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Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 5. Juni 2011, 20:22
von SkinnyTrucky
Transit-Terror, Alu-Spielgeld und unerreichbare Ost-Schönheiten: Die obligatorische Berlin-Fahrt war für Jugendliche in den Achtzigern eine Reise hinter die Milchstraße - besonders der Abstecher in den Ostteil. Martin Rupps über ein Lebensgefühl, in das die DDR einfach nicht reinpasste.


Dass die Mauer fiel, hat auch uns Babyboomer überrascht. Seither müssen wir einen "Solidaritätszuschlag" zahlen, mit unseren Lebensabschnittspartnern das Goethe-Haus in Weimar besuchen und Gregor Gysi im Fernsehen anschauen. Dabei hatte sich unser Leben ohne den Osten so gut entwickelt.

Okay, die neue Deutschlandkarte in der "Tagesschau" stellt mehr dar als die, mit der wir großgeworden sind: die mit der schraffierten Ostzone bis kurz vor Fulda und dem Berlin-Inselchen darin. Aber wir Babyboomer hatten uns, weil wir nichts anderes kannten und nichts anderes erwarten konnten, mit zwei Staaten in Deutschland eingerichtet.

Wo die DDR auf der Landkarte lag, wussten wir, aber was sie war - keine Ahnung. Aus dem Fernsehen erfuhren wir: Dort beginnt der Ostblock und es gibt keine Bananen und die Sportler tragen zwischen den Wettkämpfen dunkelblaue Trainingsanzüge. Bei internationalen Wettkämpfen steht auf der Anzeigentafel GER für die Bundesrepublik Deutschland und GDR für die Deutsche Demokratische Republik.

Die Politiker in der DDR nannten ihr Land "Deutsche Demokratische Republik". Aber das erfuhren wir Babyboomer erst später. Das sagte hierzulande niemand, sondern nur DDR, während keiner von der BRD sprach. Nur in der Deutschen Demokratischen, pardon: der DDR hieß es, die Bundesrepublik Deutschland sei die BRD.

Weiterlesen und Bilder anschauen kann man hier....in einem Beitrag von Jürgen Schulze und Martin Rupps....mir gefallen übrigens die Kommentare bei den Fotos.... [wink]

groetjes

Mara

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 5. Juni 2011, 21:42
von augenzeuge
Guter Beitrag, Mara- oft zum Schmunzeln...... [flash]

Auszug:
"Vorher und nachher hoppelte mein Rekord über die Autobahnplatten, die noch Hitler persönlich verlegt haben musste. Angeblich gab die BRD, pardon: Bundesrepublik Deutschland Geld zur Reparatur hinzu, aber diese Summe muss mit der Pflege der Grünstreifen rechts und links von der Strecke aufgebraucht gewesen sein. Zwischen diesen Sträuchern und Gräsern wuchsen gelegentlich Autos der Volkspolizei, über die sich im Laufe der Zeit Tarnnetze, mit denen man eigentlich Panzer schmückt, gelegt hatten. Diese naturnahe Gestaltung einer Radarfalle war für die damalige Zeit innovativ."

Das mit der getarnten Radarfalle kenne ich auch noch..... [flash] ...aber bezahlt habe ich nie. Das Wort "Blitzer" kenne ich erst umgangssprachlich aus dem Westen, in der DDR sagte das wohl keiner...?
AZ

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 5. Juni 2011, 21:51
von Luchs
Ja, das kenne ich auch. Es muss im Januar oder Februar 1982 gewesen sein. Ich fuhr mit einem Bekannten am späten Abend transit nach Berlin. Da hatte ich gesehen, wie an mehreren Stellen Polizeifahrzeuge mit ausgedienten Weihnachtsbäumen getarnt wurden. Im Dunklen ganz praktisch war, dass teilweise noch Lametta drin schimmerte.
Viele Grüße [hallo]
micha

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 9. Juni 2011, 02:21
von S51
augenzeuge hat geschrieben:... Das Wort "Blitzer" kenne ich erst umgangssprachlich aus dem Westen, in der DDR sagte das wohl keiner...?
AZ


Weil es so etwas kaum gab. Die meisten Radargeräte hatten zwar einen Anschluß für den Fotoapparat aber es gab hierfür weder Blitz noch Knipskiste. Die abgelesenen Werte wurden per Funk an den Anhalteposten gegeben und per Handschreibdingsel (Stift) in eine schlichte Liste eingetragen.

