MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Kommunalwahlfälschungen, Ausreisebewegung und eine sich neu formierende Opposition

MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 2. Januar 2011, 19:27

Quelle: BStU, MfS, ZAIG 2477, Bl. 1–7, Information Nr. 77/76

In der letzten Zeit verstärken sich zunehmend Aktivitäten und Versuche gegnerischer Kräfte zur unmittelbaren Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR.
Durch offizielle Behörden, Einrichtungen und Institutionen der BRD, besonders durch die Massenmedien – z. B. durch den Mitbegründer und Sprecher des »Bundes Freies Deutschland«1 in Westberlin und »Einfluss-Agent« des BND im ZDF, Gerhard Löwenthal, im ZDF-Magazin am 21. Januar 1976 – erfolgt eine aktive und zielgerichtete sich ständig ausweitende Einwirkung auf das Bewusstsein von Teilen der Bevölkerung der DDR.

Konkrete Auswirkungen dieser massiven gegnerischen Einmischungsversuche zeigen sich darin, dass Bürger der DDR, die Anträge auf Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten und Westberlin und auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gestellt haben, zunehmend dahingehend in Erscheinung treten, dass sie, offensichtlich inspiriert durch gegnerische Argumentationen, in zum Teil provokatorischer Form eine »zügige« und »positive« Bearbeitung ihrer Anträge fordern und die Einschaltung von Massenmedien der BRD und Westberlins bzw. internationaler Organisationen in die Lösung ihrer Anliegen androhen. Gleichermaßen treten Massenmedien der BRD und Westberlins zunehmend als »Interessenvertreter« derartiger Antragsteller in Erscheinung, indem sie Einzelbeispiele von Personen, die eine Umsiedlung beantragt haben, und die sich aufgrund der ständigen massiven Propagierung direkt an Behörden, Einrichtungen, Institutionen und Massenmedien der BRD und Westberlins zur »Unterstützung« ihres Anliegens gewandt haben oder in der BRD und Westberlin lebende Verwandte und Bekannte damit beauftragten, mit Namen und Adresse popularisieren, um auch auf diese Art und Weise Druck auf die zuständigen staatlichen Organe der DDR auszuüben.

Durch das »Zweite Deutsche Fernsehen« ist geplant, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR durch Veröffentlichung weiterer Namen und Adressen von DDR-Bürgern, die sich zwecks »Unterstützung« ihrer Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin an das ZDF gewandt haben, fortzusetzen.
Die Überprüfungen des MfS zu den in der Sendung des »Zweiten Deutschen Fernsehens« am 21. Januar 1976 veröffentlichten Namen und Adressen von Bürgern der DDR hat ergeben:

Bei den während der Sendung des »ZDF-Magazins« am 21. Januar 1976 veröffentlichten 65 Personen und Adressen handelt es sich um 15 Familien und 14 Kinder sowie um 21 Einzelpersonen. Der jüngste in dieser Sendung des ZDF genannte Bürger der DDR, der sich zwecks »Unterstützung« seines Antrages auf Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten bzw. Westberlin an Massenmedien der BRD und Westberlins wandte, ist 18 Jahre und der älteste Bürger der DDR 63 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der genannten Personen beträgt 30 Jahre.

Aus den Veröffentlichungen der Namen und Adressen durch das ZDF wird ersichtlich, dass sich die unmittelbaren Einflüsse und Einwirkungen gegnerischer Kräfte auf das Erzwingen von Genehmigungen zur Übersiedlung von DDR-Bürgern nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin vorrangig – wie die Überprüfungen ergaben – auf hochqualifizierte Kräfte der DDR konzentrieren, wie zum Beispiel

Ärzte (3)

Zahnärzte (2)

Pharmazie-Ingenieur (1)

Elektronikingenieur (1) sowie

qualifizierte Facharbeiter (22).

Nach noch nicht vollständig vorliegenden Untersuchungsergebnissen befinden sich auch unter den als »Hausfrauen« genannten Antragstellern ebenfalls qualifizierte Fachkräfte.
Die Überprüfungen des MfS ergaben weiter, dass seitens der vom »ZDF-Magazin« veröffentlichten DDR-Bürger am häufigsten als Grund für die beantragte Übersiedlung die »Familienzusammenführung« mit in der BRD oder Westberlin lebenden Verwandten sowie die durch Kontakte und Begegnungen im Zusammenhang mit dem verstärkten Einreiseverkehr von Bürgern der BRD und ständigen Einwohnern von Westberlin entstandenen sogenannten Verlöbnissen mit DDR-Bürgern angegeben wurde. So sind u. a. folgende charakteristische Begründungen für eine Übersiedlung angegeben worden:

Aufgrund erfolgter Ehescheidungen seien keine Bindungen mehr an die DDR vorhanden, sodass nur eine Übersiedlung zu in der BRD wohnhaften Verwandten infrage käme.

Eine zu einem früheren Zeitpunkt aus der BRD in die DDR erfolgte Übersiedlung sei eine »Fehlentscheidung« gewesen, und deshalb wolle man wieder in die BRD zurück.

Unter Berufung auf die Möglichkeit der »Familienzusammenführung« wolle man zur Mutter, zum Bruder, Onkel oder anderen Verwandten in die BRD übersiedeln.

