"Modrow-Gesetz"

Die Regierung Kohl/Genscher im Spiel der Kräfte, Regierung Modrow und Runder Tisch, Auflösung des Stasi-Apparats

"Modrow-Gesetz"

Beitragvon Sirius » 19. August 2013, 16:37

Als Einstig der folgende Artikel:

03.02.1997
IMMOBILIEN
Krumme Dinger

Kommunen im Osten haben jahrelang Grundstücke an Private zu Schleuderpreisen verkauft - gegen Recht und Gesetz. Jetzt droht eine Prozeßlawine.

(...)
Der damalige Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow, hatte wenige Tage vor der Volkskammerwahl im März 1990 in dem noch zu SED-Zeiten gewählten Parlament durchgedrückt, daß DDR-Bürger, die auf fremdem Grund Eigenheime gebaut haben, den Boden unter ihren Häuschen zu Sonderkonditionen erwerben durften - in der Regel zu Quadratmeterpreisen von gerade mal ein, zwei Ost-Mark.

Das Gesetz begünstigte vor allem die Stützen des alten Systems. Zu Tausenden meldeten sich SED- und Blockparteifunktionäre, Stasi-Mitarbeiter, Kombinatsdirektoren, Chefärzte, aber auch Arbeiter von DDR-Sonderbetrieben aus dem Kalibergbau oder vom Uranproduzenten Wismut.

Doch die Praxis fand mit dem Tag der deutschen Einheit keineswegs ein Ende. Nach wie vor verschleudern die Ostkommunen wertvollen Boden zu Modrow-Konditionen. Einzige Bedingung: Der Kaufantrag muß vor dem Tag der Vereinigung gestellt worden sein. Die bundesdeutschen Gesetze schreiben aber eindeutig vor, daß öffentliches Eigentum nur zum Marktpreis verkauft werden darf.

Ein typischer Nutznießer ist der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Otto. Noch im November 1991 verkaufte die Stadt Erfurt dem Politiker ein 1200 Quadratmeter großes Grundstück für nur 12 000 Mark, ein Siebtel des Verkehrswerts.
(...)
Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich wiederholt mit den Modrow-Verkäufen. Und jedesmal war der Spruch der Richter eindeutig: Wenn Kommunen Grundstücke unter Wert verkaufen, kommt das "praktisch einer Verschleuderung" gleich, heißt es in einem BGH-Beschluß vom November 1993. Verkäufe unterhalb des halben Marktwertes seien "sittenwidrig" und deshalb nichtig.

In zwei weiteren Entscheidungen erklärten die Bundesrichter Verkäufe nach dem Modrow-Gesetz, die wenige Tage nach der Kommunalwahl im Mai 1990, aber noch vor der Vereinigung beantragt worden waren, für unwirksam. Begründung: Bereits nach der damals geltenden neuen DDR-Kommunalordnung hätten die Grundstücke nur zu Marktpreisen veräußert werden dürfen.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8653839.html
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Re: "Modrow-Gesetz"

Beitragvon Sirius » 19. August 2013, 16:39

Der Fall Peter-Michael Diestel:

Vier Jahre, nachdem 1 000 Zeuthener Bürger auf die Straße gingen, muß Peter-Michael Diestel sein Haus zurückgeben

Ein Akt später Gerechtigkeit, der keinen interessiert

(...)
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied In einem Akt später Gerechtigkeit, daß der Kauf eines dreieinhalbtausend Quadratmeter-Seegrundstücks in Zeuthen durch den damaligen DDR-Innenminister Diestel im Jahre 1990 nichtig ist. Er habe, schlicht gesagt, zuwenig dafür bezahlt.
(...)
Am 24. 7. 1990 kaufte das Ehepaar Diestel das Grundstück samt Sechs-Zimmer-Villa für 192 700 Mark. Seitdem wohnt die Familie hochherrschaftlich am See. Das Schnäppchen des Innenministers wurde in Zeuthen zum Tagesgespräch. Diestel versuchte sofort, die Wogen zu glätten. In einem Schaukasten am S-Bahnhof der Berliner Vorortgemeinde hängte .er eine persönliche Erklärung aus. Der staunende Leser erfuhr daraus, daß jenes Anwesen in der Seestraße 84 von nicht näher bezeichneten "Sicherheitsexperten" aus der DDR und der BRD für den Minister ausgewählt wurde. Weil ja Herr Diestel an sicherheitspolitischer Bedeutung so immens gewonnen habe, nachdem er mal schnell dem BND ein paar Stasi-Akten üher die RAF-Rentner in der DDR rübergereicht hatte. Außerdem, so Diestei, sei mit seinem Grundstückserwerb alles rechtens. Da gebe es ein Gesetz vom 7. 3. und eins vom 15. 6., der Kollege Finanzminister war auch einverstanden, und selbstverständlich sei das Gelände von einem unabhängigen (!) Gutachter aus dem Innenministerium taxiert worden. Gerade der letzten Aussage aber mißtrauten die Zeuthener von Beginn an. Zu Recht, wie der V. Zivilsenat des BGH jetzt entschied. Denn offensichtlich ist dem Gutachten nicht die entsprechende Arbeitsrichtlinie des DDR-Wirtschaftsministeriums vom 18. Juli 1990 zugrunde gelegt worden. Sonst hätte Diestel nämlich mindestens 700 000 Mark berappen müssen.
(...)
Nach der Wende ebnete Modrows Häuserkaufgesetz vom 7. März 1990 den ehemaligen Funktionären den Erwerb Ihrer Pachtgrundstücke. Tatsächlich war es vor allem die Nomenklatura, die vorab von den neuen gesetzlichen Regelungen erfuhr und somit als erste bei den Grundbuchämtern antrat. Auch in Zeuthen schlugen die Mdl-Offiziere zu. Zu Vorzugspreisen, die sich von Diesteis Schnäppchen kaum unterschieden. Drahtzieher der Grundstücksgeschäfte war Hartwig Müller, zu DDR-Zelten wie auch unter Diestel verantwortlich für die Immobllien des Ministeriums. Doch während sich Diestel ganz in CDU-Tradition auf das Aussitzen des Problems beschränkte, drehte sich schon bald nach der Vereinigung der Wind aus Richtung Bonn. Der CDU-Rebell hatte die Parteiführung zu sehr gereizt, als daß das Bundesinnenmlnisteriuiu. noch länger seine schützenden hände über den abgehaifterten Minister halten wollte. So zog das Seiters-",4lnlsterium die Bodyguards ab und kündigte eine Überprüfung des Diesteischen Kaufvertrages an. Gang nach Karlsruhe Der Rechtsstaat hat das "Problem Diestel" gelöst.

