Schwul in der DDR

Schwul in der DDR

Beitragvon Interessierter » 26. Februar 2020, 11:43

"Ich hatte keine Ahnung, wie die Stasi arbeitet"

In Hamburg führt Micco Dotzauer vergnügt die Contact-Bar. In der ersten Hälfte seines Lebens kämpfte er in Leipzig für die Schwulenbewegung - bis er 1988 aufgab und von einem West-Besuch nicht zurückkehrte.

Micco ist in der DDR aufgewachsen. Die Hälfte seines Lebens, fast aufs Jahr genau, hat er in Leipzig verbracht. Sexualität kannte er lange nur im Geheimen, wagte erst im Schutzraum der Kirche sein Coming-out, kämpfte fortan für Schwulenrechte und gegen staatliche Verbote. Alles, wie er später herausfand, unter geheimdienstlicher Überwachung.
Männer kennenlernen - schwierig

Dass er auf Männer steht, fand Micco mit 17 heraus, an einem Sonntagabend im Jahr 1974. Bis heute weiß er nicht, wie er diesem Wildfremden einfach vertrauen konnte. Sex unter erwachsenen Männern war da länger schon erlaubt, § 175 aus dem Gesetzbuch der DDR gestrichen. Der diskriminierende "Schwulenparagraf" hatte seit der Kaiserzeit "widernatürliche Unzucht" zwischen Männern mit Gefängnisstrafe belegt, die Nazis hatten den Paragrafen noch verschärft. Doch das Kammergericht in Ostberlin befand 1957, schwules Leben stelle keine Gefahr für die sozialistische Ordnung dar.

Damit war der Paragraf 175 faktisch außer Kraft und die DDR der BRD voraus, wo er noch länger galt. Auf dem Papier hatten Homosexuelle im Osten mehr Rechte. Aber nicht auf der Straße. Die anerzogenen Vorurteile in den Köpfen, die blieben.

Unterrichtsmaterialien für DDR-Lehrpersonal, so beschreibt es die Bundeszentrale für politische Bildung heute, stellten gleichgeschlechtliche Partnerschaften als negativ dar. Ab Ende der Sechzigerjahre forschten Wissenschaftler an der Verhinderung homosexueller Neigung; eine Hormonbehandlung im Kindesalter galt als vielversprechend. Polizei und Stasi bespitzelten und verfolgten Schwule - bis in die Achtzigerjahre. Schwule lebten, auch deshalb, nicht öffentlich.

Möglichkeiten, Männer kennenzulernen, gab es wenige. Micco flanierte gern am Bahnhof und hielt Ausschau. In manchen Restaurants platzierten Kellner - nicht offiziell, gegen gutes Trinkgeld - passende Gäste zusammen. Schwule zu Schwulen. Und wenn es funkte, traf man sich im Clara-Zetkin-Park zum "Outside-Cruising", wie Sex im Freien heute heißt. Zur Not taten es auch öffentliche Toiletten, die Klappen. "Ach Gott, die Klappen, ja", erinnert sich Micco, "die waren furchtbar, kaputt, schmutzig und haben gestunken, aber wo sollten wir auf die Schnelle hin?"

Sie wollten nie verheimlichen, wer sie waren

Klar haben sie gewusst, dass sie damals als Schwule beobachtet wurden. "Ich hatte keine Angst. Weil ich keine Ahnung hatte, wie die Stasi arbeitet", sagt Micco heute. Die Staatssicherheit hatte ihn im Zuge des Operativen Vorgangs (OV) "Bruder" ausgespäht. Es war die höchste, intensivste Stufe der Überwachung und Verfolgung in der DDR.


https://www.spiegel.de/geschichte/schwu ... 90b7e45569
Interessierter
 

Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 26. Februar 2020, 14:45

Seltsam...

Doch das Kammergericht in Ostberlin befand 1957, schwules Leben stelle keine Gefahr für die sozialistische Ordnung dar....
.......Polizei und Stasi bespitzelten und verfolgten Schwule - bis in die Achtzigerjahre.


