Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Feiern zum 40. Gründungstag der DDR, Triumph der friedlichen Demonstranten, SED-Führung in der Agonie

Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 9. April 2016, 18:24

Einsatz der NVA

Auf Vorschlag Generalmajor Böhms [182] forderte Modrow 420 Mann der NVA und 320 Mann der Kampfgruppen zur Unterstützung an. Dabei handelte Modrow in Übereinstimmung mit Verteidigungsminister Heinz Keßler und Erich Mielke, die bereits vor dem 4. Oktober Absprachen zum Einsatz von Armee Einheiten getroffen hatten. Grundlage für den Einsatz von Militär zur Unterstützung von Polizeieinsätzen zur Herstellung der öffentlichen Ordnung war der Befehl Nr. 125/89 des Ministers für Nationale Verteidigung. Solche „armeeuntypischen Hundertmann-Einsatz-Kommandos" wurden für den 40. Jahrestag vor allem in Dresden, Leipzig und Berlin in Bereitschaft gehalten. In Dresden und Pirna hatte die 7. Panzerdivision 14 Einsatzkommandos mit jeweils 100 Soldaten gebildet, von denen elf Hundertschaften tatsächlich in Dresden, Karl-Marx-Stadt und Plauen eingesetzt wurden.

[183] Hans Modrow rechtfertigte den Einsatz von Militär damit, dass er am Hauptbahnhof Menschenleben gefährdet sah, wenn es nicht glückte, den Hauptbahnhof während der Zugdurchfahrten von Ausreisewilligen frei zu halten: „Ich bleibe dabei, dass sie nicht eingesetzt wurden, um etwa vorsätzlich friedliche Demonstranten zu bedrohen, sondern um Menschenleben zu schützen." [184] Nach der Anforderung Modrows beschlossen Erich Mielke und Heinz Keßler gegen 22.30 Uhr den Einsatz der bereitstehenden Truppen am Hauptbahnhof. Es herrschte: „Erhöhte Gefechtsbereitschaft". [l85] Um 23.10 Uhr erhielt Generalmajor Raimund Kokott, der Stellvertreter des Verteidigungsministers, den Befehl, mit Generalleutnant Manfred Gehmert nach Dresden zu fliegen, um dort mit Hilfe der NVA für Ordnung zu sorgen und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Kurz nach Mitternacht flogen beide mit dem Hubschrauber von Straußberg nach Dresden. [186] Dort hatte um 23.15 Uhr eine Beratung der Bezirkseinsatzleitung begonnen, in der Modrow darüber informierte, dass die angeforderten NVA Einheiten bereit gestellt würden. Nach Angaben Nyffeneggers kamen am Hauptbahnhof 1757 Kräfte der Volkspolizei und der Feuerwehr, fünf Kompanien der 8. Volkspolizeibereitschaft (VPB), ein Zug und zwei Gruppen der 5. Kompanie T (Technisch-Operativer Sektor), zwei Züge unterstellter Kräfte Kompanien T, fünf Kompanien der Offiziershochschule, sechs Züge der Schule Bautzen, vier Züge der SV-Schule Radebeul, drei Züge Formationen aus dem Bestand der BDVP, drei Kompanien der 6. VPB und eine Kompanie der 16. VPB zum Einsatz. Die fünf georderten Bataillone der NVA wurden aufgrund der Lageentwicklung nicht in Marschbereitschaft versetzt. 200 Absolventen der Militärakademie Friedrich Engels und 229 Soldaten der 7. Panzerdivision waren „in Reserve" eingesetzt. [186] Sowohl Modrow [187] als auch die Verantwortlichen der Staatssicherheit und der BDVP versuchten mehrfach, noch in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober die Züge umleiten zu lassen, weil der Bahnhof nicht zu räumen sei. Die ersten drei der acht Züge blieben so bis Mitternacht in Bad Schandau stehen, wobei die Unruhe in den Zügen wuchs.

Mielkes Stellvertreter Neiber drängte sogar darauf, die Züge wieder in die CSSR zurückzuschicken, was die CSSR aber entschieden ablehnte. Eine Umleitung über Pirna, Sebnitz und Cottbus wurde von Berlin abgelehnt, da dies kurzfristig nicht zu bewältigen sei. Modrow legte um 1.14 Uhr fest, dass die drei Züge, die in Bad Schandau warteten, in Richtung Dresden abfahren sollten. [189] Sie passierten ab 1.52 Uhr ungehindert den Bahnhof. [190] Die fünf noch ausstehenden Sonderzüge wurden nach den Eskalationen an der Strecke allerdings über Vojtanov - Bad Brambach - Plauen und Gutenfürst in die Bundesrepublik geleitet. [l91] Gegen 2.20 Uhr wurde auch der reguläre Personenverkehr wieder aufgenommen. Insgesamt wurden 224 Menschen ohne Haftbefehl festgenommen („zugeführt"). 45 Volkspolizisten wurden verletzt. [192]

Militärkräfte dürfen nur mit Zustimmung von Generalleutnant Manfred Gehmert ausrücken.

Um 2.30 Uhr fand eine weitere Beratung der Bezirkseinsatzleitung statt, an der sich Kokott beteiligte. Hier wurde die Bereitstellung der 7. Panzerdivision in den Kasernen und im Stadtgebiet beschlossen. [195] Die Soldaten kamen am 5. Oktober zum ersten Mal zum Einsatz. Offiziell unterstanden die Soldaten der BDVP. De facto wurden die Einsätze aber von Generalleutnant Manfred Gehmert aus dem Verteidigungsministerium geleitet, der darauf bestand, dass die Militärkräfte nur mit seiner Zustimmung ausrücken durften. [196]
Die Lagefilme des MfS vom 3. und 4. Oktober machen deutlich, dass die Volkspolizei durch die Menschenansammlung am Hauptbahnhof überrascht und zugleich überfordert wurde, weil es nicht gelang, schnell genug die Kräfte für einen planvollen Einsatz an den Bahnhof zu bringen. [197] Mitverantwortlich für die Überforderung war die Verwirrung um die Abfahrtszeiten der Züge und der Umstand, dass drei Leerzüge aus Prag den Bahnhof passierten. Anordnungen aus Berlin wurden hier nur mangelhaft mit den zuständigen Kräften vor Ort abgesprochen

Quelle: Zitate aus Karin Ulrich: Die Bürgerbewegung in Dresden 1989 / 90. Köln u.a. 2001.

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 9. April 2016, 18:41

Unvollständig bleibt der nüchtern geschilderteSachverhaltdennoch. Es fehlen komplett die Angaben zu all den verdroschenen und zusammengeknüppelten Passanten, die teils willkürlich und ohne jede Gegenwehr krankenhausreif verletzt wurden. Im Fernsehen liefen ja Bilder über die mattscheibe. Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.

