Die Ausreise aus Prag.............1989

Kommunalwahlfälschungen, Ausreisebewegung und eine sich neu formierende Opposition

Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2010, 12:20

Wer erinnert sich noch an die Szenen am Prager Bahnhof, als die tausenden Ausreisewilligen den Weg über die DDR Richtung BRD nahmen?
Emotionale Szenen, die ihresgleichen suchten.

Dass die Züge den Weg über die DDR nehmen mussten, war ein riesiger Fehler der DDR-Regierung, der für neuen unkalkulierbaren Zündstoff sorgte......

Hier im Filmausschnitt sorgte ein Botschaftsangehöriger dafür, dass eine zuvor getrennte Familie gemeinsam diesen Weg beschreiten konnte.
Der Botschafter gewann letztlich auch seine Wette.......



AZ
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon manudave » 9. Oktober 2010, 18:11

Natürlich war dieser Beitrag in seiner Handlung zwecks Liebe frei erfunden...

Aber ansonsten ist es ein sehr guter Film, der die Zustände in und um Prag recht ausführlich beschreibt.

Was mir allerdings generell ein wenig zu kurz kommt, ist die tolle Hilfe der Prager Bevölkerung, die uns am Bahnhof buchstäblich an die Hand nahmen und durch Prag führten bzw. auch in die richtigen Straßenbahnen geleiteten.
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2010, 18:22

manudave hat geschrieben:......die uns am Bahnhof buchstäblich an die Hand nahmen und durch Prag führten bzw. auch in die richtigen Straßenbahnen geleiteten.



Sag mal, David, seid ihr nicht mit Bussen zum Bahnhof gefahren worden? Wußte gar nicht, dass ihr auf euch allein gestellt wart. [shocked]

Gibt es eigentlich ne Zahl, wieviele sich den Flüchtlingen am Bahnhof noch anschlossen? Wie lang dauerte die Zugfahrt eigentlich?

Jörg [hallo]
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon manudave » 9. Oktober 2010, 18:30

Nee Jörg,

jetzt reden wir aneinander vorbei. Ich meinte den Hinweg vom Bahnhof ZUR Botschaft.
Zurück gings natürlich mit Bussen und Polizeieskorte - aber auch nicht zum Hauptbahnhof, wenn ich mich recht erinnere. Ich meine es war ein anderer Bahnhof.
Damals hatte ich den Eindruck, dort ist der Hund begraben - heute weiß man natürlich, dass dort alles abgeriegelt war.

Ob man sich den Flüchtlingen anschliessen konnte, weiß ich nicht. Kann es mir aber schwer vorstellen - waren ja alle in Bussen unter Aufsicht. Allerdings sind auf unseren Zug noch drei Personen während der Fahrt aufgesprungen - auf DDR-Gebiet.

Die Fahrt ging nachts los - im Morgengrauen passierten wir die Grenze DDR-Bundesrepublik. Wie lange das genau dauerte - keine Ahnung...
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2010, 18:35

Abgeriegelt? Ich weiß, dass ein anderer Zug am Nachbargleis einfuhr und dass aus diesem dann noch Leute umstiegen, als sie erfuhren, wohin der andere fährt.
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2010, 18:38

Hier die damaligen Nachrichten dazu.....



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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon manudave » 10. Oktober 2010, 07:42

augenzeuge hat geschrieben:Abgeriegelt? Ich weiß, dass ein anderer Zug am Nachbargleis einfuhr und dass aus diesem dann noch Leute umstiegen, als sie erfuhren, wohin der andere fährt.
Jörg [wink]


Ich kann nur von unserem Zug berichten, Jörg. Es sind ja noch ein paar mehr gefahren. [hallo]
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 10. Oktober 2010, 16:51

Gerade gefunden:

Konrad Adenauer Stiftung: "Die Züge wurden auf den Strecken von Flüchtlingen begleitet, denen es zum Teil gelang, noch aufzuspringen."

Das wusste ich nicht. Waren die Züge nicht (sicher) abgeschlossen?

