Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Alle Themen die eine Bezug zur Wende und Grenzöffnung haben. Persönliche Erlebnisse, Gedanken aus dieser Zeit, Dokumente und ähnliches.

Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Zicke » 14. Oktober 2014, 13:23

@nteressierter

"Darauf scheint es nun auch in Leipzig hinauszulaufen. Kinder müssen an diesem Tag bis 15 Uhr aus Hort oder Kindergarten abgeholt sein. Die Bürger sind aufgefordert, "den Bereich der Innenstadt zu meiden". Westlichen Journalisten ist der Zugang zur Stadt verboten. Im Krankenhaus werden Betten freigeräumt. Tausende Blutkonserven werden gelagert. Ärzte erhalten Anweisung, sich "in Bereitschaft" zu halten. Im Süden der Stadt wird ein Speziallager errichtet. Die Bereitschaftspolizei - nichts anderes als Armeeverbände "gegen den Feind im Innern" - legt Helme, Knüppel, Gasmasken an. Hinter dem Hauptbahnhof wird scharfe Munition ausgeteilt. Nahe dem Gewandhaus werden Maschinengewehre entladen. Im Norden der Stadt halten sich Panzer bereit."


Dazu gehörten Volkspolizisten, Kampfgruppen, NVA-Hundertschaften und MfS-Kampfeinheiten. Die Einsatzleitung hatte der Chef der Deutschen Volkspolizei, Generalmajor Gerhard Straßenburg. Er hatte die insgesamt rund 8.000 Einsatzkräfte zu koordinieren. Davon nicht alle in der Innenstadt. Die 1.500 für den Einsatz vorgesehenen NVA-Soldaten standen hauptsächlich in den Außenbezirken der Stadt für den Einsatz bereit. Nur einige Hundertschaften waren zum Schutz von Hauptbahnhof, Hauptpost und Sender Leipzig in der Innenstadt postiert – bewaffnet mit Schlagstöcken. Und auch die im Barfußgässchen stationierten Bereitschaftspolizisten waren mehrheitlich nur mit Platzpatronen, einige mit Maschinenpistolen mit Tränengasmunition ausgestattet. Über scharfe Munition in ihren Pistolen verfügten nach Berichten von fünf Bereitschaftspolizisten im Buch "Jetzt oder nie Demokratie" nur die Offiziere.
Quelle:
http://www.l-iz.de/Bildung/Zeitreise/20 ... -1989.html
PS. Ich habe keine Panzer gesehen an diesem Tag
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Interessierter » 14. Oktober 2014, 13:47

PS. Ich habe keine Panzer gesehen an diesem Tag
Zicke


Das glaube ich Dir aufs Wort. Nur warum sollten da wo Du Dich gegebenenfalls aufgehalten hast, auch Panzer zu sehen gewesen sein ?

" Der Interessierte "
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 14. Oktober 2014, 13:55

Hier sind eindeutig SPW mit Räumschild gemeint, weil für den Laien eben alles, was viel Blech und eine Kanone auf dem Dach hat ein Panzer ist!
Das mit den Panzern ist schon seltsam, mal sind sie im Norden, bei anderen Quellen im Süden und bei wieder anderen Quellen stehen mehrere Panzerdivisionen um Leipzig.
Wobei diese Schreiber offentsichtlich nicht wissen wieviele Panzer zu einer Division gehören. Alleine der Anmarsch von diesen Panzern hätte ja bemerkt werden müssen, denn man verlegt nicht so einfach mal einige Panzer unbemerkt!

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Zicke » 14. Oktober 2014, 13:57

Interessierter hat geschrieben:Nur warum sollten da wo Du Dich gegebenenfalls aufgehalten hast, auch Panzer zu sehen gewesen sein ?


du hast es doch der TAZ geglaubt , nur dort waren keine.
woher ich das weiß, ??????? , die Antwort such dir selbst. Ich habe nicht im Fernsehsessel gesessen.
Aber vielleicht war mein Blick auch durch die zu erwartende Bananenflut getrübt.
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon karnak » 14. Oktober 2014, 14:37

Interessierter hat geschrieben:Du ziehst Dich in diesem Falle nicht an Kleinigkeiten hoch, denn Scharfschützen und Panzer sind eher Ungeheuerlichkeiten.

Natürlich wären das Ungeheuerlichkeiten gewesen wenn das so stattgefunden hätte. Du wirst von mir nichts anderes lesen. Du wirst von mir auch nicht lesen, dass ich etwas vom Prinzip her bestreite und es dabei belasse. Ich benenne lediglich den Fakt, dass es so nicht stattgefunden hat. Und ich begründe auch meine Meinung wenn mir etwas aus der Sicht der damals Herrschenden nicht logisch erscheint, dann erwarte ich das man meine Meinung mit einleuchtenden Fakten widerlegt und man mir nicht mit irgendwelchen Phrasen kommt. Es geht einfach nicht, dass man Dinge, die man für möglich hielt, die in den heutigen Zeitgeist passen, nachträglich als unumstößliche Tatsachen hinstellt. Es gibt keine Fotos von den Scharfschützen, die werden in den Befehlen nicht mal erwähnt, es gibt keine Fotos von rollenden oder stehenden Panzern, im Einsatz waren sie sowieso nicht und trotzdem behauptet man zweifelsfrei zu wissen das die da waren, eben wie 53 die von den Russen. Das alles hat mit seriöser Geschichtsaufarbeitung nichts zu tun, dass ist nichts weiter als billige Propaganda im Stile eines zu spät kommenden Klassenkampfes den man wohl für notwendig erachtet. Warum man so was für notwendig erachtet, dass müssen die "Zeitzeugen" selber am Besten wissen. Ich wende mich lediglich gegen solchen Mist und begründe auch warum.
Und wenn man nun die Bereitschaftspolizei der DDR als"nichts weiter als eine Armee die sich gegen innere Unruhen wenden sollte" definiert, dann frage ich mich wie man wohl die Truppenteile der Polizei des Bundes deklariert, die im Fall der Fälle bei einer Demonstration gegen Stuttgart 21 die Oma von der Parkbank spritzt oder Demonstranten bei einem Castortransport von den Bahnschienen prügelt?
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 14. Oktober 2014, 14:55

Das ist doch schon Anno 2009 unserem Herrn Bundespräsidenten in seiner Leipziger Rede vom 09. Oktober passiert!

Hier mal ein Brief.

Zitat:

Brief an Herrn Köhler

von Präsidium TvNVA
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

in Auswertung Ihrer Leipziger Rede vom 09. Oktober 2009 mussten wir feststellen, dass Sie bezogen auf die Ereignisse in Verbindung mit den Demonstrationen in Leipzig Aussagen getroffen haben, die nicht den Tatsachen entsprechen.

So behaupten Sie u.a.:

Vor der Stadt standen Panzer, die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen. Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen, und in der Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgestellt.

