Von West nach Ost - Aufnahmelager in der DDR
Verfasst: 1. Juni 2010, 20:52
Genauso wie es im Westen für Übersiedler und Flüchtlinge Aufnahmelager gab, hatte die DDR auch solche Einrichtungen für Übersiedler, welche von West nach Ost siedelten. Der größere Teil der Übersiedlung geschah vor 1961. Gründe waren Unzufriedenheit mit der Politk der Bundesrepublik, Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei, zum Teil auch Angst vor Bestrafung nach Gesetzesübertretungen.
Anders als in der Bundesrepublik wurden die Übersiedler in der DDR für eine gewisse Zeit aber regelrecht weggesperrt. Das heißt, sie durften das Lager auch nicht verlassen, hatten in dieser Zeit noch keine Personalpapiere und wurden ohne Ausnahme total durchleuchtet.
Die Lager in der DDR befanden sich in Röntgental, Barby, Eisenach, Fürstenwalde, Molkenberg, Pritzier und Saasa.
Über das Aufnahmelager Röntgental findet sich im Internet folgender Text:
Aufnahmeheim Röntgental
Wenn man heute über das Ende der DDR diskutiert gibt es nicht Wenige die meinen, dass Schicksal des „1. sozialistischen Staates auf deutschem Boden“ sei „mit den Füßen” abgestimmt worden. Damit sind sicher nicht nur die Füße gemeint die sich im Jahre 1989 in immer größer werdenden Demonstrationszügen durch die Städte bewegten, sondern auch die Schritte Jener, die dem Land gänzlich den Rücken kehrten. Insbesondere in den 80er-Jahren erfolgten mehre große „Ausreisewellen“ von Ost nach West.
Von der “Gegenbewegung“ ist eher selten die Rede. Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass es „Westflüchtlinge“ gegeben hat.
“Die Motive der Umsiedler waren verschieden: Oft gab es persönliche Gründe, die Familie war in der DDR, Erbschaften, Menschen die in die BRD ausgereist waren und zurückkommen wollten, da sich Hoffnungen nicht erfüllt hatten. Vereinzelt kamen auch vom Sozialismus überzeugte Menschen, um in der DDR zu leben. Die Einreisenden waren größtenteils Deutsche, nach 1989 kamen viele Juden und Palästinenser.“ (Textquelle: mybrandenburg.net) Die meisten von ihnen landeten im Zentralen Aufnahmeheim (ZAH) des Zepernicker Ortsteils Röntgental (heute Panketal).
Das Gebiet an der Schönerlinder Straße, heute Heimstatt des Zepernicker Seniorenheims, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Das einstige Reichsbahngelände diente zunächst der Ausbildung von Diensthunden und ich glaube gehört zu haben, dass von hier aus die erste Kompanie zum Bau der Berliner Mauer ausrückte. Das ZAH wurde im Jahre 1979 vom Ministerium des Inneren ins Leben gerufen.
Die Geschichtswerkstatt des bbz Bernau e.V. hat Hintergründe der „sagenumwobenen“ Einrichtung recherchiert und berichtet folgendes:
Der Weg des Umsiedlers:
Der Mensch wurde registriert und untergebracht, dabei wurde nach Religion, Kultur und politischen Ansichten sortiert. Längst nicht jeder sollte mit dem anderen in Kontakt kommen.
Untergebracht wurde hauptsächlich in Doppelzimmern.
Danach bestand das Leben im Heim im wesentlichen aus Langeweile und Warten. Das Gelände durfte nicht verlassen werden. Kultur konnte ausgelebt werden, Sport und Freizeitvergnügen wie Grillen waren möglich. Post durfte empfangen, aber nicht gesendet werden. Teilweise durfte aber telefoniert werden.
Die Menschen wurden unterschiedlich behandelt, je nach dem, welcher Hintergrund sie in die DDR geführt hatte. Oft gab es 2x pro Woche Dia-Vorträge über die DDR, um die Menschen auf ihre neue Heimat vorzubereiten. Fernsehen und Radio gab es natürlich nur als „Stimme der DDR“. Alle Einreisewilligen wurden während einer Eingangsuntersuchung medizinisch durchleuchtet. Angeblich machte die DDR zu dieser Zeit schon AIDS-Tests.
