Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Interessierter » 2. Januar 2018, 09:43

Als Oberkellner in Leipzig kam Onkel Wolfgang zu DDR-Zeiten an reichlich Trinkgelder in D-Mark. Seinem Neffen Marko Schubert kaufte er davon Matchbox-Autos. Doch eines Tages verließ er Sachsen, und die ganze Familie hatte ein Problem.

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Kinheitstraum: Marko Schubert mit seinem Bruder Benny, seinen Großeltern aus Leipzig und seinem Onkel Wolfgang mit Anne. Als Kind träumte Marko von einer Karriere als Kosmonaut.

Schon mit 14 mussten wir uns in der DDR auf einen Beruf festlegen. Mir war klar, dass diese Entscheidung mein gesamtes späteres Dasein bestimmen würde. Denn die Eltern lebten es vor: Schule - Beruf - Datsche - Rente - Gruft. In meiner Klasse sah ich nur ratlose Gesichter. Was konnten und wollten wir in diesem Land werden? Keine Ahnung. Die meisten nahmen mangels Alternativen die Stellenangebote des Staates an. Manche arbeiteten dann ihr ganzes Leben lang für die Nationale Volksarmee oder ein Ministerium.

Ich wollte jedoch selbst entscheiden, wohin die Reise ging. Der Traum, als Kosmonaut ins Weltall zu fliegen, zerschlug sich rasch, da ich bei jeder längeren Fahrt in unseren Trabi kotzte. Meine Lehrerin Frau Wagenbach gab mir den Rat, mich doch mal im Kreise der Familie nach Vorbildern umzuschauen.

Die Frauen kamen dabei nicht in Frage. Die sah ich immer nur schuften und den Haushalt schmeißen - das war ja kein Leben. Ich grenzte also unsere Familienmitglieder auf meinen Vater, Onkel Wolfgang und Opa Hans ein. Einem dieser drei wollte ich nacheifern.

Witz und Bauernschläue

In Berlin gab es wahrscheinlich keinen anderen Menschen, der mehr Witze erzählte als mein Vater. Zu jedem Stichwort, jeder Begebenheit oder jedem Ort fielen ihm spontan Anekdoten ein, die er dann vorzugsweise in großer Runde zum Besten gab. Er war ein gern gesehener Alleinunterhalter, etwa während FDGB-Urlauben.

Sein zweites Merkmal: Bauernschläue. Sobald es eine Aufgabe gab, auf die er keine Lust hatte, redete er so lange auf Leute ein oder stellte sich absichtlich extrem blöd an, bis sie die Sache genervt für ihn erledigten. Nachbarn und Arbeitskollegen reparierten ihm das Auto, brachten Lampen an oder bauten Schuppen.

Sicherlich hatte er auch viel Glück, doch seine Charakterzüge trugen erheblich dazu bei, dass er in seiner Karriere ohne Mühe weiterkam. Nach dem Sportstudium in Leipzig landete er beim Sportclub SC Dynamo Berlin, wo er als gut bezahlter Angestellter arbeitete. Später brachte er es bis zum Sektionsleiter Radsport, bekam eine schöne Neubauwohnung und obendrein noch eine tolle Familie.

Doch obwohl mein Vater überall uneingeschränkt im Mittelpunkt stand, konnte ich mit seiner Art, andere immer zum Lachen bringen zu wollen, nicht viel anfangen. Ein ernsthaftes Gespräch war mit ihm kaum möglich. Obwohl er als anerkannter Sportfunktionär gut verdiente, wollte ich nicht so werden wie er. Ich musste mir also ein anderes Vorbild suchen.

Mit der Vorbildsuche und 10 weiteren Fotos geht es hier weiter:
http://www.spiegel.de/einestages/jugend ... 83827.html
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Merkur » 2. Januar 2018, 09:54

Man beachte das Kennzeichen des 311er Wartburg. [flash]
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon augenzeuge » 2. Januar 2018, 10:05

Ein Artikel, den ich gut nachvollziehen kann. Die Fotos zeigen allerdings sehr unterschiedliche Zeiten.
Solche Schulaufsätze kenne ich auch noch.... [flash]

@Merkur
Gut das damals fast keiner in der DDR wusste, was ein IM ist. [grins]

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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Olaf Sch. » 2. Januar 2018, 13:08

Jupp, bei uns hießen die Horch und Guck oder Gummiohren...
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Kumpel » 2. Januar 2018, 13:58

....oder aber Memphis.


()"Bestürzt stellte ich aber fest, dass ich wegen solch eines Onkels nicht einmal mehr ins NSW (Nicht Sozialistische Wirtschaftsgebiet) fahren dürfte."()

So ähnlich dachte ich auch.Die ersten Einschränkungen in beruflicher Art ließen dann auch nicht mehr lange auf sich warten.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon karnak » 2. Januar 2018, 14:17

Kumpel hat geschrieben:....oder aber Memphis.


()"Bestürzt stellte ich aber fest, dass ich wegen solch eines Onkels nicht einmal mehr ins NSW (Nicht Sozialistische Wirtschaftsgebiet) fahren dürfte."()


[denken] Wieso eigentlich" nicht einmal mehr", was gab es denn noch Größeres und durfte man das ohne einen solchen Onkel?
Und das mit dem Begriff Memphis kannte ich auch, "Firma " wurde durchaus auch von MfS Angehörigen benutzt. Der Ursprung liegt wohl darin, dass auch die CIA diesen Begriff für ihren Laden benutzte, schon komisch, dass man das dann auch im MfS tat. [flash]
Wie der Begriff Memphis allerdings zustande gekommen ist, ist mir völlig unklar.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Volker Zottmann » 2. Januar 2018, 14:49

Der ganze Bericht spiegelt doch die traurige Armseligkeit der DDR wider.
Diesem ist aber mehr wahrer Inhalt zu entnehmen, als so manchem Machwerk, was von Gestrigen im Heute geschrieben wurde.

