Ein Blick aufs Meer. Was tragen die Wellen heute? Segelboote. Luftmatratzen. Das Gefühl von Freiheit. Zu DDR-Zeiten sah man an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns aber alles andere als endlose Weiten und ganz sicher keine Luftmatratzen, sondern eine unsichtbare Wand. Nur 150 Meter weit durften die Bürger laut Grenzverordnung von Sonnenauf- bis -untergang ins Wasser, natürlich ohne potenzielle Fluchtmittel wie aufblasbare Gegenstände.
Die Grenzbrigade Küste überließ nichts dem Zufall, von Jahr zu Jahr baute sie ein perfekteres Kontrollsystem auf: Wachtürme, auf den Dünen Beobachtungsposten und eine mobile Scheinwerferbesatzung. Der Lichtkegel hatte eine Reichweite von bis zu drei Kilometern. Sobald der Abend kam, wurde das Wasser abgeleuchtet. Das Meer vor Boltenhagen kannte lange keine Dunkelheit.
Doch Günther war erfinderisch, was den stillen Protest gegen die Kontrolle anging. Mit seinem privaten Boot durfte er ab 1963 nicht mehr rausfahren, also verkleidete er sich als Fischer, steckte einen Fotoapparat in die Stiefel, fuhr morgens mit den echten Fischern hinaus und fotografierte seine geliebte Ostsee. Im schlimmsten Fall hätte er bei Entdeckung der Republikflucht oder der Spionage angeklagt werden können und wäre sofort in die Stasi-Zentrale gebracht worden.
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AZ