DDR-Bürgerinnen motivieren ihren Antrag zur Übersiedlung in die BRD bzw. in andere nichtsozialistische Staaten damit, dass sie mit ihren »Verlobten« zusammenleben wollen.

Unter Missbrauch von genehmigten Reisen in dringenden Familienangelegenheiten in die BRD nicht zurückgekehrte DDR-Bürger, fordern ihre in der DDR wohnhaften Ehepartner auf, alles zu unternehmen, um eine Genehmigung zur Übersiedlung im Rahmen der »Familienzusammenführung« zu erzwingen.
Darüber hinaus sind eine Anzahl von Anträgen auf Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten und Westberlin und die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR damit begründet worden, dass die Antragsteller angeblich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR nicht einverstanden seien. Darunter befinden sich DDR-Bürger, die über Jahre eine positive Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR hatten und zum Teil eine aktive gesellschaftliche Arbeit leisteten oder zumindest eine loyale Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR bezogen.
Bei der Antragstellung zur Übersiedlung traten sie zum Teil in provokatorischer Art und Weise auf und äußerten sich mündlich oder schriftlich negativ zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR. Diese Antragsteller motivierten ihre Haltung u. a. mit folgenden Argumenten:

Als Nichtmitglied der SED habe man in der DDR »keine Perspektive« und keine Möglichkeit der fachlichen Qualifikation.

Ihre Weltanschauung entspreche nicht der Politik von Partei- und Staatsführung.

In der DDR wären die demokratischen Rechte der Bürger, insbesondere die Meinungs- und persönliche Freiheit, eingeschränkt.

Christlich orientierte Bürger der DDR wären in ihrer Glaubensausübung und im gesellschaftlichen Leben benachteiligt.

In der DDR würde die Freizügigkeit des Reiseverkehrs nach anderen Staaten – im Widerspruch zu Verträgen und Vereinbarungen – eingeschränkt.

In einer Reihe von Fällen versuchen die Antragsteller, inspiriert durch sogenannte »Ratschläge«, wie sie das ZDF am 21. Januar 1976 erneut verbreitete, durch Androhung von Demonstrativhandlungen, Intervenierung bei internationalen Organisationen, der Einschaltung von Behörden, Einrichtungen und Institutionen sowie Massenmedien der BRD und Westberlins, »Druck« auf die staatlichen Organe auszuüben, um eine positive Entscheidung ihrer Anträge zu erzwingen.

Bei einem Teil der im ZDF genannten DDR-Bürger, deren Anträge auf Übersiedlung »aktiv unterstützt« werden sollen, handelt es sich um Personen (insgesamt 5), die wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts, staatsfeindlicher Hetze, Verfehlung zum Nachteil persönlichen und privaten Eigentums, Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten durch Gerichte der DDR in der Vergangenheit rechtskräftig verurteilt worden waren. [Nennung eines konkreten Beispiels]

Des Weiteren befinden sich unter den vom ZDF genannten Personen solche Antragsteller, die eine asoziale Lebensweise führen (2) und die ihre verfestigte negative und feindliche Einstellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR durch

die Verweigerung des Wehrdienstes (1),

die Weigerung der Beteiligung an Wahlen seit 13 Jahren (1),

demonstrativen Austritt aus der LDPD, da diese Partei ihre Weiterentwicklung hemme (2),
zum Ausdruck bringen.
Von den insgesamt 51 erwachsenen DDR-Bürgern, die in der ZDF-Sendung genannt wurden und einen Antrag auf Übersiedlung stellten, waren

drei Anträge durch die zuständigen Organe der DDR bereits genehmigt,

sechs Anträge befinden sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch in Bearbeitung.
In allen anderen Fällen erfolgte die Ablehnung der Gesuche entsprechend den geltenden Grundsätzen für die Bearbeitung von Anträgen auf Übersiedlung.
http://www.ddr-im-blick.de

AZ
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„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
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MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon karl143 » 2. Januar 2011, 19:45

Trotz des detaillierten Berichtes erscheint mir das MfS hier irgendwie hilflos. Eine klare Lösung wird nicht angeboten. Gerd Löwenthal war dem MfS natürlich ein Dorn im Auge. Der verstand sich ebenso wie v. Schnitzler zu politisieren. Ich war eigentlich früher nie ein Freund von Löwenthal, habe ihn auch selten gesehen. Im Nachhinein muß ich mir aber eingestehen, er hatte ne klare Linie und hat wohl auch was dafür getan, das der Staat DDR nicht mehr besteht. Für viele Menschen in der DDR muß es eine Art Hoffnung gewesen sein, was sie von ihm hören konnten.
karl143
 

Re: Eine MfS Doku über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 2. Januar 2011, 19:50

Löwenthal beim BND? Echt?