Staat im Staate?

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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 26. Februar 2020, 15:14

Im damaligen Kreiskrankenhaus QLB arbeiteten zwei mir bekannte Schwule. Einer war bisexuell. Das war allen beim Personal bekannt und es gab offen keinerlei Abneigung. Sie haben ordentlich gearbeitet, anderes interessierte nicht. Habe sie 1966 nach meinem schweren Unfall selbst erlebt, beide direkt kennengelernt.
Der eine war der Bruder meines Nachbarn und Kollegen, der unseren Dachboden gerade zu Wohnraum ausgebaut hatte. Er ging dann genau ab diesem Jahr bei uns im Haus ein und aus. Diskrimination habe ich nie feststellen können.

Gruß Volker
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Grenzbeobachter » 26. Februar 2020, 16:44

Es ist eine Schande, dass der Schwulenparagraph in der Bundesrepublik erst 1994 gestrichen wurde.
Hier war die DDR bei der Behandlung von Homosexuellen rechtlich liberaler und weiter im denken, sie strichen diesen Paragraph bereits 1968.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 26. Februar 2020, 17:59

Grenzbeobachter hat geschrieben:Es ist eine Schande, dass der Schwulenparagraph in der Bundesrepublik erst 1994 gestrichen wurde.
Hier war die DDR bei der Behandlung von Homosexuellen rechtlich liberaler und weiter im denken, sie strichen diesen Paragraph bereits 1968.


Und warum hat die DDR sie dann trotzdem weiter verfolgt?

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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon HPA » 26. Februar 2020, 18:30

Das Gesetz war halt gnädig, die Gesellschaft nicht. Also wurde weiter ausgegrenzt und diskriminiert.

Abgesehen davon blieb der §151 StGB der DDR bis 1989 in Kraft.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Sperrbrecher » 26. Februar 2020, 18:31

Grenzbeobachter hat geschrieben:Es ist eine Schande, dass der Schwulenparagraph in der Bundesrepublik erst 1994 gestrichen wurde..

Das mag sein, aber nach meiner Kenntnis hat es auch bereits vorher kaum noch
irgend jemanden interessiert was die da so trieben.
In Berlin gab es schon viele Schwulenkneipen und meine Kollegen die dieser
Sparte angehörten, haben ihre Veranlagung alle recht offen ausgelebt.
In der DDR wussten 90% der Bevölkerung, dass sie verarscht werden.
In der Bundesrepublik haben es 90% der Wähler immer noch nicht gemerkt.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Grenzbeobachter » 26. Februar 2020, 18:37

Ich kenne das auch von Berlin, weiß aber nicht ob es für Berlin-West vor 1989 andere Regelungen als in der Bundesrepublik gab.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Grenzbeobachter » 26. Februar 2020, 18:46

augenzeuge hat geschrieben:
Grenzbeobachter hat geschrieben:Es ist eine Schande, dass der Schwulenparagraph in der Bundesrepublik erst 1994 gestrichen wurde.
Hier war die DDR bei der Behandlung von Homosexuellen rechtlich liberaler und weiter im denken, sie strichen diesen Paragraph bereits 1968.

Und warum hat die DDR sie dann trotzdem weiter verfolgt?
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Das kann ich dir nicht beantworten, ich kann die damaligen Zustände als Außenstehender nicht beurteilen.
Meine Kritik richtete sich hier gegen unsere Bundesrepublik. Die Abschaffung von § 175 hätte doch eigentlich viel früher erfolgen müssen.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 26. Februar 2020, 18:58

Bestimmt nicht weil sie Schwul waren Augenzeuge.

Alles was sich unter dem Dach der Kirche versammelte um sein "Opposition" gegenüber dem System DDR auszuleben war schwul und wurde "verfolgt".
Warst du nicht auch in kirchlichen oder kirchennahen Gruppen und wurdest du verfolgt weil du schwul warst sondern eher weil, wenn überhaupt, du mehr oder minder offen versucht hast gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR zu opponieren.

