Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Alle Themen die eine Bezug zur Wende und Grenzöffnung haben. Persönliche Erlebnisse, Gedanken aus dieser Zeit, Dokumente und ähnliches.

Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Interessierter » 9. Oktober 2019, 10:08

Sie riefen: „Wir sind keine Rowdies!“ Und plötzlich: „Wir sind das Volk!“ So war der 9. Oktober vor 30 Jahren in Leipzig – die Montagsdemonstration der 70.000.

Was sie am 9. November 1989 gemacht hat, weiß Kathrin Mahler Walther nicht mehr genau. Aber was sie am 9. Oktober 1989 gemacht hat, wird sie niemals vergessen. Wie die meisten anderen Leipziger auch. Sie weiß auch noch, was sie in der Nacht zuvor gemacht hat. Da druckte die Facharbeiterin für Schreibtechnik, 19 Jahre alt, illegal einen Appell an die Leipziger zur absoluten Gewaltlosigkeit am nächsten Tag. Absender: drei Bürgerrechtsgruppen. Auflage: 30.000 Stück.

Schon seit 1982 fanden in der Nikolaikirche jeden Montag die Friedensgebete statt und sie waren immer größer geworden. Trotzdem, diesmal hätten sehr, sehr viele Leipziger am Sonntag, dem 8. Oktober, alles darum gegeben, wenn sie den Montag, den 9. Oktober, hätten überspringen dürfen. Warum nicht einfach mit dem Dienstag, mit dem 10. Oktober weitermachen? Rolf-Michael Turek, der zweite Pfarrer der Nikolaikirche, sah schon den ganzen Tag Videos vom Platz des himmlischen Friedens, sie stimmten ihn nicht zuversichtlicher.

Die Stadt brauchte dringend eine Atempause. Schon weil der Tag zuvor der 7. Oktober war, die DDR hatte Geburtstag, einen runden zudem, doch dem Geburtstagskind war sehr gewalttätig zumute. Auch weil es nicht wusste, ob seine Gäste in die Innenstadt gekommen waren, um mitzufeiern oder um die Party zu stören. Irgendwie war es beides. Und da prügelte der Jubilar los. Schilde und Schlagstöcke. Fast zweihundert Festnahmen, auf offener Straße.

Eltern schrieben Abschiedsbriefe an ihre Kinder

Die Thomaskirche wurde zum Lazarett hergerichtet, die Krankenhäuser erhielten Extra-Blutkonserven, Eltern schrieben Abschiedsbriefe an ihre Kinder und sagten Nachbarn, wohin sie ihre Kinder bringen sollten, kämen sie nicht zurück. Straßenbahnfahrer hatten schon zuvor vertrauliche Anleitungen für das Führen einer Straßenbahn in Zeiten der Konterrevolution erhalten. Es handele sich gewissermaßen um einen Fronteinsatz: Vor Menschenmengen müsse man nicht zwangsläufig bremsen. Kurz klingeln und weiterfahren.

Die Leipziger Innenstadt war sehr still. Der Pfarrer der Nikolaikirche Christian Führer, der um 17 Uhr die Predigt halten würde, dachte über Matthäus 16,25 nach. „Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren, wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.“ Würden die vielen Atheisten in seiner Kirche verstehen, was der Herr sagen will? Mal ganz abgesehen von den Staatssicherheits-Leuten, die immer zuerst kamen und die besten Plätze besetzten? Versteht er es denn selber? Oder sollte er das „um meinetwillen“ ein wenig übersetzen?

Wer heute vom Herbst '89 spricht und vom 9. Oktober, wird fast immer unterbrochen: Sie meinen jetzt den 9. November, oder? Beharren auf dem ersten Datum bewirkt hilflose Gesichter. Jedes andere Land hätte diesen 9. Oktober wohl zu dem gemacht, was er ist: zu einem Anlass des Eingedenkens an etwas Beispielloses, zu einem Datum des gemeinsamen Erinnerns. Zum Feiertag also. Ein Tag, gemacht aus Schrecken und Schönheit, aus Brutalität und Zartheit wie kein zweiter. Und aus der Vernunft einer ganzen Stadt, über alle Grenzen hinweg. Ein sehr gegenwärtiger Tag also. Der Tag, an dem sich das Schicksal des Herbstes '89 entschied. „Der die Welt veränderte“, sagten sie am vergangenen Sonntag in Leipzig.