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Re: Eine MfS Doku über Ausreiseersuchende

Beitragvon ex-maja64 » 2. Januar 2011, 23:30

Sag mal Jörg, über dir ist wohl heute ein Rabe geflogen??? [grin]
Übrigends, wo ist den der andere DDR-im-Blick Beitrag über die gesammelten Valuta, selber gelöscht??? [ich auch]


Mario Bild
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Re: Eine MfS Doku über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 2. Januar 2011, 23:58

ex-maja64 hat geschrieben:Sag mal Jörg, über dir ist wohl heute ein Rabe geflogen??? [grin]
Übrigends, wo ist den der andere DDR-im-Blick Beitrag über die gesammelten Valuta, selber gelöscht??? [ich auch]


Mario Bild


Ja, Mario, so eine alte Krähe hat hier Kreise gedreht..... [grins] ...kann aber schon schlecht gucken....muss das Forum verwechselt haben.... [flash]

Der andere Beitrag wurde zusammengeführt: viewtopic.php?f=15&t=1487

Gruß, Jörg
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Re: Eine MfS Doku über Ausreiseersuchende

Beitragvon S51 » 3. Januar 2011, 05:05

karl143 hat geschrieben:Trotz des detaillierten Berichtes erscheint mir das MfS hier irgendwie hilflos. Eine klare Lösung wird nicht angeboten. Gerd Löwenthal war dem MfS natürlich ein Dorn im Auge. Der verstand sich ebenso wie v. Schnitzler zu politisieren. Ich war eigentlich früher nie ein Freund von Löwenthal, habe ihn auch selten gesehen. Im Nachhinein muß ich mir aber eingestehen, er hatte ne klare Linie und hat wohl auch was dafür getan, das der Staat DDR nicht mehr besteht. Für viele Menschen in der DDR muß es eine Art Hoffnung gewesen sein, was sie von ihm hören konnten.


Ah, Löwenqual ist schon ein Reizthema. Ich habe seine Sendungen ab und an gesehen, schon um ein schlechtes Gewissen in Sachen Ede zu vermeiden. Muss schon sagen/schreiben, dass ich seine Art sehr provokativ, unsachlich und unsympatisch fand. Wenn es ihn gab, war unser Ede schon nicht mehr gar so schlimm. Doch man muss ihn ja nicht mögen.
Welche Lösungsmöglichkeiten sollten denn MfS oder Polizei anbieten? Das war Sache der Politik, nicht der Exekutive. Auch wenn die DDR offiziell so eine Gewaltenteilung analog der Bundesrepublik nicht kannte, faktisch existierte sie schon.
Politische Lösungen konnten nur von der Politik, der SED oder/und der Volkskammer und der Regierung kommen. Die Polizei und auch das MfS konnten diese Lösungen nur umsetzen. Ich sehe solche Texte wie den hier schon als so eine Art "bewegt euch mal endlich - Text", wie es viele gab.
S51
 

MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon S51 » 3. Januar 2011, 05:11

augenzeuge hat geschrieben:Löwenthal beim BND? Echt?
AZ


Ist das ein Fakt oder nur eine Behauptung? Wenn man glaubt, dass der BND nur Zeitungen liest und auswertet, dann kann natürlich Herr Löwenthal ein Mitarbeiter dieses Dienstes gewesen sein. So etwas ähnliches hat er ja auch gemacht und kommentiert.
Dazu gehört jedoch schon eine gehörige Portion Glaube.
S51
 

Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon pentium » 10. Juli 2018, 16:27

Bericht K 3/90 vom 26.2.1988

Quelle: BStU, MfS, ZAIG 5599, Bl. 13.

Seit dem 1. Februar bis einschließlich 25. Februar 1988 wurden wegen öffentlichkeitswirksamen
provokatorischen Handlungen und dem Ziel der Erzwingung der Übersiedlung in die BRD
insgesamt 295 Personen zugeführt, bei denen im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen
gegen 194 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden.

Territoriale Schwerpunkte für die Einleitung von Ermittlungsverfahren bildeten die Hauptstadt der
DDR, Berlin, Dresden, Halle und Potsdam.Die Einleitung der Ermittlungsverfahren, überwiegend
gemäß § 214 StGB (Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit), erfolgte u. a.
wegenprovokatorisch-demonstrativem Auftreten anlässlich des 43. Gedenktages der Zerstörung
Dresdens (16),im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Hauptstadt der DDR, Berlin, Unter
den Linden, Palast der Republik (50),Aktivitäten für die sogenannte Arbeitsgruppe für
Staatsbürgerschaftsrecht, Schaffung und Formierung rechtswidriger, illegaler Strukturen in Berlin
und Potsdam (16).

Die Straftaten der insgesamt festgenommenen Personen waren gekennzeichnet durch :
provokatorisch-demonstrative Zusammenrottungen (65),
demonstrative Personenzusammenschlüsse (34),
Auftreten mit selbstgefertigten Plakaten, Transparenten oder Symbolen, auf denen Ausreise-
forderungen erhoben werden (60).

Die weiteren Täter traten mit mündlicher und schriftlicher Herabwürdigung, mit provokatorischen
Ausreiseforderungen bzw. mit Drohungen in Erscheinung.Die Mehrzahl der Festgenommenen ist
im Alter von 25 bis unter 40 Jahren und übt Facharbeiterberufe aus.Die Festgenommenen haben
eine überwiegend ablehnende Haltung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der
DDR. Sie haben in der Vergangenheit z. T. mehrfach in verschiedenen kirchlichen Einrichtungen
an sogenannten Bittgottesdiensten, Solidaritätsandachten, Friedensgebeten, Informationsrunden
u. ä. teilgenommen.Die rechtswidrigen Handlungen waren z. T. (Dresden, Berlin) mit
akkreditierten Vertretern von Westmedien zuvor abgestimmt worden.Über die Ereignisse wurde
in massiver verleumderischer Form berichtet.