Und in der von christlich Werten geprägten, freien Gesellschaft der BRD bis 1989 tobte offenbar auch nicht das schwule Leben durch jedes Provinznest.

wie heuchlerisch gerade diese christlicher Wertekanon bezüglich des Umgangs mit Homosexualität ist kannst du dir in dem ziemlich aktuellen Film von 2018 "Der verlorene Sohn" ansehen. Es geht um die Konservationstheraphie .....

Das ist Verfolgung, das ist sehr beklemmend .......
Übrigens ist diese scharlatanistische "Therapie" in dieser ach so multi-kulti-queeren Republik wird erst ab Mitte 2020 voraussichtlich verboten sein und da auch nur für Minderjährige.

Und nun beklage dich weiter über die unmenschliche Stasi die in der DDR Menschen verfolgte nur weil sie Homosexuell waren.

Großkotz verwechselt mal wieder was, nämlich das sogenannte Schutzalter bei sexuellen Handlungen, den §151 in der DDR welcher im Sommer 1989 gestrichen wurde und dem §175 der BRD indem das Schutzalter nach etlichen "Reformen" eingefügt wurde und bis 1994 als Gesetz galt.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 26. Februar 2020, 19:20

Grenzbeobachter hat geschrieben:Ich kenne das auch von Berlin, weiß aber nicht ob es für Berlin-West vor 1989 andere Regelungen als in der Bundesrepublik gab.


Ganz sicher nicht zu dieser Sachlage. Mir sind auch gewisse Schwulenkneipen unweit des Wittenbergplatzes vor 1989 bekannt. Ein Kollege hatte mich und meine Partnerin dahin mal eingeladen.
Daher versteh ich gar nicht, warum man sich an diesen Paragraphen hochzieht, praktisch hatten die Schwulen dort ein freies Leben, da wäre auf der anderen Seite der Stadt die Stasi im Dreieck gehüpft. [flash]
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 26. Februar 2020, 19:22

Nostalgiker hat geschrieben:Warst du nicht auch in kirchlichen oder kirchennahen Gruppen und wurdest du verfolgt weil du schwul warst sondern eher weil, wenn überhaupt, du mehr oder minder offen versucht hast gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR zu opponieren.



Bitte? [flash] Jetzt verwechselst du mich aber. Definitiv nein, zu allen "Vorwürfen".
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Danny_1000 » 26. Februar 2020, 19:35

augenzeuge hat geschrieben:
Grenzbeobachter hat geschrieben:Es ist eine Schande, dass der Schwulenparagraph in der Bundesrepublik erst 1994 gestrichen wurde.
Hier war die DDR bei der Behandlung von Homosexuellen rechtlich liberaler und weiter im denken, sie strichen diesen Paragraph bereits 1968.


Und warum hat die DDR sie dann trotzdem weiter verfolgt?

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Das ist natürlich so pauschal geschrieben Quatsch. Die offizielle DDR hat nach Streichung des § 175 Menschen nicht verfolgt, nur weil sie schwul waren. Da mussten schon andere Dinge vorliegen oder dazu kommen.
Die Mehrheitsgesellschaft in der DDR hatte genauso viele Vorurteile gegenüber dieser Lebensform, wie die in der Bundesrepublik. Da unterschieden sich beide Systeme eher nicht, von der viel zu späten Streichung des Schwulenparagrafen im Westen mal abgesehen.
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben
dafür einsetzen, dass du es sagen darfst !
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Edelknabe » 26. Februar 2020, 19:52

