Der 40. Jahrestag der DDR 1989 Am Ende nur Nebel
Verfasst: 3. November 2019, 10:13
Als alles schon in Auflösung war, feierte die DDR ihren 40. Jahrestag. Ein intimer Bericht über den Niedergang des Alten und Hoffnung auf Neues.
von Thomas Gerlach
Menschen demonstrieren vor der Nikolaikirche in Leipzig am 7. Oktober 1989
Foto: Martin Jehnichen
Der 40. Jahrestag der DDR stand vor der Tür. Mürrisch hatte der Eisenwarenhändler nebenan die DDR-Fahne gehisst. Sein Laden war eine Fundgrube – Einmachgläser, Schrauben, Töpfe. Kundschaft kam aus der ganzen Stadt. Einmal sah ich Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, in Leipzig eine Institution, in den Laden gehen.
Ich wohnte seit Sommer 1988 in Leipzig-Lindenau. Jeden Morgen um halb sieben steckte der Postbote das Neue Deutschland, kurz ND, durch den Türschlitz. Ein weiches Geräusch, das mich weckte. Da ich Parterre wohnte, fiel mir das ND vor die Füße. Mit dem Umzug in meine erste eigene Wohnung hatte ich das „SED-Zentralorgan“ abonniert. Ich kam aus einem Dorf bei Magdeburg, hatte fünf Jahre in einer LPG gearbeitet und war seit 1987 Student der evangelischen Theologie an einem kleinen kirchlichen Seminar. Ich wollte aus erster Hand wissen, welche Botschaften die SED bereithielt.
Jetzt, kurz vor dem 7. Oktober 1989, quoll die Zeitung über. Verdiente Bürger und Kollektive wurden geehrt, Ehrenbanner überreicht, Orden verliehen. Das SED-Politbüro lud Widerstandskämpfer, Aktivisten und Veteranen zur Feier. Erich Honecker beförderte Generale der NVA und der Staatssicherheit. Die DDR – für Honecker war sie ein „Glück für die Völker Europas“ und ein „fester Sperrriegel“ gegen alle Versuche, die Nachkriegsordnung zu revidieren. Die Liste der Staatsgäste, die eintreffen würden, wurde immer länger.
Die chinesische Delegation war schon am 2. Oktober gelandet. Es war auffällig, wie sehr die SED das Verhältnis zur Volksrepublik China betonte, die ebenfalls ihren 40. Jahrestag feierte. Anfang Juni war die KP in Peking mit Panzern gegen Zehntausende demonstrierende Studenten vorgegangen. Es gab Hunderte Tote, vielleicht mehrere Tausend. Jetzt trafen sich die Genossen zum Erfahrungsaustausch.
Laut hatte Politbüromitglied Egon Krenz die Umsicht der Genossen in Peking gelobt. Nicht ein Toter sei auf den Fotos zu sehen, nur Schauermärchen aus dem Westen, echauffierte er sich. Dann wurde es ruhig. Im Sommer legte sich eine Lähmung über das Land. Der DDR liefen die Menschen davon und Erich Honecker war abgetaucht. Er sei krank, hieß es in den Westmedien. Das ND schwieg sich aus.
Hier geht es weiter:
https://taz.de/Der-40-Jahrestag-der-DDR-1989/!5628163/
von Thomas Gerlach
Menschen demonstrieren vor der Nikolaikirche in Leipzig am 7. Oktober 1989
Foto: Martin Jehnichen
Der 40. Jahrestag der DDR stand vor der Tür. Mürrisch hatte der Eisenwarenhändler nebenan die DDR-Fahne gehisst. Sein Laden war eine Fundgrube – Einmachgläser, Schrauben, Töpfe. Kundschaft kam aus der ganzen Stadt. Einmal sah ich Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, in Leipzig eine Institution, in den Laden gehen.
Ich wohnte seit Sommer 1988 in Leipzig-Lindenau. Jeden Morgen um halb sieben steckte der Postbote das Neue Deutschland, kurz ND, durch den Türschlitz. Ein weiches Geräusch, das mich weckte. Da ich Parterre wohnte, fiel mir das ND vor die Füße. Mit dem Umzug in meine erste eigene Wohnung hatte ich das „SED-Zentralorgan“ abonniert. Ich kam aus einem Dorf bei Magdeburg, hatte fünf Jahre in einer LPG gearbeitet und war seit 1987 Student der evangelischen Theologie an einem kleinen kirchlichen Seminar. Ich wollte aus erster Hand wissen, welche Botschaften die SED bereithielt.
Jetzt, kurz vor dem 7. Oktober 1989, quoll die Zeitung über. Verdiente Bürger und Kollektive wurden geehrt, Ehrenbanner überreicht, Orden verliehen. Das SED-Politbüro lud Widerstandskämpfer, Aktivisten und Veteranen zur Feier. Erich Honecker beförderte Generale der NVA und der Staatssicherheit. Die DDR – für Honecker war sie ein „Glück für die Völker Europas“ und ein „fester Sperrriegel“ gegen alle Versuche, die Nachkriegsordnung zu revidieren. Die Liste der Staatsgäste, die eintreffen würden, wurde immer länger.
Die chinesische Delegation war schon am 2. Oktober gelandet. Es war auffällig, wie sehr die SED das Verhältnis zur Volksrepublik China betonte, die ebenfalls ihren 40. Jahrestag feierte. Anfang Juni war die KP in Peking mit Panzern gegen Zehntausende demonstrierende Studenten vorgegangen. Es gab Hunderte Tote, vielleicht mehrere Tausend. Jetzt trafen sich die Genossen zum Erfahrungsaustausch.
Laut hatte Politbüromitglied Egon Krenz die Umsicht der Genossen in Peking gelobt. Nicht ein Toter sei auf den Fotos zu sehen, nur Schauermärchen aus dem Westen, echauffierte er sich. Dann wurde es ruhig. Im Sommer legte sich eine Lähmung über das Land. Der DDR liefen die Menschen davon und Erich Honecker war abgetaucht. Er sei krank, hieß es in den Westmedien. Das ND schwieg sich aus.
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