Gleiche Sprache, aber unterschiedliche Ausdrücke

Was dachte der DDR Bürger über den deutschen in der Bundesrepublik. Was hielt der Bundesdeutsche vom DDR Einwohner? Unterschiedliche Ansichten bestehen heute noch. Was drücken sie aus, was wird erwartet?

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon augenzeuge » 18. Januar 2012, 19:24

Edelknabe hat geschrieben:"Abkindern" mensch Interessierter wo hast du denn diesen Begriff her.? Die Quelle wäre mal interessant?

Rainer-Maria


Rainer, ich muss zugeben, dass mir dieser Begriff auch unbekannt war. [blush]
http://de.wiktionary.org/wiki/abkindern
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon SkinnyTrucky » 18. Januar 2012, 20:01

Das mit dem abkindern kannte ich so als Begriff auch nicht....Diversanten kommt bestimmt von divers....

....tüüpisch DDR-Wörter sind Revanchisten und Klassenfeind....und Konsum...anders betont halt, beide Eigenlaute kurz...

groetjes uit Santo Stefano Di Magra/La Spezia

Mara
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon SanGefr » 18. Januar 2012, 22:14

Den Konsum gab es auch in der Bundesrepublik. So hießen bis etwa Mitte der 60er Jahre bei uns in Niedersachsen einige Lebensmittelläden, die danach in CO OP umbenannt wurden.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon SkinnyTrucky » 18. Januar 2012, 22:29

SanGefr hat geschrieben:Den Konsum gab es auch in der Bundesrepublik. So hießen bis etwa Mitte der 60er Jahre bei uns in Niedersachsen einige Lebensmittelläden, die danach in CO OP umbenannt wurden.


Aha SanGefr....das wusste ich nich....

Dann fällt mir da noch das Wort Subotnik ein...das gab es im Westen aber nich....oder das Wort Sekundärrohstoffanahmestelle....gut für schnelles Geld für Jungpioniere....

groetjes

Mara
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon vs1400 » 18. Januar 2012, 23:21

mal was zur Konsumgenossenschaft.

gruß vs ... da gab es auch ne klage der mitglieder/ost ... aber egal.

ps: hier noch nen konsum klickmich.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Interessierter » 19. Januar 2012, 01:45

Na dann kanns ja weitergehen:

Weiß denn jemand was Mutschekübchen sind?

Was wurde denn auch als " Blaue Fliesen " bezeichnet?

Wofür gabs denn ein " Bienchen " ?

[hallo]
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon augenzeuge » 19. Januar 2012, 08:59

Interessierter hat geschrieben:Na dann kanns ja weitergehen:

Weiß denn jemand was Mutschekübchen sind?

Was wurde denn auch als " Blaue Fliesen " bezeichnet?

Wofür gabs denn ein " Bienchen " ?

[hallo]


Ein Motschekiebchen ist ein Marienkäfer. Allerdings, dieses Wort wird nicht überall in Sachsen verstanden. [flash]
Blaue Fliesen waren (100) DM (wurde so offen annonciert), und ein Bienchen gab es für eine gute Schularbeit.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon SanGefr » 19. Januar 2012, 09:29

@SkinnyTrucky
Macht knapp die Hälfte :-)


Wie schon mal erwähnt: (Aktuelle Kamera) Die "Mahd" und der "Drusch" sind in vollem Gange. In der Bundesrepublik hätte man gesagt: Die "Ernte" oder die "Erntearbeiten" ist/sind in vollem Gange.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Interessierter » 19. Januar 2012, 12:36

Hier weitere Wortschöpfungen, die mir nicht bekannt waren:

Facharbeiterin für Schreibtechnik - Sekretärin oder Schreibkraft

Gliedermaßstab- So bezeichnete man in der DDR den Zollstock

Griletta - Bezeichnung für den " Hamburger " ( Brötchen mit Frikadelle )

Komplexannahmestelle

Komplexannahmestelle des VEB Dienstleistungskombinates Hier konnte man nicht etwas seine Komplexe abgeben sondern seine defekten Haushaltsgeräte zur Reparatur einreichen.

Ket-Wurst

Auch “Kettwurst” und “Ket-Wurst” DDR-Name für den Hot Dog.

[hallo]
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Ganzunten » 19. Januar 2012, 12:48

Straßenoberflächununterflurhydrant.

oder

Straßenoberflächununterflurhydrantendeckelsteg.

oder

Straßenoberflächununterflurhydrantendeckelstegrostschutzfarbanstrich.

