Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Beitragvon Berliner » 3. September 2010, 03:33

Das rote Reservat
Indianerkult in der DDR


Dokumentation von Sascha Schmidt und Bernd Reufels

Erst waren sie nur ein Kuriosum, dann gerieten sie ins Visier der Staatssicherheit. Die Indianervereine in der DDR hatten mehrere tausend Mitglieder, die in exotischen Kostümen und selbstgebauten Tipis ihre Freizeit verbrachten. Ein Hauch von Freiheit und Wildem Westen, der bis tief nach Sachsen und Thüringen wehte, aber von den Machthabern stets misstrauisch beäugt wurde.



Quelle: PHOENIX - Das rote Reservat
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Re: Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 5. September 2010, 21:14

Ja, Indianervereine gab es in der DDR nicht wenige. Und einige wollten dann auch noch in das Land ihrer Vorbilder... [shocked] ..hiermit mussten sich sogar noch Neiber und Mielke beschäftigen.

Nachdem sich 8 Mitglieder des Indianerclubs "Sitting Bull" in der Ostberliner US-Botschaft erkundigt hatte, wie man denn nun in die USA käme, verwies man sie an die StäV. Allerdings hatten sie noch keinen Ausreiseantrag gestellt.

Neiber vermutete gleich, dass nun auch andere "dekadente" Personen sich in einer Gruppe zusammentun konnten und rechtswidrige Übersiedlungsersuchen stellen könnten...

Nach diesem Besuch bekamen die Ausreisewilligen den üblichen PM 12-Ausweis, der sie vom visafreien Verkehr ausschloss. Ob weitere Maßnahmen noch erfolgten bzw. wann sie ausreisen durften ist nicht bekannt.

(Kenntnisse aus dem gelesenen Buch von Mayer, Flucht und Ausreise)

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Re: Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Beitragvon drewitz » 2. November 2010, 16:18

Oh Mann...Die Rothäute waren im Osten wirklich populär.Ich war während meiner Lehrzeit auch ein paar mal in sogenannten Indianerlagern.
Im Tipi schlafen, Lagerfeuer...Es war so romantisch,daß mir heute schlecht wird,wenn ich daran denke...
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Re: Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Beitragvon SkinnyTrucky » 2. November 2010, 17:12

drewitz hat geschrieben:Es war so romantisch,daß mir heute schlecht wird,wenn ich daran denke...


Ohhh Mann Drewitz, schlägt dir denn Romantik soooo auf den Magen.... [shocked]

Ich stell mir grad vor, wie du deine Frau vollkotzt vor einem lodernden Kamin abends beim kuscheligen Glas Rotwein..... [flash]

Grüsse aus Trofarello an Häuptling Rote Socke.... [hallo]

Mara
Wenn es heute noch Menschen gibt, die die DDR verklären wollen, kann das nur damit zusammenhängen, dass träumen schöner ist als denken.... (Burkhart Veigel) Bild
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Re: Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Beitragvon drewitz » 2. November 2010, 17:27

[laugh] [laugh] [laugh]

Viele Grüße von
Häuptling Rote Socke a.D.
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Re: Das rote Reservat - Indianerkult in der DDR

Beitragvon Berliner » 3. November 2010, 01:56

mein damaliger Chef in Stuttgart hat sich auch fuer Indianer interessiert. Auf einer Heimreise durfte ich ihm einen Dreamcatcher fuer seinen Sohn mitbringen.

Uebrigens, ein durchaus freundlicher, netter und guter Mensch, natuerlich aus dem Osten (obwohl im Sommer 1989 ueber Ungarn geflohen).


Bild

Jetzt verstehe ich sein Interesse... [wink]

Berliner [hallo]
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Rothäute im Sozialismus Der Wilde Westen der DDR

Beitragvon Interessierter » 9. August 2012, 10:09

Sie träumten von den Weiten der Prärie - und lebten in einem Reservat der anderen Art. Aus Wildwest-Sehnsucht spielten Hunderte DDR-Bürger voller Leidenschaft Cowboy und Indianer. Die so irrwitzigen wie harmlosen Treffen der Tipi-Freaks zogen den ganzen Argwohn der Stasi auf sich.

In rund 60 Orten existierten Indianergruppen, bis zu 1000 Leute kamen bei zentralen Zeltlagern zusammen. Und weil Indianer, ob im Wilden Westen oder im dunklen Osten von Freiheitsdrang durchdrungen waren, machten sie sich Feinde. In der DDR übernahm diesen Part die Staatssicherheit. Manche Häuptlinge kontaktierte sie ganz offen, an andere schlich sie sich mit inoffiziellen Rothäuten wie IM "Inka" an und eröffnete operative Personenkontrollen wie die OPK "Tomahawk" - alles aus Sorge, "das Indianerleben auf dem Territorium der DDR" könne sich "gegen den Staat richten".

Zwar rauchte manche lokale Parteigröße bei öffentlichen Indianerfesten sogar die Friedenspfeife und die Häuptlinge der Gruppen traten alle - bis auf einen - in die SED ein. Doch auch in diesem Fall ging die Stasi nach der alten Tschekistendevise "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" vor. Was konkret bedeutete: Lieber eine IM-Rothaut mehr als eine zu wenig. Schließlich handelte es sich, so notierte die Stasi, bei "Indianerclubs" um Gruppierungen, die nicht der sozialistischen Entwicklung entsprächen. "Indianerfreunde" seien "übernational gesteuert", was per se natürlich verdächtig war. Stasi-O-Ton: "Die AG ,Indianistik' in der DDR stehen im Blickfeld des Gegners. Über ehemalige DDR-Bürger werden potentielle Kandidaten für eine Feindtätigkeit kontaktiert."

Vor allem größere Menschenansammlungen fand die Stasi suspekt. In Sachsen und im Thüringer Wald folgten zum Schrecken der Geheimdienstler massenweise DDR-Bürger den Rufen der Oberindianer zu "Indian Weeks" oder "Indian Councils".
Im Land der Anspielungen und des Hintersinns war die Provokation klar: "Die Indianer hatten eine ähnliche Ausgangslage wie wir Ostler", erinnert sich Jochen B., Häuptling der Dresdener "Pipestones". "Die DDR war ja auch ein Reservat."

Mehr hier:
http://einestages.spiegel.de/static/top ... r_ddr.html
Interessierter
 

Re: Rothäute im Sozialismus Der Wilde Westen der DDR

Beitragvon nightfire64 » 9. August 2012, 10:29

Das gibt es heute noch und ist immer noch sehr beliebt! [grins]

Zum Beispiel in der Lausitz, da ist es sogar ein eingetragener Verein "Crazy Horse Ranch" Steinölsa"!

Kerstin
nightfire64
 

Re: Rothäute im Sozialismus Der Wilde Westen der DDR

Beitragvon pentium » 9. August 2012, 12:34

Bei Manitoo, jetzt haben die Rothäute das Forum erreicht!
Mal im Ernst. Ich habe mal den ganzen Artikel gelesen. Ist ja auch nicht so Taufrisch. Soll ja eine Art von Rezension des Buches sein. Gut ich habe dieses Buch nicht und habe es ergo auch nicht gelesen. Kenne also nicht den Originaltext im Buch.
Aufgefallen ist mir als erstes folgender Abschnitt.

„Misstrauisch begleitete die Obrigkeit das DDR-Indianerwesen von Anfang an. Karl May war in der jungen DDR verpönt, seine Bücher wurden nicht verlegt. Dennoch gründete sich bereits 1956 in dessen letztem Wohnort Radebeul der erste Indianerclub. Später entstand sogar ein Indianer-Museum.“

(Klugscheißer-Modus ein)
Das mit der Obrigkeit mag stellenweise stimmen. Was eigentlich für die damalige Zeit und herrschende Ideologie logisch erscheint. Man stelle sich nur mal einen Kulturfunktionär der SED vor, was sollte der mit einem Indianerclub anfangen? Höchstens die Friedenspfeife rauchen. Wobei man das Ganze aber auch differenziert sehen muss, ebenso wie es der Obrigkeit ins Bild passte. Die Indianistik wurde eben manchmal misstrauisch beäugt, dann wieder geduldet, teilweise gestört und manchmal in die Strukturen der sozialistischen Kulturarbeit integriert. Aber ich will das nicht weiter ausführen.
Das mit Karl May mag für die junge DDR stimmen. Später aber wurde Karl May verlegt. Schlimmer ist die Sache mit dem Indianer-Museum. Noch nie etwas von Patty Frank gehört? Dieses Museum gibt es seit 1928 bis Heute nur unter wechselnden Namen. Auch dieser erste Indianerclub ist eigentlich keine Neugründung.
Für mehr Informationen.
karl-may-stiftung.de/museum/indianer/hoffmann.html
(Klugscheißer-Modus aus)
PS.
Die Freunde der Indianistik nahmen und nehmen die Sache manchmal sehr ernst. Ich kannte bis zur Wende einen Vertreter dieser Spezies. Er ist jetzt leider schon in den ewigen Jagdgründen.

Hau! Ich habe erst mal gesprochen.

Mit freundlichen Grüßen

Pentium
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Re: Rothäute im Sozialismus Der Wilde Westen der DDR

Beitragvon pentium » 19. April 2014, 20:10

In diesen Jagdgründen ist ja auch seit einigen Monden nichts mehr...

Zitat:
"Schnelles Pferd" ist langsam geworden. Sein linkes Bein schmerzt, er schlurft über den Linoleumboden und lässt sich auf einen mit Schafsfell bedeckten Sessel fallen. Seine grau-weißen Haare sind zerzaust wie die Raubvogel-Federn des Kopfschmucks an der Wand hinter ihm. 69 Sommer haben den einstigen Häuptling gezeichnet. Ein langes Indianerleben, vom jungen Krieger bis in den Ältestenrat seines immer kleiner werdenden Stammes.

Als die DDR noch existiert, ist das völlig anders. Über das gesamte Land verstreut, gründen Indianerfans eigene Stämme. In der Blütezeit existieren in rund 60 Orten Indianergruppen, bis zu 1000 Leute kommen bei zentralen Zeltlagern zusammen.

Joachim Giel ist erst elf Jahre alt, als die Leidenschaft für das Leben der amerikanischen Ureinwohner in ihm geweckt wird. Im Herbst 1951 bekommt er von seinem Vater ein besonderes Geschenk: ein Indianerkostüm, in wochenlanger Handarbeit genäht und bunt bestickt, dazu eine lange Federhaube und ein Tomahawk mit Steinklinge. Stolz wie Chingachgook, der Mohikaner-Häuptling aus seinen Lederstrumpf-Büchern, marschiert Joachim durch die Leipziger Straßen. Zum Jahrmarkt tollen dort Hunderte verkleideter Kinder herum. Bei den Fangspielen und Prügeleien der anderen will Joachim aber nicht mitmachen. Er hat Angst, dass sein edles Indianerkostüm kaputtgehen könnte...]

http://www.spiegel.de/einestages/ddr-in ... 48596.html



Um einen Raum zu imaginieren, in den bis heute Sehnsucht nach Freiheit projiziert wird, mußte Karl May Radebeul nicht verlassen. Seine Erben konnten es nicht, also holten sie den Wilden Westen in die DDR. 1956 wurde der "Indianistikklub Old Manitou" gegründet, dem zahllose weitere folgten.

Howgh, ich habe gesprochen
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