Und so ging es weiter:
Aus „technischen Gründen“ blieben die Botschaften in Prag und Warschau vorerst geschlossen. Das brachte Zeitgewinn für weitere Lösungen und kam auch der DDR entgegen. Man hatte nicht einkalkuliert, dass am nächsten Tage schon wieder 6.000 Deutsche aus der DDR in die bundesdeutsche Botschaft in Prag drängten und 2.000 Personen sich in der Umgebung aufhielten, ganz abgesehen von den 3.000 bis 4.000 Menschen, die auf dem Weg dorthin waren. Die Grenze zwischen der DDR und der Tschechoslowakei wurde daraufhin geschlossen. Der Verlust der letzten Reisemöglichkeit war dann ein wesentliches Motiv für die innenpolitische Eskalation in der DDR.

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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 31. Juli 2014, 21:36

Interviews mit Menschen, welche damals mit dem Zug in die BRD kamen, zwei sprangen noch im Vogtland auf.

Sie erzählen, wie es ihnen bis heute ergangen ist....

1989 Tausende DDR-Flüchtlinge reisten per Bahn von Prag aus in den Westen. Zeitzeugen erinnern sich.
http://www.zeit.de/2014/32/ddr-fluechtlinge-zug-prag

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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon pentium » 5. August 2014, 17:33

Aus einem Beitrag aus BAHN EXTRA 03/09, Seite 20
Wobei es nicht nur um die Ausreise aus Prag geht, auch Warschau wird kurz behandelt.

Mauerfall: Züge in die Freiheit

Die Entwicklung der Fluchtwelle
Seitdem im Juli 1989 die ersten DDR-Bürger von Ungarn aus nach Österreich geflohen waren, riss der Strom an Flüchtlingen nicht mehr ab. Viele Fluchtwillige suchten seit dem Spätsommer Schutz in bundesdeutschen Botschaften, unter anderem in Budapest, Prag und später auch Warschau. Am 10. September 1989 gestattete die ungarische Regierung allen im Land weilenden DDR-Bürgern die Ausreise über Österreich in die Bundesrepub­lik. Das brachte die DDR-Regierung in Zugzwang: Sie wollte die Botschaftsflüchtlinge nun loswerden, um die politische Stabilität der DDR zu zementieren. Der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker kam deshalb mit dem Chef der Prager Kommunistischen Partei, Jakes, überein, die Ausreise auch für die noch in den Botschaften Einquartierten vorzubereiten. Die Neuigkeit, welche Genscher am 30. September verkündete, betraf 6.000 Flüchtlinge in Prag und 633 in Warschau. Mit Zügen, gestellt von der Deutschen Reichsbahn (DR), sollten sie in den Westen fahren.

Die DDR-Führung bestand dabei auf einer offiziellen »Ausbürgerung«, indem die Züge über DDR-Gebiet fuhren. Viele der in Prag wartenden Flüchtlinge hatten Bedenken und glaubten an eine Falle. Erst als Genscher zusicherte, dass jeden Eisenbahnwagen zwei Beamte des Auswärtigen Amtes begleiten, beruhigte sich die Stimmung. Als Laufweg sah man die Strecke von Bad Schandau über Karl-Marx-Stadt, Plauen (Vogtl) und Gutenfürst vor: 253,7 Kilometer DDR-Gebiet.

Die Vorbereitungen waren bereits getroffen. Am 26. September 1989 – drei Tage vor der Einigung von Bundesregierung und DDR-Führung auf die Ausreise der Botschaftsflüchtlinge! – wurde das Bahnbetriebswagenwerk Zwickau angewiesen, einen Wagenzug für Sonderverkehrsleistungen vom Abstellort Plauen oberer Bahnhof nach Zwickau zu überführen. Mit einem zweiten Fernschreiben am gleichen Tag wurden dem Betriebswerk Reichenbach der Fahrplan und die Lokbespannung von Plauen nach Zwickau übermittelt.

