Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

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Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon Interessierter » 1. Oktober 2020, 14:23

Von wegen, die Wiedervereinigung kommt nicht voran. Beim Essen entstand durch zwei Unkulturen aus BRD und DDR eine neue. Die Kolumne.

Unser Kolumnist beschäftigt sich mit dem leiblichen Wohl.
Gibt es in Deutschland Unterschiede zwischen Ost und West nach all den Jahren?
Und welche Rolle spielen die Italiener bei dieser Frage?


Eigentlich soll man ja über Verblichene nichts Schlechtes sagen. Doch ich kann nicht anders. Ich weiß wohl, hiermit mache ich mir Feinde, zerstöre wohlige Kindheitserinnerungen und lasse mühsam zusammengebastelte Träume zerplatzen. Dennoch muss ich feststellen: Das Essen in der DDR war schlecht.

Essen in der DDR: Zeugnisse des schlechten Geschmacks

Gebackene Jagdwurstscheiben mit Nudeln und Tomatensoße, Würzfleisch in Mehlpampensoße oder saure Suppe mit zerkochtem Dosengemüse, das alles sind Zeugnisse einer Unkultur, die nichts mit einem menschenverachtenden System zu tun haben, sondern schlicht mit schlechtem Geschmack.

Man kann auch mit wenigen und einfachen Zutaten brillant kochen, das beweisen täglich tausende italienischer Mütter und Großmütter. Zum Trost nun verletzter ostdeutscher Seelen sei zweierlei bemerkt. Zum einen waren die Brötchen in der DDR großartig, ebenso die Bratwürste, zumindest in Thüringen.

Essen in der BRD: Nicht minder fürchterlich

Zum anderen war das Essen in der BRD mindestens genauso fürchterlich. Wer zum Beispiel die Herstellung von Scheiblettenkäse nicht nur duldet, sondern durch Erwerb und Verzehr auch noch fördert, der hat jegliches Recht auf Kritik an der Nahrung anderer bereits im Ansatz verwirkt.

Es ist also besänftigend zu erkennen, dass dreißig Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung zumindest die Speisegewohnheiten der seither vermählten Staaten sich einander annäherten und zu einer einig deutschen Entsetzlichkeit verschmolzen. Wie schön.

Einig deutsche Pappbrötchen

Denn wer will denn da noch fremdeln, wenn er am Hauptbahnhof zu Chemnitz die gleichen pappigen Brötchen mit Formvorderschinken und schwabbeliger Salatgurkenscheibe von der gleichen Gastrokette vom gleichen patzigen Personal zu den gleichen Mondpreisen verkauft bekommt wie am Hauptbahnhof zu Koblenz?

Oder wenn die ausgestanzten Pressfleischschnitzel im Goldenen Ochsen zu Görlitz die gleichen sind wie die in den Landwehrstuben zu Dingolfing und dazu noch vom gleichen Tiefkühlcaterer geliefert und im gleichen ranzigen Industriefett frittiert und mit den gleichen gleichermaßen modernen wie unnötigen, knatschigen „Potato Wedges“ serviert werden? Die Namen der Gasthäuser sind natürlich aus verständlichen Gründen erfunden, wir wollen schließlich nicht für irgendwen werben.

https://www.fr.de/meinung/kolumnen/eini ... 55476.html
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Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon Nostalgiker » 1. Oktober 2020, 15:16

Ich denke mal der Schreiberling hat ein generelles Problem mit dem realen Leben; oder in welcher Blase lebt und isst für gewöhnlich?
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon augenzeuge » 1. Oktober 2020, 16:36

Die Brötchen in der DDR waren weitaus besser als jene heute. Von Pappe keine Spur.

AZ
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Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon Volker Zottmann » 1. Oktober 2020, 20:08

augenzeuge hat geschrieben:Die Brötchen in der DDR waren weitaus besser als jene heute. Von Pappe keine Spur.

