DDR-Urlaub auf Hiddensee Zu Gast im Viehstall mit Gardinen

DDR-Urlaub auf Hiddensee Zu Gast im Viehstall mit Gardinen

Beitragvon Interessierter » 4. August 2014, 11:27

Die Verteilung von Ferienplätzen gehörte zu den geheimnisvollsten Vorgängen in der DDR. Hiddensee-Urlauber landeten oft in seltsamen Ausweichquartieren - und bekamen skurrile Geschichten zu hören.

"In dreißig Minuten sind wir drüben", meinte der Käpt'n beiläufig und wies westwärts. "Drüben" bedeutete für DDR-Bürger normalerweise die Welt jenseits der abgeriegelten Grenzen. Die Ostseeinsel Hiddensee, die sich bei unserer Überfahrt 1982 schemenhaft im Nebeldunst am Horizont abzeichnete, war jedoch ohne Ausreisevisum erreichbar. Jeder Besucher musste aber ein Quartier nachweisen. Und da begann das Problem.

Übernachtungsmöglichkeiten auf Hiddensee waren rar. Neunzig Prozent aller privaten Fremdenzimmer - Hotels oder Pensionen gab es dort schon lange nicht mehr - mussten dem Feriendienst der Staatsgewerkschaft FDGB zur vertraglichen Nutzung gemeldet werden. Um die restlichen Zehn-Betten-Prozent buhlten Tausende Möchtegern-Ostseeurlauber aus dem DDR-Binnenland.

Die Hiddenseer hatten schnell den Marktwert ihrer vermietbaren Behausungen erkannt. Wer Waren bieten konnte, geriet eher in den Kreis der Auserwählten. Gefragt waren vor allem Kacheln fürs eigene Bad, elektrische Nachtspeicheröfen, Zement oder andere schwer zu beschaffende Baumaterialien.

Urlaub ohne Intershop

Die Verteilung von Ferienplätzen gehörte zu den geheimnisvollsten Vorgängen in der DDR. Wer sich um einen Hiddensee-Platz bemühte, bekam ihn garantiert nicht. Viele, die es per Gewerkschaft-Ferienscheck zufällig auf die autofreie Insel verschlug, waren enttäuscht. Sie wollten im Urlaub etwas erleben, doch in den Orten Kloster, Vitte und Neuendorf gab es weder Bars noch Strandpromenade oder Geschäfte, auch keinen Intershop. Maulende Feriengäste waren damals nicht selten. Kaum einer verspürte offenbar Lust, die Abende in den verräucherten Fischerkneipen zu verbringen.

Weiter hier:
http://www.spiegel.de/einestages/urlaub ... 83589.html

Wie immer eine interessante und auch amüsante Geschichte von Uwe Gerig.

" Der Interessierte "
Interessierter
 

Re: DDR-Urlaub auf Hiddensee Zu Gast im Viehstall mit Gardinen

Beitragvon Volker Zottmann » 4. August 2014, 15:10

Diese Gehrig-Anekdoten kannte ich noch nicht.
Sie zeigen aber, dass es auch anderen Ortes Seltsames gab. So bestätigt mir diese ganze Geschichte, dass von Schnitzler im Urlaub gern kurze Shorts anzog. Denn, ich glaube es schon mal geschrieben zu haben, er war in den beginnenden 70er Jahren auch mal auf dem FKK-Platz C-26 bei Diemitz-Fleeth. Genau auf "unserer" Zeltwiese...
Er kam mit Dienstwagen und suchte seine Dolmetscherin, die dicht neben uns zeltete. Selbst ist der an diesem einen Nachmittag nur in Shorts rumgelaufen. Wir waren aber keine Augenzeugen, denn unser Urlaub war schon vorbei. (Sein Erscheinen war aber lange dort Gesprächsstoff).
Mehrere Jahre FKK-Urlaubs-Gast war aber "Der Leutnant vom Schwanenkietz", Jürgen Zartmann. Im Gegensatz zu von Schnitzler benutzte der sein Adamsköstüm.

Auch auf unserem Zeltplatz fuchtelte ein ABV mit seiner Dienstwaffe rum. Der ABV, gebürtig aus Neustrelitz, stand nackt rum und war mit Schuhen und seinem Pistolenhalfter bekleidet. Das geschah auch um diese Zeit.... Nun, man soll nichts Schlechtes über Tote sagen.... Harry ist schon viele Jahre im Jenseits.

Wilfried, entschuldige, mir fallen dann immer gleich solche Episoden ein. Die wären recht unglaubwürdig, wenn eben die ganzen Augenzeugen nicht wären.
Aber es ging ja hier um Hiddensee.
Das war auch unser Traum und blieb immer einer. Normalsterbliche hatten da wenig Chancen je "dauerhaft" Einlass zu bekommen.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: DDR-Urlaub auf Hiddensee Zu Gast im Viehstall mit Gardinen

Beitragvon pentium » 4. August 2014, 16:21

Hiddensee als Rückzugsort der DDR

Die Insel Hiddensee war der vergessene Teil der DDR. Sie bot Künstlern, Aussteigern und Andersdenkenden einen Ort, der ein „klein wenig freier als der Rest der Republik“ war. Inselchronistin Marion Magas recherchierte diese Geschichte, sie ist auch ihre.

Zitat:
„In allen Dingen leuchtet hier der Himmel auf, windüberweht.“ Der DDR-Dichter Hanns Cibulka hat die Insel Hiddensee in zwei als Tagebücher angelegten Werken porträtiert - einmal 1972 in „Sanddornzeit“, dann 1985 in „Seedorn“. Die Insel erscheint als Fluchtpunkt, nicht nur bei ihm. Sie schuf Distanz zur Rest-DDR, zur offiziell propagierten Fortschrittsgläubigkeit auf dem Festland.

Hiddensee war Grenzgebiet wie die gesamte Ostseeküste und zugleich auch der vergessene Teil der DDR - ohne Autos, mit meist spartanisch anmutenden Unterkünften und einer großen Geschichte als Intellektuellen- und Künstlerreservoir.

Die Insel westlich von Rügen galt als Sommer-Rückzugsort zahlreicher DDR-Künstler. Staatsnahe - wie den Schauspieler und Thälmann-Darsteller Günther Simon - zog es ebenso nach Hiddensee wie Querdenker und Kritiker: Literaten wie die Biermann-Unterstützer Günter Kunert oder Stefan Heym, Liedermacher wie Gerhard Schöne oder Barbara Thalheim, Musiker der Punkband „Feeling B“ wohnten, lasen und sangen auf der Insel. Die Inselkirche in Kloster bot kritischen Intellektuellen Raum für Auftritte und Lesungen...]

http://www.mz-web.de/panorama/ostsee-in ... 94512.html

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