Im Rahmen unserer Recherche, der Überprüfung uns zugänglicher Dokumente, der Befragung von Zeitzeugen, Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane mit unterschiedlichen Dienstgraden und Dienststellungen, die zum genannten Zeitpunkt dort im Einsatz waren, sowie unter Beachtung festgeschriebener historischer Tatsachen im Urteil des Landgerichtes Berlin vom 25. August 1997 gegen den letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR, Herrn Egon Krenz, haben wir festgestellt:

Es wurden keine Panzereinheiten um Leipzig zusammengezogen und ein solcher Befehl ist auch nie erteilt worden.
Es existiert kein Befehl zur Anwendung der Schusswaffe. Im Gegenteil. Es war der Befehl Nr. 09/89 des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates ergangen, der die Anwendung von Schusswaffen verbot.
Es erfolgte keine Unterweisung des Personals in medizinischen Einrichtungen zur Behandlung von Schussverletzungen.
In der Leipziger Stadthalle wurden weder Blutplasma noch Leichensäcke bereitgelegt. Zudem ist jedem Leipziger Bürger bekannt, dass in Leipzig kein Gebäude existiert, das als Stadthalle bezeichnet wurde oder wird.

Mit diesen Ergebnissen müssen wir konstatieren, dass Sie, verehrter Herr Bundespräsident, die Unwahrheit gesagt haben und sich damit objektiv an einer Stimmungsmache beteiligen, welche sich gegen die Entscheidungsträger sowie die Angehörigen der NVA und der anderen bewaffneten Organe der DDR richtet, sie diffamiert und kriminalisiert.

Ein Verhalten, das Ihrem Amt gegenüber unwürdig ist und sicher nicht dem sozialen Frieden in unserem Land dient. Gerade Sie, verehrter Herr Bundespräsident, haben als oberster Vertreter der BRD die Pflicht, sich ehrenhaft zu verhalten und Ihr Amt vor Schaden zu bewahren bzw. Schaden abzuwenden.

Wir, die Mitglieder des Traditionsverbandes Nationale Volksarmee e.V., erwarten von Ihnen, dass Sie Ihre Äußerungen zum Sachverhalt in angemessener Form öffentlich richtig stellen. Wir sehen unser Schreiben als einen offenen Brief an und werden ihn veröffentlichen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Traditionsverband Nationale Volksarmee
Präsidium

Quelle:
http://ct.tvnva.de/archiv-68/items/brie ... ehler.html

Nun wissen wir nicht wer unseren BP die Reden schreibt? Aber es scheint somindestens jeder von jedem abzuschreiben. Und ehemalige Angehörige der NVA werden schon wissen ob da Panzer waren...

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Spartacus » 14. Oktober 2014, 18:44

Im Rahmen unserer Recherche, der Überprüfung uns zugänglicher Dokumente, der Befragung von Zeitzeugen, Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane mit unterschiedlichen Dienstgraden und Dienststellungen, die zum genannten Zeitpunkt dort im Einsatz waren


Öhmm, ja [smile]

Wo kann man diese Aussagen der Zeitzeugen, mir Namen und Anschrift, nachlesen?

Versteht jemand worauf ich hinaus will?

LG

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Nostalgiker » 14. Oktober 2014, 19:00

Nein Spartacus in diesem Fall nicht.
Hättest Du paritätisch nach Namen, Anschrift etc. der Verbreiter dieser Gerüchte was in Leipzig für den Fall der Fälle am 9.Oktober '89 alles Vorbereitet gewesen sein soll gefragt, dann hätte ich Deinen einwand verstanden.

Aber immer nach dem Motto, der "Zeitzeuge" muß unabdingbar ein Gegner der DDR gewesen sein nur dann wird im vorbehaltlos jeder Mist den er von sich gibt geglaubt.


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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 14. Oktober 2014, 19:14

Sparta, einfach mal ein paar Bücher lesen!
Als Beispiel: Der friedliche Verlauf des 9. Oktober 1989 - Kapitulation oder Reformbereitschaft? Vorgeschichte, Verlauf und Nachwirkung von Tobias Hollitzer in "Revolution und Transformation in der DDR 1989/90 Hrsg.: Heydemann, Mai und Müller, 1999.

Tobias Hollitzer ist Mitorganisator der Demos und der Besetzung der Runden Ecke, er forscht zu diesem Thema. Von Kampfpanzern schreibt er kein Wort. Allderdings findet man in dem Buch die genaue Aufstellung der Kräfte, welche am 9.Oktober 89 in Leipzig im Einsatz waren. Jedenfalls keine Kampfpanzer! Und du kennst doch den Unterschied zwischen einem SPW mit Räumschild und einem ausgewachsenen Kampfpanzer.

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon andr.k » 14. Oktober 2014, 21:27

pentium hat geschrieben:Sparta, einfach mal ein paar Bücher lesen!
Als Beispiel: Der friedliche Verlauf des 9. Oktober 1989 - Kapitulation oder Reformbereitschaft? Vorgeschichte, Verlauf und Nachwirkung von Tobias Hollitzer in "Revolution und Transformation in der DDR 1989/90 Hrsg.: Heydemann, Mai und Müller, 1999.

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Lesen wir mal hier: "Die Friedliche Revolution" Band 1 von Michael Richter.

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Mehr gab es nicht...

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Interessierter » 15. Oktober 2014, 15:21

Zitat pentium:
Tobias Hollitzer ist Mitorganisator der Demos und der Besetzung der Runden Ecke, er forscht zu diesem Thema. Von Kampfpanzern schreibt er kein Wort. Allderdings findet man in dem Buch die genaue Aufstellung der Kräfte, welche am 9.Oktober 89 in Leipzig im Einsatz waren. Jedenfalls keine Kampfpanzer! Und du kennst doch den Unterschied zwischen einem SPW mit Räumschild und einem ausgewachsenen Kampfpanzer.


Tobias Hollitzer habe ich bereits in meinem Beitrag vom 9.10. - 13,29 Uhr zitiert. Da schreibt er unter anderem nämlich dieses:


In den folgenden Stunden wurde in der Stadt fieberhaft an den weiteren Vorbereitungen gearbeitet. Die in der Essener Straße stationierte 5. und 21. VP-Bereitschaft war bereits seit dem 5. Oktober auf einen Einsatz vorbereitet worden. So waren die Kommandeure angewiesen, den »Einsatz von Abschußgeräten für Reizwurfkörper, [den] Einsatz der mit Sperr- und Räumschilden vorbereiteten [LKW] W 50 und S[chützen]P[anzer[W[agen], [...] der Wasserwerfer u[nd] a[nderer] Mittel« vorzubereiten. Ebenso hatten sie sich auf die Unterbringung und Führung »zukommandierter Einheiten aus anderen Bezirken« einzustellen. Für den geplanten »Ordnungseinsatz« standen dem Chef der BDVP 3.100 Volkspolizisten, von denen weit über die Hälfte (1.755) nicht aus Leipzig stammten, sowie 8 Hundertschaften der Kampfgruppen zur Verfügung. Zusätzlich lagen 1.500 Soldaten der NVA in Reserve.41 Zu diesen über 5.300 Sicherheitskräften kamen noch die Mitarbeiter der Staatssicherheit und 5.000 sogenannte gesellschaftliche Kräfte.42
Der Chef der BDVP Leipzig, Generalmajor Straßenburg, hatte sich entschlossen, »Provokationen und andere Störversuche rechtzeitig zu erkennen und kompromißlos zu bekämpfen«. Minutiös hat er aufgeschrieben, wie er »die ungesetzlichen Ansammlungen durch Räum- und Sperrhandlungen aufzulösen« plante. Am Hauptbahnhof beispielsweise sollten sechs LKWs mit Räumgittern und zwei Wasserwerfer sowie zwei Tanklöschfahrzeuge der Feuerwehr mit Farbtanks bereitstehen. Oberst Holm Fritzsche, der Leiter des VPKA Leipzig, formulierte es in seinem Entschluß noch deutlicher: »Das Ziel des Einsatzes besteht in der Auflösung rechtswidriger Menschenansammlungen und unmittelbar nachfolgend in der dauerhaften Zerschlagung gegnerischer Gruppierungen sowie der Festnahme deren Rädelsführer«.43

14.00 Uhr wurde in der Führungsgruppe gemeldet, daß die Besatzungen für die zwei Wasserwerfer und die Schützenpanzerwagen im Hof der BDVP eingetroffen seien.44 Die Außenwachen am Dittrichring erhielten Maschinenpistolen und 90 Schuß Munition.45 Zur Verteidigung des Dienstgebäudes wurden in Richtung Große Fleischergasse in der 5. Etage in einem Schulungsraum aus Sandsäcken drei MG-Nester aufgebaut
.


Das auch nur einmal erhellend zur unwahrscheinlich " friedfertigen Planung " dieses Regimes. Wie der Begriff Kampfpanzer in unsere Diskussion gelangte, möge jeder für sich nachvollziehen.

Ansonsten verweise ich gerne auf den vorstehenden Beitrag von Andreas, der alles noch detaillierter schildert.

Vielen Dank dafür Andreas.

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 15. Oktober 2014, 15:37

Schützen-Panzer-Wagen sind eben keine Panzer! Ein ausgewachsener Panzer hat Ketten und eine Kanone über 100 mm! Das macht den Unterschied.
Wie schon mal geschrieben, nicht alles was eine Kanone auf dem Dach hat und etwas dickere Seitenbleche als ein PKW ist ein Panzer. Höchstens für Lieschen-Müller!

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon andr.k » 15. Oktober 2014, 21:37

Paul Panzer gibt es auch noch...



[flash] [flash] [flash] ...was für eine Kanone [laugh] [laugh] [laugh]

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Janko » 15. Oktober 2014, 22:55

@andr.k.......Ja, die "Forschungsergebnisse" vom IM "Thomas" sollte man mal bei "Lichte" bedrachten
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon andr.k » 16. Oktober 2014, 00:12

Janko hat geschrieben:@andr.k.......Ja, die "Forschungsergebnisse" vom IM "Thomas" sollte man mal bei "Lichte" bedrachten



@Janko, lass es doch einfach raus, was man Deiner Meinung nach betrachten sollte. Sind es die Quellenangaben, die Dich zweifeln lassen? Benötigst Du original Dokumente? Wenn nicht, kannst Du doch sicher als Zeitzeuge ein Licht in die, nach Deinen Erkenntnissen, dunklen Forschungsergebnissen bringen. Nun frage ich mich, warum Du nicht gleich mit Deinem Wissen, ins Licht trittst. Mich interessiert jetzt auch Deine Angabe über den gewissen "IM Thomas".

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Janko » 16. Oktober 2014, 01:26

@andr.k......ja wie jetzt betrachten oder interessiert ?...da solltest du schon wissen, das Richter der IM "Thomas ist und bitte, auf was für Dokumente bezieht er sich ? Da das auch aus deinen Kopien nicht ersichtlich ist, sei mir der Zweifel doch gestattet. Aber sicher hat er in seinem Buch Quellenangaben gemacht wo er was recherchiert hat. Das wäre dann schon mal eine gute Grundlage.
Der Zweifel wäre erst gar nicht aufgekommen, hättest du das gleich mit eingestellt.
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Icke46 » 16. Oktober 2014, 06:04

In dem Eintrag zu Michael Richter ( http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Ri ... toriker%29 ) steht folgendes:

Im November 2010 wurden Vorwürfe bekannt, nach denen Richter von 1979 bis 1981 selbst für das Ministerium für Staatssicherheit als IM „Thomas“ (Reg.-Nr. XV 1693/79, MfS AIM 6927/83, Teil I/1 345 Seiten, Teil II/1 64 Seiten) gearbeitet hat. Er selbst hatte dies „bereits auf dem Gebiet der DDR“ Freunden gegenüber, im Notaufnahmelager Gießen sowie gegenüber Bekannten und Arbeitgebern offengelegt. Das MfS klassifizierte ihn daraufhin als „Feind der DDR“ und verhängte „Einreisesperre für immer“. (BStU-Akte Bl. 285 ff.). Die Gauck-Behörde schrieb am 31. Oktober 1991 in einer Auskunft: „Werbung erfolgte auf folgender Grundlage: einer Nötigung ... In ihren Treffberichten gibt es keine belastenden Angaben über andere Personen. Sie versuchten, sich den vom MfS-Mitarbeiter gestellten Aufgaben zu entziehen, sofern eine plausible Begründung vorgewiesen werden konnte. Nach der Aktenlage ging die Initiative für den Ausreiseantrag von ihnen aus.“ (Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, Tgb.-Nr. 8509/91/AU 2-Sch). Richter informierte auch das Kuratorium des Hannah-Arendt-Instituts und wurde trotz seiner MfS-Kontakte angestellt. Nach einer neueren Aufarbeitung der Akten Richters durch die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit entließ das Institut am 24. November 2010 den Historiker fristlos.[1] Die Kündigung wurde vom Arbeitsgericht Dresden und vom Landesarbeitsgericht Chemnitz aufgehoben und der Vorwurf einer wesentlichen umfassenderen IM-Tätigkeit zurückgewiesen. Richter ist weiterhin Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut, arbeitet allerdings auf Grundlage einer außergerichtlichen Einigung und einer Abordnung seit April 2012 am Sorbischen Institut Bautzen.

sowie:

Nachdem Bundespräsident Horst Köhler Angaben aus dem Buch „Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90“ in einer Rede zum 20. Jahrestag übernommen hat, stellten sich diese als Unwahrheiten heraus. Köhler sagte unter Rückgriff auf Richter: „Vor der Stadt standen Panzer, die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen. Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen, und in der Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt.“ Diese Informationen sind falsch, Richter räumte gegenüber der DPA ein, dass er „für seine Studie bedauerlicherweise widersprüchliche und zum Teil ungenaue Zeitzeugen-Aussagen übernommen“ habe.

