Gaststättenkultur
Auch die Gastronomie darf beim hier anstehenden Themenkomplex nicht übergangen werden. Auf der einen Seite gab es in der damaligen DDR diese in den Städten weit verbreiteten Arbeiterkneipen mit ihrer ganz besonderen Atmosphäre, die für den Unkundigen mit Worten kaum zu beschreiben ist . Das muss man erlebt haben . Als 17 jährige Jungen waren wir für 5 DDR-Mark voll. Zehn Bier a 40 Pf. und dazu zwei Schnäpse a 50 Pf. genügten uns. Der Umgangston in diesen Kneipen war rauh aber herzlich und es gab keine Standesunterschiede. Ärgerlich war lediglich , dass um Mitternacht geschlossen wurde.
Auf der anderen Seite gab es die Restaurants, Cafe`s und Klubhäuser , die vom
VEB-HO-Gaststätten betrieben wurden. Dort machte man auf Niveau , obwohl real keines vorhanden war. Das Personal gab sich spießig und das Angebot an Speisen und Getränken rechtfertigte keinesfalls das spießige Verhalten des Personales. Aber man musste ja sozialistische Gaststättenkultur repräsentieren , auch wenn es absolut nichts zu repräsentieren gab , auch wenn die Gäste mitunter im Schnelldurchlauf abgefüttert wurden weil mangels Kapazität schon die nächsten Gäste auf einen Platz warteten. Das Bedienungspersonal war in weiten Teilen von einer Raubritter-Mentalität beseelt und fühlte sich oftmals als etwas Besseres. Nach dem 3. Oktober 1990 jedoch gab es für viele dieser Vertreter eine kalte Ernüchterung mit oftmals unangenehmen Folgen . Ganz speziell im damaligen Berlin . In den Westberliner Lokalitäten begann nach dem Mauerfall Ostberliner Gaststättenpersonal zu arbeiten . Die Westberliner Gastronomie – mit der HO-Mentalität nicht vertraut – war in dem Glauben , zu günstigen Bedingungen gutes Fachpersonal bekommen zu haben . Die kalte Dusche ließ nicht lange auf sich warten. Statt , wie im Westen üblich , großzügig den Gästen gegenüberzutreten konnten diese Typen ihre HO-Manieren nicht ablegen . Wie in der DDR wurden die Gläser bis unter den Eichstrich gefüllt während es in Westberlin bisher üblich war , leicht über den Eichstrich zu gehen . Wünsche der Gäste , die dem HO-Kellner ungewohnt waren , wurden abfällig ignoriert. Beim Kassieren wurde versucht zu betrügen. Solche Methoden fielen sehr bald auf und die Stammgäste stellten daraufhin die Wirtsleute vor die Wahl , diese HO-Kraft sofort zu entlassen oder aber auf langjährige Stammgäste verzichten zu müssen . Und schon war der größte Teil dieser Leute mit sozialistischem Gaststätten-Niveau wieder arbeitslos , was ihnen von Herzen zu gönnen war.
Ich habe als Student in einem großen Klubhaus gekellnert. Das Ehepaar am Büfett hielt stets die Hand vor das Glas, mit dem der Schnaps abgemessen wurde, weil es zu wenig einschänkte. Dafür wurden die Schnapsflaschen nach Ausguß des letzten Tropfens waagerecht gelegt, um auch noch den allerletzten Tropfen zu nutzen. Wenn die Gäste sich beschwerten, dass sich das Bier unter dem Eichstrich befand, bekamen wir zu hören: "Tragt das Bier schneller aus, damit der Schaum noch hoch ist." Es galt das Motto: "Der Gast ist König, wir sind Kaiser." Und überall die Schilder "Sie werden plaziert" - oft bei jeder Menge freier Tische. Von der Qualität der Speisen ganz zu schweigen.
pentium hat geschrieben:Man muss bei diesem Thema auch an die diverser MITROPA-Gaststätten in den Bahnhöfen denken.
Pentium
augenzeuge hat geschrieben:Toll! Ich kann mich nicht erinnern, dass die 20 Jahre später noch so vielfältig war.
AZ
augenzeuge hat geschrieben:Ok, ich denke, es gab einen Mitropa-Unterschied zwischen Bahnhof und Ostseeküste.
AZ
Die am Leipziger Hbf war Spitzenklasse, erinnere ich mich
Harsberg hat geschrieben:Die am Leipziger Hbf war Spitzenklasse, erinnere ich mich
Aber nicht zu meiner Zeit 60-68, da war es ein übelster Schuppen, Bedienung Schei.., Kaffee war Plörre, Bockwurst kalt...
Beethoven hat geschrieben:Für 3,60 Mark aßen wir ein wirklich großes Bauernfrühstück und ein Bier dazu.
Gruß
augenzeuge hat geschrieben:Beethoven hat geschrieben:Für 3,60 Mark aßen wir ein wirklich großes Bauernfrühstück und ein Bier dazu.
Gruß
War das ein Stundenlohn?
AZ
Volker Zottmann hat geschrieben:augenzeuge hat geschrieben:Beethoven hat geschrieben:Für 3,60 Mark aßen wir ein wirklich großes Bauernfrühstück und ein Bier dazu.
Gruß
War das ein Stundenlohn?
AZ
Das kommt zumindest bei Bauarbeitern zur damaligen Zeit hin. Bei etwa 180 Stunden im Monat und bei gutem Lohn 640 Mark...
Gruß Volker
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