Meßschieber für Schiebelehre
Ganzunten
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Luchs » 19. Januar 2012, 13:04

Schön, dich mal wieder zu lesen, SanGefr.

Auf COOP hätte ich auch hingewiesen. Dazu gehörten unter Anderem auch die Plaza Märkte.

Aber eine DDR-Wortschöpfung fällt mir noch ein, die es in der Bundesrepublik nicht gab: Feindwärts.
Viele Grüße [hallo]
Micha
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Wosch » 19. Januar 2012, 14:37

"Sättigungsbeilage"
Schönen Gruß aus Kassel. [hallo]
Ich bin stolz darauf, noch nie den "Melde-Button" benutzt zu haben!
Mecklenburger sind nicht nachtragend, aber vergessen tun sie auch nicht!
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Edelknabe » 19. Januar 2012, 18:10

Egal jetzt was das Wikiwörterbuch meint, ich sage dieser Begriff "Abkindern" ist kein gebräuchliches Wort im Sprachschatz des geborenen DDR-Bürgers gewesen.Da können auch gerne einmal mehr Ex-DDRler beitragen. Ich habe weiterhin mit "Blaue Fliesen" (sollte wohl der Hundertmarkschein sein) ein leichtes Problem weil so nie gehört und ich war ganz gut in der Besorgungs/Beziehungsebene.

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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Icke46 » 19. Januar 2012, 18:29

An die "blauen Fliesen" in Kleinanzeigen meine ich mich auch noch erinnern zu können. Leider habe ich bis jetzt im Netz noch keinen Scan entsprechender Anzeigen finden können, so kanns natürlich sein, das man sich gewissermassen etwas "zurechterinnert" [wink] .

Zu den Kleinanzeigen vielleicht noch: Meine erste Handlung bei der Einreise am Bahnhof Friedrichstraße nach Ost-Berlin war der Erwerb einer Zeitung - meistens die Berliner Zeitung, gelegentlich auch das Neue Deutschland. Und die Kleinanzeigen waren mit Abstand der interessanteste Teil, was gar nicht ironisch gemeint ist, sondern nur sagen will, das man aus den Kleinanzeigen viel über das Lebensgefühl und die Befindlichkeiten in dem besuchten Land aussagt. Von daher ist Kleinanzeigenstudium, soweit man der Landessprache mächtig ist, für mich Pflicht.

Um dann mal wieder Ontopic zu werden: Bei Heirats- und Bekanntschaftsanzeigen stand häufiger das Kürzel "MLWA", was einem im Westen sicherlich nie unterkam, obwohl es auch dort von Abkürzungen wimmelt. Ich habe schon ein bisschen gebraucht, bis ich dahinterkam, dass das Kürzel für "marxistisch-leninistische Weltanschauung" steht [wink] .

Gruss

icke
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon augenzeuge » 19. Januar 2012, 18:56

Interessierter hat geschrieben:Komplexannahmestelle

Komplexannahmestelle des VEB Dienstleistungskombinates Hier konnte man nicht etwas seine Komplexe abgeben sondern seine defekten Haushaltsgeräte zur Reparatur einreichen.


Das Ding war gar nicht schlecht. Die nahmen fast alles zur Reparatur an. Reparieren hatte einfach einen höheren Stellenwert als heute, wo man schnell billige Sachen wegwirft.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Zicke » 19. Januar 2012, 20:26

"Blaue Fliesen" tauchten öfter mal in den Kleinanzeigen der "WOCHENPOST" auf. Unter anderem so;" suche Kanthölzer biete blaue Fliesen"

aber auch das hier war Sprachgebrauch:
DDR, Deutsche Demokratische Republik, von 1949 bis 1990 erster sozialistischer Staat auf deutschem Boden mit (ideologisch bedingt) gespanntem Verhältnis zum Weihnachtsfest. Dessen erstes Staatsoberhaupt Walter Ulbricht (* 1893 † 1973) spielte zunächst mit dem Gedanken, das Weihnachtsfest in der DDR ganz aus dem Kalender zu streichen. Nach seinen Vorstellungen sollte übergangsweise die Bescherung nicht mehr an Heiligabend, sondern am Neujahrsmorgen stattfinden. Dies gelang dank der tiefen Verwurzelung der Weihnachtsbräuche in der Klasse der Arbeiter und Bauern ebensowenig wie der Versuch, Stalins Geburtstag am 21. Dezember als höchsten Feiertag zu etablieren. Stattdessen mehrte das Weihnachtsfest Jahr für Jahr die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Versorgungslage in der DDR, zumal das heimlich empfangene Fernsehprogramm aus der BRD Neidgefühle gegenüber der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft weckte. Vor diesem Hintergrund wirken Versuche, christliche Symbole umzubenennen, hilflos bis grotesk. So sollte der Weihnachtsengel zukünftig „Jahresend-Flügelfigur” heißen, die traditionsreichen Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge durften nur noch unter dem Namen „Kerzendrehtürme” verkauft werden.
Unser Leser Hugo Plötzsch aus Brandenburg erinnert sich
(Mittwoch, 10.12.03):