Vorurteile? Gegen Schwule im Alltag,in der DDR,in Leipzig ich weiß nicht so recht.Meiner Susanne und mir sind etliche schwule Jungs in der Jugend im Alltag über den Weg gelaufen, da gabs Null Problemo mit denen. Die hast du registriert, dich teilweise amüsiert und gut war es mit denen.
Vom "Hörensagen" gabs wohl auch mal Zoff....sinngemäß Prügel von Irgendwem, der diese Klientel nicht leiden konnte(siehe Vortext hier) aber sowas ging unter, wurde wohl auch nie so eben Körperverletzungen von den Jungs angezeigt.(aber Hörensagen eben)

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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 26. Februar 2020, 21:04

augenzeuge hat geschrieben:
Grenzbeobachter hat geschrieben:Ich kenne das auch von Berlin, weiß aber nicht ob es für Berlin-West vor 1989 andere Regelungen als in der Bundesrepublik gab.


Ganz sicher nicht zu dieser Sachlage. Mir sind auch gewisse Schwulenkneipen unweit des Wittenbergplatzes vor 1989 bekannt. Ein Kollege hatte mich und meine Partnerin dahin mal eingeladen.
Daher versteh ich gar nicht, warum man sich an diesen Paragraphen hochzieht, praktisch hatten die Schwulen dort ein freies Leben, da wäre auf der anderen Seite der Stadt die Stasi im Dreieck gehüpft. [flash]
AZ


Du hast diesbezüglich eine gravierende Unkenntnis.
Gerade im Prenzlauer Berg gab es zwischen ab Sennefelder Platz bis hoch zur Wisbyer/Bornholmer auf der Schönhauser und angrenzende Strassen genug Schwulenkneipen .....
In einer davon spielen Teile des Films "coming out" ......
Im Film sieht man so schön wie die Stasi im Dreieck hüpft und wie die Schwulen ganz allgemein verfolgt wurden.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 26. Februar 2020, 22:00

Lies das bitte und dann wirf mir nochmal Unkenntnis vor.
https://m.bpb.de/geschichte/zeitgeschic ... in-der-ddr
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 26. Februar 2020, 22:55

Ich glaube, da ist der Nostalgiker der sattelfeste Fachmann.

Gruß Volker
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Sperrbrecher » 27. Februar 2020, 00:37

Grenzbeobachter hat geschrieben: Meine Kritik richtete sich hier gegen unsere Bundesrepublik. Die Abschaffung von § 175 hätte doch eigentlich viel früher erfolgen müssen.

Es gibt immer wieder Paragrafen die noch in den Gesetzen stehen, aber nicht
mehr strafrechtlich verfolgt werden. So wurde z.B. auch der Straftatbestand
der Majestätsbeleidigung bzw. sein Nachfolgetext "Beleidigung ausländischer
Staatsoberhäupter" erst 2018 abgeschafft.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Sperrbrecher » 27. Februar 2020, 02:18

Nostalgiker hat geschrieben:Bestimmt nicht weil sie Schwul waren Augenzeuge..

Aber zumindest für die Stasi blieb es ein Makel, der in den Akten Erwähnung fand.
In der DDR wussten 90% der Bevölkerung, dass sie verarscht werden.
In der Bundesrepublik haben es 90% der Wähler immer noch nicht gemerkt.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 27. Februar 2020, 07:57

augenzeuge hat geschrieben:Lies das bitte und dann wirf mir nochmal Unkenntnis vor.
https://m.bpb.de/geschichte/zeitgeschic ... in-der-ddr
AZ


Aber gerne.

Du weißt was ich von vielen Artikeln der Bundesanstalt für politische Unbildung halte.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Beethoven » 27. Februar 2020, 08:01

Ich kannte zu Zeiten der DDR auch einige schwule Männer. Ich wurde auch mal angemacht von so einem Burschen aber da schüttelte mich der Ekel.