Die erste Ausreisewelle
Mit Bussen wurden die Botschaftsflüchtlinge noch am 30. September 1989 zum Bahnhof Praha-Liben gefahren, wo die Sonderzüge bereitstanden. Gegen 20:50 Uhr setzte sich mit Sr (= Sonderreisezug) 23360 der erste von sechs Zügen in Bewegung. Wie alle Flüchtlingszüge bestand er aus zehn zweifarbigen Wagen 1. bzw. 2. Klasse (Gattungen Am, Bm, Bmh). In Bad Schandau übernahm eine Elektrolok der DR-Baureihe 250 die Leistung; ab Reichenbach bespannte eine Diesellok der DR-Baureihe 132 den Zug bis Hof an der Saale. Die Lokomotiven stellte – wie bei allen 14 Flüchtlingszügen der ersten beiden Ausreisewellen – das Bw Reichenbach. Im Bahnhof Dresden-Reick war ein Wechsel des Ellok-Personals vorgesehen. Sr 23360 musste im Dresdener Hauptbahnhof sogar halten, ebenso der nächste Zug reichlich zwei Stunden später. Das hatte Konsequenzen: Wie ein Lauffeuer verbreitete sich, dass die Flüchtlingszüge über DDR-Gebiet fuhren. Tatsächlich gelang es drei Personen, auf den zweiten Zug in die Freiheit aufzuspringen.

In der Hoffnung, es diesen gleich zu tun, versammelten sich vor allem auf dem Dresdner Hauptbahnhof viele weitere Menschen. Doch nun gingen die Verantwortlichen rigoros vor: Um 05:00 Uhr lag der Befehl des Innenministers zur verstärkten Streckensicherung vor. Die folgenden Züge durften auf keinem Bahnhof halten und mussten zügig durchfahren. Die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) belegen am 1. Oktober 1989 »keine weiteren Fluchtversuche oder Spontanhandlungen der Bevölkerung«.

Kontrollen an der Strecke und auf der Lokomotive
Bei der Reichsbahn besetzte die Transportpolizei alle betreffenden Stellwerke, damit von Fahrdienstleitern und Stellwerksmeistern auch wirklich freie Fahrt gewährt wurde. An Bahnübergängen patrouillierte die Verkehrspolizei, damit kein Kraftfahrer sein Auto auf den Schienen stoppen und einen Zug zum Halt zwingen konnte. Die betreffenden Strecken wurden kontrolliert, um Zwischenfälle jeder Art – nicht nur das Bereiten von Hindernissen, sondern ebenso Sitzstreiks – auszuschließen. Transportpolizei, aber auch Nationale Volksarmee (NVA), Bereitschaftspolizei und Kampfgruppen sicherten jetzt die Strecken, besonders Brücken und Langsamfahrstellen.

Für die Organisation und Durchführung des Sonderreiseverkehrs aus Prag hatte man im Dresdner Direktionsgebäude in der Ammonstraße 8 eigens einen »operativen Stab« eingerichtet. Er bestimmte auch, dass die Lokomotiven der Sonderzüge mit einem zweiten Mann, bevorzugt einem Triebfahrzeuginstrukteur aus den Bahnbetriebswerken bzw. der Direktion, besetzt sein mussten, um durchzusetzen, dass keiner der Sonder­reise­züge auf dem Streckennetz der DR außerplanmäßig zum Halten kam. Die Dienststellenleiter hatten bereits im Vorfeld auf Anweisung der politischen Leitung der DR und der Staatssicherheit in ihren Tresoren streng vertrauliche Namenslisten von Mitarbeitern (Lokführer und Zugführer), welche für diese Sonderzüge eingesetzt wurden.

Der erste der sechs Flüchtlingszüge traf am Morgen des 1. Oktober 1989 um 06:14 Uhr in der Freiheit auf dem bayerischen Bahnhof Hof (Saale) ein. Selbst diesem Zug in »Feindesland« hatte das MfS einen Informellen Mitarbeiter Sicherheit (IMS) namens »Frieder Schwarz« beigestellt. Er stammte aus den Reihen der Eisenbahner, fuhr auf dem Führerstand der Lokomotive nach Bayern mit und erstattete nach der Rückkehr Bericht.