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 11:10
von Adam Lauks
Lieber Augenzeuge !

Ich wundere mich warum euch die Genossen des MfS nicht JETZT nach 22 Jahren nach der Wende reinen Wein einschenken:
Im Bewaldeten Gebiet längs der TRANSIT-Strecken verlief im Wald eine Strasse parallel zur Autobahn wo auf alle zwei Kilometer
ein Polizeiwagen unterwegs war rund um die Uhr, die Autobahn im Auge behaltend. Wo es keine Wälder gab fuhren die STASIS
in Trabanten und Wartburgs getarnt und behielten die Autobahn im Auge. Wenn Sie auf nicht ausgewiesenem Parkplatz angehalten
hatten, 2-3 Minuten später war die Staatsmacht schon dran. Das war doch so S51 oder warst Du nur beim TRAP mit MINNA oder ANTON unterwegs!?
Berichte uns doch über einen "Arbeitstag" wo Du Deine Kraft für das Gedeihen der DDR eingebracht hattest, erzähle uns wie man da so mit
Knebelketten umging.
Als ein Arzt - Oberleutnant die bei mir zuzog kam Blut raus, ich spuckte ihm ins Gesicht und er drosch mein Kopf gegen die Wand.
Den TRAPO Oswald war einer der wenigen Menschen darunter, denen ich begegnet bin...Ehre seinem Andenken.

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 11:39
von Merkur
Adam Lauks hat geschrieben:Im Bewaldeten Gebiet längs der TRANSIT-Strecken verlief im Wald eine Strasse parallel zur Autobahn wo auf alle zwei Kilometer
ein Polizeiwagen unterwegs war rund um die Uhr, die Autobahn im Auge behaltend.


Bei der quantitativ und qualitativ mäßigen Ausstattung mit Kfz müssen getarnt im Wald an der Transitstrecke eine erhebliche Menge von Autos vorhanden gewesen sein, die die Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane nie zu sehen bekamen. Aber wenn der Adam sie alle zwei Kilometer gesehen hat, wirds wohl so gewesen sein. [grins]

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 15:54
von Affi976
Zitat Adam Lauks:...TRANSIT-Strecken verlief im Wald eine Strasse parallel zur Autobahn....
..... wo auf alle zwei Kilometer ein Polizeiwagen ....
@Adam Lauks,
Sag mal, wovon träumst Du eigentlich Nachts????? [shocked]
Auf Grund meines Berufes, war ich mehr als 50 000 Km jedes Jahr auf den Transitstrecken unterwegs, per Auto. Ich wüßte keine Parallelstrasse zur Autobahn und auch keine Polizei -oder sogar Stasiwagen, die alle 2 Km patroullierten. Selbst auf den Transitautobahnen, hinter der "letzten Ausfahrt für DDR-Bürger", also in Richtung Westen, ist mir in all den Jahren soetwas nicht untergekommen.
Vielleicht erzählst Du uns mal von welchem Land Du sprichst???
VG Affi

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 16:05
von augenzeuge
Mal ne Frage zwischendurch: Wie viele Leute waren zur Überwachung der Transitstrecken eingeteilt?
AZ

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 16:29
von Sirius
Wir Babyboomer waren damals schon Melkkühe, denn der Eintritt in die DDR kostete satte 20 Mark, für die wir 20 Mark (Ost) bekamen, Spielgeld, das nur im Vergnügungspark DDR gültig war.
http://einestages.spiegel.de/external/S ... turedEntry


Waren das Mitte der achtziger Jahre nicht 25 Mark?

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 16:32
von augenzeuge
Sirius hat geschrieben:
Wir Babyboomer waren damals schon Melkkühe, denn der Eintritt in die DDR kostete satte 20 Mark, für die wir 20 Mark (Ost) bekamen, Spielgeld, das nur im Vergnügungspark DDR gültig war.
http://einestages.spiegel.de/external/S ... turedEntry


Waren das Mitte der achtziger Jahre nicht 25 Mark?