Mit allen Umsiedlern wurden „Gespräche“ geführt. Gesprächspartner waren dabei Kriminalpolizei (normale Umsiedler) oder die Stasi. Teilweise wurden die Menschen wieder und wieder zu den selben Sachverhalten befragt und mussten ihr gesamtes Vorleben darlegen.
Alle Betroffenen beschrieben diese Gespräche als sehr zermürbend und verunsichernd. Durch die Abschirmung und die Einschränkung entstand ein enormer psychischer Druck auf die Heimbewohner. Dazu kam bis zum letzten Tag die Unsicherheit, ob eine Einreise genehmigt werden würde.
Das Personal wurde von allen als höflich und korrekt beschrieben, fast schon gezwungen freundlich. Auch das Essen war reichlich.
In den Gesprächen mit der Kripo wurde die Identität der Personen überprüft, Rückfragen ins Ausland wurden gestellt. Bei strafrechtlichen Belangen wurde die Person zurückgeschickt. Auch “Asozialen” oder „faulen“ Menschen wurde die Einreise verweigert.
Der MfS befasste sich mit politisch Verfolgten, die Zugehörigkeit zu Parteien wurde überprüft, politische Einstellungen erforscht. Intensiv wurde nach Spionen und Staatsfeinden gefahndet. Immer wieder mussten neue Fragebögen ausgefüllt werden. Allen Betroffenen wurde ein extremes Mißtrauen entgegen gebracht.
Aus Stasiakten ist zu ersehen, daß unter die “Einwanderer” auch Stasispitzel geschleust wurden und das Mißtrauen gerechtfertigt war. Auch die Kripo wusste nicht, wer ein Spitzel der eigenen Stasi war.
Der Aufenthalt dauerte normalerweise zwischen 4-6 Wochen, konnte aber bis zu einem halben Jahr andauern.
Wenn die Aufnahme positiv entschieden wurde, wurden die Menschen in Bezirksheime weitergeleitet, von da aus dann in eigene Wohnungen und an Arbeitsplätze. Mitspracherecht hatten die Einreisenden nicht, Wünsche nach Städten oder Arbeit konnten geäußert werden, waren aber eben nur Wünsche, denen meist nicht entsprochen wurde. Noch lange nach ihrer Ankunft in der DDR wurden die Menschen stark überwacht.
Die Anlage stand ganz im Zeichen des DDR- Sicherheitswahns:
(Aber westdeutsche Aufnahmelager zeigten ähnliche Sicherheitsmaßnahmen.)
Wellblechzaun, Stacheldraht, Überwachungsanlagen, Kameras, kein Ausgang kein Kontakt zu den Angestellten aus Küche und Büro.
Allen wurden Ausweise und Papiere abgenommen. Es kam zu nachweislich zwei Selbstmorden und mehreren Selbstmordversuchen.
Die Anlage unterstand dem Ministerium des Innern, die Rolle der Stasi ist nicht ganz klar.
Klar ist aber: Hier waren keine Terroristen untergebracht, es wurden keine Waffentests durchgeführt. Die vorhandenen Anlagen waren ganz „normale“ Übungsschießtände.
Von 1984 -89 wurden in Röngental 3637 Personen aufgenommen. Davon waren 1386 Rückkehrer, 1619 BRD-Bürger und 632 Personen aus anderen nichtsozialistischen Staaten.
432 Personen abgewiesen: 12 Rückkehrer, 402 Zuzieher und 18 Personen aus nichtsozialistischen Staaten.
Verhöre, “Lagerkoller” und Suizide hat es , ohne relativieren zu wollen, auch in “westlichen” Aufnahmelagern gegeben wie ich , 1984 mit meiner Familie aus der DDR ausgereist, hautnah erleben konnte.
1988 habe ich in West-Berlin Dirk kennen gelernt. Der Vorarbeiter einer Kafferösterei hatte sich, nach eigener Aussage, 2 Jahre zuvor im Vollrausch an die Grenzbeamten gewandt und um Aufnahme in die DDR gebeten. Auch er fand sich in Röntgental wieder. Nach erfolgter Ausnüchterung und einigen Verhören waren sich aber beide Seiten schnell einig , dass es mit der Ernsthaftigkeit des “Einbürgerungswunsches“ nicht weit her war. Ich gehe davon aus, dass die Motive der meisten „Neubürger“ wesentlich fundierter waren.
