Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

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Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon Nostalgiker » 4. Dezember 2022, 09:04

Ein interessanter Artikel aus der Berliner Zeitung welcher durchaus exemplarisch die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin analysiert und dabei zu neuen Erkenntnissen kommt.
Verunglimpfte DDR-Wissenschaft: Wie der Westen eine Ost-Hochschule niedermachte

Zugegeben, die Artikelüberschrift klingt ein wenig reißerisch aber sie erweckt auch Neugier den etwas längeren Artikel zu lesen.

Die HfÖ war zu Ostzeiten als Kaderschmiede für besonders linientreue und überzeugte Jugendliche verschrien welche nach Abschluss ihres Studiums an Schaltstellen des sozialistischen Aufbaus eingesetzt wurden.
Mit diesem und vielen anderen Klischees wurde allerdings, auch nach der Abwicklung der Bildungseinrichtung, von der wirklich wissenschaftlich fundierten Ausbildung abgelenkt und den Absolventen der Hochschule war es ohne große Probleme möglich, eben auf Grund ihrer fundierten theoretisch-praktischen Ausbildung unter den neuen Bedingungen nach 1990 in der freien Wirtschaft Fuß oder im öffentlichen Dienst zu fassen und weiter ihre Karriere voranzutreiben.

Aber Anfang der Neunziger herrschte nun mal die Stimmung das alles aus dem Osten nichts tauge und da besonders die ökonomisch orientierten Wirtschaftswissenschaften. Abwickeln und Schließen der "nutzlosen" Einrichtungen war die gängige Vorgehensweise.

Interessant finde ich an diesem Artikel das nach über 30 Jahren eine sachliche und behutsame Neubewertung der damaligen Ereignisse beginnt und die damaligen Fehler welche gemacht wurden als politisch gewollt benannt werden.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon augenzeuge » 4. Dezember 2022, 09:32

Die ideologischen Hardliner setzten sich durch.


So urteilt Herr Fege.

Nun ja, Herr Fege, war es denn bis 1989 nicht auch so, dass sich gerade dort die ideologischen Hardliner überdurchschnittlich durchsetzen konnten?

Das ist keine Relativierung, aber es zeigt, dass man 1991 auch im Westen noch nicht dazu bereit war, neu zu denken.

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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon Nostalgiker » 4. Dezember 2022, 10:18

Sorry Augenzeuge aber du denkst offensichtlich immer noch im Klischee der sozialistischen, SED Affinen Kaderschmiede HfÖ, welche ausnahmslos ideologische Hardliner hervorbrachte.
Dem ist bei näherer und gründlicher Betrachtungsweise eben nicht so.

Im Prinzip entsprach die HfÖ aus heutiger Sicht dem was man im Allgemeinen als Elitehochschule bezeichnet.
Studienplätze waren begehrt und rar und bei der Zulassung zählte zu allererst der Notendurchschnitt und dann erst der "Klassenstandpunkt". Denn nur mit dem ideologisch "richtigem" Standpunkt konnte man dort keinen Blumentopf gewissen, übrigens an keiner der höheren Bildungseinrichtungen in der DDR.
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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon Gerd Böhmer » 4. Dezember 2022, 11:25

Hallo,

an beide Vorschreiber - die Argumentation von @ augenzeuge ist nicht ganz von der Hand zu weisen, diese Hochschule wurde in der Berliner Umgangssprache salopp als Planökonomie bezeichnet.

Heute erleben wir doch eigentlich genau das Gegenteil, wenn ich einige marktradikale Herrschaften, speziell der Lindner-Truppe so höre ...

... wünsche einen angenehmen 2. Advent,
MfG Gerd Böhmer,
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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon augenzeuge » 4. Dezember 2022, 12:23

Nostalgiker hat geschrieben:Sorry Augenzeuge aber du denkst offensichtlich immer noch ...


Richtig lesen. Ich schrieb, dass ich verstehe, dass man damals so gedacht hat. In Ost und in West. [wink]
Und natürlich war gerade 1991 der Hass auf alles von SED und Stasi ständig autark Betriebene, sehr groß. So wie auch diese Schule, wo man schon nicht hinkam, wenn man ständig Westbesuch erhielt, oder der Partner eine Funktion in der Kirche hatte. Das rächte sich nun.

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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon Nostalgiker » 4. Dezember 2022, 12:39

Ok, dann habe ich nicht richtig gelesen oder verstanden.

Nur was meinst du mit dem zweiten Teil deiner Antwort? Ist das verifiziert oder ist es das berühmte; das habe ich gehört und deshalb vermute ich es.

Die KMU, wo ich studierte war nun auch nicht gerade eine Wald und Wiesen Uni aber das da die Stasi (natürlich, wo denn auch sonst) eifrig mitmischte bei der Zulassung zum Studium und das Westbesuch ein Ausschlußkriterium für ein Studium gewesen sein soll war mir bisher unbekannt, ebenso das ein Funktion in der Kirche (nicht die Eigene, sondern die des Partners, da meinst du doch eher Eltern, wer war schon mit 18, 19 bei Studienbeginn verheiratet) ein Hinderungsgrund gewesen sein soll kann ich nicht so richtig glauben.
Allerdings treib ich mich im Hochschulwesen von 1970; Beginn meines Studium; bis 1978; dem unfreiwilligem Ausscheiden; herum. Kann ja zu deiner Zeit alles ganz anders gewesen sein.
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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon augenzeuge » 4. Dezember 2022, 13:20

Nostalgiker hat geschrieben:Ist das verifiziert oder ist es das berühmte; das habe ich gehört und deshalb vermute ich es.



Verifiziert ist es natürlich nicht, aber da ich weiß, wie andere, wesentlich unpolitischere Hochschulen und Unis in den 80er Jahren mit Bewerbern/Studenten umgegangen sind, wie viele wegen "nichts" exmatrikuliert wurden, besteht auch hier eine hohe Vermutungswirkung ähnlichen Verhaltens dieser überdurchschnittlich politischen Schule.

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Re: Die Abwicklung der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst

Beitragvon Nostalgiker » 4. Dezember 2022, 13:32

Ok und wegen der 'Vermutungswirkung' klinke ich mich mal aus der Diskussion aus.
Falls sie wieder in normale Bahnen kommen sollte bin ich gerne wieder dabei.

PS.: die HfÖ war keine "politische" Schule aber das leugnest du vehement.
Sie war, entgegenkommend, "Politisch" wie alle höheren Bildungseinrichtungen der DDR weil sie sich dem Prinzip/Diktat der Partei unterordnen mußte und es genauso tat wie alle anderen Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen, Ingenieurhochschulen und Fachschulen in der DDR.
Es war einfach kein Alleinstellungsmerkmal der HfÖ.
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