Ganz sicher. Ab 13. Oktober 1980 mussten 25,00 DM pro Person und Tag umgetauscht werden.
AZ

Re: Rendezvous mit dem Klassenfeind

BeitragVerfasst: 28. September 2011, 17:43
von Sirius
Zu dem Thema gab es vor einigen Wochen auch eine Fernsehdokumentation:

http://www.wdr.de/tv/wdrdok_af/sendungs ... Berlin.jsp

http://programm.ard.de/Homepage?sendung=281116624663454

Sehr viele Schulklassen haben in den achtziger Jahren eine solche Fahrt nach Berlin gemacht. In den Schulklassen wurden oft mehrere Reiseziele zur Abstimmung vorgestellt. Da die Reisekosten zum Teil subventioniert waren, entschieden sich viele Klassen für Berlin als Reiseziel. Für die staatliche Subventionierung der Reise musste dann in Westberlin das sogenannte "Informationszentrum Berlin" in der Hardenbergstr. 20 besucht werden. Es gab dort einen Vortrag durch einen Mitarbeiter über die besondere politische Lage Berlins mit anschließender Diskussion. Wie auch in anderen Informationszentren - zum Beispiel von Kernkraftwerken - gab es auch hier massenweise kostenlose Broschüren und kleine Bücher, über die Geschichte Berlins, innerdeutsche Statistiken und ähnliches. Einer der Höhepunkte des etwa acht- bis zehntägigen Aufenthalts in Berlin war dann an einem Tag der Besuch von Ost-Berlin. Wobei der Tag in der Regel nur aus etwa 8 bis 9 Stunden bestand - viel zu wenig um die Stadt kennenzulernen. Selbst um Westberlin richtig kennenzulernen, war eine Woche das Minimum. Aber man wollte den Schülern aufgrund des Zwangsumtauschs wohl nicht Kosten von zwei Mal 25 Mark zumuten. Es war schon schwer genug, die 25 Mark sinnvoll auszugeben, wenn man ortsunkundig war.

Für viele, die keine Verwandten in der DDR hatten, war die DDR ein fernes Land, mindestens so fremd und "entfernt" wie das viel weiter entfernte Japan. Länder wie Frankreich, Spanien, Italien kannten viele aus ihren zum Teil häufigen Urlauben dort besser als den anderen Teil Deutschlands. Und Jugendliche schauten sich in der Regel nur selten Sendungen wie "Kennzeichen D" oder das "ZDF-Journal" an, da sie andere Interessen hatten. Da war der erste Besuch ob nun mit der Schulklasse in Ost-Berlin oder mit den Eltern oder alleine in der "Provinz" eine völlig neue Erfahrung. Seien es nun die Uniformierten mit "Reiterhosen", die relativ vielen Polizisten im öffentlichen Bereich, die geringere Dichte an Gaststätten und Lokalen oder auch ganz banale Erlebnisse beim Einkauf. Ob nun die kleinen Einkaufswagen im Konsum/HO - so das mancher dachte, die sind für die Kinder und nach den "Erwachseneneinkaufswagen gesucht hat - oder die zwar vollen Regale in Ost-Berlin, aber das deutlich keinere Sortiment als in westlichen Supermärkten - vergleichbar heute mit dem geringen Sortiment bei Discountern im Vergleich zu den Vollsortimentern. Oder auch die Unmöglichkeit ein Buchgeschäft ohne Einkaufskorb zu betreten und man nach dem Anstellen in der Schlange erst dann eintreten konnte, wenn jemand mit einem Korb herauskam. Dinge, die viele aus anderen westeuropäischen Staaten nicht kannten. Dazu dann auch die in dem Artikel beschriebene marode Infrastruktur, seien es die Schienenwege, die Autobahnen oder ungeteerte "Straßen" in der einen oder anderen Provinzstadt, und natürlich auch das ungeliebte "Kopfsteinpflaster". Kam man von einer sanierten Hauptstraße in eine Parallelstraße, so erschrak der eine und andere angesichts des maroden Zustands der Häuser. So gab es zu Hauf Geschichten, die so mancher damals Jugendliche erzählen konnte.