Auf dem Weg zur Freiheit in Halle (Saale) 1989Die friedliche Revolution in der damaligen Bezirksstadt Halle (Saale) begann im Frühjahr 1989. Bereits im Vorfeld der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 brachten Hallenser verschiedenster Couleur ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck. Einigen der wenige Mitglieder zählenden "Ökologischen Arbeitsgruppe" (ÖAG) – einer Umweltgruppe bei der evangelischen Kirche – gelang es sogar, die Fälschung der Kommunalwahlen durch die SED-Führung in der Stadt Halle nachzuweisen.2
Auch
Frank Eigenfeld engagierte sich in der oppositionellen ÖAG für die geschundene Umwelt im Industriebezirk Halle. Eigenfeld ist promovierter Geologe und wurde im Jahr 1982 aus dem Hochschuldienst an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entfernt, weil er sich einer paramilitärischen Übung verweigert hatte. Über seine damalige Ehefrau Katrin3 fand er eine Anstellung als Hausmeister in der evangelischen Gesundbrunnengemeinde in Halle. Das neue berufliche Umfeld, das für Eigenfeld das vorläufige Ende seiner akademischen Laufbahn bedeutete, kam andererseits seinem gesellschaftskritischen Engagement entgegen. Bis zur friedlichen Revolution engagierte er sich unter anderem in der "Initiative Frieden und Menschenrechte" (IFM) und organisierte die gesellschaftskritischen "Nachtgebete", die vor allem Ausreise-Antragsteller in Halle und Umgebung ansprachen.
Zwei hallesche Gründungsmitglieder des Neuen ForumEs dürfte nur ganz wenige Hallenser geben, deren Alltag so eng mit der friedlichen Revolution verflochten war, wie der von Frank Eigenfeld. Im September 1989 fuhr er mit seiner ehemaligen Ehefrau Katrin zum Gründungstreffen des Neuen Forum nach Grünheide bei Berlin.4 Unmittelbar nach der Rückkehr vervielfältigte er in der Nacht vom 10. zum 11. September den Gründungsaufruf "Aufbruch 89" auf einem geheimen – weil staatlich nicht registrierten – Wachsmatrizengerät. Der evangelische Pfarrer Steffen Mezger, bei dem das Vervielfältigungsgerät verborgen war, ist mit seiner Unterschrift in dieser Nacht das erste Mitglied des Neuen Forum in Halle geworden. Die Gefühlswelt von Frank Eigenfeld bewegte sich in diesen Tagen zwischen Unsicherheit und Euphorie. Unsicher war, ob beide Eigenfelds unversehrt mit dem Gründungsaufruf von Grünheide nach Halle gelangen würden – Euphorie setzte nach dessen Vervielfältigung ein, da die Idee des Neuen Forum nun in Halle Verbreitung finden würde.
Beide Eigenfelds meldeten das Neue Forum am 19. September 1989 per Einschreiben beim Rat des Bezirkes Halle an. Sie konnten dabei bereits auf etwa 500 Unterstützerunterschriften verweisen. Auf den 19. September hatten sich die Teilnehmer des Gründungstreffens in Grünheide unter anderem deshalb verständigt, weil es ein Dienstag war und damit in der DDR ein "Behördentag". Nach der Anmeldung waren beide Eigenfelds, die sich seit vielen Jahren in der halleschen Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung engagierten, einer verschärften Überwachung durch das MfS ausgesetzt. Die Stasi verfolgte die halleschen Initiatoren des Neuen Forum auf der Grundlage des sogenannten Maßnahmeplans "Materialkomplex ‚FORUM‘".5 Seine Führung oblag dem Leiter der MfS-Bezirksverwaltung Halle, Generalmajor Heinz Schmidt. Dessen 1. Stellvertreter, Oberst Rolf Schöppe, wurde mit der Umsetzung des Maßnahmeplans beauftragt. Kernstück war die Schaffung einer "nichtstrukturellen Arbeitsgruppe" (NSAG) "Forum". Sie koordinierte die Verfolgung des Neuen Forum und erarbeitete Entscheidungsvorlagen. Als Leiter der fünfköpfigen Arbeitsgruppe wurde der Stellvertreter des Leiters der Abteilung XX der Bezirksverwaltung Halle, Major Ernst-Eckhard Schulze, eingesetzt.
Kein gewaltloser Oktober in HalleSowohl am 7. als auch am 9. Oktober 1989 gingen die staatlichen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die ersten zaghaften öffentlichen Proteste in der Saale-Stadt vor. Am 7. Oktober wurden im Stadtzentrum 48 Menschen verhaftet. Mehrere hundert Volkspolizisten, MfS-Offiziere und in Zivil die Kampfgruppenhundertschaft "Karl Meseberg" waren im Einsatz, um sogenannte "konterrevolutionäre Tätigkeiten" zu verhindern.10 Am 9. Oktober demonstrierten mehrere hundert Menschen an der halleschen Marktkirche unter der Losung: "Gewaltlos Widerstehen, Schweigen für Leipzig, Schweigen für Reformen, Schweigen fürs Hierbleiben". Blumen und Kerzen verdeutlichten das friedliche Anliegen der Demonstranten. Die staatlichen Sicherheitskräfte reagierten wiederholt mit dem Einsatz von Gewalt. Durch die Hilfe der anwesenden evangelischen Pfarrer konnten die Demonstranten in die schützende Marktkirche gelangen, während im Stadtzentrum 37 Personen verhaftet wurden. An diesem Abend war die Nationale Volksarmee (NVA) im Raum Halle in erhöhter Gefechtsbereitschaft.
Dies betraf Teile der 11. motorisierten Schützen-Division und das motorisierte Schützen-Regiment 17. An sie "wurden Schusswaffen (Pistolen, Maschinenpistolen, LMG’s) ausgegeben und deren Kampfsätze (je Mann 300 Schuss scharfe Munition 7,62 mm) wurden auf LKW’s verladen."11 Am gleichen Tag, dem 9. Oktober 1989, fand in Leipzig mit über 50 000 Teilnehmern die bis dahin größte Montagsdemonstration statt. Dass wenige Kilometer von Leipzig entfernt die SED-Führung in Halle ein gewaltsames Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte bei einer relativ kleinen Demonstrantenzahl umgesetzt hat, deutet auch darauf hin, dass die SED-Führung nur angesichts der unerwartet vielen Menschen in Leipzig vor einem gewaltsamen Einschreiten zurückschreckte. Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -63/06304/Einfach bewundernswert wie Frank Eigenfeld es schaffte, mit denen die ihn jahrelang verfolgt hatten, dann auf Augenhöhe zu verhandeln...