben:
OaZ hat geschrieben:@Steffen52

Was meinst du mit "heute" und "andere Meinung haben"?

Ist schon okay, OaZ! Passt nicht hier rein. Habe es nur mal so eingeworfen. Könnte Dir darauf antworten halt aber nicht hier in Deinen Beitrag. Sonst springen ein paar Experten hier wieder im Dreieck.
Gruß steffen52


Das war dein 7777. Beitrag!!!!!!! [ich auch] [ich auch] [ich auch] ... wo wohnst du und wann gibts Freibier fürs Forum?
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon augenzeuge » 8. August 2020, 09:19

wie die Volkspolizei Menschen, die absolut nichts Verbotenes getan hatten, auf LKW warf


steffen52 hat geschrieben:Ja OaZ und wo ist der Unterschied zu Heute?
Gruß steffen52


Könnte Dir darauf antworten
[laugh] Ganz sicher nicht!

Junge, Junge, wie kann man solche Bretter vorm Kopf haben.... [angst]
Der Unterschied ist so groß, dass ich gar nicht verstehen kann, dass man das auf eine Ebene setzt.

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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Dr. 213 » 8. August 2020, 11:11

OaZ hat geschrieben:Ich hatte mich seinerzeit sehr gewundert. Diese Story passte nicht zu dem, was ich wenige Wochen vorher in Ungarn in der bundesdeutschen Botschaft gesehen hatte. Warum sollte der Westen auf diese Art und Weise der DDR die Bürger klauen? Meine Zweifel wuchsen ...

Und als ich am 7.10.1989 (40. Jahrestag der DDR) in der Leipziger Innenstadt (Nikolaikrchhof) war und gesehen habe, wie die Volkspolizei Menschen, die absolut nichts Verbotenes getan hatten, auf LKW warf (!), hatte ich ein ungutes Gefühl. Die Staatsmacht zeigte gegenüber dem eigenen Volk eine Stärke, die mir unverständlich war.


Ansich finde ich es schonmal eine Frechheit von der SED, die Leute für so dumm zu halten. Die Story hätte auch von Schnitzler sein können.
Aber so lief das eben in der DDR immer. Wie beim 17. Juni, Prager Frühling oder der Revolution in Polen.
Immer wurde dazu im Neuen Deutschland die offizielle Version und dazu auch gleich die Schuldigen aus dem Westen veröffentlicht.

Die Parteifuzzis und Parteisekretäre hatten dann am Morgen dieses Geschmiere aus dem ND zu studieren und auszuwerten.
Dann wurde in Schulen und Betrieben Versammlungen einberufen um den Untergebenen die offizielle Sprachregelung einzutrichtern.

So habe ich es bei der Revolution in Polen erlebt, als der Unterricht erst mit einer Stunde Verzögerung begann, weil die Lehrer
im Lehrerzimmer sich erst die Rotlichtbestrahlung abholen musten um den vom Westfernsehen bereits gebrieften Schülern entgegenzutreten.

Da wo man Menschen auf LKW's geworfen hat, ich würde eher sagen wie Vieh die Stiegen rauf geknüppelt hat, weil das Werfen ja
nun nicht wirklich nich so praktikabel ist. Und das waren bestimmt nicht zufällig dort vorbei kommende Passanten sondern Widerständler.
Und Beethoven und seine Kollegen hätte am liebsten bestimmt diese Machtkämpfe begleitet, völlig gewaltlos und friedlich selbstverständlich. [wink]

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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 8. August 2020, 12:08

Im Oktober 1989 habe ich dann auch zum allerersten Mal die Volkspolizei mit Helm und Visier, Schild und Kampfmontur gesehen. Vorher noch nie! Das war schon eine neue Dimension, die da sichtbar wurde.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 8. August 2020, 12:18

Zur Einlassung vom Dr.213 mit Beethovens Leuten....
Kürzlich schrieb ich das schonmal.
Bei mir hat sich ein Fallschirmjäger aus Beethovens Truppe, die in Leipzig auf ihren Einsatz warteten und dann unverrichteter Dinge zurück nach Lehnin mussten und dort aus Frust Teile ihrer Einrichtung zerschlugen, per Mail gemeldet.

Er hat meine Ausführungen in http://baupionier.zottmann.org ausführlich gelesen. Er bestätigte genau deren Befehl so, wie er heute gerne verharmlosend bestritten wird. Ihm ist auch erst spät ein Licht aufgegangen, dass sie missbraucht werden sollten.