Auch der Weihnachts- oder Christbaum sollte nach der Vorstellung der SED-Kulturfunktionäre einen neuen, atheistischen Namen erhalten: Schmuckbaum. Hierfür gab es sogar eine angeblich historisch verbürgte Erklärung. Ursprünglich stamme nämlich der Brauch, in der kalten Jahreszeit einen Baum in die gute Stube zu stellen und zu schmücken, von den Zünften ab und habe mit dem Christentum gar nichts zu tun gehabt. Als Attraktion vor allem für die Jüngsten sei er später zum „Kinderbaum” geworden. Und nur vor diesem ganz weltlichen Hintergrund habe ihn die Sowjetunion 1935 als Gabenbaum eingeführt. All diese Versuche einer Umdeutung haben nach meiner Beobachtung aber wenig gefruchtet: Wir konnten oder wollten uns an den Ausdruck „Schmuckbaum” nie gewöhnen.

aus:

http://www.sutter.de/weihnachtslexikon/deutsch/ddr.htm
Menschen, die keinen Arsch in der Hose haben, müssen nicht zwangsläufig schlank sein.

Meine Rechtschreibfehler könnt Ihr Samstags ab 17 Uhr bei Rewe gegen eine lecker Senfgurke tauschen.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon vs1400 » 19. Januar 2012, 22:50

augenzeuge hat geschrieben:
Interessierter hat geschrieben:Na dann kanns ja weitergehen:

Weiß denn jemand was Mutschekübchen sind?

Was wurde denn auch als " Blaue Fliesen " bezeichnet?

Wofür gabs denn ein " Bienchen " ?

[hallo]


Ein Motschekiebchen ist ein Marienkäfer. Allerdings, dieses Wort wird nicht überall in Sachsen verstanden. [flash]
Blaue Fliesen waren (100) DM (wurde so offen annonciert), und ein Bienchen gab es für eine gute Schularbeit.
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hallo augenzeuge,

ich hab noch nie von "Mutschekübchen oder Mutschekübchen" gehört.
in meinem eck nannte man siemutschekälbchen.

@ Interessierter,
bezüglich der bienchen, kann es wikipedia nicht besser erklären ... http://de.wikipedia.org/wiki/Mitteilungsheft.


gruß vs
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon augenzeuge » 20. Januar 2012, 09:21

vs1400 hat geschrieben:ich hab noch nie von "Mutschekübchen oder Mutschekübchen" gehört.
in meinem eck nannte man siemutschekälbchen.
gruß vs


http://www.duden.de/rechtschreibung/Motschekiebchen
[wink]
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Interessierter » 20. Januar 2012, 10:45

Diese nachstehenden Worte hatte ich auch noch nie gehört:

Obertrikotage

Gestrickte Oberbekleidung (Pullover, Jacken oder auch Kleider; wörtliche Übersetzung des russischen верхний трикотаж/ werchni trikotasch)

Römersandalen

Eine Art Ost-Version der Jesuslatschen. Nur durfte in der DDR Jesus nicht glorifiziert werden. Also bezog man sich auf die guten, alten Römer… Vom Design her haben die wenig mit den Sandalen der Römer zu tun, die man tatsächlich trug.

Schallplattenunterhalter

Dieser entspricht dem heutigen DJ auf Parties und hat auf den Tanzabenden für die musikalische Unterhaltung gesorgt.

Süßstoffkomprimetten

Glaubts oder nicht! Mit diesem Begriff, wurden “Drops” bezeichnet.