[Die DDR im Blick der Stasi 1988. Hrsg. im Auftrag der BStU. © 2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen]

Man sollte das Thema fortführen....?
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 10. Juli 2018, 18:15

Generalmajor Fister zu Strafverfahren gegen Übersiedlungsersucherde

Fister war hauptverantwortlich für die schikanösen, demütigenden und folterähnlichen Vernehmungspraktiken des MfS.
Wegen Verhandlungsunfähigkeit musste er sich jedoch nicht für irgendwelche Vergehen verantworten.

13 Jahre nach diesem Schreiben unterzeichnete er zusammen mit 22 weiteren ehemaligen hochrangigen MfS-Offizieren einen offenen Brief in der jungen Welt, in dem sie eine „Hexenjagd“ auf ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit beklagten.


AZ
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Interessierter » 11. Juli 2018, 06:58

Wieder einer dieser ........., die sich wegen " Verhandlungsunfähigkeit" davonstehlen konnten und als Gipfel der Unverschämtheit sich dann noch wegen angeblicher Hexenjagd beschwert... [bloed]
Interessierter
 

Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon HPA » 11. Juli 2018, 09:19

Ja, das war schon ein toller "Rechtsstaat" ,diese DDR [flash] [flash]

Der Chef des Untersuchungsorgans legt schon mal den Strafrahmen fest .

Widerlich
HPA
 

Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Volker Zottmann » 11. Juli 2018, 11:23

Einem Bekannten von mir, heute Deutscher, damals noch Algerier, wurde sogar die pünktliche Ausreise zu einer Beerdigung in Algerien verwehrt. Erst als der Termin verstrichen war, tauchte im Betrieb eine Anforderung auf, wonach zu prüfen war, ob er Geheimnisträger war....
Die waren unmenschlich bis zum Gehtnichtmehr. Er war damals Gastarbeiter und als Dreher tätig. Was sollte der denn verraten? Etwa dass die Drehbank vorwärts und rückwärts laufen kann?

War sicher ein bedauerlicher Einzelfall! [bloed] [sick] [bloed]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Grenzwolf62 » 11. Juli 2018, 14:08

Mein Schwager kam 1978 aus Algerien zum Gastarbeiten, 1980 heiratete er meine Schwester und die hat er heute noch, der konnte eigentlich mit seinem Pass problemlos ohne groß zu fragen in seine Heimat reisen.
Sie allerdings nicht mit, nur er alleine.
Vielleicht war der Bekannte ja Horcher oder irgendwas anderes geheimnisvolles.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon pentium » 11. Juli 2018, 15:27

Volker Zottmann hat geschrieben:Einem Bekannten von mir, heute Deutscher, damals noch Algerier, wurde sogar die pünktliche Ausreise zu einer Beerdigung in Algerien verwehrt. Erst als der Termin verstrichen war, tauchte im Betrieb eine Anforderung auf, wonach zu prüfen war, ob er Geheimnisträger war....
Die waren unmenschlich bis zum Gehtnichtmehr. Er war damals Gastarbeiter und als Dreher tätig. Was sollte der denn verraten? Etwa dass die Drehbank vorwärts und rückwärts laufen kann?

War sicher ein bedauerlicher Einzelfall! [bloed] [sick] [bloed]

Gruß Volker


Verstehe ich nicht, was hinderte damals in der DDR einen algerischen Staatsbürger daran, einfach nach Algerien zu reisen? Mal davon abgesehen er sich beeilen musste, den im Islam wird gefordert, das eine Beisetzung innerhalb von 24 Stunden statt zu finden hat. Mit den Antragstellern auf Ausreise hat der Fall eher wenig zu tun.

...
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Volker Zottmann » 11. Juli 2018, 15:34

Grenzwolf62 hat geschrieben:Mein Schwager kam 1978 aus Algerien zum Gastarbeiten, 1980 heiratete er meine Schwester und die hat er heute noch, der konnte eigentlich mit seinem Pass problemlos ohne groß zu fragen in seine Heimat reisen.
Sie allerdings nicht mit, nur er alleine.
Vielleicht war der Bekannte ja Horcher oder irgendwas anderes geheimnisvolles.


Nein, er brauchte einen Stempel zum Ausreisen für die Beerdigung. Er konnte ja mit seinem Pass jederzeit raus. Nur war er verheiratet und man hätte ihn womöglich nie wieder einreisen lassen. Auf die Meldestelle wegen der Ausreise musste er dennoch. Letztendlich bekam er ja jeder Ausreise wie er wollte. Nur verzögerte man die dermaßen, dass er die Beerdigung verpasste. Es war sein Vater.... Das Geheimnisvolle an ihm war, dass er schlichter Dreher im Schichtbetrieb war.

@Pentium: Er bekam freitags die Nachricht. Sonnabends wollte er fliegen, es wurde sogar ein noch reguläres Flugticket reserviert, und sonntags war Beisetzung. Nur hatte er die Papiere nicht bekommen.
Ich weiß was Du meinst, denn all die medizinischen Fachstudenten die in QLB aus Afrika und Irak rumliefen, konnten auch jederzeit nach Westberlin, was sie an Wochenenden oft nutzten.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon pentium » 11. Juli 2018, 15:39

Bericht K 3/90 vom 26.2.1988

Quelle: BStU, MfS, ZAIG 5599, Bl. 13.