Gruß Volker
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Dr. 213 » 8. August 2020, 12:33

Ja auch die LKW mit den Räumschildern vorne am Fahrzeug.
Alle schön heimlich vom Kirchturm aus gefilmt und noch am Abend in den Westnachrichten gezeigt.
Da sind beim Anblick der Schutzschilder und Räumfahrzeuge bestimmt auch bei einigen Systemdienern Welten zusammengebrochen.

Alle Angehörigen der Staatsorgane, die dabei noch mitgemacht haben sollten sich bis an ihr Ende dafür schämen.
Wenn es nach mir gegangen wäre, ich hätte genau Null Personen davon in den Staatsdienst übernommen.
Weil sie damit nachweislich für die Übernahme in die Polizei eines demokratischen Rechtsstaates eigentlich ungeeignet waren.

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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 8. August 2020, 13:41

Ich hatte 1989 beruflich mit einem 11jährigen Mädchen zu tun, deren Vater hauptberuflich bei der Stasi arbeitete. Das war, wie alle, die in der DDR aufgewachsen sind wissen, nichts Ungewöhnliches. Im Herbst 1989 jedoch richtete sich der Zorn und der Frust auf die Stasi nicht nur auf die dort Tätigen sondern auch auf deren Kinder. Das war manchmal schon sehr problematisch.
Vor wenigen Monaten gingen die Kinder noch ganz normal miteinander um und spielten zusammen, nun wurden sie ausgegrenzt und gemobbt (dieses Wort gab es damals allerdings so noch nicht). Das Mädchen war keine besonders gute Schülerin. Das Lernen fiel ihr nicht leicht. Nun kam noch erschwerend für sie hinzu, dass sie Angst hatte, in die Schule zu gehen, weil sie sich für etwas "verantworten" sollte, das sie weder verstand noch beeinflussen konnte.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 8. August 2020, 14:10

Das, OaZ war keineswegs überall so.
Mein Onkel bei der Stasi, hatte etwas vor der Wende seine Dienstzeit rum, war also schon Rentner, junger Rentner. Dessen Kinder angagierten sich teilweise im Neuen Forum. Dort hat man gewusst, dass zum Beispiel meine Cousine Marlis eine andere Person als ihr Vater ist. Da gab es keine Sippenhaft. Der Onkel hatte im Dienst schon zu knabbern, als eine seiner 4 Töchter den Sohn des französischen kommunistischen Partnerstadt-Bürgermeisters heiraten wollte und das auch durchzog. Genau da begann auch er zu merken, dass die DDR nicht ganz so sauber war, wie sie sich gern international zeigen wollte.
Die Hochzeit wurde damals durchgezogen, zähneknirschend und wenige Jahre später ihre Beerdigung in QLB, wo nun auch alle angeheirateten Familienangehörigen aus Frankreich einreisten. Sie selbst durfte zu Lebzeiten nie hin.
Schon dadurch gab es Brüche, auch innerhalb der Familien und besonders im Osten beim Nachdenken.

Das alles wissend, hat man meiner Cousine Marlis nie beim Neuen Forum misstraut. Im Gegenteil.

Gruß Volker
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 8. August 2020, 14:44

Ja. Glaube ich dir. Hat allerdings nichts mit dem 11jährigen Kind zu tun. Das konnte ja gar nicht verstehen, worum es im Herbst 1989 ging.
Und Leute, die früher hauptberuflich für das MfS gearbeitet haben, die haben daraus ja auch gar keinen Hehl gemacht.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 8. August 2020, 18:27

Kann mal ein Verantwortlicher den nicht zum Thema gehörenden Müll auslagern ... oder noch besser: LÖSCHEN ?
Ist ja schlimmer als im Kindergarten!
Bekämpft euch doch besser in privaten Nachrichten. Da werden die anderen nicht belästigt!
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon augenzeuge » 8. August 2020, 21:27

Mach einfach weiter..... [hallo]

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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 9. August 2020, 22:00

OaZ hat geschrieben:Ich hatte 1989 beruflich mit einem 11jährigen Mädchen zu tun, deren Vater hauptberuflich bei der Stasi arbeitete. Das war, wie alle, die in der DDR aufgewachsen sind wissen, nichts Ungewöhnliches. Im Herbst 1989 jedoch richtete sich der Zorn und der Frust auf die Stasi nicht nur auf die dort Tätigen sondern auch auf deren Kinder. Das war manchmal schon sehr problematisch.
Vor wenigen Monaten gingen die Kinder noch ganz normal miteinander um und spielten zusammen, nun wurden sie ausgegrenzt und gemobbt (dieses Wort gab es damals allerdings so noch nicht). Das Mädchen war keine besonders gute Schülerin. Das Lernen fiel ihr nicht leicht. Nun kam noch erschwerend für sie hinzu, dass sie Angst hatte, in die Schule zu gehen, weil sie sich für etwas "verantworten" sollte, das sie weder verstand noch beeinflussen konnte.