Allerding war mein Freund Dietmar F. auch einer vom anderen Ufer und er war ein sehr liebenswerter, freundlicher, kluger und feiner Kerl. Hat übrigens Jura studiert und war Betriebsanwalt in einem größeren Betrieb in Rostock. Der hätte seine vier Räder vom Trabi abgebaut, wenn man diese gebraucht hätte. Einen lieberen Menschen traf ich selten. Leider ist er vor ein paar Jahren, völlig unvorbereitet, verstorben.
Bei ihm weiß ich sicher, dass er sich nicht vom MfS verfolgt fühlte. Das hätte er mir bestimmt erzählt, da wir geistig ein sehr vertrautes Verhältnis zueinander hatten.

Natürlich gab es Idioten, auch heute noch, die sich Schwulen gegenüber verhalten, wie es eben nur dämliche Menschen tun. Das hat also nichts mit Gesetzen zu tun, sondern mit der inneren Einstellung zu Menschen mit anderer sexueller Ausrichtung.

In Rostock gab es auch ein, zwei oder mehr (ich weiß es nicht genau) Lokale, wo sich diese Szene traf, so wie wohl in jeder mittleren oder größeren Stadt.
Sein "schwul sein" wurde jedoch nur durch wenige Bürger die es betraf, offen zur Schau getragen. Die Gesellschaft war in großen Teilen noch nicht so offen und tolerant, wie sie heute ist, wo man in jedem dritten Film oder Veranstaltung, Schwule oder Lesben sehen kann (DSDS oder Lets dance usw.).

In meinem Job habe ich schon öfter an schwule- oder lesbische Paare verkauft. Durch die Bank, nette und aufgeschlossene Leute.

Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 27. Februar 2020, 08:08

Beethoven hat geschrieben:I
Natürlich gab es Idioten, auch heute noch, die sich Schwulen gegenüber verhalten, wie es eben nur dämliche Menschen tun. Das hat also nichts mit Gesetzen zu tun, sondern mit der inneren Einstellung zu Menschen mit anderer sexueller Ausrichtung.



Solche "Menschen", wie im ersten Satz benannt, tröten auch in diesem Forum subtil zum Thema herum.
Homophobie ist ein menschliches Makel, nicht eine sexuelle Orientierung die weder anerzogen wird, noch durch Verführung oder unausgeglichenen Hormonhaushalt entsteht ......

Die gleichgeschlechtlichen Pinguinpaare würden über so viel Blödsinn nur staunen wenn sie lesen könnten ......
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 27. Februar 2020, 19:27

Volker Zottmann hat geschrieben:Ich glaube, da ist der Nostalgiker der sattelfeste Fachmann.

Gruß Volker


Aha....stimmt das, Nosti? [shocked]
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 27. Februar 2020, 19:29

Nostalgiker hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:Lies das bitte und dann wirf mir nochmal Unkenntnis vor.
https://m.bpb.de/geschichte/zeitgeschic ... in-der-ddr
AZ


Aber gerne.

Du weißt was ich von vielen Artikeln der Bundesanstalt für politische Unbildung halte.


Ja, Teufelszeug....ich weiß. [laugh]

Aber gut gemacht. Und es ist ärgerlich...für einige. Platzen doch einige Blasen..... [grin]

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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Olaf Sch. » 27. Februar 2020, 22:30

Ich kann mir nur einen Grund vorstellen, warum sich die Stasi für die sexuelle Orientierung interessierte: Erpressung.
Olaf Sch.
 

Re: Schwul in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 27. Februar 2020, 22:33

AkkuGK1 hat geschrieben:Ich kann mir nur einen Grund vorstellen, warum sich die Stasi für die sexuelle Orientierung interessierte: Erpressung.


Damit liegst du vermutlich nicht falsch.