Volker
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon karnak » 2. Januar 2018, 14:58

Du bist doch Rentner hast Zeit, solltest auch das von den "Anderen "wenigstens lesen, die Meinungsbildung ist dann erstmal außen vor, es ist aber dazu hilfreich. Orientiert man sich immer nur an der "sympathischen " Seite fällt man schnell auf deren Propagandisten herein und plappert das nach so wie die es wollen.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Volker Zottmann » 2. Januar 2018, 16:16

karnak hat geschrieben:Du bist doch Rentner hast Zeit, solltest auch das von den "Anderen "wenigstens lesen, die Meinungsbildung ist dann erstmal außen vor, es ist aber dazu hilfreich. Orientiert man sich immer nur an der "sympathischen " Seite fällt man schnell auf deren Propagandisten herein und plappert das nach so wie die es wollen.


Prinzipiell gebe ich Dir hier recht.
Es ist ja nicht so, dass ich mich nur einseitig orientiere. Dennoch gibt es Autoren, die ich niemals lesen werde, auch prinzipiell. Namen erspare ich uns. Es genügt oft, sich an deren Äußerungen in Interwievs zu erinnern. Man weiß zuvor schon, dass es keinen Erkenntnisgewinn geben kann, außer dass man seine wertvolle Lebenszeit verplempert.

Gruß Volker
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon karnak » 2. Januar 2018, 16:32

Prinzipiell ist bei solchen Dingen nie optimal. [flash]
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Interessierter » 2. Januar 2018, 18:36

karnak » 2. Januar 2018, 14:58
Du bist doch Rentner hast Zeit, solltest auch das von den "Anderen "wenigstens lesen, die Meinungsbildung ist dann erstmal außen vor, es ist aber dazu hilfreich. Orientiert man sich immer nur an der "sympathischen " Seite fällt man schnell auf deren Propagandisten herein und plappert das nach so wie die es wollen.


Kristian, warum unterstellst du eigentlich, dass man nur Ausführungen der sympathischen Seite lesen würde? Historiker beispielsweise, haben sich nicht Kenntnisse erarbeitet, die einem sympathisch sind. Ebenso ist es sehr interessant, Berichte der unterschiedlichsten Zeitzeugen zu lesen und das nicht nur, weil es erheiternd ist, jedes mal bei Veröffentlichung eines solchen festzustellen, dass " Ehemalige ", diese Berichte hassen, wie der Teufel das Weihwasser... [wink]

Weiterhin, muss man auch keine Bücher von Autoren lesen, deren Äusserungen an starkem Realitätsverlust leiden. Wenn dann ein Buch von Winderlich hier auch noch empfohlen wird, so spricht das Bände: aber trägt letztendlich nur zu meiner Erheiterung bei.

Wie wäre es denn den zu empfehlen: [laugh]

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Übrigens interessant, dass du erst fast 30 Jahre nach dem Untergang der DDR, Marx gelesen hast... [flash]
Zuletzt geändert von Interessierter am 2. Januar 2018, 18:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon karnak » 2. Januar 2018, 18:43

Mit Marx ist es wie mit der Bibel, die Bücher haben nur wenige gelesen und noch weniger verstanden. Was nicht daran hindert sich darauf zu berufen. [flash] Ich habe mich schon 85 mit dem Marx rumquälen müssen.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Volker Zottmann » 2. Januar 2018, 19:01

Ich dachte bisher immer, der Karl Marx hatte mehr Haare im Gesicht.... [laugh]

Bild
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon andr.k » 2. Januar 2018, 19:15

[laugh] Jetzt ist mein Abend gerettet… Ich finde es ausgesprochen lustig, dass hier Autoren Realitätsverlust bescheinigt wird, ohne dass ihre Werke gelesen werden. Den Seinen gibt’s der Herr ja bekanntlich im Schlaf. [laugh]
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
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Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon Kumpel » 3. Januar 2018, 08:37

karnak hat geschrieben:Wieso eigentlich" nicht einmal mehr", was gab es denn noch Größeres und durfte man das ohne einen solchen Onkel?



Die Aussicht auf eine Westreise im Rentenalter und die Vorfreude bereits Jahrzehnte vor diesem Zeitpunkt war doch ein weit verbreiteter Ausspruch
in der DDR.
Da freute sich bereits mancher Enkel schon auf diese Reise mit seiner Oma. Diese Hoffnung galt vielen als das ultimative Ereignis auf das man hin leben konnte.
Ein "frisch" ausgereistes, frei gekauftes oder abgehauenes Familienmitglied störte dabei das dafür nötige unauffällige Leben ganz erheblich.
Was viele DDR Bürger tatsächlich umtrieb bemerkten die meisten Uniformträger ohnehin nicht.
Kumpel
 

Re: Jugend in der DDR - Mein großes Vorbild

Beitragvon augenzeuge » 3. Januar 2018, 09:50

andr.k hat geschrieben: Ich finde es ausgesprochen lustig, dass hier Autoren Realitätsverlust bescheinigt wird, ohne dass ihre Werke gelesen werden.


Wir brauchen hier Abschnitte aus dem Buch, um Diskussionen darüber führen zu können. Wer schafft das? [flash]

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