Wie Sr 23360 nahmen die weiteren fünf Flüchtlingszüge dieser ersten Ausreisewelle den Weg über Bad Schandau – Dresden – Plauen nach Hof. Sie kamen im Laufe des 1. Oktober 1989 in Hof an. Alle Züge brachten – nach Angaben des Einsatzstabes des Grenzschutzkommandos Süd – 5.490 Flüchtlinge aus der DDR mit (nach anderer Quelle: 5.273). Hilfskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes, des Technischen Hilfswerks und der Bahnhofsmission hatten seit Mitternacht die Hofer Bahnsteige in große Verpflegungsstationen verwandelt. Die Flüchtlinge wurden versorgt und auf Aufnahmelager bzw. zu Unterkünften umfunktionierte Kasernen in Bayern und Hessen verteilt.

Die zweite Ausreisewelle
Die Bereitstellung der nächsten Züge in Prag verzögerte sich um einige Tage. In der Nacht vom 4. zum 5. Oktober 1989, zwischen 18:34 und 01:35 Uhr, verließen dann weitere acht Züge die Hauptstadt der Tschechoslowakei.

Noch mehr als bei der ersten Ausreisewelle versuchten Bürger in der DDR, auf die Züge aufzuspringen. Die Flüchtlinge in spe stammten aus allen Bezirken außer Rostock und Suhl – so die Feststellungen der Staatssicherheit. Wie die Staatssicherheit die Fluchtversuche einschätzte, zeigt ein Fernschreiben, das Oberst Bohl der MfS-Bezirksverwaltung Dresden an die Zentrale schickte: »Seit 03. 10. 1989 kam es im und um den Hauptbahnhof Dresden zur Zusammenrottung von Ausreisewilligen und Asozialen in Erwartung der von Prag kommenden Züge mit den auszusiedelnden Botschaftsbesetzern. Offenbar be­fanden sich unter diesen Personen auch konterrevolutionäre Elemente, die provozierend und brutal auftraten. Weit über 2.000 Personen traten zunehmend als aktiv handelnder Kern auf. In den späten Abendstunden des 04. 10. 1989 befanden sich im Bahnhofsgebäude ca. 5.000 Personen und um den Bahnhof weit über 10.000.«

Die ersten drei Sonderzüge aus Prag waren zur Zeit der »Krawalle« in Dresden bereits in Bad Schandau eingetroffen. Das MfS ließ sie nicht weiterfahren, bis mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass Ausreisewillige Bahnanlagen besetzt halten. In einigen Fällen hatten Leute versucht, durch Blockieren der Gleise die Züge zum Halten zu bringen – zum Teil sogar, indem sie sich ins Gleis stellten. Es ist jedoch keine Situation bekannt, in der die Fluchtwilligen gegen Eisenbahner oder Polizisten tätlich vorgingen. Die Hoffnung, einen Platz in (oder auf) dem Zug zu bekommen, erfüllte sich gleichwohl nicht. Die Lokführer wurden mit schriftlichem Befehl angewiesen, an einigen Stellen schneller zu fahren als per Vorschrift zugelassen. Zudem lösten die »Einsatzkräfte« die so genannten Zusammenrottungen an den möglichen »Fluchtpunkten« durchweg auf.

In der Folge zeigten die Fluchtversuche Wirkung. Nach den ersten drei Zügen reduzierte man den Laufweg durch die DDR. Die restlichen fünf Züge am 4./5. Oktober 1989 nahmen den nur 94,6 Kilometer langen Weg von Bad Brambach über Plauen (Vogtl) nach Gutenfürst.