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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon zonenhasser » 27. Februar 2020, 23:18

augenzeuge hat geschrieben:
AkkuGK1 hat geschrieben:Ich kann mir nur einen Grund vorstellen, warum sich die Stasi für die sexuelle Orientierung interessierte: Erpressung.
Damit liegst du vermutlich nicht falsch.
Da gab es sicher noch andere Gründe. Schließlich wird man in dieser Gruppe kaum stramme Genossen gefunden haben, sondern mehrheitlich war das ein unkonventionelles Völkchen, aus Stasi-Sicht potentielle Aufrührer.
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Olaf Sch. » 27. Februar 2020, 23:33

Es wird genug Homosexuell gegeben haben, die dies nicht offen ausgelebt haben, allein schon um der Häme zu entgehen. Manche waren verheiratet und hatten Kinder. Das machte angreifbar. Aber sicher gab es mehrere Aspekte der Investigation durch die Stasi.
Olaf Sch.
 

Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Merkur » 28. Februar 2020, 04:39

AkkuGK1 hat geschrieben:Aber sicher gab es mehrere Aspekte der Investigation durch die Stasi.


Dazu habe ich kürzlich das Buch „Mit der Stasi ins Bett“ von Stefan Spector gelesen. Es gibt entsprechende Einblicke auch über das Thema MfS hinaus.
Eigentlich sollte er im Auswärtigen Amt für die DDR arbeiten. Aber im dritten Agenten-Ausbildungsjahr verschwand die DDR von der Landkarte. Aus dem Perspektiv-Spion mit FDP-Parteibuch wurde also nichts wohl aber der erste offen schwule Bewerber für ein Bundestagsmandat. Da machten ihm jedoch seine Parteifreunde einen Strich durch die Rechnung: Sie zogen die Stasi-Akte des IM »Jérôme« ... Stefan Spector berichtet in seinen sehr bunten Erinnerungen über eine Romeo-Karriere bei der Stasi, die bereits endete, bevor sie richtig begann. Sein Bericht aus der Geheimdienstwelt, in Diktion und Haltung an Felix Krull erinnernd, lässt die 1980er Jahre und den Kalten Krieg noch einmal lebendig werden: die Hausbesetzerszene in Westberlin, die vielfältigen Beziehungen zur Schwulen-Szene im Osten und die Aktivitäten des MfS, unter den Studenten im Westen geheime Mitarbeiter zu gewinnen. Stefan Spector war einer von etwa zweitausend jungen Leuten, die die Stasi für den Geheimdienst warb. Und er hatte eine spezielle Präferenz. Die Stasi hatte mit seiner Homosexualität keine Probleme. Im Gegenteil. Zudem war der Paragraf 175 in der DDR abgeschafft, der im Westen noch galt. Deshalb verlagerte sich die Schwulenszene immer mehr nach Ostberlin und machte es der DDR-Aufklärung leicht.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Schwul in der DDR

Beitragvon Edelknabe » 28. Februar 2020, 06:49

Mal ne schöne Geschichte.Aus tiefster DDR Zeit...70er Jahre. Irgendwo schrieb ich darüber schonmal, nur wo?

Meine Susanne hatte ne Freundin,wohl aus der Schulzeit. Sie bekamen ihre Kinder fast zum selben Zeitpunkt,trafen sich sozusagen bei der Entbindung neu, schoben ihre Kinderwagen auf der Strasse, im Park, hatten beide ein wirklich gutes Verhältnis.Erzählten sich alles. Die Eltern des Mädels sehr gebildet, Vater Professor, Muttern Lehrerin und so gingen die Jahre ins Land, das Mädel bekam recht zeitig ein zweites Kind, wir waren erstmal mit unserer einenTochter zufrieden.

Die Freundschaft kam durch den Alltag etwas zum erliegen, man traf sich aber weiter ab und an.

Mitte der 80er Jahre der Hammer, völlig ungewohnt für uns im Alltag des Sozialismus weil nie von solchen Dingern gehört noch....erzählt mir doch Susanne, das ihre Freundin in Scheidung liegt. Ihre Eltern wären sinngemäß am Boden zerstört. Der Grund "allen Übels", ihr Mann, also der der Freundin hätte sich wohl geoutet, er wolle sich zur Frau umoperieren lassen.Bumms machte es und das im Sozialismus.

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