Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Die Regierung Kohl/Genscher im Spiel der Kräfte, Regierung Modrow und Runder Tisch, Auflösung des Stasi-Apparats

Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon Interessierter » 13. Dezember 2014, 07:27

"Herr Generalmajor, die Schlüssel bitte!"

Wie vor 25 Jahren Bürger in Suhl die Stasi entmachteten

In den Abendstunden des 4. Dezember 1989 besetzten couragierte Bürger die Suhler "Stasi-Burg". 25 Jahre später erinnerte die Außenstelle Suhl des BStU mit einem Bürgertag an das Geschehen.


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Die Suhler "Stasi-Burg" thronte auf einem Berg hoch über der Stadt. Von 1954 bis 1989 befand sich hier die Bezirksverwaltung Suhl des Ministeriums für Staatssicherheit. Quelle: BStU, Außenstelle Suhl

Als "Burg" bezeichnete der Suhler Volksmund die Bezirksverwaltung der ostdeutschen Geheimpolizei, die auf einem Berg über der Stadt thronte. Mit einem Bürgertag am authentischen Ort erinnerten die Außenstelle Suhl des BStU und der Landesbeauftragte des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (ThLA) am 5. Dezember 2014 an die ersten Schritte von Bürgerrechtlern in diese Burg. Annähernd 600 Besucher nutzten die vielfältigen Angebote.

In den Abendstunden des 4. Dezember 1989 musste sich die Leitung des damaligen Bezirksamtes für Nationale Sicherheit unter Generalmajor Gerhard Lange dem Druck beugen. Zunächst 15 Personen wurde der Zutritt in das "Objekt" gewährt.

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Das Suhler MfS am Ende: Am 5. Dezember 1989 sieht sich Stasi-Generalmajor Gerhard Lange (im schwarzen Anzug in der Bildmitte) zahlreichen Demonstranten in der Suhler Stasi-Burg gegenüber. Links daneben der Bezirksstaatsanwalt (mit Megaphon) und ein Major der Volkspolizei. Quelle: Privatarchiv Reinhard Wenzel

Weitere Zeitzeugen berichteten über ihre Erlebnisse vor dem Eingangstor der "Stasi-Burg", als ein Angehöriger der Wach- und Sicherungseinheit Reizgas versprühte und dadurch mehrere Bürger verletzte. Ein Betroffener schilderte seinen Einsatz in der Bürgerwache, die das Objekt in den folgenden Tagen und Wochen sicherte. Unvergessen war ihm der Ausspruch eines Stasi-Offiziers, der ihm, kurz nachdem er seine Dienstwaffe abgegeben hatte, zuraunte: "Ihr werdet Euch bald in Eurem eigenen Blut wälzen!"

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.bstu.bund.de/DE/InDerRegion/ ... 0.2_cid344
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Re: Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon Nov65 » 13. Dezember 2014, 08:06

....kurz nachdem er seine Dienstwaffe abgegeben hatte, zuraunte: "Ihr werdet Euch bald in Eurem eigenen Blut wälzen!"
Ach, so verantwortungsbewusst war das MfS?
Also nicht die Einsicht, sondern die Unausweichlichkeit der Lage war der Antrieb zum Nicht-Handeln.
Andreas
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Re: Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon Merkur » 13. Dezember 2014, 09:39

Man darf dabei die Situation vor der BV in Suhl nicht vergessen. Das betrifft auch den Einsatz des Tränengases. In Suhl waren auch Radikalisten und Randalierer am Werk.
Das NF schrieb dazu: "Der Sprecherrat des NF distanziert sich ausdrücklich von Randalierern und Kräften, die versuchen, die Demonstrationen für ihre radikalen Zwecke zu benutzen."

Andreas, zu der Aussage des Offiziers muss man wissen, dass sich an diesem Abend ein 54-jähriger Offizier selbst erschossen hat und in der BV in einer Blutlache lag. Die Situation war extrem angespannt und auch in Suhl waren die Mitarbeiter verantwortungsbewusst und besonnen.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon augenzeuge » 13. Dezember 2014, 10:05

Merkur hat geschrieben: Andreas, zu der Aussage des Offiziers muss man wissen, dass sich an diesem Abend ein 54-jähriger Offizier selbst erschossen hat und in der BV in einer Blutlache lag. Die Situation war extrem angespannt und auch in Suhl waren die Mitarbeiter verantwortungsbewusst und besonnen.


