Wie ein König des frühen Mittelalters zum Patron der deutschen Vernichtungspolitik im Osten wurde
Es war einmal. Es war einmal ein kleines Städtchen in Hessen namens Fritzlar, das beschloss, zu seinem 1275. Stadtgeburtstag anno 1999 auf dem Domplatz ein Denkmal für Heinrich I. aufzustellen, für den "ersten deutschen König und Gründer des Deutschen Reiches" - so jedenfalls prangt sein Name in den meisten Geschichtsbüchern. Der sächsische Herzog soll (angeblich) im Jahre 919 (angeblich) in Fritzlar (angeblich) von den Sachsen und Franken zum König gekürt worden sein.
Was die braven Stadtväter und -mütter wahrscheinlich nicht wussten: Der Kult um König Heinrich hat einen tiefen braunen Schatten und ist aufs engste mit einem Mann verbunden, an den heute nun wahrlich niemand mehr erinnert werden will - mit Heinrich Himmler, dem Chef der SS. Der Fritzlarer Lehrer Frank Helzel jedenfalls beschloss, der dubiosen Heinrich-Saga einmal nachzugehen.
Dabei war Himmlers Blick zunächst gar nicht auf Heinrich I., sondern auf den Sachsenherzog Heinrich den Löwen gefallen
er sollte zur Symbolfigur für die neue Ostexpansion werden. 1935 ließ er im Braunschweiger Dom das Grab des Herzogs öffnen und - war bitter enttäuscht. Im Sarg lag das Skelett einer kleinen, zierlichen Person, das einen deutlich erkennbaren Hüftschaden aufwies. So hatte sich Himmler den "Löwen" nicht vorgestellt. Immerhin bot sich ein Anthropologe an, der erkärte, das Hüftleiden sei nicht angeboren, sondern Folge eines Reitunfalls. (Erst in den siebziger Jahren fand man des Rätsels Lösung: Die Nazis hatten versehentlich den Sarg von Heinrichs Frau geöffnet.)
Nun kam Heinrich I. ins Spiel. In der Stiftskirche von Quedlinburg sollte 1936 der König an seinem 1000. Todestag gefeiert werden.
Himmler war begeistert und zitierte in seiner Rede einige leicht veränderte Sätze aus Lüdtkes Werk, den König als einen "der größten Schöpfer des Deutschen Reiches" preisend. Ein Kranz wurde auch am Steinsarg der Königin Mathilde niedergelegt, "diesem Vorbild höchsten deutschen Frauentums".
Künftig sollten die Deutschen jährlich zu dieser "Weihestätte" wallfahren.
Hatte Himmler in seiner Rede noch tief traurig bekannt, dass die Gebeine des Königs verschwunden seien, konnte er sie ein Jahr später plötzlich präsentieren. Zu mitternächtlicher Stunde wurden sie in der Krypta bei Fackelschein und Orgelspiel in einen neuen Sarkophag gebettet
https://www.zeit.de/2000/43/Himmlers_He ... ettansicht
https://www.himmlers-heinrich.de/heinrich_I.pdf
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