Den vollständigen Beitrag findet man hier:
https://www.tagesspiegel.de/themen/repo ... 96578.html
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon zonenhasser » 9. Oktober 2019, 11:17

Tagesspiegel hat geschrieben: abgesehen von den Staatssicherheits-Leuten, die immer zuerst kamen und die besten Plätze besetzten?
Heute vor 30 Jahren waren nicht nur Stasi-Leute frühzeitig in der Kirche, sondern auch "gute Genossen", die man dorthin beordert hatte. Pfr. Führer rief: "Die Empore bleibt für das arbeitende Proletariat frei, das erst am späten Nachmittag kommen kann!"
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Oktober 2019, 12:43

Wie oft wohl, sind wir durch Harzgerode und Quedlinburg marschiert? Wie oft wohl?
Heute, genau vor 30 Jahren, hat es sich in Quedlinburg friedvoll und beeindruckend zum Guten gewendet!
Toll, dass ich dabei war.


"Wachs und Worte" heißt eine kleine Programmbroschüre, die auf einen Monat voller Erinnerungen und Gedenkveranstaltungen hinweist. So kommt BP a.D. Gauck am 10.10. zu einer Buchlesung nach QLB. So sind in einer Fotoausstellung 2 Fotografenarbeiten gegenübergestellt: Der erste eher (noch) regimetreu und der zweite (Jürgen Meusel, gebürtiger Chemnitzer) mit Quedlinburger Aufbruchbildern. Bemerkenswert, dass der erste Fotograf Uwe Gerig war, der mit seiner Familie 1983 nach Frankfurt/Main flüchtete und dann nach der Wende in Quedlinburg lebte, hier einen Verlag und sein Hotel "Vorhof zur Hölle" betrieb. (Er starb voriges Jahr 78-jährig.)

Bemerkt wird, dass in Quedlinburg am 9.10.1989 die zahlenmäßig größte Protestdemonstration der gesamten DDR erfolgte, gemessen an der Einwohnerzahl. Nirgends im Land sind im Verhältnis mehr Menschen auf der Straße gewesen. Zu dieser Demo kam die Polizei bewusst schon OHNE Waffen, weil man Konsequenzen aus den Übergiffen 2 Tagen zuvor in Berlin zog! Der Quedlinburger Bürgermeister (NDPD) Lukowitz musste auf der Demo vor Übergriffen geschützt werden, wie ich gerade las. Ich habe davon auf dem Markt seinerzeit allerdings nichts mitbekommen.
An diesem Tag war bei uns klar, dass das Volk absolute Oberhand hatte. Die Vasallen hatten abgedankt!

Der Broschürentitel bezieht sich auf die abertausenden Wachskerzen, die vor der SED-Kreisleitung und auf der Rathaustreppe brannten. Die Wachskerzen haben schon eindrucksvoll was bewirkt, nämlich die Gewaltfreiheit der Demonstranten symbolisiert . Auch wenn Karnak irgendwo an anderer Stelle die Kerzen geradezu ins Lächerliche abgleitend bewertete.

Gruß Volker
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 12:54

[grin] Neben diesem Kerzen Getue, als ob es irgendein Verdienst wäre weil man damit eine Diktatur von Gewalt abhalten könnte, geht es mir übrigens auch auf den Zeiger, dass nun ausgerechnet jemand wie Du sich erdreistet von Vasallen zu sprechen und sich nicht blöd vorgekommen ist mit einem Kerzchen auf irgendeinem Marktplatz rumzustehen. [hallo]
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Oktober 2019, 12:59

Der Quedlinburger Markt fasst mehr als 7000 Leute, oder mit Deinen Worten BLÖDE.

Gruß Volker
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 13:07

[grin] Also entweder wäre ich an Deiner Stelle bei der SED mitmarschiert um mit denen Veränderungen einzufordern oder wie ich aus "hygienischen " Gründen zu Hause geblieben, weil ich mir bei der Teilnahme an so einem Kerzenumzug einfach blöd vorgekommen wäre. Das nur damit der Zusammenhang des Wortes blöd etwas klarer wird. [flash]
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2019, 13:36

Wieso denn blöd vorgekommen?
Das waren wie überall damals in der DDR einfach nur Bürger die ihre Angst überwunden haben , die Kerzen waren ein Zeichen dafür das es eben keine
Rowdys waren so wie das in den Parteizeitungen der SED verbreitet wurde.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon zonenhasser » 9. Oktober 2019, 13:52

karnak hat geschrieben:Neben diesem Kerzen Getue, als ob es irgendein Verdienst wäre weil man damit eine Diktatur von Gewalt abhalten könnte

Später, als sie die Sprache wiedergefunden hatten, sagte der ehemalige Vorsitzende des DDR-Ministerrates Horst Sindermann, Zitat: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten. Sie haben uns wehrlos gemacht." https://www.spd-fraktion-mv.de/aktuelle ... egeben-hat
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 14:08