Speckitonne


Die Speckitonne war eine Sammeltonne, speziell für Speisereste. Diese wurden für die Fütterung von Schweinen gesammelt. Zu ihrem Namen kam die Speckitonne, weil auf ihr ein Schwein abgebildet war.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Nostalgiker » 20. Januar 2012, 19:59

"Subbotnik"
ist keine DDR typische Wortschöpfung

Kann jetzt noch nicht einmal mehr Wiki zu Rate gezogen werden? Hier lesen: klick mich

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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Nostalgiker » 20. Januar 2012, 20:44

In den Bereich der Ironie gehören die »Jahresendflügelfigur« und das »Erdmöbel«, die beide durch das DDR-Satiremagazin »Eulenspiegel« bekannt wurden.

Auch zu finden in folgendem Buch:
Ernst Röhl - Wörtliche Betäubung. Neudeutscher Mindestwortschatz. Eulenspiegel Verlag Berlin, 1986, ISBN 3-359-00040-4 (3. erweiterte Auflage 1989, ISBN 3-359-00435-3)

Zum Thema, im weiteren Sinne, hie ein Artikel aus einem Blog //Bremer Sprachblog //

Barocke Blutarmut

Über die Sprache der ehemaligen DDR werden ja häufig Dinge erzählt, die mehr mit Vorurteilen als mit der sprachlichen Wirklichkeit zu tun haben. Letzte Woche habe ich dieses Juwel auf Welt Online gefunden:

Dann erfand die ostdeutsche Wirklichkeit neue Wörter für neue Sachverhalte. Vielfach handelte es sich dabei um Abkürzungen, die man im Westen schon deshalb nicht verstand, weil das, was sie benannten, dort nicht vorkam: VEB und VVB, LPG und NVA, zum Beispiel. Die Beziehung der Staatspartei SED zur deutschen Umgangssprache war gekennzeichnet durch Blutarmut und barocke Formelhaftigkeit. Gern erfand sie auch Neologismen, etwa wenn einfache Berufe durch eine neue Bezeichnung aufgewertet werden sollten. Da gab es etwa den Facharbeiter für Bürotechnik. Es handelte sich um die Stenotypistin. Auch die Versuche, christlichen Festen den atheistischen Garaus zu machen, führten zu sprachlicher Verrenkung. Eine gewisse Prominenz erlangte die Jahresendflügelfigur, die nichts anderes bezeichnete als den Weihnachtsengel. Ein anderer tabuisierter Bereich war das Sterben. Der DDR-Beitrag zum Thema war ein neues Wort für den Sarg: Erdbestattungsmöbel. [Welt Online]

Also erstmal: Neue Wörter für neue Sachverhalte sind nichts Ungewöhnliches, schon gar nicht etwas typisch Ostdeutsches. Jede Sprachgemeinschaft findet neue Wörter für neue Sachverhalte, sonst könnten sich ihre Sprecher nach kurzer Zeit nur noch über sehr wenige Aspekte ihres Lebens unterhalten. Abkürzungen sind an sich auch nichts typisch Ostdeutsches, ich stelle dem VEB beispielhaft die GmbH gegenüber, der VVB die IHK, der LPG die eG und der NVA das KSK der Bundeswehr. Blutarm vielleicht, aber allesamt erfunden von einer westdeutschen Wirklichkeit (falle eine Wirklichkeit tatsächlich Dinge erfinden kann).

Das Aufwerten von einfachen Berufen durch neue Bezeichnungen ist ganz sicher nichts, was typisch für die DDR war. Ich empfehle diese Liste
gesamtdeutscher Ausbildungsberufe für einen Abend heiteren Euphemismenratens — von der „Fachkraft für Lagerlogistik“ über die „Kauffrau im Einzelhandel“ bis zum „Verfahrensmechaniker Steine- und Erdenindustrie (Asphalttechnik)“. Alles ehrbare Berufe, die wir aber im Alltag mit weniger barocken Formeln benennen.
(soweit das Zitat aus dem Blog)

- Der fett hervorgehoben Satz ist besonders von all den Eiferen zu lesen welche die teilweise durchaus kuriosen Wortschöpfungen aus der DDR als Systemimmanenten Ausdruck des "menschenverachtenden" Regimes ausmachen. -

Die meisten Besonderheiten des Sprachgebrauches der DDR betrafen den Wortschatz oder Redewendungen:

    politisch geprägte (offizielle) Bildungen: antifaschistischer Schutzwall, Arbeiter-und-Bauern-Macht, Kollektiv der sozialistischen Arbeit, Republikflucht begehen, die Werktätigen

    unterschiedliche Bildungsmuster in Ost und West: Flugzeug statt Flieger, 2-Raum-Wohnung, Kaderleiter, Kaufhalle, Kinderkrippe, Kindergarten, Jahresendprämie

    unterschiedliche Bedeutungen in Ost und West: Brigade, Kollektiv, Krankenschein, Poliklinik, realisieren