Gruss

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon augenzeuge » 16. Oktober 2014, 07:29

Manch einer sollte sich folgende Videos nochmal ansehen.....man erkennt, wie Scharfmacher des Regimes die Situation nutzten.....den Opfern sollte nicht mal das Zahngold gelassen werden.... [shocked]





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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 17. Oktober 2014, 16:54

Vom Kronprinzen zum Königsmörder: Am 17. Oktober 1989 stürzt Egon Krenz im SED-Politbüro seinen politischen Ziehvater Erich Honecker. Einen Tag später ruft er die „Wende“ in der DDR aus. Der Begriff wird überdauern, SED und DDR nicht.

Zitat:
Da meldet sich Willi Stoph, der Ministerpräsident der DDR, zu Wort. Er stellt mit ruhigen Worten den Antrag, Erich Honecker von seinem Amt an der Spitze der SED zu entbinden: „Erich, es geht nicht mehr. Du musst gehen.“ Niemand weiß, was in Honecker, 77 Jahre alt und an Krebs erkrankt, jetzt vor sich geht...

http://www.berliner-zeitung.de/politik/ ... 52838.html

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Spartacus » 17. Oktober 2014, 18:36

Thoth hat geschrieben:Nein Spartacus in diesem Fall nicht.
Hättest Du paritätisch nach Namen, Anschrift etc. der Verbreiter dieser Gerüchte was in Leipzig für den Fall der Fälle am 9.Oktober '89 alles Vorbereitet gewesen sein soll gefragt, dann hätte ich Deinen einwand verstanden.

Aber immer nach dem Motto, der "Zeitzeuge" muß unabdingbar ein Gegner der DDR gewesen sein nur dann wird im vorbehaltlos jeder Mist den er von sich gibt geglaubt.


Thoth


Du weist genau das ich nicht so denke, denn ich glaube durchaus den Einlassungen von Karnak zum Beispiel, denn er war
ja dabei. Also an der Güst in dem Fall. Es hatte mich nur interessiert, wo die Aussagen der NVA protokolliert sind?

LG

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 21. Oktober 2014, 11:45

Heute in der Freien Presse zum Oktober 1989

Zitat:
Karl-Marx-Stadt vor 25 Jahren: Während "Keine Gewalt!" zur wichtigsten Losung der friedlichen Revolution wird, lässt die Staatssicherheit Scharfschützen in Bereitschaft versetzen. Noch geht es den Oppositionsgruppen um Reformen für einen demokratischen Sozialismus.
...
Hektische Betriebsamkeit lösen bei der Staatssicherheit zwei Veranstaltungen aus, die für den Abend des 13. Oktober nahezu zeitgleich angesetzt sind und die mit insgesamt mehreren Tausend Teilnehmern zu Schlüsselereignissen der friedlichen Revolution in Karl-Marx-Stadt werden sollten. In der Johanniskirche ist unter dem Titel "Auferstanden aus Ruinen - und wie weiter?" ein Podiumsgespräch mit Kirchenvertretern angesetzt; in der nur wenige Kilometer entfernten, ebenfalls an der Zschopauer Straße gelegenen Lutherkirche stellen Vertreter des offiziell noch immer verbotenen Neuen Forums ihre politischen Ziele erstmals öffentlich vor. Die Stasi rechnet mit "einer Konzentration negativ-feindlicher Personen" - und zeigt zugleich Spuren von Irritation: "Diese Veranstaltungen finden nach einem Gespräch des Oberbürgermeisters mit 25 oppositionellen Kräften statt", vermerkt der "Maßnahmeplan" der Hauptabteilung XX, zuständig unter anderem für Kirchen, Kultur und den "politischen Untergrund".

Der Aufwand zur Kontrolle der Veranstaltungen ist beträchtlich: In der Staatsbank im Posthof (heute Johannisplatz) und im Kreisgericht nahe der Lutherkirche werden zwei Einsatzleitungen eingerichtet. Zur "politisch-operativen Sicherung und Erarbeitung entsprechender Informationen" sind in beiden Kirchen mindestens 30 Inoffizielle Mitarbeiter eingesetzt. Ihre Aufgaben: "Verhinderung öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten, Herausarbeitung der Aktivitäten von Führungskräften des Neuen Forums, Identifizierung von Organisatoren und Provokateuren". Ihre "Informationen zum Ablauf der Veranstaltung" haben sie bis spätestens 3 Uhr nachts in geheimen Treffs mit ihren Führungsoffizieren vorzulegen.

Und es wurde ein langer Abend: Wegen des gewaltigen Andrangs von Menschen mussten beide Veranstaltungen zu später Stunde wiederholt werden; an der Lutherkirche wurde die Diskussion mit Lautsprechern in Nebenräume übertragen. Alles bleibt friedlich, auch die programmatischen Erklärungen fallen zumeist nicht sonderlich radikal aus. "Wir verstehen uns als Podium für all jene, die das Vertrauen in die Partei- und Staatsführung verloren haben, aber trotzdem kreativ an der Vervollkommnung des demokratischen Sozialismus mitarbeiten wollen", betont in der Lutherkirche einer der Redner des Neuen Forums. Als Kernforderungen nennt er: "Reisefreiheit für alle", "Redefreiheit ohne Gleichschaltungszwang mit dem Standpunkt einer Partei", "Freiheit, sich friedlich zu versammeln". Und weiter: "Wir bewegen uns voll auf dem Boden der Verfassung der DDR und sind bestrebt, den demokratischen Charakter der Verfassung der DDR in der Gesellschaft zum Tragen zu bringen."

In einem unter den Besuchern verbreiteten Gründungsaufruf der Bürgerbewegung "Demokratie jetzt" für eine "friedliche, demokratische Erneuerung" heißt es: "Der Sozialismus (...) darf nicht verloren gehen, weil die bedrohte Menschheit auf der Suche nach überlebensfähigen Formen menschlichen Zusammenlebens Alternativen zur westlichen Konsumgesellschaft braucht, deren Wohlstand die übrige Welt bezahlen muss."

Für SED und Staatssicherheit eine neue Situation. Die Demokratie- bewegung lässt sich nicht mehr als das Werk von "Provokateuren" und "Rowdys" diffamieren, wie noch eine Woche zuvor. Man hat es offenkundig mit einer wachsenden Massenbewegung zu tun. Nunmehr, so ein Major der MfS-Bezirksverwaltung in einer Dienstversammlung am 17. Oktober, ergebe "sich die Aufgabe, den Dialog (...) mit allen Personen, auch mit oppositionellen Kräften, zu führen". Der zentrale Auftrag lautet jetzt "Differenzierung": Es müsse "erkannt werden, wer für Verbesserung und wer für Beseitigung des Sozialismus ist." Dies bedeutet auch neue Ansätze in der täglichen Arbeit. "Wir haben uns mit der Aufgabe vertraut zu machen, Kommunisten auszuwählen, die im Neuen Forum mitarbeiten können." - Etwa zur selben Stunde wird in Berlin Erich Honecker von den eigenen Genossen entmachtet.