Verschone mich doch mit solchen Politiker und Mediengelaber, wirst doch nun wohl alt genug geworden sein um zu wissen was davon zu halten ist.
Mann die Funktionäre auf den unteren und mittleren Ebenen wussten genau wie jeder der Kerzenträger wie ökonomisch kaputt das Land war und das es nicht noch groß was zu versprechen gab, man war am Ende und hat es schon lange immer deutlicher kommen sehen. Auch dort hatte man doch keine Lust mehr mit einem Donnerschlag abzutreten, es hat sich einfach nicht mehr gelohnt. Das ist der ganze schnöde Hintergrund dieser friedlichen Revolution. Und danach blasen sich die mit Zugang zu den Waffen und die Kerzenhalter als die Retter der Menschlichkeit auf bis zum geht nicht mehr.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2019, 14:15

karnak hat geschrieben: Auch dort hatte man doch keine Lust mehr mit einem Donnerschlag abzutreten, es hat sich einfach nicht mehr gelohnt. Das ist der ganze schnöde Hintergrund dieser friedlichen Revolution. Und danach blasen sich die mit Zugang zu den Waffen und die Kerzenhalter als die Retter der Menschlichkeit auf bis zum geht nicht mehr.


Als wäre es am 9. Oktober 89 um die Abschaffung der SED oder der DDR gegangen.
Es ging den Leuten doch nicht nur um die kaputte Ökonomie der DDR oder irgendwelche ''Fleischtöpfe''
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 14:21

Das ändert doch nichts an der Tatsache, dass man mit seinen paar Kerzchen den Vertretern der Diktatur nicht die Tränen der Rührung in die Augen getrieben und in eine Situation gebracht hätte wo man sich eben wegen der Kerzchen entschieden hat die Kalaschnikow in der Waffenkammer zu lassen.
Natürlich gibt es immer ein paar Idioten die bereit zu Gewalt sind, die gab es bei den Stasierertürmern und die hätte es auch bei den Vertretern des Staates gegeben. Am Ende hat sich halt auf beiden Seiten eine Mehrheit gefunden die meinte, dass sich das alles nicht mehr lohnt. Schwein gehabt, dass wir in jeder Hinsicht und weit genug in einer gesellschaftlichen Resignation angekommen waren, dass war alles an der Geschichte und gleichzeitig ein Glücksumstand für alle beteiligen.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon zonenhasser » 9. Oktober 2019, 14:27

Kumpel hat geschrieben:Als wäre es am 9. Oktober 89 um die Abschaffung der SED oder der DDR gegangen.
Es ging den Leuten doch nicht nur um die kaputte Ökonomie der DDR oder irgendwelche ''Fleischtöpfe''


Machtpolitiker wie Mielke wussten, dass wenn sie einmal die Zügel locker ließen, alles wegrutschen würde.

Mielke: Ist es so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?

Dangrieß: Der ist morgen nicht, der wird nicht stattfinden, dafür sind wir ja auch noch da.

Aus der Dienstberatung von Staatssicherheitsminister Erich Mielke mit seinen Bezirkschefs am 31. August 1989
https://www.volksstimme.de/nachrichten/ ... i-aus.html
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 14:30

Kumpel hat geschrieben:Es ging den Leuten doch nicht nur um die kaputte Ökonomie der DDR oder irgendwelche ''Fleischtöpfe''

[grin] Weiß ich doch, es ging ihnen um die Lügenpresse.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2019, 14:32

Es sind ja nun nicht nur ein paar Kerzchen,sondern auch die Menschen die sie vor sich her tragen.
Allerdings wurde diese Diktatur von ihren eigenen Lügen eingeholt und das wurde zunehmend auch den Systemträgern klar.
Eine offene Konfrontation wäre die absolute Bankrotterklärung gewesen.
Ich meine , bei uns im Kaff saßen die Kampfgruppen in einem VEB und haben auf ihren Einsatz gewartet.
Danach hat man das noch nach alter Manier abgestritten.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2019, 14:34

karnak hat geschrieben:
Kumpel hat geschrieben:Es ging den Leuten doch nicht nur um die kaputte Ökonomie der DDR oder irgendwelche ''Fleischtöpfe''

[grin] Weiß ich doch, es ging ihnen um die Lügenpresse.