    Bezeichnungen für DDR-Typisches: Dederon, Malimo, KIM-Eier, Präsent 20, Polylux, Kriepa; Kombinat, Konsum [Betonung auf der ersten Silbe, o und u kurz gesprochen], Messe der Meister von morgen, Babyjahr, Ehekredit, Hausarbeitstag, Komplexannahmestelle, Faltbeutel, polytechnische Oberschule, Westpaket

    umgangssprachliche, ironische Sprachschöpfungen(nicht offiziell): Arbeiterwohnregal, Wohnklo, Konsumjeans, Aluchips [DDR-Geld], SV-Urlaub [6 Wochen von der Sozialversicherung bezahlte Krankschreibung, die mancher dem Urlaub hinzurechnete], der große Bruder [die Sowjetunion], Essengeldturnschuhe [verächtlich für billige Turnschuhe, die so viel kosteten wie das Schulessen für eine Woche: 2,75 Mark], zur Fahne [Armee] müssen, Karl-Chemnitz-Stadt [für das in Karl-Marx-Stadt umbenannte Chemnitz]

Nach 1989 wurden die vormaligen Westler und Bundis umgangssprachlich schnell zu Wessis (als Analogiebildung zu den Ossis?).

Gruß
Nostalgiker
Nostalgiker
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon ex-maja64 » 20. Januar 2012, 20:57

Frage:

Was war in der DDR, ein " Facharbeiter für die Be-und Verarbeitung pflanzlicher Produkte" [ich auch]

Kleine Hilfestellung, ist ein Beruf den es seit Jahrhunderten schon gibt. [wink]


Mario
ex-maja64
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon LEGO » 20. Januar 2012, 22:59

Ich tippe mal: Gärtner oder Landwirt (Bauer)
LEGO
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon karl143 » 20. Januar 2012, 23:43

Handelt es sich etwa um den Müller ?
karl143
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon ex-maja64 » 20. Januar 2012, 23:51

LEGO, tut mir ja ehrlich Leid [frown] , aber der Kerl vom Braunschweiger GSA hat Recht.

@ karl, hundert Punkte [freu] , so nannte man in der DDR einen Müller.


Mario [hallo]
ex-maja64
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon karl143 » 21. Januar 2012, 00:00

Mich hatte mal ein ehemaliger Leiter einer LPG gefragt, ob ich darauf eine Antwort wüßte. Der Müller ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Kann ich mir für die 100 Punkte was kostenlos bestellen. Oder bekomme ich bei meinem nächsten Flug ein Upgrade [flash]
VG
karl143
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon ex-maja64 » 21. Januar 2012, 00:09

karl143 hat geschrieben:Mich hatte mal ein ehemaliger Leiter einer LPG gefragt, ob ich darauf eine Antwort wüßte. Der Müller ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Kann ich mir für die 100 Punkte was kostenlos bestellen. Oder bekomme ich bei meinem nächsten Flug ein Upgrade [flash]
VG



karl wie wäre es mit dem ND [laugh]


Mario, es schneit gerade schon wieder bei mir [angst]
ex-maja64
 

Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Interessierter » 21. Januar 2012, 07:48

Trinkröhrchen

Mit Trinkröhrchen bezeichnete man in der DDR das, was im Westen Trinkhalm oder Strohhalm heißt.

urst

Bis Ende der 80er Jahre jugendsprachlich statt "sehr" oder "saugeil" (z.B. "Ist ja urst", "Das war urst schau")

Winkelement

Vorsicht! Nicht falsch lesen. Es ist von einem "Wink-Element" die Rede, nicht von einem "Winkel-Element". Winkelement nannte man die Fähnchen, mit denen der Bürger während der öffentlichen Großveranstaltungen zu winken hatte.

[hallo]
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Harsberg » 21. Januar 2012, 08:48

augenzeuge hat geschrieben:Kennt ihr einen Diversanten?
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Diversant war ein feindlicher Agent, Saboteur, Störer, der als Diversion oder Diversionsakte bezeichnete Sabotageakte, Störmanöver und Subversion verübt.
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Re: DDR - Wortschöpfungen

Beitragvon Harsberg » 21. Januar 2012, 09:01

Und was versteht man unter Bärendreck?

Oder Bückware?

oder Gummiadler?

oder MMM?
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