Normalerweise zitiert man sich nicht selbst, aber ich mache es, um anknüpfen zu können:

Der Herbst 1989 war ungewöhnlich. Extrem ungewöhnlich. Am 18.10. war ich mit Kollegen in Bad Frankenhausen zu einer Weiterbildung. Zu viert fuhren wir im Trabi P 601. Auf der Rückfahrt lief das Radio. Plötzlich, am Nachmittag, wurde gemeldet, dass Erich Honecker zurückgetreten sei. Die ältere Kollegin, die fuhr, fragte uns, ob sie richtig verstanden hätte, was gerade im Radio gesagt wurde. Wir bejahten. Sie musste rechts ran fahren und anhalten. Es war unfassbar, was gerade gesagt wurde. Honecker war nicht mehr Chef der DDR. Krenz hatte ihn beerbt. Meine mitgereisten Kollegen konnten es nicht fassen. Ich nahm es weitestgehend regungslos zur Kenntnis (zumindest so in meiner Erinnerung ... ist ja nun auch schon mehr als 30 Jahre her). Nach einigen Minuten Pause und mehr oder weniger sinnvollen Statements untereinander ging es zurück nach Leipzig.

Egon Krenz war abends im Fernsehen zu sehen ... neu (nicht nur für mich) war, dass er "zwischen Tür und Angel" von einer recht jungen Medienvertreterin des DDR-Fernsehens interviewt wurde und sich auch spontan den Fragen stellte und frei antwortete.
Das war ja in der DDR unüblich. Westliche Medienvertreter (eigene hatten keine Fragen zu stellen, die bekamen etwas, was sie zu veröffentlichen haben) hatten ihre Fragen vorher schriftlich einzureichen, damit sich die zur Pressekonferenz erschienenen DDR-Verantwortlichen entsprechend der vorgegebenen Linie vorbereiten konnten.
Egon Krenz kam alles andere als unsympathisch rüber. Der Altersunterschied zum greisen Honecker wirkte wohltuend. Auch der Umgang mit der Journalistin. Krenz wirkte ein klein wenig wie Gorbatschow. Aber nur ein ganz klein wenig ...

Man durfte gespannt sein, was jetzt kommt ...
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 10. August 2020, 09:30

Dass magst Du so empfunden haben...
"Egon Krenz kam alles andere als unsympathisch rüber."
Der Masse war er doch eher genauso unsympathisch wie auch mir. Was sollte mit einem besser werden, der das niederschießen jedes Widerspruchs in China gerade erst als legitim bewertete?
Einer, der mit befehlsgebend, mit bestimmend war, dass die DDR-Grenze unüberwindlich sein sollte, konnte nie mein Favorit in der DDR werden.
Als Krenz an die Macht kam, waren schon alle Messen gesungen, trotzdem, da gebe ich Dir recht OaZ, keimte etwas Hoffnung.
Ich erinnere mich, dass wir am folgenden Wochenende im "Quedlinburger Hof" tanzen waren. Dort wurde schon gegen Krenz geblödelt. Und zwar vom Mann mit dem Mikrofon. Nein, beliebt war Krenz nie. Was man im Fernsehen sah bezüglich Zustimmung, waren stets gestellte Aufnahmen.

Gruß Volker
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon Olaf Sch. » 10. August 2020, 10:23

ich kann mich noch gut an die Demo am 4.11. in Berlin erinnern, 10 Meter von mir weg lief der mit dem Schild mit "Großmutter warum hast du so große Zähne?!" Egon wurde nicht ernst genommen: Egon hat nen Plan
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 10. August 2020, 10:29

Dass der Verlauf der Geschichte gezeigt hat, dass Krenz ungeeignet war, steht außer Frage. Meine obigen Äußerungen bezogen sich auf den Abend des 18. Oktober.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 12. August 2020, 09:56