Ich kann dich verstehen , du hast die DDR sehr anders wahrgenommen als ein normaler DDRler.
Damit meine ich nicht das Fehlen von Bananen und Farbfernsehgeräten.
Allerdings war es dann eben irgendwann soweit und die Leute wollten nicht nur das Brot sondern die ganze Bäckerei.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 14:42

Der entscheidende Punkt ,ohne den die " friedliche Revolution " trotz aller Kerzen nicht einen Deut an Gewalt und Niederschlagung hätte verhindern können, die meisten der Bäckermeister hatten in Wahrheit auch keine Lust mehr auf die bankrotte Bäckerei. [flash]
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2019, 14:47

Ich glaube du machst dir das zu einfach.
In den ersten freien Bürgerversammlungen in meinem Kaff ging es um ganz regionale und persönliche Probleme der Bürger und um den Umgang der Behörden.
Da standen gestandene Männer vor einer genagelt vollen Kirche und hielten zitternd ein Blatt Papier in der Hand und erzählten mit wackliger Stimme ihre Geschichte.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 15:20

Das mag ja für den vor der Kirche stehenden so gewesen sein. Aber die Protagonisten, Pfarrer, Intellektuelle, Künstler, die Vordenker dessen was dann später friedliche Revolution genannt wurde hatten doch schon lange andere Pläne. Durchaus legitime was den unhaltbaren Zustand des Alleinvertretungsanspruch einer Partei angeht. Der Mann mit den zitternden Händen vor der vollen Kirche war zu Ende gedacht schon lange nur noch Mittel zum Zweck, Teil einer Massenbasis die für jede Revolution zwingend notwendig ist.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2019, 15:32

karnak hat geschrieben: Aber die Protagonisten, Pfarrer, Intellektuelle, Künstler, die Vordenker dessen was dann später friedliche Revolution genannt wurde hatten doch schon lange andere Pläne.


Da wäre ich mir nicht mal so sicher ob diese Bevölkerungsgruppen zu diesem Zeitpunkt andere Pläne hatten.
Wenn ich mir zum Beispiel Interviews von DDR Schriftstellern und Schauspielern von 88-89 anhöre waren die durchaus am Festhalten an der DDR interessiert.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Beethoven » 9. Oktober 2019, 15:39

Hatten wir das Thema nicht im vorigen Jahr um diese Zeit auch?

Na ja, wir alle wissen, dass die friedlichen Proteste gegen die Politik DDR in vielen Bereichen, die Wende eingeleitet haben und somit den Grundstein dafür legten, dass aus dem Ursprungsgedanken, der Schaffung einer DDR in anderen Farben, sich mehr ergab, als die Bürger zu jener Zeit selbst erwartet haben. Gut so.

Ich selber habe zu jener Zeit die "Welt" nicht mehr verstanden. Aber was solls? So wie es kam war es gut und wohl auch richtig.

Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Oktober 2019, 15:40

karnak hat geschrieben:[grin] Also entweder wäre ich an Deiner Stelle bei der SED mitmarschiert um mit denen Veränderungen einzufordern oder wie ich aus "hygienischen " Gründen zu Hause geblieben, weil ich mir bei der Teilnahme an so einem Kerzenumzug einfach blöd vorgekommen wäre. Das nur damit der Zusammenhang des Wortes blöd etwas klarer wird. [flash]


Dass ich Widerständler war, habe ich nie behauptet, wohl aber, dass ich in die SED genötigt wurde. (Wie vielen wird es von den 1,7 Millionen Mitgliedern wohl so ergangen sein?) Ich war absolut passiver Mitläufer. Zur moralischen Schuld habe ich mich schon schriftlich vor mehr als 10 Jahren ausgelassen. Warum sollte ausgerechnet ich, der all die Jahre auf Veränderungen wartete, gerade jetzt zu Hause bleiben? Und warum?
Hast Du eine Ahnung wie viele Stasileute in Zivil in QLB mitmarschierten und selbst sogar in der Nikolaikirche Reden hielten? Wir fanden das erst später raus, aber wir haben es mitbekommen. Als IM in der Kirche noch Reden schwingen, fand ich dreist. Die Kerzen hingegen hatten solche Symbolkraft, dass es die SED erschauderte.

Gruß Volker
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 15:43

Ich habe nicht behauptet, dass die das Ziel der Beseitigung hatten, aber der Demokratisierung. Und das war nach kurzer Zeit als unmögliches Unterfangen klar. Dazu braucht es nun mal die Fleischtöpfe, es kommt nun mal zuerst das Fressen und jeder der Anderes behauptet den halte ich für einen Aufschneider, besonders in der einmaligen Situation, dass es noch ein 2. Deutschland gab dass die allen Anschein nach zur Verfügung stellen konnte. Damit war der Weg klar, alternativlos würde die Merkel sagen. [flash]
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2019, 15:46

karnak hat geschrieben:[grin] Neben diesem Kerzen Getue, als ob es irgendein Verdienst wäre weil man damit eine Diktatur von Gewalt abhalten könnte, geht es mir übrigens auch auf den Zeiger


Kann ich verstehen, das sind Nachwirkungen des "Verlierers". Mit Kerzen hatte die Stasi nicht gerechnet,. [grins]

Wenn man statt Kerzen Knüppel getragen hätte, wärs sicher anders ausgegangen. [angst]

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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 15:49

Aber da beißt sich doch was, bei dem " menschenverachtenden System" und der Angst vor ein paar Kerzen.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2019, 16:06

karnak hat geschrieben:Aber da beißt sich doch was, bei dem " menschenverachtenden System" und der Angst vor ein paar Kerzen.


Nee, gar nicht. Kerzen wirken entwaffnend. [grins]

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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon karnak » 9. Oktober 2019, 16:20

Ich bitte Dich herzlich, solche schönen Vorstellungen kann man gerne im religiösen Denken haben, im richtigen Leben sind sie einfach nur albern, ein System das an der Macht bleiben will und alle materiellen Möglichkeiten dazu hat lässt sich davon nicht beeindrucken.
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2019, 16:25

karnak hat geschrieben:Ich bitte Dich herzlich, solche schönen Vorstellungen kann man gerne im religiösen Denken haben, im richtigen Leben sind sie einfach nur albern, ein System das an der Macht bleiben will und alle materiellen Möglichkeiten dazu hat lässt sich davon nicht beeindrucken.


Sicher. Am Ende war es nur die Zahl der Demonstranten. Ich bin mir sicher, ein paar tausend hätte man eingesperrt, aber das waren einfach zu viele.

Und ich bin mir auch sicher, nicht jeder dieser "Militärs" hätte damals mitgemacht.

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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2019, 16:26

karnak hat geschrieben: ein System das an der Macht bleiben will und alle materiellen Möglichkeiten dazu hat lässt sich davon nicht beeindrucken.


Die wollten schon gern...... [grin]

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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon Interessierter » 9. Oktober 2019, 16:36

karnak » 9. Okt 2019, 14:07
[grin] Also entweder wäre ich an Deiner Stelle bei der SED mitmarschiert um mit denen Veränderungen einzufordern oder wie ich aus "hygienischen " Gründen zu Hause geblieben, weil ich mir bei der Teilnahme an so einem Kerzenumzug einfach blöd vorgekommen wäre.


Du hattest doch während deiner Tätigkeit bei der PKE genügend Gelegenheiten dir blöd vorzukommen. Darum finde ich nur einfach dreist und peinlich von dir, wie du das Agieren der Bürger während der Wende meinst darstellen zu müssen. Wenn du Courage gehabt hättest, hättest du dich den Demos angeschlossen und dich nicht feige in der Wohnung verkrochen.

Aber so war die Stasi: Mutig waren die Schergen selbst gegen unbewaffnete, oftmals nur andersdenkende Bürger, wenn sie die Macht der Diktatur im Rücken hatten. Als riesige Massen von Bürgern auf die Straße gingen, war es deren Agieren zu verdanken, das alles gewaltfrei blieb und nicht der Stasi. Die hatten die Hosen gestrichen voll und agierten total hilflos und dilletantisch.

Und da kommt der dämliche Diestel noch daher und meint die VP loben zu müssen, obwohl diese ja Demonstranten brutal zusammengeknüppelt hatte.

Kristian, dein Klartexreden in Wut, die dich angeblich ja nie befällt, hat überdeutlich demonstriert, dass du kein Problem mit der Realität nach der Wende hast; aber was die Vergangenheit in der DDR und dein Agieren dort angeht, große Aufarbeitungsdefizite hast. Jedenfalls nach meiner Einschätzung und die schreibe ich ja hier, genau wie du und andere User.

karnak » 9. Okt 2019, 16:49
Aber da beißt sich doch was, bei dem " menschenverachtenden System" und der Angst vor ein paar Kerzen.


Schon mal etwas von der Macht der Friedfertigkeit gehört oder mitbekommen? Natürlich nicht, war ja auch für die Stasi ein Fremdwort.

[hallo]
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Re: Wie der 9. Oktober zum wichtigsten Tag im Herbst 1989 wurde

Beitragvon zonenhasser » 9. Oktober 2019, 17:27

karnak hat geschrieben: ein System das an der Macht bleiben will und alle materiellen Möglichkeiten dazu hat lässt sich davon nicht beeindrucken.


Du solltest die Rolle des Westmedien nicht unterschätzen. Hier Bilder vom 4. 9. 89 zur Herbstmesse auf dem Nikolaikirchhof in Leipzig:

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