AZ

Selbst unsere Discounterbrötchen von REWE und Edeka sind so, wie damals. Das war nicht gleich so. Als die Märkte kamen, waren auch die aufgeblasenen Brötchen hier präsent. Seit spätestens 1995, wenn nicht früher, haben diese beiden Läden hier ganz fantastische "DDR-Brötchen" derzeit für 13 Cent. Sie haben allerdings heute auch Westgröße. Früher in "finsterster DDR" schmeckten die zwar, waren aber wesentlich kleiner.

Gruß Volker
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Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon Kumpel » 2. Oktober 2020, 08:19

Das ganze ''Geheimnis'' der DDR Brötchen lag ein Stück weit in der Mangelwirtschaft. Das Mehl war unbehandelt und es fehlten die Zusatzstoffe. Man musste sich nach der Natur richten und nicht wie heute die Natur muss sich der Technik beugen. Auch die mechanische Bearbeitung des Teigs war anders als heute.
Ein Brötchen für 13 Cent finde ich persönlich schon pervers und irgendwie kann ich mir nicht vorstellen , dass die phantastisch sind.
Kumpel
 

Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon OaZ » 2. Oktober 2020, 08:49

Ich habe mit dem Sohn des Bäckermeisters, der in der väterlichen Backstube als Geselle arbeitete, in den 1980er Jahren in einer Gemeinschaft von Interessierten Garagen gebaut. Er brachte immer frische Brötchen und Kuchen mit zur Baustelle. Wir unterhielten uns auch über Subventionen. Er erzählte, dass sie für jedes verkaufte Brötchen noch einmal 12, später sogar 13 Pfg. vom Staat bekamen. Das bedeutet: Der DDR-Bürger zahlte weniger als 1/3 des eigentlichen Preises, was ein Brötchen tatsächlich kostete. Sogar der Kuchen (!) war subventioniert.
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Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon Volker Zottmann » 2. Oktober 2020, 09:43

Kumpel hat geschrieben:Das ganze ''Geheimnis'' der DDR Brötchen lag ein Stück weit in der Mangelwirtschaft. Das Mehl war unbehandelt und es fehlten die Zusatzstoffe. Man musste sich nach der Natur richten und nicht wie heute die Natur muss sich der Technik beugen. Auch die mechanische Bearbeitung des Teigs war anders als heute.
Ein Brötchen für 13 Cent finde ich persönlich schon pervers und irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass die phantastisch sind.

Kumpel, es sind natürlich auch alle anderen Sorten bis etwa 80ct. das Stück im Angebot. Die schmecken alle fantsastisch.
Die Brötchen würden wir auch gern kaufen, wenn sie nur 5 Cent kosten würden. [grins] Die Kalkulation ist aber nun nicht unsere Sorge. Da wird hinten schon noch etwas Gewinn abfallen. Wie auch immer.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Einig deutsche Entsetzlichkeit auf dem Speiseplan

Beitragvon Volker Zottmann » 2. Oktober 2020, 09:49

OaZ hat geschrieben:Ich habe mit dem Sohn des Bäckermeisters, der in der väterlichen Backstube als Geselle arbeitete, in den 1980er Jahren in einer Gemeinschaft von Interessierten Garagen gebaut. Er brachte immer frische Brötchen und Kuchen mit zur Baustelle. Wir unterhielten uns auch über Subventionen. Er erzählte, dass sie für jedes verkaufte Brötchen noch einmal 12, später sogar 13 Pfg. vom Staat bekamen. Das bedeutet: Der DDR-Bürger zahlte weniger als 1/3 des eigentlichen Preises, was ein Brötchen tatsächlich kostete. Sogar der Kuchen (!) war subventioniert.

Zu Subventionen in der besten DDR aller Zeiten haben wir ja schon seitenlang geschrieben.
Es wurde ja überall subventioniert. Selbst meine Bauleistungen für die Bevölkerung wurden zu 25% aus der Staatskasse berappt. Dafür zahlten Betriebe für gleiche Leistung wesentlich mehr und das überschüssige Geld hatte ich als Handwerker über Protokollführung an die Staatskasse abzuführen. War der gleiche Aufwand, wie heute mit der Umsatzsteuer. Das ginge auch alles wesentlich einfacher. Damals wie heute!

Gruß Volker
Volker Zottmann
 


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