Er war als "Offizier für Sonderaufgaben" in der "Arbeitsgruppe des Leiters" der Suhler Bezirksverwaltung u.a. für Mobilmachungspläne verantwortlich. Stasi-Akten belegen, dass sich in seinem Schreibtisch ein Notizzettel befand, auf dem geschrieben war: "Ich war immer ein anständiger Offizier. Ich schieße nicht auf das Volk".

Auch GM Lange setzte seinem Leben 5 Wochen später ein Ende.....

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Re: Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon Interessierter » 15. Dezember 2014, 09:06

Über die Rolle der Stasi hat Müller Enbergs im Oktober in einem Schwenk von Suhl über Plauen bis Ost - Berlin berichtet. Was vielleicht allgemein nicht bekannt ist, waren auch die Bürger in Plauen besonders mutig.

«Ich schiesse nicht auf das Volk»

Helmut Müller-Enbergs 29.10.2014, 06:00 Uhr

Die Revolution in der DDR verlief friedlich. Geschossen wurde aber doch, auch in der thüringischen Bezirksstadt Suhl. Dort hatten sich am 4. Dezember 1989 gut 4000 Bürger vor dem Gebäudekomplex der Staatssicherheit, zugleich Geheimdienst und Geheimpolizei, versammelt.
Für die Sicherheit des Areals war der 55-jährige Offizier Armin Knoll zuständig. In eben jenen Minuten, als Bürger das Gebäude betraten, schloss er sich in sein Dienstzimmer, Nummer 314, ein. Knoll setze sich an den Schreibtisch und notierte seine letzten Worte. Das Blatt legte er in die obere rechte Schublade seines Schreibtisches. Als es an seiner Zimmertür klopfte, fragte er: «Sind sie schon da?», man rief: «Mach keinen Quatsch!» Knoll nahm seine Dienstwaffe in die rechte Hand, führte den Lauf an seine Schläfe und drückte ab. Die Zimmertür brachen daraufhin seine Genossen gewaltsam auf – doch Knoll war tot. Niemand unter den Demonstranten erinnert sich später an diesen Schuss. Sein kurzer Abschiedsbrief: «Ich war immer ein anständiger Offizier. Ich schiesse nicht auf das Volk. 4. Dezember 1989, Armin Knoll.»

Und Gerhard Lange? Gleichaltrig wie Armin Knoll, war er nun ausgesperrt von seiner Wirkungsstätte. Er fürchtete das Äusserste, ein Pogrom, und erschoss sich ebenfalls, wohl aus diesem Grund, am 30. Januar 1990. Die Angst, die sie verbreiteten, war nun die ihre – hier wie in den anderen 14 Bezirksverwaltungen und in der Zentrale in Berlin, in der Magdalenenstrasse – unter den 91 015 hauptamtlichen Mitarbeitern des Ministeriums. Neben Knoll und Lange erschossen sich auch andere. Es blieben dennoch Einzelfälle.

Lange bevor sich in Berlin ein «Neues Forum» konstituierte, gab es in dem aufmüpfigen Plauen Bürger, die sich unter dem Leitwort «Umdenken durch Nachdenken» formierten. Damit klingt bereits an, was später Folgen haben sollte. Die Plauener gaben die Melodie vor, nach denen die Verhältnisse jeweils tanzen sollten.

Der 22-jährige Werkzeugmacher Jörg Schneider aus Plauen etwa war jemand, der einen Anstoss dazu gab. Auf Zetteln rief er zum 7. Oktober zu einer Demonstration in Plauen auf. Auf ihr sollten die bürgerlichen Freiheitsrechte wie Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, Streikrecht, Meinungs- und Pressefreiheit, freie und demokratische Wahlen und Reisefreiheit für alle verlangt werden: «Es geht um unsere Zukunft! Jetzt oder nie!» Ihn, den Mann aus der Arbeiterklasse, hatte die Staatssicherheit nicht im Visier.

Die Herrschenden rechneten mit etwa 200 «Ruhestörern» in Plauen, doch es kamen über 10 000 – mehr als jeder achte Einwohner, ein landesweiter Rekord.