Seit dem 1. Februar bis einschließlich 25. Februar 1988 wurden wegen öffentlichkeitswirksamen
provokatorischen Handlungen und dem Ziel der Erzwingung der Übersiedlung in die BRD
insgesamt 295 Personen zugeführt, bei denen im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen
gegen 194 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden.

Territoriale Schwerpunkte für die Einleitung von Ermittlungsverfahren bildeten die Hauptstadt der
DDR, Berlin, Dresden, Halle und Potsdam.Die Einleitung der Ermittlungsverfahren, überwiegend
gemäß § 214 StGB (Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit), erfolgte u. a.
wegenprovokatorisch-demonstrativem Auftreten anlässlich des 43. Gedenktages der Zerstörung
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den Linden, Palast der Republik (50),Aktivitäten für die sogenannte Arbeitsgruppe für
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und Potsdam (16).

Die Straftaten der insgesamt festgenommenen Personen waren gekennzeichnet durch :
provokatorisch-demonstrative Zusammenrottungen (65),
demonstrative Personenzusammenschlüsse (34),
Auftreten mit selbstgefertigten Plakaten, Transparenten oder Symbolen, auf denen Ausreise-
forderungen erhoben werden (60).

Die weiteren Täter traten mit mündlicher und schriftlicher Herabwürdigung, mit provokatorischen
Ausreiseforderungen bzw. mit Drohungen in Erscheinung.Die Mehrzahl der Festgenommenen ist
im Alter von 25 bis unter 40 Jahren und übt Facharbeiterberufe aus.Die Festgenommenen haben
eine überwiegend ablehnende Haltung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der
DDR. Sie haben in der Vergangenheit z. T. mehrfach in verschiedenen kirchlichen Einrichtungen
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 11. Juli 2018, 15:50

Volker Zottmann hat geschrieben:Was sollte der denn verraten? Etwa dass die Drehbank vorwärts und rückwärts laufen kann?
Gruß Volker


Es durfte doch niemand wissen, dass die Drehbank von 1930 war. [grins]

Im Ernst: Ich war am Bau von Betankungsanlagen für den Irak damals eingesetzt.
Als ich den Willen der Übersiedlung umsetzte, durfte ich an der "militär." Anlage nicht mehr arbeiten, nur drumherum. [flash]

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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 11. Juli 2018, 15:52

pentium hat geschrieben:Seit dem 1. Februar bis einschließlich 25. Februar 1988 wurden wegen öffentlichkeitswirksamen
provokatorischen Handlungen und dem Ziel der Erzwingung der Übersiedlung in die BRD
insgesamt 295 Personen zugeführt, bei denen im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen
gegen 194 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden.

...


Nochmal? [denken]

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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon karnak » 11. Juli 2018, 15:53

Der Unterschied war, hat man sich entschlossen einen ständigen Wohnsitz in der DDR zu nehmen, auf Grund von Heirat oder ähnlichem bekam man noch einen roten Personalausweis, damit war man sowas wie ein halber DDR Bürger und brauchte in seinem Pass des Heimatlandes von der DDR ein Visum zur Aus und Wiedereinreise. Da man sich in der Rolle eines halben DDR Bürgers befand bekam man das, im Gegensatz zu einem ganzen DDR Bürger, so ziemlich problemlos , dass es beim Bekannten vom Volker wieder mal anders war kann ich mir eigentlich nicht erklären, war aber wohl bei den Bekannten irgendwie chronisch. [flash]
Anders verhielt es sich bei "Gastarbeitern", Studenten und anderweitig mit einem begrenzten Aufenthalt in der DDR, die bekamen für diesen Zeitraum eine Aufenthaltsberechtigung und konnten jederzeit die DDR verlassen.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon pentium » 11. Juli 2018, 15:57

Weil wir gerade beim Militär sind...Ausreiseantragsteller in der NVA

Mai-Einberufung 1988. Nachdem bisher nur punktuell Antrag-
steller auf ständige Ausreise einberufen wurden, sollten
jetzt, nicht zuletzt aus demographischen Gründen, Antrag-
steller in Größenordnungen einberufen werden.

Zur Einberufung waren vorgesehen:

~1.300 Antragsteller des Geburtsjahrganges 1962 (26-jährige),
hier bestand letztmalig die Chance zur Einberufung.

~200 Antragsteller der Geburtsjahrgänge 1963 - 1969
(19 - 25 jährige), hier sollten die "negativsten" einberufen
werden.

Darüber hinaus sollten ~ 65 Totalverweigerer eingezogen werden.
Hier rechnete man von vorneherein mit einer weiteren Verweigerungs-
haltung und daraus folgender Inhaftierung, was Ende April dann auch
so geschah.

Dazu der damalige Chef Verwaltung Auffüllung im MfNV, GM Patzer:

Die Einberufungsüberprüfung erfolgte im Rahmen der planmäßig in der ersten Märzhälfte durchzuführenden Maßnahmen. Vor allem aber wurde die Anzahl der „widerborstigen Bürger" immer mehr reduziert, bis zuletzt rund 360 Mann übrig blieben.

Von diesen 360 Mann hatten nur 50 jeglichen Wehrdienst - auch den Dienst als Bausoldat ohne Waffe - verweigert. Sie wurden entsprechend den gültigen Rechtsvorschriften der DDR am 29.4.1988 in Untersuchungshaft genommen.
Am 1. Mai 1988, 17.00 Uhr, erhielt ich aufgrund einer persönlichen Entscheidung des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker von meinem Vorgesetzten den Befehl, am 2. Mai, 7.00 Uhr, zu melden, daß alle 50 Inhaftierten wieder auf freiem Fuß sind und durch die Justizorgane keine weiteren Strafmaßnahmen erfolgen würden.

Welchen Trubel dieser Befehl am höchsten Feiertag der internationalen Arbeiterbewegung in der Nacht vom ersten zum zweiten Mai in den Wehrkommandos und den Justizorganen der DDR auslöste, läßt sich kaum beschreiben - die Inhaftierung war ja in den verschiedensten Kreisen und auch in den unterschiedlichsten Einrichtungen erfolgt!

Die 1.300 Antragsteller wurden in der NVA wie folgt verteilt:

20 zur Volksmarine in die zwei Baupioniereinheiten
30 zu LSK/LV in das PiB-24
300 in die Pioniertruppenteile der LaSK, das PiB der Division
hatte 30 zu verkraften, ca. 1/3 der einberufenen GWD
610 nahmen die zentral unterstellten Pi-Bau-Einheiten davon
jeweils 100 die EBR, SBR und SBBR auf.
Aber auch die "Linieneinheiten" blieben nicht verschont:
die MSR zwischen 5 und 10, die AR jeweils 10, PR, BCHA, BmS
jeweils 5 und PJA je 6. [gesamt 340]
Aufklärer, Nachrichten und Raketen jeder Art blieben verschont.

Quelle: aus einem Thema im NVA Forum
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon karnak » 11. Juli 2018, 16:02

Man hat natürlich immer versucht die halben DDR Bürger zu überreden Ganze zu werden, denn mit ihrer Zwitterrolle passten sie einfach nicht ins Konzept, waren schwer unter Kontrolle zu halten, nutzten natürlich ihre Möglichkeiten schamlos aus, konnten auf die Vorzüge des Ostens und des Westens zurückgreifen, dass konnte die Diktatur schon nerven. [flash]
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Beethoven » 11. Juli 2018, 16:06

So traurig und beschämend die ganze Geschichte mit der Handhabung von Ausreiseanträgen ist, kann ich das gerade bei hochqualifizierten Bürgern schon irgendwie verstehen.

In der DDR ein Studium gemacht ohne dafür zahlen zu müssen. Und nun das große Geld machen.
Da würde ich mich auch schwer tun. Was kostet so ein Studium zum Arzt?
Mein Neffe ist Facharzt f. Orthopädie. 6 Jahre Direktstudium und 4 - 6 Jahre Ausbildung zum Facharzt. Nebenbei auch noch promoviert. Da kommen sicher einige 100.000-e zusammen.
Wenn solche Leute das Geld auf den Tisch gelegt hätten, dann bitte, sollen sie ausreisen auch wenn sie dadurch eine Lücke in die Med-Versorgung der Bevölkerung reißen. Aber ihre Patienten scheinen ihnen ja egal zu sein.

Ansonsten habe ich das im Netz gefunden:

Eine Beisetzung nach dem Glauben des Islam läuft nach festgelegten Regeln ab. Häufig werden gläubige Muslime in ihrem oder dem Heimatland ihrer Eltern beigesetzt. Immer häufiger erfolgen islamische Beisetzungen aber auch in Deutschland. Dabei lassen die hier geltenden Regeln die vom Islam geforderte Beisetzung innerhalb von 24 Stunden nicht zu. Das Bestattungsgesetz erlaubt eine Bestattung frühestens 48 Stunden nach dem Todesfall. Ebenso sieht der Islam eine Beerdigung ohne Sarg vor. Einige Friedhöfe haben die Sargpflicht bereits dahingehend gelockert, dass gläubige Moslems auf einem gesonderten Grabfeld nur im Leinentuch und ohne Sarg beigesetzt werden.

So wäre der von Volker benannte Kollege sowieso nicht rechtzeitig vor Ort gewesen.


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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 11. Juli 2018, 16:06

pentium hat geschrieben:Weil wir gerade beim Militär sind...Ausreiseantragsteller in der NVA

Mai-Einberufung 1988. Nachdem bisher nur punktuell Antrag-
steller auf ständige Ausreise einberufen wurden, sollten
jetzt, nicht zuletzt aus demographischen Gründen, Antrag-
steller in Größenordnungen einberufen werden.


Wahnsinn, so einen kenne ich jedoch nicht.
Mich hatte man sofort zurückgestellt....als man das bei der vorausgehenden Musterung von mir direkt erfuhr.
Nach einem Jahr hatte man dort immer noch keine Kenntnis von mir, obwohl es eine OPK gab... [flash]

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„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon augenzeuge » 11. Juli 2018, 16:14

Beethoven hat geschrieben:In der DDR ein Studium gemacht ohne dafür zahlen zu müssen. Und nun das große Geld machen.
Da würde ich mich auch schwer tun. Was kostet so ein Studium zum Arzt?
Mein Neffe ist Facharzt f. Orthopädie. 6 Jahre Direktstudium und 4 - 6 Jahre Ausbildung zum Facharzt. Nebenbei auch noch promoviert. Da kommen sicher einige 100.000-e zusammen.
Wenn solche Leute das Geld auf den Tisch gelegt hätten, dann bitte, sollen sie ausreisen...
Freundlichst


Beethoven, das ist, sorry, immer noch irgendwie DDR Denke. Die DDR sprang mit den Menschen um, als ob sie ihr gehörten!
Auch heute kannst du überall studieren, es gibt keine Studiengebühren, die Ausbildung zum Doc kostet den Staat etwa 200.000 Euro, und wenn du danach nach Österreich gehst, dann ist das eben so.

Es ging auch nicht, der DDR das Geld zu bezahlen, um dann auszureisen.

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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Grenzwolf62 » 11. Juli 2018, 16:37

karnak hat geschrieben:Der Unterschied war, hat man sich entschlossen einen ständigen Wohnsitz in der DDR zu nehmen, auf Grund von Heirat oder ähnlichem bekam man noch einen roten Personalausweis, damit war man sowas wie ein halber DDR Bürger und brauchte in seinem Pass des Heimatlandes von der DDR ein Visum zur Aus und Wiedereinreise. Da man sich in der Rolle eines halben DDR Bürgers befand bekam man das, im Gegensatz zu einem ganzen DDR Bürger, so ziemlich problemlos , dass es beim Bekannten vom Volker wieder mal anders war kann ich mir eigentlich nicht erklären, war aber wohl bei den Bekannten irgendwie chronisch. [flash]
Anders verhielt es sich bei "Gastarbeitern", Studenten und anderweitig mit einem begrenzten Aufenthalt in der DDR, die bekamen für diesen Zeitraum eine Aufenthaltsberechtigung und konnten jederzeit die DDR verlassen.


Mein Schwager konnte auch nach dem Sieg der Revolution immer noch problemlos ohne Visum von Algerien nach Frankreich, da wurde wohl nicht gestempelt da Algerien immer noch eng mit dem alten Kolonialherren verbunden war.
Weiter herumzureisen in Europa war er vorsichtiger wegen halt dem Status halber DDR-Bürger.
Nicht das die Genossen sich das noch mal anders überlegten.
Trotzdem interessant was doch so ging, die hätten ja auch, die Genossen, verlangen können du nun richtiger DDR-Bürger mit üblichem Einschluss hinterm Zäunchen, als nun volkseigener Algerier.
Nach der Wende ist er dann freiwillig Volldeutscher geworden mit der Staatsbürgerschaft, hat sich halt so gefühlt, den Terz den die Türken veranstalten (dürfen), also ewig halbe halbe, wollte er nicht.
Ist ja sowieso Unsinn, zwiegespaltene Persönlichkeiten gibt es ja nun mal nicht, entweder ich kreuze auf dem Entscheidungszettel bezüglich Staatsbürgerschaft das eine oder halt das andere an, so wie ich halt fühle.
Zuletzt geändert von Grenzwolf62 am 11. Juli 2018, 16:55, insgesamt 1-mal geändert.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon HPA » 11. Juli 2018, 16:52

augenzeuge hat geschrieben:
Beethoven hat geschrieben:In der DDR ein Studium gemacht ohne dafür zahlen zu müssen. Und nun das große Geld machen.
Da würde ich mich auch schwer tun. Was kostet so ein Studium zum Arzt?
Mein Neffe ist Facharzt f. Orthopädie. 6 Jahre Direktstudium und 4 - 6 Jahre Ausbildung zum Facharzt. Nebenbei auch noch promoviert. Da kommen sicher einige 100.000-e zusammen.
Wenn solche Leute das Geld auf den Tisch gelegt hätten, dann bitte, sollen sie ausreisen...
Freundlichst


Beethoven, das ist, sorry, immer noch irgendwie DDR Denke. Die DDR sprang mit den Menschen um, als ob sie ihr gehörten!
Auch heute kannst du überall studieren, es gibt keine Studiengebühren, die Ausbildung zum Doc kostet den Staat etwa 200.000 Euro, und wenn du danach nach Österreich gehst, dann ist das eben so.

Es ging auch nicht, der DDR das Geld zu bezahlen, um dann auszureisen.

AZ


Korrekt. Im Gegenteil, als Doktorant bekommst Du an vielen Unis sogar noch Geld für Deine Arbeit. Quelle: direkt neben mir , kopfschüttelnd als sie gerade die Pinselei von @ betthoven liest. Sie hat derzeit exakt 8 eigene Doktoranten am Hals.

Mit solchen dämlichen Sprüchen wurde schon im Stabü Unterricht umher geworfen als es um die nicht vorhandene Reisefreiheit ging. Als dann die Tochter einer antragstellenden Familie die Frage nach der KSZE Schlussakte und der darin garantierten Freizügigkeit für alle thematisierte, welche einst Honni himself unterpinselte , war es vorbei mit der Contenance dieser Stabütante.

An das Mobbing durch manche Lehrer ihr gegenüber kann ich mich ebenfalls noch sehr gut erinnern! Aus heutiger Sicht eine riesengroße Sauerei!