Text: Stefan Stahlbaum Quelle: http://www.bar-blog.de/2007/11/06/neue- ... entgental/
Anders als in der Bundesrepublik wurden die Übersiedler in der DDR für eine gewisse Zeit aber regelrecht weggesperrt. Das heißt, sie durften das Lager auch nicht verlassen, hatten in dieser Zeit noch keine Personalpapiere und wurden ohne Ausnahme total durchleuchtet.
Die Lager in der DDR befanden sich in Röntgental, Barby, Eisenach, Fürstenwalde, Molkenberg, Pritzier und Saasa.
Über das Aufnahmelager Röntgental findet sich im Internet folgender Text:
Aufnahmeheim Röntgental
Wenn man heute über das Ende der DDR diskutiert gibt es nicht Wenige die meinen, dass Schicksal des „1. sozialistischen Staates auf deutschem Boden“ sei „mit den Füßen” abgestimmt worden. Damit sind sicher nicht nur die Füße gemeint die sich im Jahre 1989 in immer größer werdenden Demonstrationszügen durch die Städte bewegten, sondern auch die Schritte Jener, die dem Land gänzlich den Rücken kehrten. Insbesondere in den 80er-Jahren erfolgten mehre große „Ausreisewellen“ von Ost nach West.
Von der “Gegenbewegung“ ist eher selten die Rede. Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass es „Westflüchtlinge“ gegeben hat.
“Die Motive der Umsiedler waren verschieden: Oft gab es persönliche Gründe, die Familie war in der DDR, Erbschaften, Menschen die in die BRD ausgereist waren und zurückkommen wollten, da sich Hoffnungen nicht erfüllt hatten. Vereinzelt kamen auch vom Sozialismus überzeugte Menschen, um in der DDR zu leben. Die Einreisenden waren größtenteils Deutsche, nach 1989 kamen viele Juden und Palästinenser.“ (Textquelle: mybrandenburg.net) Die meisten von ihnen landeten im Zentralen Aufnahmeheim (ZAH) des Zepernicker Ortsteils Röntgental (heute Panketal).
Das Gebiet an der Schönerlinder Straße, heute Heimstatt des Zepernicker Seniorenheims, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Das einstige Reichsbahngelände diente zunächst der Ausbildung von Diensthunden und ich glaube gehört zu haben, dass von hier aus die erste Kompanie zum Bau der Berliner Mauer ausrückte. Das ZAH wurde im Jahre 1979 vom Ministerium des Inneren ins Leben gerufen.
Die Geschichtswerkstatt des bbz Bernau e.V. hat Hintergründe der „sagenumwobenen“ Einrichtung recherchiert und berichtet folgendes:
Der Weg des Umsiedlers:
Der Mensch wurde registriert und untergebracht, dabei wurde nach Religion, Kultur und politischen Ansichten sortiert. Längst nicht jeder sollte mit dem anderen in Kontakt kommen.
Untergebracht wurde hauptsächlich in Doppelzimmern.
Danach bestand das Leben im Heim im wesentlichen aus Langeweile und Warten. Das Gelände durfte nicht verlassen werden. Kultur konnte ausgelebt werden, Sport und Freizeitvergnügen wie Grillen waren möglich. Post durfte empfangen, aber nicht gesendet werden. Teilweise durfte aber telefoniert werden.
Die Menschen wurden unterschiedlich behandelt, je nach dem, welcher Hintergrund sie in die DDR geführt hatte. Oft gab es 2x pro Woche Dia-Vorträge über die DDR, um die Menschen auf ihre neue Heimat vorzubereiten. Fernsehen und Radio gab es natürlich nur als „Stimme der DDR“. Alle Einreisewilligen wurden während einer Eingangsuntersuchung medizinisch durchleuchtet. Angeblich machte die DDR zu dieser Zeit schon AIDS-Tests.
Mit allen Umsiedlern wurden „Gespräche“ geführt. Gesprächspartner waren dabei Kriminalpolizei (normale Umsiedler) oder die Stasi. Teilweise wurden die Menschen wieder und wieder zu den selben Sachverhalten befragt und mussten ihr gesamtes Vorleben darlegen.
Alle Betroffenen beschrieben diese Gespräche als sehr zermürbend und verunsichernd. Durch die Abschirmung und die Einschränkung entstand ein enormer psychischer Druck auf die Heimbewohner. Dazu kam bis zum letzten Tag die Unsicherheit, ob eine Einreise genehmigt werden würde.
Das Personal wurde von allen als höflich und korrekt beschrieben, fast schon gezwungen freundlich. Auch das Essen war reichlich.
In den Gesprächen mit der Kripo wurde die Identität der Personen überprüft, Rückfragen ins Ausland wurden gestellt. Bei strafrechtlichen Belangen wurde die Person zurückgeschickt. Auch “Asozialen” oder „faulen“ Menschen wurde die Einreise verweigert.
Der MfS befasste sich mit politisch Verfolgten, die Zugehörigkeit zu Parteien wurde überprüft, politische Einstellungen erforscht. Intensiv wurde nach Spionen und Staatsfeinden gefahndet. Immer wieder mussten neue Fragebögen ausgefüllt werden. Allen Betroffenen wurde ein extremes Mißtrauen entgegen gebracht.
Aus Stasiakten ist zu ersehen, daß unter die “Einwanderer” auch Stasispitzel geschleust wurden und das Mißtrauen gerechtfertigt war. Auch die Kripo wusste nicht, wer ein Spitzel der eigenen Stasi war.
Der Aufenthalt dauerte normalerweise zwischen 4-6 Wochen, konnte aber bis zu einem halben Jahr andauern.
Wenn die Aufnahme positiv entschieden wurde, wurden die Menschen in Bezirksheime weitergeleitet, von da aus dann in eigene Wohnungen und an Arbeitsplätze. Mitspracherecht hatten die Einreisenden nicht, Wünsche nach Städten oder Arbeit konnten geäußert werden, waren aber eben nur Wünsche, denen meist nicht entsprochen wurde. Noch lange nach ihrer Ankunft in der DDR wurden die Menschen stark überwacht.
Die Anlage stand ganz im Zeichen des DDR- Sicherheitswahns:
(Aber westdeutsche Aufnahmelager zeigten ähnliche Sicherheitsmaßnahmen.)
Wellblechzaun, Stacheldraht, Überwachungsanlagen, Kameras, kein Ausgang kein Kontakt zu den Angestellten aus Küche und Büro.
Allen wurden Ausweise und Papiere abgenommen. Es kam zu nachweislich zwei Selbstmorden und mehreren Selbstmordversuchen.
Die Anlage unterstand dem Ministerium des Innern, die Rolle der Stasi ist nicht ganz klar.
Klar ist aber: Hier waren keine Terroristen untergebracht, es wurden keine Waffentests durchgeführt. Die vorhandenen Anlagen waren ganz „normale“ Übungsschießtände.
Von 1984 -89 wurden in Röngental 3637 Personen aufgenommen. Davon waren 1386 Rückkehrer, 1619 BRD-Bürger und 632 Personen aus anderen nichtsozialistischen Staaten.
432 Personen abgewiesen: 12 Rückkehrer, 402 Zuzieher und 18 Personen aus nichtsozialistischen Staaten.
Verhöre, “Lagerkoller” und Suizide hat es , ohne relativieren zu wollen, auch in “westlichen” Aufnahmelagern gegeben wie ich , 1984 mit meiner Familie aus der DDR ausgereist, hautnah erleben konnte.
1988 habe ich in West-Berlin Dirk kennen gelernt. Der Vorarbeiter einer Kafferösterei hatte sich, nach eigener Aussage, 2 Jahre zuvor im Vollrausch an die Grenzbeamten gewandt und um Aufnahme in die DDR gebeten. Auch er fand sich in Röntgental wieder. Nach erfolgter Ausnüchterung und einigen Verhören waren sich aber beide Seiten schnell einig , dass es mit der Ernsthaftigkeit des “Einbürgerungswunsches“ nicht weit her war. Ich gehe davon aus, dass die Motive der meisten „Neubürger“ wesentlich fundierter waren.
Text: Stefan Stahlbaum Quelle: http://www.bar-blog.de/2007/11/06/neue- ... entgental/