Sie verließen Praha-Liben zwischen 19:28 Uhr am 4. Oktober und 01:35 Uhr am Morgen des 5. Oktober. Der DDR-Grenzbahn­hof Gutenfürst wurde am 5. Oktober 1989 zwischen 05:49 Uhr und 10:48 Uhr (nach anderer Quelle: 05:27 Uhr und 09:53 Uhr) Richtung Hof passiert. Insgesamt 6.242 Personen (nach anderen Quellen: 7.607 oder 8.270) kamen mit dieser zweiten Ausreisewelle in den Westen.

Ausbürgerung im Zug
Die DDR-Führung beabsichtigte, die Botschaftsflüchtlinge als Staatenlose ohne Papiere abzuschieben. Folglich waren ihnen die Pässe abzunehmen – möglichst unauffällig. Das Einziehen der Personalpapiere geschah anfangs bei dem rund 45-minütigen Zughalt in Reichenbach (Vogtl) oberer Bahnhof, der dem Lokwechsel diente. Bei den am 4./5. Oktober 1989 folgenden Zügen zog man die Personalausweise während der Fahrt zwischen Bad Schandau und Reichenbach (Vogtl) ein. Eingesetzt wurden dafür Angehörige der Staatssicherheit, die sich als Mitarbeiter der Abteilung Innere Angelegenheiten des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt bzw. Dresden ausgaben. Verweigerten die Reisenden die Abgabe der Papiere bzw. Angaben zur Person, mussten sich die »Einsatzkräfte« damit zufrieden geben; sie waren angewiesen, keine weiteren »Maßnahmen« einzuleiten. Das Verweigern der Personalien stellte aber die Ausnahme dar. Vielen Ausreisewilligen war offensichtlich nicht bekannt oder bewusst, dass aufgrund ihrer Personalien ihr Vermögen eingezogen werden sollte.

Während den ersten Zug am 30. September 1989 vorwiegend Menschen über 30 Jahre genutzt hatten, fuhren in den weiteren Zügen zunehmend so genannte Jung­erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren mit. Etwa die Hälfte der in den ersten sechs Zügen befindlichen Menschen war erst am 29./30. September 1989 in die CSSR eingereist! Diese »Jung­er­wach­se­nen« hielten bei der Fahrt durch die DDR auch nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg: Sie schwenkten aus den geöffneten Zugfenstern Fahnen der Bundesrepublik, Embleme mit dem Bundesadler und sangen das Deutschlandlied. Bei der Durchfahrt auf Bahnhöfen riefen sie außerdem anerkennend »Es lebe Genscher«,»Gorbi, Gorbi – wir wollen raus« oder »Freiheit«. Angehörige der Transportpolizei und andere Uniformierte wurden mit Abfallbeuteln, DDR-Münzen und anderen Gegenständen beworfen sowie beschimpft.

Bei den über Bad Brambach geleiteten fünf Zügen der zweiten Ausreisewelle gab es einen weiteren gelungen Fluchtversuch. Anlass dazu bot der Betriebshalt, den die Züge in Plauen (Vogtl) oberer Bahnhof einlegen mussten, um die Fahrtrichtung zu wechseln und die Lok umzuspannen. Während eines dieser Halte schafften es sieben Personen, auf den abgesperrten Bahnsteig vorzudringen; zwei von ihnen kamen in den Zug.

Die Flüchtlingszüge ab Warschau
Weniger im Blickpunkt der Menschen in der DDR und der westlichen Medien standen die Sonderzüge mit den Flüchtlingen aus der bundesdeutschen Botschaft in Warschau. Zwar berichtete das West-Fernsehen von der Abfahrt des ersten Zuges vom Bahnhof Warszawa Gdanska, doch dann wurde es still. Es waren nur zwei Züge (am 1. und 5. Oktober 1989), die anderen fuhren nach Hof, und Fluchtmöglichkeiten sahen hier verbliebene DDR-Bürger kaum.