http://www.berliner-zeitung.de/archiv/v ... 77964.html
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Re: "Modrow-Gesetz"

Beitragvon Sirius » 19. August 2013, 16:47

Wie wurden einige der Immobilien-Käufe finanziert? Dazu das Beispiel Lothar Arendt, ein ehem. DDR-Innenminister:

Der letzte SED-Ministerpräsident Hans Modrow schuf dafür mit einem nach ihm benannten Gesetz die juristische Grundlage. Einer der Gunst-Käufer war Lothar Arendt, ein Diestel-Vorgänger, dessen Ministerium bei Bürgern skrupellos enteignete und den Besitz ins "Volkseigentum" übertrug. Er sicherte sich flink Privatbesitz, erwarb aus Staatsbesitz in Zeuthen ein Haus und 555 Quadratmeter Grund für 116 265 Ost-Mark. Doch er bezahlte nicht bar, der Verkäufer gewährte einen Kredit über die volle Summe, die sich mit dem Tag der Währungsunion halbierte.

http://www.welt.de/print-welt/article59 ... uthen.html
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Re: "Modrow-Gesetz"

Beitragvon pentium » 19. August 2013, 17:04

Das finde ich auch beachtlich:

"Urteil zu so genannten Modrow-Käufe in neuen Ländern
- Bundesgerichtshof: Niedrige Grundstückspreise waren rechtmäßig

Die so genannten Modrow-Käufe von Grundstücken in den neuen Ländern noch nach der Wiedervereinigung sind rechtens. Die besonders günstigen Preise seien aus Gründen der Gleichbehandlung gerechtfertigt gewesen, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH). Konkret billigten die Karlsruher Richter den Verkauf eines Grundstücks in Dresden für nur umgerechnet 2173 Euro im Jahr 1996.

Die DDR hatte an viele Bürger Nutzungsrechte an "volkseigenen" Grundstücken vergeben, auf denen die Bürger sich Häuser bauten. Nach der Wende, am 7. März 1990, verabschiedete die DDR ein "Verkaufsgesetz", wonach die Bürger in solchen Fällen die von ihnen genutzten Grundstücke zu den 1936 festgesetzten und daher besonders niedrigen "Stopp-Preisen" kaufen konnten. Die Kommunen wurden daraufhin mit Kaufanträgen überschüttet. Wie sich später herausstellte, arbeiteten sie diese aber nicht nach Eingangsdatum oder anderen nachvollziehbaren Kriterien ab, sondern vollkommen willkürlich.

Die so entstandene Ungleichbehandlung haben viele Kommunen nach der Vereinigung so ausgeglichen, dass sie auch den bislang nicht zum Zuge gekommenen Antragstellern den günstigen "Stopp-Preis" einräumten, sofern eventuelle Vermögensansprüche Dritter geklärt waren. Nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz des Bundes von 1994 hätten die Kommunen in solchen Fällen dagegen mindestens den halben tatsächlichen Wert verlangen müssen. Das Regierungspräsidium Dresden hielt die Verkäufe nach dem so genannten Modrow-Gesetz daher für sittenwidrig und unwirksam. Von der Stadt verlangte die Behörde, 146 solcher Verträge rückgängig zu machen.

Wie nun der BGH entschied, sind die Verträge aber wirksam. Zwar dürfe der Staat nichts verschenken, doch sittenwidrig seien die Preisnachlässe nur, wenn sie "unter keinem Gesichtspunkt" gerechtfertigt wären. Das sei hier aber nicht der Fall. Nach den wirren Verkaufspraktiken in den letzten Monaten der DDR habe die Stadt Dresden, wie auch andere Kommunen in den neuen Ländern, lediglich "die Gleichbehandlung, so gut sie vermochte, wieder herstellen wollen". Das sei eine legitime öffentliche Aufgabe. (Az: V ZR 339/03)"

Ist ebenfalls interessant in Zusammenhang mit dem Modrow-Gesetz
http://www.abendblatt.de/politik/deutsc ... hland.html

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Re: "Modrow-Gesetz"

Beitragvon Sirius » 19. August 2013, 18:00

@pentium,

danke für den Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des BGH in diesem anderen Einzelfall. Leider habe ich bis jetzt keinen Artikel gefunden, in dem die gesamte Entwicklung der Rechtslage/Rechtsprechung von Immobilienkäufen nach dem Modrow-Gesetz von 1990 bis heute übersichtlich in einem einzigen Artikel dargestellt wird.
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Re: "Modrow-Gesetz"

Beitragvon pentium » 19. August 2013, 18:04

Bitte @ Sirius. Ich habe auch noch nichts gefunden!

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