Heute vor 80 Jahren begann die größte Schlacht des 2. WK

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg (1933–1945)

Heute vor 80 Jahren begann die größte Schlacht des 2. WK

Beitragvon augenzeuge » 5. Juli 2023, 15:58

Am 5. Juli 1943 begann die deutsche Wehrmacht ihre letzte große Offensive an der Ostfront: das Unternehmen „Zitadelle“. Der Zangenangriff auf Kursk entwickelte sich zur größten Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs. Sie endete mit einem Erfolg der Roten Armee. Allerdings war dies nur durch die massive Unterstützung der USA möglich, sagen heute Historiker. ( siehe Podcast DLF)

Ziel der Operation "Zitadelle" gegen den 150 Kilometer langen gegnerischen Frontbogen bei Kursk war die Einschließung sowjetischer Verbände durch eine Zangenbewegung. Nachdem die deutschen Truppen durch sowjetische Offensiven bis Frühjahr 1943 auf eine Frontlinie zurückgeschlagen wurden, die sie bereits im Winter 1941 eingenommen hatten, sollte mit der Operation "Zitadelle" die strategische Initiative im Osten zurückgewonnen werden. Dafür setzten die deutschen Heeresgruppen Mitte und Süd praktisch alles auf eine Karte. Mit rund 800.000 Soldaten, 1.400 Flugzeugen und 10.000 Geschützen wurden noch einmal gewaltige Mengen an Menschen und Material in Stellung gebracht. Die über 2.000 aufgebotenen Panzer machten etwa 70 Prozent des Gesamtbestands an der Ostfront aus.


https://www.deutschlandfunk.de/vor-75-j ... n-100.html
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zwe ... -1943.html

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84880
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Heute vor 80 Jahren begann die größte Schlacht des 2. WK

Beitragvon pentium » 5. Juli 2023, 16:53

Ein paar Überlegungen, die sich mir aufgedrängt haben bei der Beschäftigung mit dem Thema:

Die Vorgeschichte für „Citadelle“ (frei nach Guderian-Schreibweise) ist auf beiden Seiten bemerkenswert. Bemerkenswert ist, dass ja wohl auf beiden Seiten, die Planungen halbherzig und teilweise mit nicht geringen Widerständen erfolgten.Vor allem Hitler und Stalin waren nicht als direkte Promotoren von Citadelle in Erscheinung getreten, sondern eher als "Mitläufer".

Situation DR: Folgt man Guderian, dann hat Hitler zweimal keinen wirklich überzeugenden Grund, auch für sich selber formulieren können, für eine offensive Operation der WM in 43. Am zutreffendsten war wohl eine „symbolische“ Sichtweise, die auf die Wiederherstellung der Überlegenheit der deutschen Waffen abzielte (Jodl glaube ich).

Interessant ist, dass aus sowjetischer Sicht eine wesentlich „rationalere“ Interpretation der Zielsetzungen der WM vorgenommen worden ist (Solowjow, Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges. Schlacht bei Kursk, S. 48ff). Unterstellt wird die präventive Vernichtung des Offensivpotentials der RA und somit die Verhinderung der Sommeroffensive im Jahr 1943. Gleichzeitig wird die Verkürzung der Front für die WM genannt und vor allem die Wiedergewinnung der strategischen Initiative.

Alles relevante Aspekte, die bei Guderian, als Teilnehmer der entscheidenden Sitzungen, nicht genannt oder diskutiert werden.

Situation SU: Folgt man den Ausführungen von Schukov (Marschal Zhukov`s Greatest Battles, S. 195ff), dann diskutierte der Generalstab ab ca. April 43 die Lage um Kursk. Stalin gefiel die Idee von Schukow nicht, der die Angriffsrichtung der WM Richtung Kursk frühzeitig prognostiziert hatte (was ja eigentlich nicht besonders schwer war), und wollte ursprünglich ein aktives Vorgehen der RA. Er traute, nach den Erfahrungen von 41 und 42 dem Defensivpotential der Roten Armee nicht, angesichts einer zur erwartenden großangelegten Sommeroffensive der WM. Schukov hat sich mit seinen Planungen durchgesetzt.

Die Umsetzung des Planung, die Dislozierung und die entsprechenden begleitenden Tarnmaßnahmen der Roten Armee können als sehr erfolgreich angesehen werden.

Von der Deutschen Aufklärung wurden – so Glantz (When Titans clashed, S. 165) – die Tiefengliederungen der RA nicht erkannt. „Had they known the full scope of soviet preparations, even the most confident German commanders would have daunted“ (Glantz, Titans, S. 165).

Die Umsetzung der endgültigen Planung zu „Citadelle“ zum Zeitpunkt im Juli hat v. Mellenthin (S.262) sicherlich zutreffend als „Todesritt“ bezeichnet und war sich der apokalyptischen Bedeutung, bei einem Fehlschlag, offensichtlich bereits im Vorfeld durchaus bewusst.

Die Rote Armee konnte im Vorfeld der Präparation des Schlachtfeldes nahezu alle ihre traditionellen Schwächen, eine mangelhafte Feuerleitung und eine mangelhafte Kommunikation, abstellen. Gleichzeitig konnte sie ihre Stärken, der stationären Kriegsführung ausspielen. Diesem optimierten „Portfolio“ der Roten Armee stand eine „suboptimale“ operative Ausrichtung der WM gegenüber. Sie konnte ihre traditionellen Stärken der beweglichen Kriegsführung auf diesem Terrain nicht ausspielen.

Spannend ist m.E. ebenfalls die asymmetrische Ausgangslage in Bezug auf die potentielle „Ausbeute“ bei einem eventuelle Gewinn der Schlacht. Für die WM wird für 43 allgemein unterstellt, dass sie für weiträumige Operationen nicht mehr über die notwendigen Ressourcen verfügt hat. Vor diesem Hintergrund wäre eher ein begrenztes Ausnutzen eines Erfolges bei Kursk denkbar gewesen. Unterstellt man jedoch die Zerstörung von zwei Fronten der Roten Armee in einem Kessel bei Kursk, dann hätte für die Rote Armee eine sehr kritische Situation eintreten können, deren militärische Konsequenzen schwer zu bewerten sind.

Die Planungen der RA im Anschluss an die Schlacht bei Kursk für den Herbst 43 waren wesentlich konkreter und weiträumiger (Solowjow: Wendepunkt, S. 83ff) und zielten in Richtung SW auf die Eroberung der kompletten Ukraine ab in Richtung Odessa.

Als Bewertung für "Citadelle" muss ich immer wieder an die kolportierte Situation zwischen Hitler und Göring im Vorfeld von Barbarrossa denken. In dieser Situation soll Göring Hitler vor diesem Plan gewarnt haben mit dem Satz: Wir wollen doch nicht Vabanque spielen und Hitler antwortete, dass er immer nur Vabanque gespielt hat.

Die Risiken der Durchführung von Citadelle für die WM standen in keinem Verhältnis zu den nicht zu kalkulierenden Gefahren bei einem Scheitern. Dass das OKW und das OKH diese Gefahr nicht viel deutlicher benannt hat, ist aus heutiger Sicht verwunderlich, aber vermutlich schon nicht mehr nach dem irrationalen Verhalten seit Stalingrad.
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45571
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge


Zurück zu Nationalsozialismus (1933–1945)

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste