Verbotene Filme in der DDR

Kurz und Knapp, eben alles zum Thema Kultur

Verboten! Der Defa-Film, das 11. Plenum und die SED

Beitragvon augenzeuge » 11. Dezember 2010, 22:48

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Verbotene Filme in der DDR

Beitragvon Interessierter » 28. Oktober 2015, 18:43

Wie Simon lernte, die Bombe zu lieben

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Szene aus "Jadup und Boel": Jadup (Kurt Böwe) ist der angesehene Bürgermeister einer DDR-Kleinstadt, dem die Eröffnung der neuen Kaufhalle obliegt. Doch ein Ereignis versetzt den selbstbewussten, routinierten Politiker in Unruhe: Beim Einsturz eines alten Hauses ist ein Buch zum Vorschein gekommen, das er kurz nach Ende des Krieges dem Mädchen Boel (Katrin Knappe) geschenkt hatte. Durch das Buch werden alte Gerüchte lebendig. Regisseur Rainer Simon drehte den Spielfilm 1980/1981 in der Altmark. Vorlage war der Roman "Jadup" von Paul Kanut Schäfer, der in der Kleinstadt Seehausen spielt - in Buch und Film "Wickenhausen" genannt.

Eigentlich hätte es ihn gar nicht geben dürfen: 20 Jahre nach dem Fall der Mauer kommt Rainer Simons Spielfilm "Jadup und Boel" noch einmal in die Kinos. Es ist der letzte DDR-Streifen, der nach seiner Fertigstellung weggeschlossen wurde - dabei ist allein schon die Geschichte des Verbots filmreif.

"Für mich war es eine sensationelle Chance: Ich war noch keine 25 Jahre alt und würde meinen ersten Spielfilm beginnen." Der junge Regiestudent Rainer Simon war euphorisch. 1965 hatte er sein erstes Drehbuch geschrieben, noch im selben Jahr war es vom Filmstudio der DDR, der DEFA, angenommen worden. Normalerweise mussten Absolventen der DDR-Filmhochschule erst mehrere Jahre als Assistenten arbeiten, bevor Vergleichbares geschah. Doch Simons Adaption des Jugendromans "Die Moral der Banditen" von Horst Bastian schien gelungen, eine Geschichte über eine Jugendbande, die sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer Gegenwart und den Nachwirkungen des Faschismus auseinandersetzen muss.

Als im Dezember die Probeaufnahmen beginnen sollten, empfing ihn der Produktionsleiter früh im Studio. Er teilte Simon mit, dass er alle Schauspieler ausgeladen habe. Die Proben seien abgesetzt. In Berlin war gerade das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED zu Ende gegangen.

Den Künstlern in der DDR sollte dieses Ereignis als Kahlschlag in Erinnerung bleiben. Die politische Lage hatte sich geändert: In der Sowjetunion hatte Leonid Breschnew 1964 den entmachteten reformfreudigen Nikita Chruschtschow als Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei abgelöst, und die von der KPdSU vorgegebene politische Linie hatte unmittelbare Auswirkungen auf den SED-Staat: Die DDR-Führung beendete die kurze Episode der Liberalisierung ihrer Wirtschafts- und Kulturpolitik seit 1963.

Weiter mit dem Bericht und vielen Fotos geht es hier:
http://www.spiegel.de/einestages/verbot ... 48214.html
Interessierter
 

Re: Verbotene Filme in der DDR

Beitragvon Interessierter » 28. Mai 2016, 09:42

Verbotene Filme in der DDR - Fanal für die Kunst

Im Dezember 1965 tagte in Berlin das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED. Die Parteikonferenz zählt zu den wichtigsten Zäsuren der DDR-Kulturgeschichte. Führende SED-Funktionäre ereiferten sich über „Dekadenz“ und „Skeptizismus“ in Literatur und Film. Eine Welle von Verboten war die Folge.

„Wir sind alle Sklaven!“ In leuchtend weißer Farbe steht dieser Satz an der Wand einer Fabrik, irgendwo in Ostberlin. Geschrieben haben ihn zwei Jugendliche, voller Wut und Frust über die bürokratischen Verhältnisse im Betrieb und über die Bevormundung durch die älteren Kollegen. Ihr Aufbegehren richtet sich jedoch nicht nur gegen die Umstände, unter denen sie arbeiten. Der Satz steht zugleich für ihr gesamtes Leben – ein Leben, das von Ideologie, staatlichen Vorgaben und sozialistischer Planerfüllung geprägt ist. Damit soll endlich Schluss sein.

Die Szene stammt aus Berlin um die Ecke (1965) von Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase, und war, wie alle Filme der ehemaligen DDR, vom volkseigenen DEFA-Filmunternehmen produziert worden. Sie war so realistisch, dass sie sich genauso gut in der Wirklichkeit hätte abspielen können. Einigen Funktionären der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, war sie sogar zu „realistisch“. Wegen dieser und anderer „staatsfeindlicher“ Szenen, die den Alltag der DDR nicht verklärten, sondern ungeschönt auf Widersprüche und Probleme hinwiesen, wurde Berlin um die Ecke im Herbst 1966 verboten. Seine Erstaufführung fand erst mehrere Jahrzehnte später statt.


Berlin um die Ecke war kein Einzelfall. Insgesamt wurden im Umfeld des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED, das unter dem Namen „Kahlschlag“ in die DDR-Geschichte eingegangenen ist, ein Dutzend DEFA-Spielfilme verboten oder in der Produktion gestoppt. Darunter waren mit Spur der Steine (1966, Regie: Frank Beyer), Karla (1965, Regie: Herrmann Zschoche), Das Kaninchen bin ich (1965, Regie: Kurt Maetzig) und Jahrgang 45 (1966, Regie: Jürgen Böttcher) einige der besten Filme, die jemals bei der DEFA entstanden sind. Die Verbotswelle beendete auf brachiale Art einen einmaligen künstlerischen Aufbruch im Filmschaffen der DDR. Was viele der verbotenen Filme miteinander verband, war ihr gestalterischer Anspruch: Sie übten Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR – nicht um den Sozialismus abzuschaffen, sondern um ihn zu „verbessern“. Ausschlaggebend für die Verbote war jedoch nicht nur der gesellschaftskritische Unterton mancher Filme, sondern auch ein Streit innerhalb der SED-Führung über die weitere Entwicklung in der DDR.

Weiter mit dem Bericht, Fotos und einem Trailer hier:
https://www.goethe.de/de/kul/flm/20678775.html
Interessierter
 


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