Manch führendem Kader schwant mit Blick in die Zukunft nichts Gutes, obgleich die Auf- lösung der Staatssicherheit vorläufig noch nicht zu den verbreiteten Forderungen der Opposition gehört. "Durch das Vorgehen der Sicherheits- und Schutzorgane zu den Demonstrationen in Karl-Marx-Stadt und Plauen", so resümiert ein Oberst in derselben Beratung, "richtet sich der ganze Hass, die ganze Wut dieser Leute, dieser Banditen, negativ-feindlichen Personen gegen uns." Man müsse davon ausgehen, dass die Herrschaft der SED "auf das Gröbste gefährdet ist".

Der Mann sollte acht Wochen später als neuer Leiter der Bezirksverwaltung den langjährigen Stasi-Bezirkschef Gehlert ablösen. Der hebt am 26. Oktober die seit zweieinhalb Wochen geltende volle Dienstbereitschaft seiner Mitarbeiter auf. Für die Hälfte der Belegschaft gilt fortan "absolute Hausbereitschaft", den übrigen Genossen wird bis zu vier Stunden Wohnungsabwesenheit erlaubt - wenn sie telefonisch erreichbar blieben. Die Perspektive der streng durchorganisierten Behörde erscheint zunehmend unbestimmt. "Angesichts der gegenwärtigen Lagebedingungen", so Gehlerts Anordnung, "werden die (...) Termine für die Jahresplanung 1990 zeitweilig ausgesetzt."

Quelle: Freie Presse
http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMN ... 5187-1.php

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Interessierter » 23. Oktober 2014, 07:39

Eine Hoffnung lernt gehen - Die Rolle der Kirchen in der DDR

Wesentlichen Anteil an der Friedlichen Revolution hatten die Kirchen. Schon Jahre zuvor starteten sie Friedensaktionen und Friedensgebete. Die zaghaften Opposition wuchs zum Massenprotest, der zum Fall der Mauer führte.


Der Dom St. Nikolai in Greifswald am Reformationstag 2014. Ein Künstler schmiedet ein Schwert zu einer Pflugschar um. Die Aktion soll an ein Ereignis erinnern, das weit über 30 Jahre zurück liegt. Damals, im Jahr 1980, suchten der sächsische Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider und der Erfurter Propst Heino Falcke ein Symbol für die Friedensdekade. Fündig wurden sie im Alten Testament der Bibel. Beim Propheten Micha, ist die Rede davon, dass "Schwerter zu Pflugscharen" werden sollen. Kurz zuvor hatte die DDR den Wehrkundeunterricht in den Schulen eingeführt. Eltern wehrten sich zudem gegen Kriegsspielzeug in Kindergärten. Ein Schmied, der mit weit ausholendem Hammerschlag ein Schwert umformt, wurde zum Markenzeichen der christlichen Friedensbewegung.

Entlehnt ist das Motiv einer Skulptur des prominenten sowjetischen Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch. Einst ein Geschenk des Atheisten Nikita Chrustschow, Partei- und Regierungschef der UdSSR ,an die UNO in New York. "Es ist wunderbar gewesen, wie diese herrliche Idee von den Schwertern zu Pflugscharen sich dann vervielfältigt und große Wirkungen nach sich gezogen hat", erinnert sich Harald Bretschneider. Er hat das Emblem auch auf Stoff drucken lassen - zum großen Ärger der Staatsmacht, die es dennoch nicht verbieten konnte, weil sie damit die Sowjetunion beleidigt hätte. Vor allem Jugendliche trugen den runden Aufnäher. Und manchmal wurde er ihnen von verärgerten Genossen einfach vom Ärmel gerissen.

Weiter hier:
http://www.dw.de/eine-hoffnung-lernt-ge ... a-18011735

Viele Jahre vor der Wende schon begannen die Kirchen und ihre Pfarrer, die Mauern der Angst zu Fall zu bringen.

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Janko » 23. Oktober 2014, 16:30

@Interessierter.....wurde Kasner auch in den „Weißenseer Arbeitskreis“ eingeführt, in dem die „Vorzeige-Theologen des SED-Staats“ versammelt waren.


....und es waren derer nicht wenige. Vergiss die mal nich in deine Gebete einzuschließen. Soviel zu "die" und "Ihre"...
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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 23. Oktober 2014, 16:48

Aus einer Rede Lothar de Maizière zum Reformationstag 2009.

Zitat:

Die Revolution kam zur Kirche – nicht die Kirche zur Revolution

Einen differenzierten Blick warf de Maizière auf die Rolle der Kirchen in der Wende. Die Kirche habe sich nicht nach dem Revolutionspotenzial gedrängt sondern es sei zu ihr gekommen. Die Kirche habe den Reformbewegten einen „Schutzraum“ geboten, den sich die Kirchen über die Jahrezehnte der DDR-Geschichte erarbeitet und erhalten hätten. Zugleich habe sie die Bewegung auch beeinflusst. Ihre zentrale Forderung „ Keine Gewalt!“ sei auch übernommen worden. De Maizière fasst die kirchliche Haltung so zusammen: „Wir stehen vor euch aber nicht in allen Punkten hinter euch.“ Die Wende als „protestantische Revolution“ zu feiern sei also nicht ganz zutreffend.
Das erkläre auch, warum weite Teile der Bevölkerung nach der Wende nicht in die Kirche eingetreten seien. Im Gegenteil, es habe Austritte gegeben, da der Schutzraum nun nicht mehr gebraucht worden sei und die Kirchensteuer viele abgeschreckt hätte. Offenbar sei das Interesse am Glauben bei vielen weder vor noch nach der Wende besonders groß gewesen: „Vom Gottesdienstbesuch hielt viele die Trägheit ab nicht die SED.“

http://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazi ... ution.html

Noch was zu "Die Schwerter, die zu Pflugscharen werden sollen."
Richtig ist, dass zwar das Symbol tatsächlich von der Friedensbewegung in der DDR genutzt wurde; aber von den Träger kaum oder gar nicht mit der Kirche oder der Bibel in Zusammenhang gebracht wurde.

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Interessierter » 24. Oktober 2014, 15:06

Bild

Die Rede von Freya Klier in ganzer Länge findet man hier;
http://www.landtag.sachsen.de/dokumente ... _Klier.pdf

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 30. Oktober 2014, 13:55

30. Oktober 1989

FDGB-Vorsitzender soll zurücktreten

In der Bundesvorstandssitzung des FDGB finden kritische Diskussionen statt. Junge Gewerkschaftler haben im DDR-Fernsehen den Rücktritt des Vorsitzenden Harry Tisch gefordert. Der 62jährige Tisch, der den Gewerkschaftsbund der DDR seit 1975 leitet, stellt die Vertrauensfrage.

