Der Sputnik und die Perestroika

Kommunalwahlfälschungen, Ausreisebewegung und eine sich neu formierende Opposition

Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Edelknabe » 7. September 2011, 18:58

Hallo zusammen und mal hin zu dieser damaligen sowjetischen Zeitschrift. Jahre vor 1989, vor dieser Wende war ich immer hinterher hinter dem kleinen Heft, hatte auch gute Beziehungen zur Zeitungstante am Kiosk und verschlang dessen Lesestoff.
Diese Offenheit in der Argumentation um Änderungen in der Gesellschaft, im Sozialismus, diese zum Teil schonungslosen Kritiken in den Beiträgen ließ mich irgendwie nicht los und ich dachte, warum bei denen, warum nicht bei uns?
Der dumme Zufall will es, Jahre nach der Jahrtausendwende kam ich in den Besitz fast derselben Hefte, die ich vor 89 gelesen habe und dachte...was für ein Glück.

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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon ex-maja64 » 7. September 2011, 19:33

Ja diese sowjet. Zeitschriften, ehrlich gesagt, begegnet sind sie mir damals eigentlich nur so auf den Tischen bei Arzt, Zahnarzt oder Friseur. Für mich eigentlich von wenig Interesse.
Der "Sputnik" wurde ja erst richtig interessant in der DDR nach seinem Verbot, war glaube ich 1988.
Kann mich da auch noch an eine Urlaubsreise auf die Krim im Dezember 1988 nach Jalta erinnern.
Im dortigen "Hotel Jalta" gab es einen Zeitungsstand, unablässig wurde die Frau in dessen Mitte von Touristen aus der DDR nach dem Sputnik befragt, leider war ihre Antwort immer "Njet". [frown]

In diesem Hotel hielt damals eine Dozentin der Uni Charkow einen Vortrag über Glasnost und Perestroika, ausnahmslos vor DDR-Bürgern. War eine hochinteressante Sache. [wink]



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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon augenzeuge » 7. September 2011, 20:09

ex-maja64 hat geschrieben:Kann mich da auch noch an eine Urlaubsreise auf die Krim im Dezember 1988 nach Jalta erinnern.
Im dortigen "Hotel Jalta" gab es einen Zeitungsstand, unablässig wurde die Frau in dessen Mitte von Touristen aus der DDR nach dem Sputnik befragt, leider war ihre Antwort immer "Njet". [frown]
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Die Zeitung dort war doch aber auf russisch, oder? Ihr konntet die doch gar nicht lesen, oder warst du so gut? [flash]

Ich bin 1983 in Suchumi gewesen, da war das alles noch kein Thema.
AZ
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon ex-maja64 » 7. September 2011, 20:20

Also erstmal AZ ich hatte als Abschlusszensur ne 2 in Russisch. [zunge]

Aber dieses Hotel war so etwas wie ein Interhotel in der DDR, im Sommer waren dort nur devisenträchtige Hotelgäste und im Dezember hatte man dort dann auch Platz für DDR Bürger oder Polen.
Dort gab es natürlich auch internationale Presse, sprich Sputnik in deutscher Sprache, wenn sie ihn denn gehabt hätten. [wink]


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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon vs1400 » 7. September 2011, 22:26

soweit mir bekannt, gab es ne extraausgabe in deutsch und diese war auch nur dort erhältlich. [wink]
konnte daher auch schnell unterbunden werden.

anfang 89zig war der sputnik, in der kompanie, ein stellenweise begehrtes heftchen.
die meisten blätter waren groß und nicht in farbe, hatten auch nur eine richtung.

der sputnik war aber 1zu1 übersetzt und verlegt worden, bis dato ... so gab es damals die gerüchte.(?)

in der kompanie gab es ne art stillen schrei einiger und sie versuchten es über den damaligen polit zu lösen.
auch der konnte keine ausgabe hergeben, obwohl er sie hatte.

gruß vs
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon ex-maja64 » 7. September 2011, 22:36

Was gabs denn zu deiner Zeit alles auf der Kompanie... aber nun gut habe ja gelernt, auch durch diverse Foren, das es zu allen Zeiten unterschiedlich war.
Also zu meiner Zeit, gab es auf der Kompanie, täglich "Neues Deutschland" und "Junge Welt" und nach jeweiligen Erscheinen "Volksarmee" und "Armeerundschau".
Vielleicht konnte man soetwas wie den "Sputnik" im Clubraum lesen, aber der war dann bestimmt nicht mehr auf dem neusten Stand.


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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon vs1400 » 7. September 2011, 22:58

ex-maja64 hat geschrieben:Was gabs denn zu deiner Zeit alles auf der Kompanie... aber nun gut habe ja gelernt, auch durch diverse Foren, das es zu allen Zeiten unterschiedlich war.
Also zu meiner Zeit, gab es auf der Kompanie, täglich "Neues Deutschland" und "Junge Welt" und nach jeweiligen Erscheinen "Volksarmee" und "Armeerundschau".
Vielleicht konnte man soetwas wie den "Sputnik" im Clubraum lesen, aber der war dann bestimmt nicht mehr auf dem neusten Stand.


Mario


der aktuelle stand war anfangs egal, doch mit der zeit änderte sich das und man erwartete die neue ausgabe ... die es dann eben nicht mehr gab. [mad]
die volksarmee und die ar überflog ich nur ... in der ar gab es aber nette bilder fürn spind etc.pp. . ... oder?

gruß vs
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Edelknabe » 8. September 2011, 07:04

Der Sputnik wurde soweit es auf dem Heft steht in 19 Länder (BRD ...DM 3.80, DDR...war wohl das 20zigste Land und der Preis...?)vertrieben.Zu meiner Armeezeit Ende der 70er war auch nur das ND und Junge Welt im Fernsehraum oder auf der Stube ausgelegt.
Mir fehlt heute früh etwas die Zeit denn es ist Opaenkelinnentag aber ich werde für heute Abend einmal schauen, welches die letzte Ausgabe ist, die ich damals erworben habe?

Rainer-Maria und allen einen guten Tag ins Forum.
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Rainman2 » 8. September 2011, 12:58

Der Sputnik wurde vor der Zeit von Glanost und Perestroika vor allem von Leuten gelesen, die kulturell oder gesellschaftlich mit der Sowjetunion zu tun hatten. Meine Mutter war Ende der 60-er zu einem Studium in Leningrad gewesen und hatte danach an ihrer Schule viel mit sowjetischen Ballettspezialisten zu tun. Sie hatte den Sputnik, soweit ich mich erinnere, bereits spätestens seit Anfang der 80-er Jahre abonniert. Ich habe die bunte Reihe dieser Heftchen in ihrem Bücherregal immer noch vor Augen. Selten, aber hin und wieder blätterte ich mal in diesen Heftchen. Man fand darin sehr sachliche Artikel, frei von dem üblichen sozialistischen Pathos.

Der Hype um die Heftchen ab Gorbatschow nahm mich damals weniger gefangen. Es war interessant, aber ich war damals mehr beschäftigt, die Linie der SED noch zu erkennen und einzuhalten. Das konnte schonmal mächtig schlingern, wenn vom großen Bruder nonkonformistische Brocken geflogen kamen. Kurz bevor ich zum Studium nach Berlin ging (1988), fragte ich unseren Offizier für Agit/Prop in der Politabteilung, wie er die Widersprüche zwischen der KPdSU und der SED denn einschätze. Seine Antwort: "Ach die Freunde immer mit ihrem Zeug!" Sprach's, zuckte die Schultern und das war die ganze Antwort. Ich war also nicht ganz alleine mit meiner Ratlosigkeit.

Beim Verbot des Sputnik (November 1988) war ich bereits im Studium in Berlin. Unter den studierenden Offizieren wurde die Sache sehr kontrovers diskutiert. Offiziell galt die große Linie, dass der Sputnik kein offizielles Presseorgan der sowjetischen Regierung oder der KPdSU ist und sein Verbot auch selbst unter dem Blickwinkel der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft möglich wäre. Nach interner Information eines Mitarbeiters aus dem Kulturministerium war die Auslieferung zunächst auf Veranlassung des Kulturministeriums gestoppt worden. Es herrschte Unsicherheit, ob einige Passagen noch Gnade vor der Parteiführung fanden. Allein mit der Verzögerung der Auslieferung war aber schon ein Politikum geschaffen worden. Ob man nun zurückruderte und den Eindruck gemacht hätte, ein Druck auf die DDR-Führung "von Außen" wäre die Ursache dieses Zurückruderns gewesen, oder ob man das jetzt durchzog, schien egal. Die Regierung bestätigte die Entscheidung und gab eine offizielle Erklärung dazu ab. Ich kann mich für die Geschichte nicht verbürgen, aber sie klingt plausibel. Dass dieser Schritt in der Bevölkerung als Signal verstanden wurde, dass sich in der DDR nichts, aber auch garnichts ändern soll, war augenscheinlich nicht im Kalkül.

ciao Rainman2
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon manudave » 8. September 2011, 19:41

Was heißt schriftlich, ABV? So, dass Ihr es damit öffentlich erklärt oder kam da nur ein Schriftstück in irgendeine Akte?
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon augenzeuge » 8. September 2011, 21:08



Guter Link. Man muss die Seiten mal lesen.....Unglaublich wie man die Genossen zurechtgestutzt hat, um sie wieder auf Parteilinie zu bringen. Wenn man sieht, was das Nichterscheinen einer sowj. Zeitschrift schon für Potential hatte, dann konnte doch keiner daran glauben, dass sich etwas ändern kann. Was hier für Zeit mit Diskussionen und folgenden Dokumentationen zur Rechtfertigung der Parteimeinung vergeudet wurde....und das MfS mittendrin wußte nicht, wie man reagieren sollte. Nur zum Kopfschütteln.
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Edelknabe » 9. September 2011, 05:34

Deswegen ging sie ja den Bach herunter Jörg, diese DDR. Weil einfach der Klartext, der stellenweise geredet wurde siehe MfS und in anderen Institutionen die auch nicht gerade ganz unten angebunden waren irgendwie madig gemacht wurde und somit verpuffte.
Könnte man wunderbar auf heute übertragen mit der Übervölkerung siehe Sarrazin. Dieses dringende Problem wird genauso madig gemacht, es wird einfach ignoriert und irgenwann Jörg da gehen wir Beide in die Moschee, fallen auf die Knie und beten gen Osten, gen Mekka.
Denn Kirchen Jörg, die gibts dann nicht mehr, die wurden im Jahre 2045 geschliffen,denn da kapitulierte Deutschland zum zweiten Mal vor der gesunden Geburtenrate des Siegers.

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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Nostalgiker » 9. September 2011, 12:45

Den Sputnik habe ich nicht regelmäßig gelesen, ab Mitte der 80er Jahre schon.
Je interessanter die Artikel in dem Heft wurden um so mehr verwandelte sich das Heft vom Blei im Regal zur begehrten Bückware.
Ein inniges Verhältnis mit der Zeitungsverkäuferin im Zeitungskiosk bescherte mir begehrte Presseprodukte eingewickelt in der aktuellen Tageszeitung. Ich wußte also nie genau was da so eingewickelt war, sie nannte mir den Preis, ich zahlte und auf dem Weg zur Arbeit schaute ich da wieder bekommen habe ohne danach zu fragen.
Ich muß aber dazu sagen das dieser Prozess lange dauerte bis ich vom einfachen Tageszeitungskunden zum bevorzugtem Stammkunden aufgestiegen bin. Ich konnte bei ihr noch nicht mal mit begehrten Produkten punkten und eine Lenkeinrichtung für Raketen brauchte sie nicht wirklich.
Hervorzuheben ist das sie mich nie zwang das ND zu kaufen.
Sie war eine Urberlinerin und ich sächselte nie im Leben, wenn dem so gewesen wäre hätte ich vielleicht noch nicht mal das ND bei ihr bekommen.

Das Verbot oder wie es offiziell hieß das "die Zeitschrift „Sputnik“ von der Postzeitungsliste gestrichen worden" ist schlug heftige Wellen. Schnell sickerte der Stein des Ansoßes durch und in Berlin(West) gab es dieses Heft auch zu kaufen. Also wurde der Sputnik von Westberlinern in die DDR geschmuggelt damit wir den beanstandeten Artikel über den Hitler-Stalin Pakt selber lesen konnten.
Dieses Thema war in der DDR tatsächlich ein Tabu und so genau kann ich mich nicht mehr erinnern welche Verrenkungen in der Argumentation vollzogen wurden um das Vorrücken der Roten Armee um gut 200 km nach Westen in Herbst 1939 zu begründen. Es kamen bis 1941 noch einige "Gebietskorrekturen" und damit territoriale Erweiterungen in Bassarabien, Ost-Galizien, Bukowina und die Baltischen Staaten.
All die Hintergründe fielen einfach unter den Tisch.

Gruß
Nostalgiker
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Interessierter » 16. November 2013, 08:08

Vor 25 Jahren wurde die Zeitschrift Sputnik in der DDR verboten. Den Kontext von Perestroika und Glasnost sowie zahlreiche Dokumente zu Protesten und Reaktionen, vor allem auch unter regimetreuen Bürgern und sogar Mitarbeitern des MfS, stellt der Artikel zum Sputnik-Verbot detailreich dar.

Das Sputnik-Verbot vom 18. November 1988 und die Reaktionen von SED und MfS

Das Sputnik-Verbot löste einen Konflikt aus, dessen Bedeutung vorwiegend darin lag, dass die Parteiführung nun selbst die Geduld ihrer treuen Anhänger überstrapazierte.

Es war nicht die erste Maßnahme dieser Art: Bereits zu Beginn des Jahres 1988 waren aufgrund ideologischer Bedenken drei Ausgaben der deutschspachigen, sowjetischen Zeitschrift "Neue Zeit" nicht ausgeliefert worden. Zeitgenössische Literatur aus dem Bruderland wurde kaum noch veröffentlicht, Filme kamen nicht in den Verleih. Nicht anders erging es den Zeitungen "Budapester Rundschau" und "Prager Volkszeitung". Zu einem Proteststurm kam es jedoch erst mit dem Auslieferungsstopp des "Sputnik". Bereits die Nichtauslieferung der Oktoberausgabe zog eine Flut von Eingaben an das offiziell zuständige Postministerium nach sich.

Den sehr interessanten Beitrag mit vielen Dokumenten untermauert findet man hier:
http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/DDRGe ... _node.html

Wie man dem Beitrag entnehmen kann, versuchte man auch damals zu verhindern, daß die DDR Bürger Kenntnis erhielten von dem Zusammenwirken von Stalin und Hitler. Im Sputnik wurde ganz einfach die Frage gestellt ob es ohne Stalin überhaupt einen Hitler gegeben hätte.
Genau wie das verbliebene Häufchen " Ewig Gestriger " im Thread " Die Sowjet Story " vergeblich versucht, diese Verbrechen zu bestreiten.

" Der Interessierte " [hallo]
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon augenzeuge » 16. November 2013, 09:21

Interessierter hat geschrieben: Im Sputnik wurde ganz einfach die Frage gestellt ob es ohne Stalin überhaupt einen Hitler gegeben hätte.


So eine Frage kann man ja auch nicht zulassen. Ich persönlich halte sie auch für Unsinn. [flash]

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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Edelknabe » 16. November 2013, 09:35

Siehe uns Interessierter mit:

"Genau wie das verbliebene Häufchen " Ewig Gestriger " im Thread " Die Sowjet Story " vergeblich versucht, diese Verbrechen zu bestreiten."

Hallo hallo Interessierter,bitte bei der Aufzählung auch das verbliebene Häufchen Antikommunisten im Fred "Die Sowjet Story" hinzufügen, dann passt es besser.

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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Interessierter » 16. November 2013, 09:46

Moin Moin, Muldentaler Edelknabe.

Wie will jemand, der nicht einmal begreift wie man in einem Forum richtig zitiert, verstehen was Zeitzeugen und Historiker in einem Dokumentarfilm mit Tatsachen präsentieren ? [flash]

Übrigens, wenn heute die Regierungspartei so handeln würde und ihr nicht genehme Zeitungen verbieten würde wie damals die SED, dann hättest Du kaum noch Zeitungen zum Austragen. [laugh]

Schönes Wochenende

" Der Interessierte "
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Edelknabe » 16. November 2013, 10:12

Es ist eine Liebe unter den Menschen Interessierter, du wärmst des Rainers Herz. Auch dir ein schönes Wochenende..."mit grimmigem Sachsenblick". Ich war doch schon damals der erste am Zeitungskiosk wenn es um Neuausgaben ging und der war immer so voll in der DDR das man regelrecht suchen musste, wo verdammt nochmal die Zeitungstante die Neuausgabe reingesteckt ....ne besser versteckt hatte...

Ja du hast natürlich Recht, der Rainer war leider nicht der Fleißigste in der Schule. Dafür wusste er aber immer, wo der Fleißigste seine Hausaufgaben versteckt hatte.

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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Nostalgiker » 16. November 2013, 10:22

Es ist noch zu früh für Chips und Bier ...... [shocked]

Könnt Ihr bitte Euren Austausch von Nettigkeiten in die Abendstunden verlegen?

Das mitlesen ist dann ein so schönes alternierendes Kontrastprogramm zum TV [crazy]

Thoth
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon pentium » 19. November 2013, 18:25

Als Ergänzung!

Zitat:

Verbot der Zeitschrift "Sputnik"

Eine neue Qualität erreichte diese Distanz durch das Verbot der populären sowjetischen deutschsprachigen Monatszeitschrift Sputnik am 19. November 1988.

In der SED-Zeitung Neues Deutschland hieß es lapidar:" Wie die Pressestelle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen mitteilt, ist die Zeitschrift Sputnik von der Postzeitungsliste gestrichen worden. Sie bringt keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjeti­schen Freundschaft dient, stattdessen verzerrende Beiträge zur Geschichte."

Im Sputnik wurden Beiträge aus Zeitungen der UdSSR nachgedruckt, u. a. auch Berichte über die Reformen. Ein Artikel, der sich kritisch mit Stalins Fehlern und Verbrechen im Vorfeld des 2. Weltkrieg auseinanderge­setzt hatte, war der Anlass für das Verbot gewesen.

Die im Sputnik abgedruckten Texte der geheimen Zu­satzabkommen des Hitler-Stalin-Paktes von 23. August 1939 widerlegten das Geschichtsbild der SED, wo­nach die Sowjetunion mit dem "Dritten Reich" niemals gemeinsame Sache gemacht hätte.

Zugleich wurden auch fünf sowjetische Filme in der DDR von den Spielplänen gestrichen. In Großbetrieben wie Zeiss wurden die entsprechenden Zeitschriftenseiten von aus der Sowjetunion mitge­brachten Exemplaren hektographiert oder abgeschrieben.

quelle:
http://www.jena.de/de/235608

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Hausfreund » 19. November 2013, 21:57

Ich hatte in diesen Jahren ein Abonnement des Sputniks, die Hefte gingen von Hand zu Hand und an das abrupte Ende, Eingabe an der PZV, Abwiegelung erinnere ich mich noch schwach. Trotzdem möchte ich wetten, daß dahinter kein großer strategischer Plan steckte, sondern eher eine hektische Reaktion, vielleicht schon erste Vorgeplänkel im Offizierscasino?

Das Zentralorgan seligen Angedenkens veröffentlichte seit 1986 (87?) regelmäßig komplette Reden u.ä. von Gorbatschow und ich vermute, daß es interne Richtungs - Auseinandersetzungen gab, nicht nur darüber. Januar 1989 beipielsweise erblickte ein Freidenkerbund das Licht der Welt ... Strohhalme.
[hallo]
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon augenzeuge » 12. Dezember 2013, 11:02

Quelle: BStU, MfS, ZAIG 4244, Bl. 1–7

Das MfS zu Reaktionen des Sputnik-Verbots

Vorliegenden umfangreichen Hinweisen aus allen Bezirken und der Hauptstadt der DDR, Berlin, zufolge löste die Mitteilung des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen über die Streichung der Zeitschrift »Sputnik« von der Postzeitungsvertriebsliste der DDR1 bereits unmittelbar nach Veröffentlichung in breiten, weit über den Abonnenten- bzw. Leserkreis der Zeitschrift hinausgehenden Schichten der Bevölkerung massive, sehr kritisch gehaltene Meinungsäußerungen aus, die trotz der zwischenzeitlich erfolgten Veröffentlichung des Kommentars »Gegen die Entstellung der historischen Wahrheit« in den Medien der DDR weiter anhalten.

Beachtenswert dabei ist, dass es kaum Meinungs- bzw. Argumentationsunterschiede bei den sich äußernden Personen zwischen Mitgliedern der SED und Parteilosen gibt.

In der Mehrzahl der Meinungsäußerungen widerspiegelt sich nach wie vor Unverständnis bis hin zu prinzipieller Ablehnung mit dem Grundtenor, dass diese Entscheidung politisch falsch sei.

In diesem Sinne äußern sich besonders heftig, teilweise außerordentlich aggressiv, Angehörige der wissenschaftlich-technischen, medizinischen, künstlerischen und pädagogischen Intelligenz sowie Studenten an allen Universitäten und Hochschulen der DDR. Von einer Vielzahl z. T. langjähriger Mitglieder und Funktionäre der SED sowie befreundeter Parteien u. a. progressiv und gesellschaftlich engagierter Bürger, wird diese Entscheidung zum Anlass genommen, sich erneut kritisch zur Informationspolitik insgesamt zu äußern.

Personen, die die Entscheidung bezüglich des »Sputnik« als eine »längst fällige Maßnahme« bezeichnen, sind in der Minderheit, wobei aber auch sie heftig kritisieren, dass dieser Schritt ohne die erforderliche politisch-ideologische Vorbereitung der Bevölkerung getan wurde. Die Mitteilung darüber allein wäre keine Grundlage für die offensive Argumentation in den Gesprächen mit den Werktätigen gewesen. Der in den Massenmedien der DDR veröffentlichte Kommentar »Gegen die Entstellung der historischen Wahrheit« und die darin vorgenommene Auseinandersetzung mit der verzerrenden Darstellung der Geschichte der KPdSU und der KPD in der Zeitschrift »Sputnik« werden zwar als hilfreich angesehen für die politisch-ideologische Arbeit, jedoch hätte dieser Kommentar vor oder zeitgleich mit der Mitteilung des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen veröffentlicht werden müssen. Die Partei habe sich damit erneut in die Defensive begeben. Aus diesem Grunde hätten Darstellungen und Kommentare aus Sendebeiträgen westlicher Medien spürbaren Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung. Es sei unverständlich, warum dem Gegner erneut das Feld für seine ideologischen Angriffe überlassen worden sei.

Nach vorliegenden Hinweisen dominiert in Meinungsäußerungen auch nach Veröffentlichung des Kommentars die ablehnende Haltung zu dieser Entscheidung.
Hauptargument der sich mit Unverständnis und Ablehnung äußernden Personen ist, damit werde die Bevölkerung der DDR politisch entmündigt. Eine solche Maßnahme sei Ausdruck mangelnden Vertrauens der Partei- und Staatsführung in die politische Reife und das Staatsbewusstsein der Bürger der DDR. Progressive Kräfte, besonders in wissenschaftlichen Bereichen tätige, vertreten die Auffassung, dass damit der denkbar ungeeignetste Weg der Auseinandersetzung mit falschen Geschichtsauffassungen gewählt worden sei. Eine solche Entscheidung sei nicht mehr zeitgemäß. Es gäbe in der DDR eine Vielzahl befähigter Historiker, die eine überzeugende Auseinandersetzung mit falschen Auffassungen hätte führen können.

Auch aus der Sicht der immer komplizierter werdenden Bedingungen für die weitere Gestaltung der internationalistischen Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten wird die Entscheidung als politisch unklug bewertet. Wiederholt wird in diesem Zusammenhang geäußert, dass die Partei- und Staatsführung der DDR damit erstmals eine Entscheidung getroffen habe, die in offener Konfrontation zur Politik der UdSSR stehe.
Das diene nicht der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft und den brüderlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten.
Diese Entscheidung habe nach Meinung der sich in diesem Sinne äußernden Personen auch weitergehende negative Auswirkungen auf die Wirksamkeit der gesamten politisch-ideologischen Arbeit bis hin zur Hemmung von Initiative und Schöpferkraft in der täglichen fachlichen Arbeit. Mehrfach sehen die sich äußernden Personen auch einen Widerspruch zwischen dieser »Politik der Verbote« und der Forderung im Statut der SED nach offensiver ideologischer Auseinandersetzung.

Ältere Mitglieder der Partei verweisen auf eigene Lebenserfahrungen der ersten Nachkriegsjahrzehnte, in denen man sich angesichts der offenen Grenzen und vieler ungelöster gesellschaftlicher Probleme in weitaus stärkerem Maße als heute mit feindlichen oder falschen Positionen auseinandersetzen musste und stellen in diesem Zusammenhang die Frage, ob unsere Position so schwach sei, dass wir eine öffentliche Polemik über diese Probleme nicht führen können? In Sendebeiträgen westlicher Medien würden täglich Informationen verbreitet, die sich gegen die Entwicklung in der DDR richten, sodass man einzelne Artikel im »Sputnik« verkraften könne. Derartige Entscheidungen würde, ihren eigenen Lebenserfahrungen zufolge, der Gegner immer zum Anlass für verstärkte Hetze gegen uns nehmen.
»Erreicht« worden sei mit dieser Maßnahme eine enorm gestiegene Popularität sowjetischer Presse- und Filmerzeugnisse überhaupt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass DDR-Bürger ihre Kontakte in das NSW ausnutzen werden, um in den Besitz dieser Zeitschrift zu kommen. (Vorliegenden internen Hinweisen zufolge entwickeln DDR-Bürger bereits erste diesbezügliche Aktivitäten.)
Eine häufig wiederkehrende Auffassung ist, dass die DDR kein Recht habe, die Prozesse der Umgestaltung in der Sowjetunion zu bewerten. Die Darstellung und Beurteilung der sowjetischen Geschichte sei ausschließlich eine innere Angelegenheit der Sowjetunion. Die Maßnahme der DDR sei vielmehr Ausdruck der grundsätzlich zwiespältigen bzw. ablehnenden Haltung der Partei- und Staatsführung der DDR zur Politik der Umgestaltung in der UdSSR überhaupt. Offenbar würden ideologische Wirkungen auf die DDR-Bevölkerung befürchtet. Die zeitgleiche Überreichung der höchsten Auszeichnung der DDR, des Karl-Marx-Orden, an den als »Reformgegner« bekannten N. Ceausescu bekräftige diese Einschätzung.

Dazu wird von dem genannten Personenkreis argumentiert, auch heute noch habe die Thälmannsche Lehre von der Haltung zur Sowjetunion als Prüfstein eines jeden Kommunisten Gültigkeit. Die in der DDR propagierte deutsch-sowjetische Freundschaft beziehe sich aber offenbar auf ein selbst entworfenes und veraltetes Bild von der Sowjetunion.

Funktionäre und engagierte Mitglieder der DSF beklagen in diesem Zusammenhang, es werde immer komplizierter, den Beschluss des 13. Kongresses der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft3 nach der anschaulichen Vermittlung eines lebendigen Bildes des Lebens in der Sowjetunion umzusetzen. Es fehle an propagandistischem Zeitungs- und Filmmaterial.
Vorliegenden Hinweisen zufolge münden die ablehnenden Haltungen und damit verbundene Erwartungen hinsichtlich einer Korrektur dieser Entscheidung in erheblichem Umfang in folgende beachtenswerte Verhaltensweisen und Aktivitäten:

Anbringen ablehnender Stellungnahmen an Wandzeitungen bzw. Aushängen selbstgefertigter Plakate und Handzettel an öffentlichkeitswirksamen Stellen (nach vorliegenden Hinweisen schwerpunktmäßig in Einrichtungen von Universitäten und Hochschulen, besonders in Studentenwohnheimen, aber auch in wissenschaftlichen Einrichtungen und Betrieben – durch den Minister für Hoch- und Fachschulwesen wurde der Vorsitzende des Ministerrates der DDR über Erscheinungen in diesen Bildungseinrichtungen informiert),

Einzel- und Kollektiveingaben an zentrale Partei- und Staatsorgane sowie an den Zentralvorstand der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Briefe an Redaktionen,

Sammlung von Unterschriften unter Protestschreiben bzw. ablehnende Stellungnahmen,

zahlreiche angekündigte, z. T. bereits vollzogene Austritte aus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (in Einzelfällen Brigaden in Betrieben),

Einzelbeispiele von Austritten aus der SED unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung.
Hervorzuheben sind auch die wiederholten Bestrebungen einzelner Delegierter des X. Kongresses des Verbandes Bildender Künstler der DDR,4 die Verabschiedung einer Resolution durch den Kongress zu initiieren, in der gegen diese Entscheidung protestiert und ihre Rücknahme gefordert wird.
Während einer Aufführung der Oper »Der Barbier von Sevilla« an der Semperoper Dresden am 26. November 1988 wurde von dem Darsteller des Figaro (Jürgen Hartfiel – Schwiegersohn von Prof. Theo Adam) in einer Spielszene in Abweichung vom Operntext geäußert, den Grafen Almavia rasieren zu wollen. Dieser habe jetzt Zeit, da »er immer den Sputnik gelesen« habe.
Offensichtlich beeinflusst durch die seitens westlicher Massenmedien inszenierte Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die DDR kam es darüber hinaus in der Hauptstadt der DDR, Berlin, sowie in Nordhausen/Erfurt zu

einer provokatorisch-demonstrativen Handlung eines kirchlichen Mitarbeiters, der am 22. November 1988 am Fußgängertunnel Berlin-Alexanderplatz kurzfristig ein Plakat mit gegen diese Maßnahmen gerichtetem Inhalt entrollte,

drei Vorkommnissen des Anbringens von Losungen mit den Texten: »Sputnik Pressefreiheit jetzt« (26. November 1988, Berlin-Mitte), »Der Sputnik lebt« (29. November 1988, S-Bahnzug Strecke Berlin-Friedrichstraße – Strausberg) sowie »Honey rück den Sputnik raus« (21. November 1988, Nordhausen/Erfurt),

einem Vorkommnis des Verbreitens von Hetzblättern mit gegen diese Maßnahmen gerichteten Aussagen (insgesamt 39 Exemplare, aufgefunden am 21. November 1988 in Hausbriefkästen in Berlin-Marzahn bzw. in der Druckerei Neues Deutschland in Berlin-Friedrichshain).
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Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Interessierter » 19. Juli 2018, 11:46

"Perestroika und die DDR" - "Sozialismus in den Farben der DDR"

Die DDR benötige keinen "Tapetenwechsel", erklärte DDR-Chefideologe Kurt Hager am 9. April 1987. Er erteilte damit Michail Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika eine klare Absage.

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Zu kritisch: Die sowjetische Zeitschrift "Sputnik" wird im November 1988 in der DDR verboten. Bildrechte: IMAGO


Reproduktion des Titelblatts der verbotenen Ausgabe der sowjetischen Zeitschrift "Sputnik" im Grenzlandmuseum Eichsfeld.
Zu kritisch: Die sowjetische Zeitschrift "Sputnik" wird im November 1988 in der DDR verboten. Bildrechte: IMAGO

Der frische Wind der "Perestroika" – er weht im Kreml, seit Michail Gorbatschow im März 1985 das Amt des Generalsekretärs der KPdSU übernommen hat. Seine politischen Reformen untermauert er in seinem Buch "Perestroika", das am 1. November 1987 erscheint. "Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich mich direkt an die Bevölkerung in der UdSSR, in den USA und in anderen Ländern wenden möchte."
"Perestroika" und "Glasnost" werden zu Schlagworten einer neuen Politik

Umgestaltung – "Perestroika" – nennt der neue Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbatschow, seinen politischen Kurs. Hauptgrund für die Reformen Gorbatschows ist die desaströse wirtschaftliche Lage in der Sowjetunion. Auf dem XXVII. Parteitag der KPdSU im Jahr 1986 spricht Gorbatschow von einer "Vorkrise". Seine Ziele: Wirtschaft umstrukturieren, Produktion intensivieren, Wirtschaftswachstum "in einer neuen Qualität" steigern.

Für Gorbatschow steht fest: Um die Bevölkerung zu mehr Leistungsbereitschaft zu motivieren, muss ihr mehr Mitsprache und Freiheit gegeben werden: "Nur durch Demokratie und dank der Demokratie ist die Umgestaltung selbst möglich."

Die Gesellschaft ist reif für eine Veränderung. Sie hat sich lange danach gesehnt.
Michail Gorbatschow in seinem Buch "Perestroika"


Kein Tapetenwechsel in der DDR

Tiefgreifende Reformen in der Sowjetunion also. Sogar von "Revolution" ist die Rede. Die brennende Frage in der DDR lautet daher: Wie würde sich die Politik Gorbatschows hierzulande auswirken? Immerhin folgten die SED-Obrigen mehr als 30 Jahre dem "Großen Bruder" aus dem Osten. Es galt der Spruch: "Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen."

Bei "Perestroika" und "Glasnost" sieht man das allerdings anders. Was die SED-Spitze von der Politik Gorbatschows hält, macht Politbüromitglied Kurt Hager in einem am 9. April 1987 im "Stern" veröffentlichten Interview deutlich: "Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?" Das Interview erschien einen Tag später in voller Länge auch im SED-Zentralorgan "Neues Deutschland".

Mit dem Tapeten-Vergleich handelt sich Hager nicht nur den Spitznamen "Tapeten-Kurt" ein, sondern bekräftigt die Entscheidung der DDR-Regierung, erstmals eine andere politische Linie zu verfolgen.

Auch wenn die Stasi die Stimmung in der Bevölkerung kritisch beobachtet, sieht die SED-Führung keinen Anlass zur Selbstkritik. Im gleichen politischen Trott geht es auch in der Folgezeit weiter.

Wir gestalten die entwickelte sozialistische Gesellschaft in den Farben der DDR.
Staats- und Parteichef Erich Honecker am 29. Dezember 1988

https://www.mdr.de/zeitreise/perestroik ... r-100.html

Hier wird wieder einmal überdeutlich was für engstirnige und wenig intelligente Betonköpfe im ZK saßen. Sie wußten genau, dass bei der Gewährung von mehr Freiheiten ihre Stunden gezählt waren. Schlußendlich konnten sie und auch die Stasi nicht verhindern, dass sie einfach vom Volk davongejagt wurden.
Interessierter
 

Re: Der Sputnik und die Perestroika

Beitragvon Interessierter » 19. März 2020, 11:52

SED und Stasi zum Reformplenum der KPdSU im Januar 1987

Der Reformpolitik Gorbatschows trat das SED-Regime mit zunehmender Ablehnung entgegen. Der Parteitag der Sowjetkommunisten Anfang des Jahres 1986, auf dem Gorbatschow den neuen strategischen Kurs von "Glasnost" und "Perestroika" herausstellte, führte erstmals zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der SED-Führung und den sowjetischen Reformern. Während SED-Generalsekretär Honecker ein tiefes Misstrauen gegen den im Westen gefeierten "Erneuerer" des Sozialismus hegte, war Gorbatschow über die Zurückhaltung in Ost-Berlin und die Unfähigkeit, sich dem historischen Wandel zu stellen, verärgert.

Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (ZK der KPdSU) vom 27./28. Januar 1987 übte Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede "Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei" scharfe Kritik an seinen Vorgängern und der politischen und ökonomischen Stagnation der 70er und der beginnenden 80er Jahre. Die Reformen wurden auf das politische System ausgeweitet und die politische Entmündigung der Gesellschaft durch den Einparteienstaat damit in Frage gestellt (Gorbatschow: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen"). Das Parteiorgan "Neues Deutschland" (ND) druckte die Rede – wie viele kritische Aussagen Gorbatschows – nicht im vollen Wortlaut, sondern in einer verharmlosenden Zusammenfassung.

In Ost-Berlin sah man sich auf dem richtigen Weg und war der Meinung, dass die Sowjetunion mit ihrem Reformkurs lediglich das nachhole, was die DDR seit den 70er Jahren praktiziere. Auf klare Ablehnung stieß die umfassende Selbstkritik des sowjetischen Regimes und der KPdSU. Die SED-Führung sah keinen Anlass zur Selbstkritik.

Für den Partei- und Sicherheitsapparat wurde es nun immer wichtiger, die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. Er befürchtete eine Weiterverbreitung der Reformideen Gorbatschows.

SED-Generalsekretär Erich Honecker reagierte auf das Plenum, indem er in seiner Rede vor den Ersten SED-Kreissekretären am 6. Februar 1987 die Ausführungen Gorbatschows überhaupt nicht erwähnte. Stattdessen mahnte er: "Die Kommunisten sind verpflichtet, Angriffen auf die Politik der Partei, auf den sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern entschieden entgegenzutreten […]."

In ähnlicher Weise sprach sich Stasi-Chef Mielke für ein entschiedenes Vorgehen gegen den Klassenfeind und gegen oppositionelle Gruppen aus, um ein Übergreifen des "neuen Denkens" auf die DDR zu verhindern (BStU, MfS, BdL/Dok, Nr. 8339).

Dass solche Befürchtungen realistisch waren, davon zeugen die Stasi-Berichte über die Reaktionen der Bevölkerung.


Entsprechende Dokumente findet man im Link.

https://www.bstu.de/informationen-zur-s ... nuar-1987/
Interessierter
 


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