Gruß Volker
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 9. April 2016, 18:56

Volker Zottmann hat geschrieben: Es fehlen komplett die Angaben zu all den verdroschenen und zusammengeknüppelten Passanten, die teils willkürlich und ohne jede Gegenwehr krankenhausreif verletzt wurden. Im Fernsehen liefen ja Bilder über die mattscheibe. Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.

Gruß Volker

[denken] Wo willst Du denn das gesehen haben? Sind das nicht Greuelgeschichten?
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 9. April 2016, 20:00

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden[I]

Mittwoch 4. Oktober 1989 00:00 Uhr bis 06:00

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass die Züge am 4. Oktober erneut über das Territorium der DDR fahren sollten. Im Deutschlandfunk wurde der Fahrplan bekannt gegeben. Dies war das Signal für alle, die ausreisen wollten, sich an der Strecke zu versammeln. Auch zum Dresdner Hauptbahnhof kamen die Menschen, um auf die Züge aufzuspringen. Diese Züge transportierten Personen, auf die die sogenannte Nachzüglerregelung Anwendung gefunden hatte. Im Zusammenhang mit der Schließung der Grenzen zur CSSR und Polen, kam es nun zu den bislang heftigsten Protesten, die an diesem Tag ihren Höhepunkt erreichen sollten.

Die Zahl der versammelten Personen auf dem Dresdner Hauptbahnhof steigt bis 00:30 auf 2000, die zwei Bahnsteige blockieren. Es ertönen Rufe "Wir wollen raus!" und der Gesang der Internationale.

Fünf Züge der Bereitschaftspolizei, drei Züge der Offiziershochschule der Bereitschaftspolizei und 60 Angehörige der Transportpolizei beginnen mit der Räumung der Schienen und Bahnsteige. Die Demonstranten setzen sich mit Flaschen und Steinwürfen zur Wehr. 400 Personen setzen sich zu Fuß auf den Schienen Richtung Strehlen in Bewegung. Dort werden sie des Bahngeländes verwiesen.
33 Demonstranten am Hauptbahnhof werden zugeführt. Von den eingesetzten Polizisten werden 45 verletzt.

Etwa 400 Personen ziehen vom Stadtzentrum erneut zum Hauptbahnhof. Sie werden des Geländes verwiesen. Bis 06:00 werden auf dem Gelände des Hauptbahnhofes Ruhe und Ordnung wieder hergestellt und der Berufsverkehr gesichert.

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon augenzeuge » 9. April 2016, 21:33

karnak hat geschrieben:
Volker Zottmann hat geschrieben: Es fehlen komplett die Angaben zu all den verdroschenen und zusammengeknüppelten Passanten, die teils willkürlich und ohne jede Gegenwehr krankenhausreif verletzt wurden. Im Fernsehen liefen ja Bilder über die mattscheibe. Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.

Gruß Volker

[denken] Wo willst Du denn das gesehen haben? Sind das nicht Greuelgeschichten?


Das wurde durch Zeugen unabhängig voneinander bestätigt. Es gab bei kaum ner Demo mehr Gewalt als an diesem Tag.
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„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon steffen52-1 » 9. April 2016, 21:48

karnak hat geschrieben:
Volker Zottmann hat geschrieben: Es fehlen komplett die Angaben zu all den verdroschenen und zusammengeknüppelten Passanten, die teils willkürlich und ohne jede Gegenwehr krankenhausreif verletzt wurden. Im Fernsehen liefen ja Bilder über die mattscheibe. Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.

Gruß Volker

[denken] Wo willst Du denn das gesehen haben? Sind das nicht Greuelgeschichten?

Wie jetzt, Kristian? Dann schaue mal genauer hin, ist bei den Orginalfilmen zu sehen, wie geknüppelt wurde, von seitens der Volkspolizei! Immer schön der Wahrheit ins Auge sehen! Auch sind Deine
Genossen dabei gewesen!
Grüsse steffen52-1
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 9. April 2016, 22:10

Dresden 1989 war nach dem 17. Juni 1953 die perverseste Aktion des Staates gegen seine eigenen Bürger.
Nur provoziert durch Honeckers Blödheit und das Schweigen des gesamten Zentralkommitees, dass die Züge durch die DDR sollten. Diese Eskalation ist durch Idioten verursacht worden. Und zusammengeschlagene Männer und selbst die eine ältere Frau wurden ja im Fernsehen gezeigt. Ebenso gab es wie schon dargelegt Untersuchungen dazu. Einer der Rädelsführer dieses uniformierten Aufstandes gegen die Bevölkerung war auch gerade Modrow.

Gruß Volker
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 05:06

Volker Zottmann hat geschrieben: Es fehlen komplett die Angaben zu all den verdroschenen und zusammengeknüppelten Passanten, die teils willkürlich und ohne jede Gegenwehr krankenhausreif verletzt wurden. Im Fernsehen liefen ja Bilder über die mattscheibe. Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.

Gruß Volker

Ich rede von solchen Dimensionen,das hat nicht stattgefunden,das weiß auch ein Volker,zumindest hat er die Bilder dazu nicht auf der Mattscheibe gesehen und deswegen ist es vorsätzliche Falschdarstellung von Ereignissen der Geschichte und das stört mich,es ist nämlich billige,ideologisch geprägte Propaganda.
Ansonsten,die peinlichen Umstände für die DDR mal weggelassen,was soll eigentlich eine Ordnungsmacht eines Staates in solch einer konkreten Situation tun wenn sich tausende Menschen unberechtigt auf ein Bahngelände begeben,auf denen Züge fahren sollen und Gefahr für Leib und Leben der Leute besteht,die Gefahr einer Katastrophe absehbar ist?Lautsprecherdurchsagen"Liebe Leute seid vernünftig,geht wieder nach Hause oder wenigstens vom Bahngelände"?
Was ist eigentlich mit dem Vorgehen der Polizei bei den Demonstrationen zum Endlager,vor den zu bauenden Kernkraftanlagen, dem Münchner Flughafen, den Demonstrationen zum NATO-Doppelbeschluss, bei den Castortansporten,bei dem G8 Gipfel oder bei Stuttgart 21,ist die Empörung da ähnlich oder ist die Reaktion der Polizei da akzepabel und dazu gibt es Bilder?
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 05:24

steffen52-1 hat geschrieben: ist bei den Orginalfilmen zu sehen, wie geknüppelt wurde, von seitens der Volkspolizei! Immer schön der Wahrheit ins Auge sehen!

[grin] Na dann los,zeig doch mal,ich bin immer an der Wahrheit interessiert,nur gegen Unsinn Erzählerei bin ich über die Jahre allergisch geworden.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 05:32

Volker Zottmann hat geschrieben:
Nur provoziert durch Honeckers Blödheit und das Schweigen des gesamten Zentralkommitees, dass die Züge durch die DDR sollten. Einer der Rädelsführer dieses uniformierten Aufstandes gegen die Bevölkerung war auch gerade Modrow.

Gruß Volker

Bei dem ersten Satz will ich Dir sogar recht geben,der zweite Satz ist schlichtweg dummes Zeug.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 05:38

pentium hat geschrieben: Im Deutschlandfunk wurde der Fahrplan bekannt gegeben.

[flash] Das war natürlich hilfreich,nur mit ein paar Toten hat es leider nicht geklappt.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 10. April 2016, 08:26

Kristian, Du ziehst das Zaumzeug verkehrt rum auf!
Mit Verstand wären die Züge von Prag Richtung Westen gefahren. Doch wurde immer noch starrsinnig auf die nie vorhandene "Souveränität" gepocht.
Und parallel sollte dann der DDR-Bevölkerung sogar das Sehen der Züge verwehrt werden. Nur die Riege Honecker hat Todesfälle, möglicherweise beim Aufspringen auf die Züge riskiert. Der "Äther des Westens" hat lediglich die Informationen geliefert, die den dumm zu haltenden DDR-Leuten verwehrt wurden.
Und Modrow war, selbst wenn er heute nicht stolz drauf ist, der gewesen, der anordnete. Er wurde uns in der Wendezeit als "Retter" verkauft, doch sind gerade im Frühjahr 1990 unter ihm die Weichen für eine Bereicherungswelle der bisher Herrschenden, mit nie gekanntem Ausmaß, gestellt worden. Die letzten und größten "legalisierten" Diebstähle des Volkseigentums hat er ebenfalls zuverantworten.

Gruß Volker
Zuletzt geändert von Volker Zottmann am 10. April 2016, 09:04, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Beethoven » 10. April 2016, 09:03

Scheiß Situation auch für die, die mit der Erhaltung der Ruhe und Ordnung beauftragt waren. Auf solche Handlungen waren gerade die Kräfte der NVA nicht vorbereitet. Und wie wir erlesen können, standen diese Truppen zwar bereit jedoch kam es nicht zu deren Einsatz, was ich sehr begrüße.

Wie von Karnak bereits erwähnt, sind gerade auf Geleisanlagen mit aktiven Zugverkehr, erhöhte Maßnahmen der Sicherheit unabdingbar. Und wenn da die Demonstranten der Ordnungsmacht nicht weichen wollen, muss diese zu härteren Maßnahmen greifen, so wie es alle Jahre wieder, auch in diesem wunderschönen Land, geschieht.

https://www.youtube.com/watch?v=9lyOWejPS4k

Gern setzt die Polizei dieses Staates bei solchen Veranstaltungen auch die so genannte "Arbeiterwaschmaschine" ein und natürlich auch den Tonfa, eine verflucht gute Waffe in den Händen eines Mannes, einer Frau, die damit versteht umzugehen. Ich weiß nicht ob solch ein Teil verboten ist aber wenn ich eine Nahkampfwaffe haben wollte, die keine Schußwaffe ist, würde ich immer den Tonfa haben wollen. Da haut selbst ein keines Mädchen auch nen erwachsenen Mann aus den Latschen.

Ich sah dieses Teil bei den eingesetzten Kräften der VP nicht. Auch den Wasserwerfer, welchen es ja auch bei der VP gab, sah ich nicht all zu oft. Mal gerade Helm, Schild und Schlagstock, wenn überhaupt. Mehr hatte, so vermute ich, die VP auch gar nicht um gegen Demonstranten und Randalierer, vorzugehen.

Man misst hier wieder mal, in alt bekannter Manier, mit zweierlei Maß. Der VP wird der Einsatz gegen die Demonstranten zum Vorwurf gemacht und 100-e bis 1000-e Verletzte angedichtet. Sicher gab es auch Verletzte. Genaue Zahlen sind wohl eher nicht bekannt. Hochstapelei wird jedoch an der Tagesordnung sein.

https://www.youtube.com/watch?v=XGbNG6SGe1g

Fakt ist eins, große Teile des Volkes waren mit der Politik der DDR nicht mehr einverstanden und es kam zu Unmutsäußerungen im großen Maßstab, gegen den unsere damaligen Oberen kein Mittel, außer das der Gewalt hatten und das ist beschämend.

In diesem Sinne - Wenn die Polizei sagt: "Papiere", und ich sag: "Schere", hab ich dann gewonnen?
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 09:50

Volker Zottmann hat geschrieben:Kristian, Du ziehst das Zaumzeug verkehrt rum auf!
Mit Verstand wären die Züge von Prag Richtung Westen gefahren. Doch wurde immer noch starrsinnig auf die nie vorhandene "Souveränität" gepocht.
Und parallel sollte dann der DDR-Bevölkerung sogar das Sehen der Züge verwehrt werden. Nur die Riege Honecker hat Todesfälle, möglicherweise beim Aufspringen auf die Züge riskiert. Der "Äther des Westens" hat lediglich die Informationen geliefert, die den dumm zu haltenden DDR-Leuten verwehrt wurden.
Und Modrow war, selbst wenn er heute nicht stolz drauf ist, der gewesen, der anordnete. Er wurde uns in der Wendezeit als "Retter" verkauft, doch sind gerade im Frühjahr 1990 unter ihm die Weichen für eine Bereicherungswelle der bisher Herrschenden, mit nie gekanntem Ausmaß, gestellt worden. Die letzten und größten "legalisierten" Diebstähle des Volkseigentums hat er ebenfalls zuverantworten.

Gruß Volker

Mit Verstand schon,aber ob die Souveränität faktisch nun jemals vorhanden war oder nicht,natürlich legt eine Regierung Wert darauf,dass die gewahrt bleibt,die sieht das naturgemäß nun mal anders,ob Diktatur oder Demokratie ist in diesem Zusammenhang völlig nebensächlich.Jede andere Reaktion und Handlungsweise wird als Schwäche und eigenes Aufgeben ausgelegt,keine Regierung der Welt wird das tun.
Was nun den Modrow angeht,um bei diesem Thema zu bleiben,der trug zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Verantwortung für den Bezirk und die Stadt Dresden.Nebenbei gesagt hat man ihn damit aus Berlin wohl ziemlich alleine gelassen,er musste entscheiden und handeln,was hätte er also anderes tun sollen?Was die westlichen Medien,im speziellen den Deutschlandfunk und dessen Bekanntgabe der"Fahrpläne"dieser Züge angeht,sie haben nach dem"Prinzip 17.Juni" gehandelt.Natürlich trugen sie und der Westen zu beiden Zeiten nicht die Verantwortung für die entstandene Situation,die lag in der Verantwortung einer DDR-Regierung und deren verfehlter Politik,aber Öl haben sie in beiden Fällen ins Feuer geschüttet und das haben sie mit Genuss getan in ihrer vermeintlichen Aufgabe einen Feind zu bekämpfen und damit noch zusätzlich eine Katastrophe völlig verantwortungslos provoziert,durchaus einplanend,dass man eine solche weiterführend ausnutzen kann und diese als"Katalysator" wirkt.Ein Platz des himmlischen Friedens 89 in der DDR,das wäre es doch gewesen. Letztlich hat ihnen der Modrow einen Strich durch die Rechnung gemacht,er hat aus dieser vertrackten Situation noch das Beste gemacht.
Und was ist jetzt nochmal mit den Bildern von Krankenhausreif geprügelten Personen einschließlich alter Frauen? Kleine Kinder,schwangere Frauen und Behinderte hast Du übrigens noch vergessen.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 10. April 2016, 10:43

Ein Zeitzeugenbericht:

Quelle: Eckhard Bahr: Sieben Tage im Oktober. Aufbruch in Dresden. Leipzig 1990. ebendaS. 55 ff.