Die bisherige Arbeit des FDGB müsse kritisch analysiert werden, Vorschlägen gegenüber sei man offen. Auf die heftige Kritik an den Privilegien der Führungsschicht reagiert der FDGB. Zwei bislang hohen Funktionären und offiziellen ausländischen Gästen vorbehaltene Gästehäuser sollen in Zukunft auch normalen Arbeiternehmern als Urlaubsquartier zur Verfügung gestellt werden.

SED-Führung entwaffnet Kreissekretäre

In Bautzen erschießt sich der SED-Kreissekretär Helmut Mieth mit seiner Dienstwaffe, nachdem ihn die Vorwürfe aufgebrachter Bürger zwei Tage zuvor in schwere Depressionen gestürzt haben. Auch an anderen Orten kommt es zu tragischen Selbstmorden von SED-Sekretären. Die Parteiführung ordnet daraufhin die Entwaffnung der Kreisfunktionäre und der Sektorenleiter im ZK der SED an.
11:30 Uhr: Rolf Schneider wundert sich über die Bürger der DDR

Der in die BRD übergesiedelte Schriftsteller Rolf Schneider gewinnt den Eindruck, in der DDR würden seit Oktober plötzlich „fast nur noch Opfer des Stalinismus oder langjährige Befürworter von politischen Reformen“ leben.

Schneider gehört 1976 zu den Erstunterzeichnern der Protestresolution gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. In der Folge werden seine Publikationen in der DDR erheblich eingeschränkt und Schneider sieht sich gezwungen, seinen Lebensunterhalt vornehmlich in Westdeutschland zu verdienen. Im vergangenen Jahr veröffentlichte Schneider seine Autobiographie "Schonzeiten. Ein Leben in Deutschland", die wir Ihnen hier noch einmal vorstellen.

Ein Blick nach Prag

Prager Demonstranten sollen angeklagt werden

Bei der Kundgebung am Samstag (28.10.) in Prag wurden 355 Personen - davon 17 Ausländer - verhaftet. Gegen 149 von ihnen soll nun Anklage wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" erhoben werden. Die Parteizeitung Rude Pravo berichtet von "aggressiven" Demonstranten, die von "ausländischen Provokateuren" angestachelt worden seien. DDR-Bürgern mag diese "Wahrheit" bekannt vorkommen.
Die Jugendzeitung der Kommunistischen Partei, Mlada Fronta, weicht allerdings von der offiziellen Linie ab. Nach ihrer Darstellung hätten die friedlichen Demonstranten ihre Arme mit den Rufen "Wir haben bloße Hände" und "Wir wollen keine Gewalt" über die Köpfe gehalten. Daraufhin seien sie von der Polizei umringt und angegriffen worden.

SED bekommt die Situation im Land nicht unter Kontrolle

In der SED-Führung macht sich Ende Oktober die Erkenntnis breit, den Wünschen und Vorstellungen der Bevölkerung ohne Konzept gegenüberzustehen. Die Massenmobilisierung zum Dialog, mit der man die Menschen von der Straße bekommen will, ist kaum geeignet die diktatorische Alleinherrschaft zu retten.

Der Leipziger Ratsvorsitzende stellt fest, die „sogenannten Dialoge“ hätten zu „keinerlei Beruhigung der Situation“ geführt. Vielmehr würde den beteiligten Funktionären „eine Welle von Hass und Zorn“ entgegenschlagen. Ginge man auf gestellte Forderungen ein, würden „sofort neue gestellt, die am Ende politischen Charakter haben.“

Auch die Außendarstellung der Partei, den Dialog initiiert zu haben, wird von der Bevölkerung nicht nachvollzogen. Vielmehr sei sie durch „Druck von unten“, durch Massenflucht und Demonstrationen gezwungen wurden, ihren totalitären Anspruch aufzuweichen. Auf der Straße wird das Krenz’sche Gesprächsangebot wie folgt beantwortet: „Ulbricht log, Honecker log, Krenz log, Dia-log!“ Für den Abend wird in Leipzig wieder eine machtvolle Montagsdemo erwartet.

Reiche fordert demokratische Wahlen

Für Steffen Reiche (SDP) läuft in einem im Spiegel-Interview die Strategie der SED darauf hinaus, „einiges zu erneuern, um möglichst viel vom Alten zu erhalten.“ Um den Bürgergruppen eine angemessene Beteiligung an den Entscheidungsprozessen zu gewähren, müssten demokratische Wahlen ihren Rückhalt in der Bevölkerung feststellen. Reiche ist überzeugt, dass sich dann die SED in "Opposition zum Mehrheitswillen der Bevölkerung befindet."

Er spricht sich für marktwirtschaftliche Regeln aus, doch sollten Teile der Volkswirtschaft in öffentlicher Verantwortung bleiben, um die soziale und ökologische Verträglichkeit der Wirtschaft zu sichern.

Quelle:
http://www.tagesspiegel.de/themen/mauer ... 08220.html

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Interessierter » 30. Oktober 2014, 16:09

Das Ende der DDR - "Unser Leben war ausgefüllt, erfüllte sich aber nicht"

Billige Wohnung, eigenes Auto, Garten mit Laube: Warum eigentlich gingen DDR-Bürger im Herbst 1989 auf die Straße? Siegfried Wittenburg fotografierte die Revolution in seiner Heimatstadt Rostock und schildert, warum er dabei war.

In meinem Bildarchiv entdeckte ich private Fotos aus der Zeit, als die DDR ihrem Ende entgegenging. Meine Frau und ich waren gut gekleidet, wir hungerten nicht, gingen wochentags zur Arbeit und das Gehalt kam pünktlich. Die Warmmiete unserer Zweizimmerneubauwohnung betrug 96 Mark. Ein Trabant stand auf dem Parkplatz und über irgendwelche Beziehungen hatte meine Frau sogar ein Stück volkseigenen Grund und Boden ergattert, einen kleinen Garten mit Laube. Zudem besaßen wir - wie selbst die geheimen grauen Männer bei einer konspirativen Wohnungsdurchsuchung feststellten - ein erkleckliches Privatvermögen bei der staatlichen Sparkasse und einige "blaue Fliesen", wie man die D-Mark nannte, für den Notfall im Schrank. So ging alles seinen sozialistischen Gang, und es ging uns materiell besser als vielen anderen Menschen dieser Welt. Doch was trieb uns - also meine Familie und den Freundeskreis - im Herbst 1989 auf die Straße?

Schon vor 1989 spürten wir einen ungeheuren gesellschaftlichen Stau, vergleichbar mit einem Betonsarkophag, der alles Leben unterdrückte. Meine Frau und ich hatten 10, 15 Berufsjahre hinter uns und noch 30 Jahre vor uns. In der Schule, in der beruflichen Ausbildung, im Studium und als Angehörige von sozialistischen Kollektiven wurde uns permanent die Utopie von einer neuen Gesellschaftsordnung mit "besseren Menschen" eingehämmert. Doch das Ideal einer klassenlosen Gesellschaft war längst in einer sozialistischen Klassengesellschaft erstickt.

