Als sich eine Kleinstadt in Sachsen gegen die SED erhob

Alle Themen die eine Bezug zur Wende und Grenzöffnung haben. Persönliche Erlebnisse, Gedanken aus dieser Zeit, Dokumente und ähnliches.

Als sich eine Kleinstadt in Sachsen gegen die SED erhob

Beitragvon augenzeuge » 3. November 2019, 19:49

Die Revolution, die schließlich zur Wende geführt hat, ging nicht nur von Berlin und Leipzig aus. Im tiefsten Sachsen, in Oschatz, setzten sich die Menschen ebenso für die Freiheit ein. 30 Jahre später fühlen sie noch immer die Euphorie jener Tage im Herbst 1989, die alles veränderten.

Die Wende 1989 – das ist ebenso die Geschichte von Sondershausen, Bischofswerda oder Neubrandenburg. Es ist auch die Geschichte von Oschatz, einer Kleinstadt von kaum 20.000 Einwohnern, auf halbem Wege zwischen Leipzig und Dresden gelegen. Und es ist die Geschichte von mutigen Bürgern wie der Lehrerin Gabriele Neubert und dem Kirchenmann Martin Kupke, von dem die Eingangsworte stammen. In Oschatz tragen sie den Protest in die Öffentlichkeit und eröffnen dem Unmut im Volk ein Forum.


'Wir gründen in Oschatz das Neue Forum und brauchen natürlich Mitglieder. Macht ihr mit?' Natürlich wussten wir, was damals in Leipzig los war. Über Mund-zu-Mund-Propaganda. Mein Mann und ich entschieden uns dann: Wir machen mit, aber nur einer von uns beiden. Wir hatten zwei Kinder, die beide kurz vor dem Schulabschluss standen. Wenn das schief geht, können wir nicht beide ins Gefängnis gehen. Und dann hab ich gesagt, ich mach mit."


Sie zwangen die Männer zu unterschreiben, dass sie mit der Waffe in der Hand auf die Demonstranten schießen. Mein Mann, der auch Lehrer war, traute sich gar nicht, davon zu erzählen, weil er sich so geschämt hatte. Er und seine Kollegen hatten die ganze Zeit überlegt: Unterschreiben wir oder unterschreiben wir nicht? Sie sagten dann: Verdammt, wir unterschreiben, schießen werden wir sowieso nicht. Die standen unter einem enormen psychischen Druck."

https://www.t-online.de/nachrichten/wis ... erhob.html

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Re: Als sich eine Kleinstadt in Sachsen gegen die SED erhob

Beitragvon Interessierter » 4. November 2019, 08:10

Mit Mini-Kamera und Geruchsprobe: So spionierte die Stasi in Oschatz

Die Stasi-Spitzel hatten zu DDR-Zeiten überall ihre Augen, Nasen und Ohren

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Diese Geruchsprobe eines DDR-Bürgers stammt aus dem Stasi-Archiv. Die Proben wurden bei Wohnungsdurchsuchgen von Leuten genommen, die ins Visier der Stasi geraten waren. Beispielsweise wurde Staub von einem Stuhl mit einem Lappen abgewischt und konserviert. Quelle: Foto: Frank Hörügel

Seit knapp drei Jahrzehnten war die Tafel verschwunden, in dieser Woche tauchte sie plötzlich wieder auf. „Kreisstelle für Staatssicherheit Oschatz“ steht auf dem Metallschild. Bis zur Wende hing es an der Villa in der Freiherr-vom-Stein-Promenade 11 – der Stasi-Zentrale in Oschatz. Dann wurde es abgeschraubt und eingelagert. „Am Dienstag ist das Schild im Museum abgegeben worden“, freut sich Dana Bach, Leiterin des Stadt- und Waagenmuseums. Das Schild dekoriert nun den nachgestalteten Arbeitsplatz eines Stasimitarbeiters und kann ab Sonnabend, 13.30 Uhr, im Museum besichtigt werden. Dann wird die neue Sonderausstellung „Geheime Einblicke – Die Stasi in Oschatz“ offiziell eröffnet.

„Zwei Jahre lang habe ich mich durch die Unterlagen gekämpft“, sagt die 47-Jährige. Im Stasi-Unterlagen-Archiv in Leipzig sichtete sie 4331 Seiten in 98 Bänden. Die waren auf einem Rollwagen mit vier Etagen gestapelt.

417 IM in Oschatz

Viel Material hat sie zur Stasi-Zentrale in der Promenade gefunden, wo 34 hauptamtliche Spione arbeiteten, die wiederum 417 inoffizielle Mitarbeiter (IM) lenkten. Alle Hauptamtlichen hatten einen Dienstgrad, selbst die Putzfrau durfte sich Oberfeldwebel nennen. Als in der Wendezeit die letzte Stunde für die Stasi schlug, herrschte in der Zentrale noch einmal Hochbetrieb. „Die Dienststelle hatte vier Wochen Zeit, um Akten zu vernichten“, hat Dana Bach herausgefunden. Lediglich 23 Säcke und sieben Koffer voll Dokumente blieben übrig und wurden nach Leipzig transportiert. Bis heute ist noch nicht alles aufgearbeitet. Ein Sack voll zerrissener Akten lagert noch im Stasi-Archiv.

Wimpel mit C&A-Aufdrucken

Doch nicht nur in der Oschatzer Stasi-Zentrale saßen die Spione. Allein im Glasseidenwerk waren im Jahr 1983 genau 47 IM tätig. Und die IM schrieben fleißig Berichte – über Missstände in den Betrieben, systemkritische Büttenreden des Oschatzer Carneval Clubs oder über die 750-Jahr-Feier in Oschatz. Zu dieser Feier hatten Beschäftigte des Eko-Werkes (Erstlings- und Kinderbekleidungswerk Oschatz) eine Wimpelkette aus Stoffresten aufgehangen. Und diese Wimpel hatten Aufdrucke des westdeutschen Bekleidungsunternehmens C&A. Das sei für die Oschatzer unverständlich gewesen, hieß es in einem Spitzelbericht. Tatsächlich wurde in der Eko zu DDR-Zeiten Bekleidung für C&A hergestellt.

Briefe aus dem Westen geöffnet

Neben vielen Schriftstücken mit Bezug zu Oschatz zeigt die Schau auch, mit welcher Technik die DDR-Bürger damals ausspioniert wurden. Moderne Mini-Kameras waren in Aktentaschen oder Zigarettenetuis versteckt. Es gab Stabwanzen und Kugelschreiber-Mikrofone. Alles mit teurer Westtechnik ausgerüstet. Geld dafür hatte die Stasi zur Genüge. Allein in Leipzig wurden pro Schicht 1000 Briefe aus dem Westen geöffnet und wieder verschlossen. Geldgeschenke der Westverwandten verschwanden dabei spurlos. Pro Jahr kamen so in Leipzig rund 180 000 harte Westmark zusammen.

https://www.lvz.de/Region/Oschatz/Mit-M ... in-Oschatz
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