In Leipzig gibt es eine "Straße des 18. Oktober". Sie bezieht sich auf den entscheidenden Tag der Völkerschlacht, als Napoleon hier ordentlich Haue bekommen hat. Stadtführer machen sich manchmal den Spaß, darauf hinzuweisen, dass bereits 2x am 18. Oktober seinerzeit wichtige Politiker an Leipzig gescheitert sind: Der Franzose und der Saarländer ... und manchmal fragen ungläubige Touristen, ob man wirklich eine Straße nach dem Rücktrittsdatum Honeckers bezeichnet hat.
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 25. August 2020, 08:31

In den folgenden Tagen war Egon Krenz in den Medien stets präsent. Zwar kannte man das von Honecker auch, aber Krenz kam anders rüber: vor allem lockerer.

Die medialen Ereignisse überschlugen sich. Tagtäglich wurden neue Sauereien aus den Kreisen der SED-Machthaber bekannt. Es war spannend, den Fernseher einzuschalten. Das war vorher kaum der Fall.
Demonstrationen fanden überall in der DDR statt. Für die Großstädte ist das allgemein bekannt. Für die Kleinstädte eher weniger. Manchmal nahm das auch ziemlich krude Züge an. In einer erzgebirgischen Kleinstadt bspw. gingen junge Leute auf die Straße, die nicht ernst genommen werden konnten. Es waren vielleicht 30 oder 40, die da durch die Stadt zogen und von allen nur ein mitleidiges Lächeln bekamen. Sie waren dafür bekannt, dass sie einerseits nicht die hellsten Kerzen auf der Geburtstagstorte waren, andererseits empfahlen sie sich nicht für ordentliches und fleißiges Arbeiten.
Es war sozusagen der Menschenschlag, den man nicht unbedingt in der Nachbarschaft und auch nicht als Kollegen wollte. Frauen waren übrigens keine bei den Demonstranten zu finden (nach meiner und anderer Erinnerung).
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Re: Mein Urlaub in Ungarn Sommer 1989

Beitragvon OaZ » 29. August 2020, 17:42

Der 9. November 1989 war ein Donnerstag. Am frühen Morgen versprach er nichts Außergewöhnliches. Die Menschen gingen auf Arbeit, erledigten ihr Tagwerk und kamen in den Nachmittags- oder Abendstunden heim. So auch ich.
Meine Arbeit war am frühen Nachmittag geschafft, ich fuhr mit der Straßenbahn heim.
Meine (damalige) Freundin, damals noch Studentin, war bereits zu Hause. Am Nachmittag geschah nichts Aufregendes. Ich hatte noch einiges Dienstliches zu erledigen, das ich im Wohnzimmer am großen Tisch tat. Dieser stand so, dass man von ihm aus auch fernsehen konnte.
Wir hatten einen DDR-üblichen Fernseher (ich würde meinen, es war schon möglich in Farbe zu sehen, allerdings will ich mich da nicht 100%ig festlegen). Fernbedienung gabs damals (zumindest für uns) noch nicht.
Nachrichten gucken gehörte im Herbst 1989 zum täglichen Pflichtprogramm, jeder Tag brachte Neuigkeiten, die oft unfassbar waren.
Man glaubte kaum, wie es hinter den Kulissen der Macht zuging.

Ich muss einräumen, dass ich die eigentliche Pressekonferenz mit Schabowski nach meinen Erinnerungen nicht gesehen habe. Sie begann 18 Uhr und wurde live übertragen. Ca. 20 Jahre später konnte man im Internet lesen, dass sie bis ca. 19 Uhr langweilig und mit den üblichen DDR-Floskeln und teilweise unverständlichem "Parteichinesisch" begonnen und fortgesetzt wurde.

19:30 Uhr schaute ich die AKTUELLE KAMERA, die seinerzeit wohl interessanter als die TAGESSCHAU war.
Die hübsche Angelika Unterlauf hatte Dienst und bereits in den Schlagzeilen kündigte sie unter Punkt 2 an, dass es neue Bestimmungen zum Reiserecht gibt. Um 19:32 Uhr verkündete sie das, mit dem kurz zuvor Schabowski durch sein unvorbereitetes Auftreten die Mauer zum Einsturz brachte.
Ich muss zugeben, dass mir das in diesem Moment gar nicht bewusst war. Ich hatte es gehört, habe aber gar nicht realisiert, was das bedeutete ...

Hier der Link zur AK vom 9.11.1989: https://www.youtube.com/watch?v=pSfNdb4nb_0
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