Die Rangfolge bestimmten weder das Kapital noch eine positive Auslese einer Elite, sondern eine Parteinomenklatur. Die angestrebte Realität der "Diktatur des Proletariats" war für diese Klasse somit erreicht. Der erste Staatschef der DDR war Möbeltischler, sein Nachfolger brach in der Jugend eine Lehre zum Dachdecker ab und sein Mann für das Grobe war Speditionskaufmann. Der dritte Staatschef war ein Wahlfälscher, der eine Lehre zum Schlosser abgebrochen hatte und ein Diplom als Grundschullehrer erwarb. Den Schliff für die politische Laufbahn erhielten die "Diktatoren des Proletariats" nach den Vorgaben Stalins. Sie erklärten dem Volk, selbst zur Arbeiterklasse zu zählen und in ihrem Sinne zu handeln. In Wirklichkeit bildeten sie eine unfähige Regierung, die vom Volk unter Androhung von Strafen uneingeschränkte Huldigung und Loyalität erwartete.

Das Problem war: Niemand konnte sie abwählen. Und auch der von ihr versprochene Kommunismus kam nicht, auch nicht, als sie das Volk hinter eine Mauer sperrte. Ende der Achtzigerjahre war das utopische Arbeiter- und Bauernparadies längst überfällig und entpuppte sich als Luftschloss.



Es war die lange Wartezeit auf eine staatlich vergebene Wohnung. Es waren die primitive Agitation und Propaganda, die Schizophrenie des auf der Arbeitsstelle verbotenen Empfangs von Westsendern, obwohl sich alle Kollektivmitglieder beim Frühstück über die Sendungen aus dem Westen und die Bundesliga unterhielten. Es waren die Bücher, die nicht verbrannt wurden, sondern gar nicht erst gedruckt werden durften. Es waren die im Kollektiv verordneten Arbeitseinsätze unter dem Motto "Schöner unsere Städte und Gemeinden", obwohl längst offensichtlich war, dass mit den vorhandenen Mitteln jegliche Mühen sinnlos waren. Es waren die umgekippten Seen und die von der überalterten Industrie als Kloake genutzten Flüsse, in die wir uns im Sommer nicht mehr zum Baden getrauten.

Es war der mysteriöse Tod eines nahen Verwandten, der ein international angesehener Literaturkritiker war und kein Mitglied der SED werden wollte. Es war das Schicksal einer jungen Verwandten, die trotz Bestleistungen in der Schule nicht studieren durfte, weil statt eines "A" für Arbeiter die soziale Herkunft im Klassenbuch mit "I" wie Intelligenz gekennzeichnet war. Es war die alljährliche Frage nach der Urlaubsgestaltung bei kaum vorhandenen Reisemöglichkeiten. Es war das Gefühl der Minderwertigkeit, im sozialistischen Ausland als Mensch einer unteren Klasse angesehen zu werden, weil wir kein entsprechendes Geld zum Tauschen hatten. Es war die Angst um die Gesundheit, als der GAU in Tschernobyl heruntergespielt wurde. Es war die Unmöglichkeit, Verwandte und Freunde im Westen Deutschlands, in anderen Teilen der Welt oder gar in Polen besuchen zu können. Es war das Verbleiben einer nahen Verwandten im Westen während einer Besuchsreise, eine schmerzhafte Trennung wohl auf Ewigkeit. Es war die Scham, sich für Geschenke aus dem Westen nicht revanchieren zu können, sondern als bemitleidenswerte Bedürftige zu erscheinen.

Es war die Art und Weise, wie manche staatliche Vorgesetzte mit uns umgingen. Es war nicht nur die Stasi, die in jedem Winkel des Privatlebens herumschnüffelte. Es waren auch Nachbarn, Kollegen und vermeintliche Freunde, die sie dabei tatkräftig unterstützten, aus welchen Gründen auch immer. Es war das Fehlen einer Redefreiheit, einer Pressefreiheit, einer Reisefreiheit und freier Wahlen. Und es waren nicht allein Mauer und Stacheldraht, die ein Ausbrechen aus dieser erstarrten und vergifteten Gesellschaft so gut wie unmöglich machten. Es war die Frage nach dem Leben, unserem einzigen, persönlichen und dem der heranwachsenden Kinder. Unser Leben war ausgefüllt, erfüllte sich aber nicht. Und wir durften nicht einmal erwachsen sein und darüber reden.


Der vollständige Beitrag und 34 Fotos hier:
http://www.spiegel.de/einestages/revolu ... 99453.html

Die letzten drei Absätze bringen es genau auf den Punkt, was für ein unfreier, unterdrückender und menschenverachtender Staat, gelenkt durch das SED - Regime, diese DDR war.

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon Volker Zottmann » 30. Oktober 2014, 19:41

Wilfried, das ist eine ganz nüchterne objektive Beschreibung der Gemütslage von millionen DDR-Bürgern 1989. Materiell gab es wirklich keine Not. Die begleitenden Umstände waren aller Orten so wie beschrieben und fotodokumentiert. Auch wenn einige wenige hier Schreibenden alles anders sahen. Vielleicht tun wir ihnen großes Unrecht und sie waren lediglich im sozialistischen Blindenverband. [wink]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon pentium » 2. November 2014, 17:05

Passt doch besser in den Thread.

1./2. November 1989

Zitat:
Krenz trifft Mazowiecki

Egon Krenz macht seinen zweiten Staatsbesuch. In der polnischen Hauptstadt Warschau trifft er auf den kommunistischen Staatspräsidenten Wojciech Jaruzelski und Regierungschef Tadeusz Mazowiecki.

Letzterer ist der erste nichtkommunistische Ministerpräsident des zumindest formal noch sozialistischen Landes. Krenz erklärt, von den vielfältigen und, wie er findet, spannenden Erfahrungen der Polen mit ihrer „Wende“ lernen zu wollen.

Der Tag der Rücktritte

Mit dem heutigen Tag werden die schon zuvor bekannt gewordenen oder vermuteten Rücktritte von FDGB-Chef Harry Tisch und Volksbildungsministerin Margot Honecker bestätigt. Honecker habe sogar schon am 20. Oktober, also drei Tage nach dem Sturz ihres Mannes im Politbüro, um die Entbindung von ihrem Amt gebeten. Tischs Nachfolgerin Annelis Kimmel wird in einer Krisensitzung des FDGB offiziell ins Amt gehoben. Auf Honecker folgt für einige Tage die frühere Vorsitzende der Pionierorganisation „Ernst Thälmann,“ Helga Labs, ins Amt der Volksbildungsministerin.