»Normalerweise werden ja die Lokführer an der Grenze gewechselt. Aber wir mußten durchfahren. Meine sächsischen Strecken kenne ich. Auch nach Rügen, durch Mecklenburg, die Börde drüben, alles. Aber in Böhmen ... Signale sind nicht alles. Dazu kam die Müdigkeit. Wir hatten ja alle -zig Überstunden. Natürlich wird man gefragt, ob man in der Lage ist, alles okay und so. Hätte vielleicht lieber nein sagen sollen. Denn einerlei war mir das nicht. Die Leute waren ja außer Rand und Band. Und hinzu kamen noch die ständigen Vertröstungen. Die warteten ja schon zwei Tage auf die Züge. Na, in Prag jedenfalls ein Riesenjubel. Einige waren beim Einsteigen sogar rücksichtsvoll. Ich habe einen jungen Mann gesehen, der seine Frau, oder war es eine andere, zuerst einsteigen ließ, obwohl er vor ihr stand in dem dichten Pulk.

Also für mich wär das nichts gewesen, so einfach auf und davon. Aber das sind junge Leute eben. Und etwas muß sie ja außer Landes getrieben haben. Nicht, daß ich mit allem zufrieden wäre. Die Arbeitsbedingungen bei der Bahn hier sind unter der Hutschnur. Da könnte ich aus der Schule plaudern, bloß Rachegefühle habe ich nicht und Details gehen keinen was an. Man hat ja auch seine Reichsbahnerehre. Durch und durch isses mir bloß gegangen, als ich die Leute da an der Strecke sah. Im ersten Zugpulk, 30.9./1.10., sind ja die Türen nicht verriegelt gewesen, die Fahrgäste haben zum Teil bei Langsamfahrstrecken Türen aufgemacht und Leute, die mit wollten, reingezogen. Da war die Trapo ja nun schlauer. Die Menschen waren förmlich eingesperrt im Zuge. Darf ja aus Sicherheitsgründen - Feuer und so - normalerweise nicht sein. Andererseits ist Aufspringen während der Fahrt auch kreuzgefährlich. Wie dem auch sei. Gefragt worden bin ich sowieso nicht. im Gegenteil-. Wenn ich Befehl bekäme zu fahren, hätte ich loszufahren! Egal wie die Strecke aussieht. War ja nichts auszuschließen in diesen Tagen. Die Menschen standen nicht nur in den Bahnhöfen Spalier. Auch auf freier Strecke säumten sie die Gleise. Und dazu noch im Dunkeln. Also wir fuhren ja schon langsam größtenteils. Aber selbst mit fünfzig Kilometer pro Stunde kann ich nicht mehr anhalten, wenn ich im Lichtkegel plötzlich eine Familie mit Kindern auf dem Gleis sitzen sehe. Gottseidank ist mir das nicht vorgekommen. Es war ein regelrechtes Wunder, wie wenig da alles in allem passiert ist. Einzelne Unfälle wurden dann auch in der Presse vermeldet. Ich weiß auch nicht, ob wirklich alles bekannt geworden ist. Größere Verletzungen sicherlich. Meines Erachtens war es ein Wahnsinnsstreich, die Züge über DDR-Gebiet zu leiten. Die Bundesbahn hatte sich bereiterklärt, die Leute auf direktem Wege aus Prag abzuholen. Doch das paßte nicht zum Eigensinn der Herren aus Berlin. Sie wollten ihre »Oberhoheit« bewahren. Lange hat ja diese Senilität nicht mehr durchgehalten. Aber was das für Menschenleben hätte kosten können! Außer den Polizeieinsätzen meine ich, das mal ganz beiseitegelassen. Alleine die Entscheidung mit den Zügen, die ja dann, zumindest in Dresden, auch manches andere ausgelöst hat. jedenfalls war ich heilfroh, als ich die Fuhre im Vogtland übergeben konnte. Da wurde endlich gewechselt. Also ich weiß nicht, wenn ich einen Befehl dazu bekommen hätte, ob ich in eine Menge hineingefahren wär'. Auszuschließen war ja hier rein gar nichts mehr. Wenn dann einer mit Pistole hinter einem auftaucht ... Na, ist ja nicht so gekommen, ist ja noch mal gut gegangen. Wissen Sie, da kann man wieder gläubig werden. An so einem Tag. Nicht mehr lange bis zur Rente, Gott sei Dank. Ich glaube, das war der verrückteste Zug, den ich in meinem ganzen Leben gefahren bin. Und da hat es schon manches gegeben

(Mündlicher Bericht, Oktober 1989)

Dieser "Wahnsinnsstreich" hatte einen Grund, den Personen die Papiere im Zug abzunehmen.
Dazu wurden pro Zug, Trupps in Stärke von je 10 Angehörigen des MfS auf die Züge gesendet.
Bei der Ausreise am 30.09 - 01.10.1989 geschah dies während eines etwa 45minütigen Halt der Züge in Reichenbach /Vogtland. Insgesamt 6 Züge.
Dabei wurde auch die Lok jeweils ausgetauscht.

Bei der Ausreise am 04/05.10.1989 zog man die Personalausweise während der Fahrt zwischen Bad Schandau und Reichenbach/Vogtland ein. In Reichenbach wurde wiederum die Lok ausgetauscht. 8 Züge.
Die Angehörigen des MfS gab sich als Angehörige der Abteilung Innere Angelegenheiten des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt bzw. Dresden aus.
Einige wenige Personen verweigerten die Abgabe der Ausweispapiere, dies hatte jedoch keine weiteren Folgen.

Mitteilung von Oberst Schaufuß auf einer Dienstversammlung der BV Karl-Marx-Stadt am 05.Oktober 1989 (44, Blatt 011)

quelle: NVA Forum

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 10. April 2016, 11:04

Beethoven hat geschrieben:Scheiß Situation auch für die, die mit der Erhaltung der Ruhe und Ordnung beauftragt waren. Auf solche Handlungen waren gerade die Kräfte der NVA nicht vorbereitet. Und wie wir erlesen können, standen diese Truppen zwar bereit jedoch kam es nicht zu deren Einsatz, was ich sehr begrüße.



Einfach dem Link folgen und einmal lesen:

https://books.google.de/books?id=zpp74F ... va&f=false

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon HPA » 10. April 2016, 11:16

Tja, gibt halt Leute, welche es bs heute nicht wahr haben wollen, dass die NVA sehr wohl gegen das Volk der DDR zum Einsatz gebracht wurde.
Da werden selbst Zeitzeugen und deren Berichte verleugnet.

[flash]
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 10. April 2016, 11:16

karnak hat geschrieben:Und was ist jetzt nochmal mit den Bildern von Krankenhausreif geprügelten Personen einschließlich alter Frauen? Kleine Kinder,schwangere Frauen und Behinderte hast Du übrigens noch vergessen.



Was soll damit sein?
Ich habe berichtet, was zu sehen war!
Weder schrieb ich von kleinen Kindern, schwangeren Frauen, noch alter Frauen.
Ich schrieb von einer älteren Frau, deren Interview ich selbst gesehen habe. Und den zusammengeknüppelten junge Mann, dem das Blut in breitem Strom übers Gesicht lief, gab es auch nicht?
Die Berichte über die Aufnahme von zusammengeschlagenen Demonstranten in Krankenhäusern ist sicher auch frei erfunden. [sick]

Gruß Volker
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 10. April 2016, 11:28

Per Gesetz ist es verboten den Holocaust zu leugnen.
Dass aber in Dresden am Bahnhof ein von der SED angezettelter Bürgerkrieg war, wird bestritten. Nichts anderes war es.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 11:58

Volker Zottmann hat geschrieben: Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.


[grin] Nun hast Du aber das geschrieben.Und aus dem Bild von dem jungen Mann mit der blutenden Nase,dass ich kenne,schließt Du also das Demonstranten und Passanten WILLKÜRLICH und REIHENWEISE krankenhausreif geprügelt wurden und das alles hast Du auf der"Mattscheibe" gesehen,die Sachbeschädigungen auf dem Bahnhof auch? Und etwas abseits vom Thema,die ALTE FRAU die mit dem Wasserwerfer bei Stuttgart 21 von der Parkbank gespritzt wurde und der ALTE MANN mit den dicken Augen auch?
Das mit den Schwangeren,Kindern und Behindern war Zynismus,dazu neige ich wenn es all zu dicke kommt.Irgendwie muss man sich ja wehren. [grin]
Und um noch mal auf Dresden zurück zu kommen,was hätte der Modrow also tun sollen?
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 10. April 2016, 13:38

karnak hat geschrieben:
Volker Zottmann hat geschrieben: Selbst vor alten Frauen wurde nicht halt gemacht.


[grin] Nun hast Du aber das geschrieben.Und aus dem Bild von dem jungen Mann mit der blutenden Nase,dass ich kenne,schließt Du also das Demonstranten und Passanten WILLKÜRLICH und REIHENWEISE krankenhausreif geprügelt wurden und das alles hast Du auf der"Mattscheibe" gesehen,die Sachbeschädigungen auf dem Bahnhof auch? Und etwas abseits vom Thema,die ALTE FRAU die mit dem Wasserwerfer bei Stuttgart 21 von der Parkbank gespritzt wurde und der ALTE MANN mit den dicken Augen auch?
Das mit den Schwangeren,Kindern und Behindern war Zynismus,dazu neige ich wenn es all zu dicke kommt.Irgendwie muss man sich ja wehren. [grin]
Und um noch mal auf Dresden zurück zu kommen,was hätte der Modrow also tun sollen?



Was soll ich da noch sagen? Gestern 23:10 habe ich das mit der Frau bereits präzisiert. Und dass die Menschen reihenweise verprügelt wurde, ist doch mit authentischen Fernsehreportagen belegt.
Warum aber quakst Du nun wegen Stuttgart rum? Dass der Mann heute fast blind ist, ist ebenso unbestritten. Auch überzogenes Handeln war die Ursache! Doch heißt dieser Thread nun Dresden und nicht Stuttgart.
Wir schreiben letztlich nur unsere Gedanken, geben unserer Abscheu Ausdruck. Wie blöd und gewaltbereit die gesamte Menschheit ist, zeigt sich an allen Krisenherden dieser Welt. Da nimmt sich der ost- und der westdeutsche Beamte nicht aus.

Gruß Volker
Zuletzt geändert von Volker Zottmann am 10. April 2016, 14:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon karnak » 10. April 2016, 13:52

Volker Zottmann hat geschrieben:

Was soll ichd noch sagen? Gestern 23:10 habe ich das mit der Frau bereits präzisiert. Und dass die Menschen reihenweise verprügelt wurde, ist doch mit authentischen Fernsehreportagen belegt.

[grin] Wenn das so ist lassen wir es dabei,gesehen hätte ich die trotzdem gerne und gewusst was der Modrow nun hätte anders machen sollen.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 10. April 2016, 15:43

karnak hat geschrieben: [grin] Wenn das so ist lassen wir es dabei,gesehen hätte ich die trotzdem gerne und gewusst was der Modrow nun hätte anders machen sollen.


Aus einem Interview mit Hans Modrow:

Was sagen Sie zu der Theorie oder zu den Vorwürfen, dass Honecker die Züge durch Dresden hat fahren lassen, um Ihnen auch vielleicht als Hoffnungsträger des Westens eins auszuwischen?



Das halte ich für eine Legende. Einfach deshalb, weil im Kalkül von Erich Honecker in dieser Situation eigentlich seine Grundhaltung bestand darin, dass die DDR ein souveräner Staat sei, ihre eigene Staatsangehörigkeit hat und wenn wir Leute, ohne dass sie die DDR noch mal betreten, aus einem dritten Land in die BRD gehen lassen, dann muss dieser Staatsakt vollzogen sein. Da spielt Modrow eine untergeordnete Rolle, der Staatsakt war entscheidend. Auf diesen Staatsakt hat sich die BRD eingelassen. Da ist eigentlich das Feld der Probleme und auch meiner Vorwürfe, dass ich nämlich dann in eine solche Zwangssituation gekommen bin, das ist eben nicht alleine nur der Entscheidung von Honecker zu verdanken, sondern auch der Toleranz, welche die Bundesregierung mindestens zu dieser Entscheidung gezeigt hat. Sie hat sie Sanktioniert.

War Ihnen zu dem damaligen Zeitpunkt klar, dass das zu größeren Auseinandersetzungen, möglicherweise zum Ende der DDR führt?


Das würde ich damit nicht verbinden. Es ist zunächst einfach so, dass ich gegen 10 Uhr, so ist die Uhrzeit in meinen Erinnerungen, ein chiffriertes Fernschreiben bekam. Das Fernschreiben erreicht mich aber nicht sofort und ich sitze auch nicht in meinem Büro - wir haben den 40. Jahrestag und alle sind wir unterwegs, ein Objekt nach dem anderen wird übergeben. Wir sind ja alle noch sozusagen in diesem Auftrieb, jetzt geschieht noch was. Ich bekomme erst am frühen Nachmittag überhaupt eine Kenntnis und nehme das auch nicht so wahr. Das muss ich heute kritisch zu mir selber sagen. Erst in dem Moment, wo ab 17 Uhr die Meldungen über den Bundesdeutschen Rundfunk kommt, dass die Grenzen geschlossen ist, was uns so nicht präzise mitgeteilt war.

Mir war in diesem chiffrierten Fernschreiben nur mitgeteilt, dass Züge durch Dresden fahren und dass die Voraussetzungen zu schaffen sind, dass die Züge durchfahren können. Das war alles. Mit dem Durchfahren der Züge hatte ich nichts zu tun, also war für mich erst mal kein Handlungsbedarf. Mein Handlungsbedarf setzt in dem Moment ein, wo der Minister für Verkehrswesen, Otto Arndt, sich meldete und sagte: „Hans, wir sind in Schwierigkeiten. Aus Prag sind die Züge abgefahren, die über Dresden müssen.“ Ich sagte: „Otto, bist du verrückt, lass die doch über Chlep fahren, da kommen die gleich nach Bayern. Warum müssen die über die DDR fahren?“ - „ Du kannst machen was du willst, die letzte Instanz hat entschieden.“ Das war im Sprachgebrauch unter uns in der DDR klar, wer die letzte Instanz ist. „Ich habe mehr als einmal nachgefragt, du erreichst auch nichts. Lass uns jetzt beide überlegen, was wir tun müssen.“

Das war dann die Situation in der ich stand und dann zeigte sich, sowohl von der Innenstelle des MfS, wie auch in der Volkspolizei, dass beide der Meinung waren, dass sich diese wachsende Eskalation in einer Weise ausbaut und entwickelt, dass sie die Polizeikräfte des Bezirkes und der Stadt Dresden nicht halten können. Dann wurde eine Bereitschaft aus Halle zugeführt, die mit eingesetzt wurde. Auch da reichte es nicht. Dann hatte ich ein Telefonat mit Heinz Keßler. Das ist ja wie eine Ironie eigentlich, wenn man das aus heutiger Sicht nimmt: Ich erreiche den Minister für Nationale Verteidigung am 4. Oktober auf dem Flughafen in Schönefeld, sie sind dabei und probieren die Parade. Wir sitzen in den größten Schwierigkeiten, die man in Berlin auslöst und die wundern sich, dass angefragt wird, welche Unterstützung gegeben werden kann, um Katastrophen zu verhindern. Ich erreiche Keßler, der bittet zunächst um Zeit. Mit wem er sich selber konsultiert hat, kann ich nicht sagen, das kann ich nur vermuten.

Er gibt mir dann Bescheid, dass er Weisung gegeben hat, dass der Chef der Militärakademie, Generalleutnant Gehmert[8], mit einem Hubschrauber sofort aus Berlin nach Dresden kommt. Der würde Kontakt mit mir aufnehmen. Da kommt die große Streitfrage, die mich ja bis ins Gericht gebracht hat, gab es eine Einsatzleitung oder gab es keine? In meinem Verständnis bis heute, auch wenn mir das Bundesdeutsche Gericht vorschreibt, ich hätte sie gemacht, habe ich sie nicht gemacht, sondern es war eine Beratung all derer, die beteiligt waren. Die fand in meinem Arbeitszimmer statt. Eine Sitzung der Einsatzleitung hätte im Militärbezirk stattfinden müssen. Das wäre mein Sitz als Leiter der Einsatzleitung, weil ich damit alle Entfaltungen im Militärischen Bereich zur Verfügung hätte, die mit meinem Arbeitszimmer nichts zu tun hatten. Das wollte ich nicht entfalten, weil die Lage das auch nicht erforderte. Mit Gehmert bin ich mir einig geworden, wie man weiter verfährt. Aber er kam bereits zu einem Zeitpunkt, wo die Züge durchgefahren sind, so dass wir die Situation am Ende mit ziemlichen Zerstörungen, aber nicht mit menschlichen Verlusten oder großen Verletzungen von Menschen haben beherrschen können.

Sie sprachen gerade von dieser Bezirkseinsatzleitung. Der Generaloberst Nyffenegger gab zu Protokoll und erzählte uns auch in einem Interview, dass ja die ganze Zeit ein kleiner oder großer Konflikt, je nachdem, darin bestand, dass Sie als Leiter der Einsatzleitung auf der einen Seite Strukturen verwalteten und die einzelnen Streitkräfte ja aber noch mal Ihren Ministerien unterstanden. Können Sie sich entsinnen, wie dieser Konflikt ausgehalten und ausgetragen wurde?


Zunächst hat Nyffenegger absolut Recht, dass es für die Friedenszeit für die Einsatzleitung immer eine doppelte Unterstellung gab. Die entscheidende Befehlsgewalt lag in Friedenszeiten nicht im Bezirk, die lag immer auf der Ebene zwischen den Ministerien und ihren bezirklichen Behörden. Die Konflikte, mit denen wir es zu dem Zeitpunkt zu tun hatten, waren einfach die, dass wir mit bestimmtem Vorgehen die Befehlsstruktur nicht absolut einhielten. Das konnte ich aber nicht mit einer Bezirkseinsatzleitung betreiben, denn die Bezirkseinsatzleitung war ein Militärisches Organ. Denen unterlag ich in Befehl und Weisung. In Beratungen, die ein erster Bezirkssekretär der SED-Bezirksleitung durchführt, ist einfach ein Spielraum gegeben, in dem man sich politisch verhält. Zur Bezirkseinsatzleitung gehörte nie der Chefredakteur der Zeitung, aber ich brauchte ja die Sächsische Zeitung, damit wir auch eine Abgestimmtheit mit der Öffentlichkeit bekommen. So hat der Chefredakteur der Zeitung, Johannes Schulz, auch an solchen Beratungen teilgenommen. In dieser Art haben wir eigentlich die Strukturen nicht eingehalten und damit Spielräume geschaffen, die bestimmte Befehlssituationen unterliefen. Das war eigentlich der Widerspruch, in dem wir uns bewegten.

Hätten Sie anders entschieden, wenn Sie alleinige Befehlsgewalt in der Bezirkseinsatzleitung gehabt hätten?


Ich hätte immer nur so entschieden, wie wir es getan haben, nämlich den Weg der Gewaltlosigkeit zu suchen.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie diese Einsatzleitung in dem Sinne nicht voll zur Wirkung gebracht haben oder ist tatsächlich immernoch die Kommunikation mit den Ministerien da?
Das ergab sich zwangsläufig auch durch die Tatsache, dass in der Phase ja weder das ZK der SED mit uns kommunizierte, mit Ausnahme dieser Mitteilung von Erich Honecker, noch der nationale Verteidigungsrat, der ja uns gewissermaßen den Einsatzleitungen vorstand. Der agierte auch nicht. Damit war auch von der Zentrale dieses Weisungsfeld in einem Vakuum. Das war dann die eigene Verantwortung es auszufüllen, so weit es um Entscheidungen ging und es die Gewalt zu verhindern hilft.

Das heißt, es war vorgesehen, dass die Bezirkseinsatzleitung nur dann zum Einsatz kommt, wenn auch der nationale Verteidigungsrat tagt?


Ja, wir unterlagen seinen Weisungen.

Können Sie kurz sagen, wer zur letzten Instanz alles dazu gehörte? Sie sagten vorhin, „das war uns im DDR-Sprachgebrauch klar“.

Die letzte Instanz war in dem Fall Honecker.

Hat er das allein entschieden?

Der hat das entschieden.

Und da half auch kein...?

Und da half auch nichts.

http://www.aufbruch89-dresden.de/interv ... l=&start=2

Was der Modrow nun hätte anders machen sollen? Er hatte ja nicht alleine das "Sagen" bei jenen Ereignissen...

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 10. April 2016, 17:30

Ein kleiner Zwischenruf!

Bericht MfS: "Die La-Stellen/Brücken Hetzdorfer Viadukt, Gleisdreieck Werdau, Göltzschtalbrücke und Ruppertsgrün waren von aufgeputschten Menschen in einer Größenordnung besetzt, die für uns fast unvorstellbar war, jeweils immer 150 Menschen.(..) Auf dem Hbf in K-M-Stadt hatten sich 1000 Personen eingefunden. Dort sind auch die normalen Reisenden, statt sich schützend auf die Seite der Volkspolizei zu schlagen, mit Beschimpfungen, Steinewerfen und Flaschenwerfen gegen die VP vorgegangen."

Auch in Plauen ob.Bf. (500 Pers.), Reichenbach (500), Freiberg (150), Werdau (150), Glauchau (100) kam es zu Versammlungen. Am Dresdner Hbf. waren es 5000 Personen.

Quelle: Kuhlmann "Züge durch Mauer und Stacheldraht"
und Drehscheibe-Online Foren

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon augenzeuge » 10. April 2016, 18:40

pentium hat geschrieben:Auf diesen Staatsakt hat sich die BRD eingelassen. Da ist eigentlich das Feld der Probleme und auch meiner Vorwürfe, dass ich nämlich dann in eine solche Zwangssituation gekommen bin, das ist eben nicht alleine nur der Entscheidung von Honecker zu verdanken, sondern auch der Toleranz, welche die Bundesregierung mindestens zu dieser Entscheidung gezeigt hat. Sie hat sie Sanktioniert.
petium


Modrow hat, wie man an mehreren Stellen lesen kann, die Situation überhaupt nicht, bzw. sehr spät erst erfasst. Hätte er dies, wie beabsichtigt, 6 h früher richtig erfahren, so hätte man vielleicht etwas ändern können. Wie daneben er liegt, erkennt man, dass er der Bundesregierung Vorwürfe macht. Er hat nicht begriffen, dass Genscher nur die Karten aufgenommen hat, welche ihm Fischer gegeben hatte. Für Genscher gab es kein Problem, er wollte die Leute rausholen, egal wie. Diesen Punkt hat Modrow immer noch nicht verstanden.
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon pentium » 10. April 2016, 18:55

augenzeuge hat geschrieben:
pentium hat geschrieben:Auf diesen Staatsakt hat sich die BRD eingelassen. Da ist eigentlich das Feld der Probleme und auch meiner Vorwürfe, dass ich nämlich dann in eine solche Zwangssituation gekommen bin, das ist eben nicht alleine nur der Entscheidung von Honecker zu verdanken, sondern auch der Toleranz, welche die Bundesregierung mindestens zu dieser Entscheidung gezeigt hat. Sie hat sie Sanktioniert.
petium


Modrow hat, wie man an mehreren Stellen lesen kann, die Situation überhaupt nicht, bzw. sehr spät erst erfasst. Hätte er dies, wie beabsichtigt, 6 h früher richtig erfahren, so hätte man vielleicht etwas ändern können. Wie daneben er liegt, erkennt man, dass er der Bundesregierung Vorwürfe macht. Er hat nicht begriffen, dass Genscher nur die Karten aufgenommen hat, welche ihm Fischer gegeben hatte. Für Genscher gab es kein Problem, er wollte die Leute rausholen, egal wie. Diesen Punkt hat Modrow immer noch nicht verstanden.
AZ


Modrow, Modrow. Mit ging oder geht darum die damalige Befehlskette aufzuzeigen AZ! Und da war Modrow eben als SED-Bezirkschef etwas hinten angestellt, was die Ereignisse in jener Nacht betrifft! Man hat einfach Ursache und Wirkung völlig unterschätzt und zwar nicht nur in Dresden, Karl-Marx-Stadt, sondern am meisten in Berlin...

pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon augenzeuge » 10. April 2016, 21:05

Mag ja sein. Und ich beleuchte eben die Befehlskette von hinten. [grin] Immerhin sind wir noch im Thema. [hallo]

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Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Interessierter » 12. Juli 2017, 10:03

Schläge mit Knüppel. Schuhe aus, Hosen auf.

Gedächtnisprotokoll eines vom 6. – 9. Oktober* 1989 vom Dresdener Hauptbahnhof aus Zugeführten.

Als bekannt wurde, daß die Züge mit den Prager Botschaftsflüchtlingen in Richtung Hof durch Dresden fahren würden, versammelten sich am 4. und 5. Oktober 1989 einige tausend Menschen vor dem Dresdener Hauptbahnhof. Viele kamen in der Hoffnung, die Züge besteigen zu können, andere, um zu demonstrieren und manche einfach nur aus Neugier. Daß die Stadt auch in den Folgetagen nicht zu Ruhe kam, wird in den Chroniken nur am Rande erwähnt. Ab dem 6. Oktober beherrschten der 40. Jahrestag der DDR, der Gorbatschow-Besuch, die Demonstrationen und die letzten Jubelfeiern der Staatsführung in Berlin die Nachrichten. Doch auch in Dresden hatten sich am 6. Oktober über 5.000 Demonstranten an verschiedenen Orten versammelt. Es gab an diesem Tag über 350 Verhaftungen. Das Gedächtnisprotokoll einer dieser »Zuführungen« dokumentieren wir auf den folgenden Seiten – es wurde redaktionell leicht überarbeitet.

Sein Gedächtnisprotokoll kommentiert der Autor wie folgt:
Am 6. Oktober 1989 fand im Speiseraum unseres Baubetriebes das alljährliche »Schlachtfest« statt. Nachdem einige Interessierte in der Garage »Westradio« gehört hatten und wir wußten, was in Dresden passiert, verabschiedete ich mich und fuhr in die Stadt, ohne einen richtigen Plan zu haben. Nach Feiern war mir nicht mehr zu mute. Ich nahm den Beutel mit den mir zum Geschenk gemachten Flaschen und Wurstwaren mit und besuchte eine Freundin, die ein Säugling hatte. Ihr Mann war, nachdem er seine Einberufung erhalten hatte über Ungarn abgehauen. Über Umwege gelangte ich zum Bahnhof, ging durch drei Polizeisperren und das war´s dann.
Weder meine Frau, die zwei kleinen Kinder noch sonst wer wußte, wo ich vom 6. bis 9. Oktober 1989 war. Nach stundenlanger Suche in Behörden, Polizeiwachen etc. wurde ihr gesagt, ich hätte Republikflucht begangen.
Bei meinem Arztbesuch am 9. Oktober wurde mir lediglich eine Erkältung bescheinigt. Nachdem ich mich in der Uni-Klinik vorgestellt hatte, erhielt ich für ca. ein Vierteljahr eine Krankschreibung. In dieser Zeit bin ich niemals allein auf die Straße oder in die Stadt gegangen. Hörte ich Polizei- oder Krankenwagensirenen, warf ich mich aus Angst sofort auf den Boden und verschränkte die Arme im Nacken. Nach einer Klage und langer Zeit erhielt ich eine offizielle Entschuldigung und 1098, 68 Mark Entschädigung.
Langebrück, 15. November 2001.


Freitag, den 06.10.1989
Gegen 20,00 Uhr Ankunft Hbhf, Kontrolle durch Trapo. Frage von mir, warum ich kontrolliert werde. Schläge, Verhaftung im Polizeigriff und wieder Schläge. Kellerflur Hbhf., ca. 2 h abwechselndes Stehen mit bis zur Schmerzgrenze gespreizten Beinen in Schräglage, Stirn an die kalte Fliesenwand, Hände auf dem Rücken oder Schräglage mit Hände an die Wand. Ich sehe Armee, Kampfgruppe, Zivil-Bepo [Bereitschaftspolizei], Trapo [Transportpolizei], grüne [Schutzpolizei]. Vorher schmerzhafte Leibesvisitation und Erniedrigungen, Beschimpfungen, laufend Schläge mit Knüppel. Schuhe aus, Hose auf.
Bei Versuch eines eventuell klärenden Gesprächs, Ablehnung – »Schnauze!«.


Äußerst brutale Abführung mit heruntergelassenen Hosen zum Ello [Polizei-LKW]. Hinauf geprügelt, Schläge mit Gummiknüppel auf Kopf und Rücken, Beschimpfungen. Bewegungs- sowie Redeverbot, Kopf nach unten, bei Flucht Androhung der Schußwaffe.
Fahrt durch Dresden, ich höre Einsatz einer Hundestaffel, schreiende Menschen, Kopf runter!!


Ankunft bei der Bereitschaftspolizei, vom LKW herunter geprügelt. Arme verdreht, Schläge überallhin, Beschimpfung, Schreie. Mein Beutel wird mir abgenommen. Wir werden in eine Garage geprügelt, Stirn an die Wand, Beine gespreizt. Man bekommt laufend die Füße auseinander und weiter von der Wand weg gedroschen. Schreie, Schreie, Schreie. Leibesvisitation sehr brutal. Ich bekomme meinen Beutel zwischen die Beine geworfen, Schnaps und Bier sind weg, Stiefel treten absichtlich die Würste breit, Beschimpfungen, Uhren und Brillen werden absichtlich zertreten.

Ich bekomme meinen Postabholerausweis, Scheck und 50,- M hingeworfen, der Dreck hätte im PA [Personalausweis] nichts zu suchen. Versuche unter Drangsalierung alles in den Beutel zu bekommen, ich sehe an Wänden und Boden Blut.
Namensaufrufe, Hände in den Nacken, Schläge.

»Raus!« – Wir rennen zu anderen Garagentoren aus Blech, Stirn ans Tor, Füße und Beine wie vorher stellen, Terror.
Hände in den Nacken. Rennen unter Schlägen ins Gebäude durch Gänge in einen Raum zu anderen Verhafteten. Viele Verletzte, Kopfverbände, Wunden, Schwellungen an Händen und Armen, warten. Wer einnickt oder aufzuckt, raus an die Wand (Stirn). Warten.
Namensaufrufe, raus durch die Gänge in ein Zimmer, Hände im Nacken: »Zack, Zack!«


Protokoll mit einem Zivilen mit Schußwaffe am Gürtel. Frage ob ich was zu trinken bekommen kann. Es ist nichts da. Ich darf rauchen. Vernehmung im normalen Ton. Ich erzähle alles was ich erlebt habe, was mir fehlt und beschwere mich über die Festnahme und die Behandlung. Mir wird zugehört. Es wird erklärt, daß ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird wegen Paragraph 219 Zusammenrottung. Werde belehrt, daß ich mich beim Bezirksstaatsanwalt beschweren kann. Mir wird versprochen, meine Angelegenheit noch in dieser Nacht zu klären. Ich habe den Glauben, daß ich jetzt gehen darf. Unterschrift unter das Protokoll
Gespräch beendet. Aus dem Zimmer raus, Hände in den Nacken, rennen durch Gänge, raus auf einen LKW. LKW ist mit Scheinwerfer dauernd ausgeleuchtet, grelles Licht, Bewachung. Wir dürfen »normal« sitzen, Kälte, laufend Namensaufrufe. Die Nacht vergeht. Wir hören immer neue LKW ankommen. Schreie der Bepo sowie Verhafteter, Schläge, Hundegebell.

Dieser erschreckende Bericht eines Augenzeugen geht hier weiter:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 12-ciecor/
Interessierter
 

Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon Volker Zottmann » 12. Juli 2017, 10:57

Wie hieß nochmal der SED-Chef in Dresden???

Modrow hat das mit zu verantworten, inwieweit er selbst federführend war, keine Ahnung.
Gerade in Dresden hätten aber öffentliche Prozesse gegen die Durchführenden dieser brutalen gelenkten Übergriffe erfolgen müssen.
Frage an Euch Sachsen: Wurde irgendein Verantwortlicher je dafür eingesperrt?

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Dresden Hauptbahnhof Oktober 1989

Beitragvon SkinnyTrucky » 12. Juli 2017, 13:28

Krasser Bericht....man erwischt sich bei dem Gedanken, dat war ja wie bei den Nazis.... [shocked]


groetjes

Mara
Wenn es heute noch Menschen gibt, die die DDR verklären wollen, kann das nur damit zusammenhängen, dass träumen schöner ist als denken.... (Burkhart Veigel) Bild
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