Gewichtiger aber war noch, dass der Versuch, mit einem Helikopter, Kampfgruppen und professionell für diesen Zweck ausgebildeten Polizisten die Demonstration in Plauen aufzulösen, scheiterte. Die Wasserwerfer mussten sich verbeult zurückziehen. Die Macht lag in Plauen schon auf der Strasse, während sie andernorts noch erst errungen werden musste.

Weiter mit dem sehr interessanten Bericht hier:
http://www.nzz.ch/international/der-mau ... 1.18413507

" Der Interessierte "
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Re: Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon Nov65 » 15. Dezember 2014, 09:18

augenzeuge hat geschrieben:
Merkur hat geschrieben: Andreas, zu der Aussage des Offiziers muss man wissen, dass sich an diesem Abend ein 54-jähriger Offizier selbst erschossen hat und in der BV in einer Blutlache lag. Die Situation war extrem angespannt und auch in Suhl waren die Mitarbeiter verantwortungsbewusst und besonnen.


Er war als "Offizier für Sonderaufgaben" in der "Arbeitsgruppe des Leiters" der Suhler Bezirksverwaltung u.a. für Mobilmachungspläne verantwortlich. Stasi-Akten belegen, dass sich in seinem Schreibtisch ein Notizzettel befand, auf dem geschrieben war: "Ich war immer ein anständiger Offizier. Ich schieße nicht auf das Volk".

Auch GM Lange setzte seinem Leben 5 Wochen später ein Ende.....

AZ


Die Haltung hat meinen Respekt. Der Tod ist zu bedauern.
Andreas
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Re: Die Besetzung der Suhler " Stasiburg "

Beitragvon SCORN » 15. Dezember 2014, 18:23

Vor 7 Jahren schrieb ich im NVA-Forum folgendes zum Thema:

„ich war damals nicht in der bv suhl, auch war ich niemals angehöriger der bv. da ich von dort stamme und damals vor ort war, kam ich wohl als zeitzeuge, wie man es heute nennen mag, mit dem innerstädtischen busverkehr in das geschehen.
der busverkehr kam in der maxim gorki straße unmittelbar vor der bv zum stehen da dort alles blockiert war. so kam ich unvermittelt in die nähe des haupttores der bv. es muss wohl gegen 18.00 uhr gewesen sein als ich in der vorderen reihe mehrere kinder sah. zu diesem zeitpunkt war wohl alles noch möglich und für meine begriffe ein waffeneinsatz seitens der wache auch nicht auszuschliesen. ich fand es damals(und auch heute noch) unerhört, in dieser situation kinder in die vorderste reihe zu stellen. fassungslos und kopfschüttelnd verlies ich dieses theater.

diese sache hat meine sicht auf diese dinge("friedliche, ungeplante") nachhaltig beeinflusst.“


Bliebe anzumerken daß Stadtbekannte, aus dem Milieu von Halbkriminellen und der Arbeit nicht besonders zugetaner Bürger, unübersehbar die lautesten Krakeeler vor dem Tor waren!
Ich stelle aber auch fest dass es sehr besonne Bürger unter den Blockierern gab welche sichtlich und lautstark auch ihre Probleme mit diesen Leuten austrugen!
Auch jetzt, nach einem viertel Jahrhundert finde ist das „stellen“ von damals etwa 10 jährigen Kindern als Schutzschild in die erste Reihe der Konfrontation mit schwer bewaffneten, möglicherweise einsatzwilligen MfS-Soldaten mehr als Verantwortungslos, es ist eine Sauerei gewesen!
Der „Führer“ nach der „friedlichen Erstürmung“ der BV Suhl war dann auch ein Ortskundiger.
Ein ehemaliger Angehöriger der WSE welcher wegen Kameradendiebstahls entlassen worden war.

Für gebürtige und alte Suhler war die BV auch niemals die „Burg“. Man nannte den Komplex schlicht Fliegerschule, für diesen Zweck war sie in der Zeit vor 45 gebaut worden!
Zugezogene und Fremde nutzten manchmal den Begriff „Burg“, eine gewisse Ähnlichket ist ja auch nicht zu verleugnen!

SCORN
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