Es sind nicht die einzigen Rücktritte des Tages. Auch Gerald Götting und Heinrich Homann, die Vorsitzenden der Blockparteien CDU und NDPD, scheiden aus ihren Ämtern. Beide sind noch stellvertretende Staatsratsvorsitzende. Als langjährige Vorsitzende ihrer Parteien werden sie für die kritiklose Bindung an die SED verantwortlich gemacht.

Korruptions- und Amtanmaßungsvorwürfe werden gegen die SED-Bezirksvorsitzenden aus Suhl und Gera, Hans Albrecht und Herbert Ziegenhahn, erhoben. Unter dem politischen Druck der Massenproteste nehmen auch sie ihren Hut.

Sechs Rücktritte von politischem Spitzenpersonal an einem Tag hat es in der DDR lange nicht gegeben. Es sind Vorboten gewaltiger politischer Beben, die die DDR in den nächsten Tagen in ihren Grundfesten erschüttern werden.

DDR will mit Europäischer Gemeinschaft zusammenarbeiten

In Ost-Berlin trifft EG-Kommissar Martin Bangemann auf Staatschef Egon Krenz. Anschließend kommt er zu Gesprächen mit Wirtschaftspolitikern zusammen. Die DDR signalisiert die Bereitschaft zu einem Handelsabkommen mit der EG. Übereinstimmend will man, wie Bangemann der Presse erklärt, schnell von klassischen Handelsbeziehungen auf staatlicher Ebene zu direkter Zusammenarbeit zwischen Betrieben und der Gründung gemeinsamer Unternehmen kommen.

Egon Krenz dämpft Hoffnung auf Wiedervereinigung

Nach seiner Rückkehr aus Moskau erklärt Egon Krenz, eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten stehe „nicht auf der Tagesordnung.“ Statt derart „unreale Forderungen“ zu stellen, sei es „viel, viel wichtiger“ die europäische Stabilität zu sichern. Der Staats- und Parteichef der DDR behauptet einmal mehr, die SED habe „die Wende eingeleitet“ und beanspruche daher weiter die führende Rolle im Land.

DDR-Opposition für Zusammenarbeit mit reformierter SED bereit

In der West-Berliner Tageszeitung kann sich Ludwig Mehlhorn von Demokratie Jetzt! einen Reformprozess gegen die SED kaum vorstellen. Das verfassungsrechtliche Machtmonopol der SED müsse aufgegeben werden, ihr Führungsanspruch wird dadurch jedoch nicht schwinden. Der Partei müsse aber die Chance eingeräumt werden, sich in einem „längeren, evolutionären Prozess […] innerparteilich hin zu mehr Demokratie zu wandeln.“

Auch Ibrahim Böhme, Vorsitzender der ostdeutschen Sozialdemokraten, gibt in der taz zu bedenken, dass man an den mehr als zwei Millionen Parteimitgliedern der SED nicht vorbei regieren könne. Man müsse anerkennen, dass „in der mittleren Ebene die meisten sachkompetenten Leute zu finden sind, die zum überwiegenden Teil der SED angehören.“ Da keine der Oppositionsgruppen „über eine abgeschlossene, den Perspektiven dieses Landes entsprechende Programmatik“ verfüge, könne man sich einer Reform-SED nicht ohne weiteres verschließen.

Böhme erklärt, die SDP setze sich für Sozialstaatlichkeit in Verbindung mit sozialer Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Verantwortung für ökologische Prozesse sowie eine konsequente Friedenspolitik ein. Bis zu den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 gilt Böhme als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Regierungschefs aus. Kurz darauf wird seine jahrelange Tätigkeit als IM der Stasi aufgedeckt und beendet seine politische Karriere.

DDR steht vor ökologischer Katastrophe

Die gesamte Presse der DDR beginnt mit der Veröffentlichung von Umweltdaten. Die gravierenden Auswirkungen der SED-Politik auf die Umwelt gehören zu den Hauptthemen aller öffentlichen Proteste und Veranstaltungen. Vor allem in den Industriegebieten haben die extremen Umweltbelastungen und die Verschleierung von Daten bei der Bevölkerung große Sorgen ausgelöst.

Die liberaldemokratische Zeitung Der Morgen berichtet, das 1987 Emissionen von fast fünf Millionen Tonnen Schwefeldioxyd und fast einer Million Tonnen Stickoxiden gemessen worden waren. Seit langem führen Flüsse wie Elbe, Mulde und Saale nur noch eine braune bis kupferfarbene, stinkende Brühe als Wasser, gelegentlich von dreckigem Schaum bekrönt. Schornsteine blasen ihren ungefilterten Qualm in die Atmosphäre, der bei ungünstigem Wind das Atmen in den Städten erschwert.

Doch Smog, wie er in den 1980er Jahren in westdeutschen Städten Alarm auslöst, hat es in der DDR bisher offiziell nicht gegeben.

Polizei von Dresden will Demonstranten künftig unterstützen

In der Sächsischen Zeitung erklärt der Polizeichef des Bezirks Dresden, Generalleutnant Willy Nyffenegger, man habe aus den gewaltsamen Zusammenstößen der Vergangenheit gelernt. Die Volkspolizei werde sich künftig für politische Lösungen und einen fruchtbaren Dialog einsetzen. Für Kundgebungen und öffentliche Aussprachen auf dem Theaterplatz werde man eigene Tontechnik bereitstellen. Grundsätzlich sei man aus den vergangenen Wochen reifer hervorgegangen.

Ex-Spionagechef Markus Wolf spricht sich für eine öffentliche Kontrolle des Sicherheitsapparates durch gewählte Volksvertreter aus.

LDPD fordert Rücktritt der Regierung

In ihrer Zeitung Der Morgen fordert die LDPD den Rücktritt der gesamten Regierung und des Präsidiums der Volkskammer. Als neuer Präsident der Volkskammer wird der LDPD-Vorsitzende Manfred Gerlach vorgeschlagen.

Quelle:
tagesspiegel.de

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Re: Wie die Menschen in der DDR die Mauern der Angst zu Fall brachten

Beitragvon augenzeuge » 2. November 2014, 17:17

pentium hat geschrieben:Nach seiner Rückkehr aus Moskau erklärt Egon Krenz, eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten stehe „nicht auf der Tagesordnung.“ Statt derart „unreale Forderungen“ zu stellen, sei es „viel, viel wichtiger“ die europäische Stabilität zu sichern. Der Staats- und Parteichef der DDR behauptet einmal mehr, die SED habe „die Wende eingeleitet“ und beanspruche daher weiter die führende Rolle im Land.
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Tja, Egon erkannte nicht, dass eine Wiedervereinigung die Stabilität Europas sogar stärken würde...er dachte immer noch so engstirnig, wie zu Zeiten, als für ihn Europa keine große Rolle spielte... [flash]

Der Hammerwitz ist natürlich der letzte Satz...... [grins] Ja, und der dachte echt, damit etwas zu erreichen...... [flash]
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