Kleine Korrektur: naja im Frühjahr mussten die Studies wohl irgendwas um die 100 Euro pro Nase für Nitinoldraht hinlegen, war ein Technikkurs . [flash]
Zuletzt geändert von HPA am 11. Juli 2018, 17:06, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Grenzwolf62 » 11. Juli 2018, 16:58

War halt fast alles Volkseigentum, auch der Akademiker natürlich.
Diese weltfremde Grunddenke ist immer noch fest verankert.
Heute gehen viele deutsche Ärzte wegen enorm besseren Bedingungen ins Ausland, ist halt denen überlassen wenn das Heimatland zu blöd ist die Bedingungen zu verbessern.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Volker Zottmann » 11. Juli 2018, 18:18

karnak hat geschrieben:Der Unterschied war, hat man sich entschlossen einen ständigen Wohnsitz in der DDR zu nehmen, auf Grund von Heirat oder ähnlichem bekam man noch einen roten Personalausweis, damit war man sowas wie ein halber DDR Bürger und brauchte in seinem Pass des Heimatlandes von der DDR ein Visum zur Aus und Wiedereinreise. Da man sich in der Rolle eines halben DDR Bürgers befand bekam man das, im Gegensatz zu einem ganzen DDR Bürger, so ziemlich problemlos , dass es beim Bekannten vom Volker wieder mal anders war kann ich mir eigentlich nicht erklären, war aber wohl bei den Bekannten irgendwie chronisch. [flash]
Anders verhielt es sich bei "Gastarbeitern", Studenten und anderweitig mit einem begrenzten Aufenthalt in der DDR, die bekamen für diesen Zeitraum eine Aufenthaltsberechtigung und konnten jederzeit die DDR verlassen.

Ob da was anders als üblich war weiß ich nicht. Ich schrieb das, was er mir heute erzählt hat. Weiß immer noch nicht, ob er in der Quedlinburger Meldestelle oder hier im Ort war. Kenne auch dessen damals besessenen Papiere nicht. Deutscher wurde er nach der Wende. Damals war er hier verheirateter Gastarbeiter. Er wollte ja nicht nur ausreisen, er wollte auch wieder rein. Und was heißt schon Deine schräge Aussage, dass es bei meinen Bekannten anders war? Deine Stasi hat ja nicht mal meinen Onkel (auch Stasi) zur Silberhochzeit seiner Schwester gelassen, weil mein Onkel aus Canada dort war. Dein Verein war in solchen Fragen doch stets unberechenbar, manisch mistrauisch, litt an Parnoia. JEDER Stasifall war anders! Ebenso JEDE Ausreise.

Gruß Volker
Zuletzt geändert von Volker Zottmann am 11. Juli 2018, 18:42, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Volker Zottmann » 11. Juli 2018, 18:23

karnak hat geschrieben:Man hat natürlich immer versucht die halben DDR Bürger zu überreden Ganze zu werden, denn mit ihrer Zwitterrolle passten sie einfach nicht ins Konzept, waren schwer unter Kontrolle zu halten, nutzten natürlich ihre Möglichkeiten schamlos aus, konnten auf die Vorzüge des Ostens und des Westens zurückgreifen, dass konnte die Diktatur schon nerven. [flash]

Was ist denn daran schamlos? Etwa, dass sie kaum so blöde waren ihre normale Freizügikkeit freiwillig einzubüßen?
Du hast schon noch sehr komische Ansichten.

Gruß Volker
Zuletzt geändert von Volker Zottmann am 11. Juli 2018, 18:32, insgesamt 1-mal geändert.
Volker Zottmann
 

Re: MfS Dokumente über Ausreiseersuchende

Beitragvon Volker Zottmann » 11. Juli 2018, 18:30

Beethoven hat geschrieben:
Ansonsten habe ich das im Netz gefunden:

Eine Beisetzung nach dem Glauben des Islam läuft nach festgelegten Regeln ab. Häufig werden gläubige Muslime in ihrem oder dem Heimatland ihrer Eltern beigesetzt. Immer häufiger erfolgen islamische Beisetzungen aber auch in Deutschland. Dabei lassen die hier geltenden Regeln die vom Islam geforderte Beisetzung innerhalb von 24 Stunden nicht zu. Das Bestattungsgesetz erlaubt eine Bestattung frühestens 48 Stunden nach dem Todesfall. Ebenso sieht der Islam eine Beerdigung ohne Sarg vor. Einige Friedhöfe haben die Sargpflicht bereits dahingehend gelockert, dass gläubige Moslems auf einem gesonderten Grabfeld nur im Leinentuch und ohne Sarg beigesetzt werden.

So wäre der von Volker benannte Kollege sowieso nicht rechtzeitig vor Ort gewesen.


Freundlichst

Schön, dass Du besser noch als ich dessen Glauben kennst und somit weißt, dass er es nicht geschafft hätte!
Von Islam schrieb ich nicht einmal. In seiner Famile sind Bestattungen innerhalb 2 bis 3 Tagen üblich. Eher so kurz üblich wegen des Klimas! Gerade danach hab ich nämlich gefragt, wie oft hat man schon die Möglichkeit von Betroffenen selbst berichtet etwas zu erfahren.
Lies in Ruhe nochmal meine allererste Einlassung. Die ist wie jetzt ganz unaufgeregt. Einfach nur ein Tatbestand wurde von mir anonym geschildert.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

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