Der erste Zug mit Ausreisewilligen aus der Botschaft in Warschau sollte ursprünglich durch West-Berlin fahren. Als Zugführer wurde der damalige Stellvertreter des Leiters des Reichsbahnamtes Berlin gebunden, der die entsprechende Berechtigung besaß. Er übernahm den Zug am 1. Oktober 1989 in Frankfurt (Oder), der Laufweg wurde jedoch über den Südlichen Berliner Außenring verändert. In Berlin-Köpenick, Stellwerk Ko, winkte der Stellwerksmeister den Insassen des Zuges zu und zeigte mit der Hand das V(ictoria-Sieges)-Zeichen. Der Zugführer meldete diesen Vorfall dem MfS.
Bei diesem »Flüchtlingsverkehr« hatten die Mitarbeiter der Staatssicherheit aus den Erfahrungen des Südens gelernt: Um das Zugpersonal zu wechseln, hielten die Züge nicht auf großen Bahnhöfen, wie zunächst in Dresden-Reick, sondern an der auf einer einsamen Waldlichtung gelegenen Blockstelle Detershagen zwischen Burg (b Mg) und Möser. Ein solches Umfeld war besser abzuschirmen.

Für den ersten Zug am 1. Oktober 1989 dokumentierte der Diensthabende der Abt. XIX (Verkehrswesen) der Bezirksverwaltung Magdeburg folgende Zeiten: 15:05 bis 15:07 Uhr planmäßiger Halt in Detershagen, 15:30 Uhr Magdeburg Hbf passiert, 15:57 bis 16:54 Uhr planmäßiger Halt in Eilsleben zur Übergabe der abgenommenen Personaldokumente, 17:04 bis 17:07 Uhr planmäßiger Halt in Marienborn.

Der zweite Zug, Sr 21345, fuhr am 6. Oktober 1989 von Frankfurt (Oder) kommend über den Nördlichen Berliner Außenring und passierte gegen 05:30 Uhr den Abzweig Karow West. Personalwechsel war wiederum auf freier Strecke in Detershagen. Weitere 124 DDR-Bürger, die später in Warschau die deutsche Botschaft besetzt hatten, durften am 17. Oktober 1989 per Flugzeug ausreisen.

Die dritte Ausreisewelle
Das Kapitel Flüchtlingszüge über die DDR in die Bundesrepublik war damit zu Ende, nicht aber das anhaltende Absetzen ganzer Familien über die grünen Grenzen der CSSR und Ungarns. Am 1. November 1989 hob die DDR den Visazwang für Reisen in die CSSR wieder auf. Bis zum 3. November 1989 sammelten sich in der deutschen Botschaft erneut 5.000 Flüchtlinge. Sie durften ab 4. November 1989 mit neun Sonderzügen von Prag direkt ins Bundesgebiet ausreisen, und zwar über den tsche­­chisch-deutschen Grenzübergang Cheb/ Schirn­ding. Fünf Tage später sollten die dramatischen Bemühungen Vergangenheit sein; am Abend des 9. November 1989 öffnete die DDR allgemein ihre Grenzen.

BERND KUHLMANN/RAINER HEINRICH/GM

Sorry ist ziemlich lange geworden.

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*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 5. August 2014, 18:17

pentium hat geschrieben:Aus einem Beitrag aus BAHN EXTRA 03/09, Seite 20

Vielen Ausreisewilligen war offensichtlich nicht bekannt oder bewusst, dass aufgrund ihrer Personalien ihr Vermögen eingezogen werden sollte.

Unglaublich....

In Berlin-Köpenick, Stellwerk Ko, winkte der Stellwerksmeister den Insassen des Zuges zu und zeigte mit der Hand das V(ictoria-Sieges)-Zeichen. Der Zugführer meldete diesen Vorfall dem MfS.

Solche Untertanen bzw. Denunzianten wie den Zugführer gab es leider viele. Kein Wunder, wenn man deshalb lesen muss, wie sich Ostdeutsche gegeneinander bespitzelt haben....
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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 7. August 2014, 15:38

DDR-Botschaftsflüchtlinge waren Zündfunke der tschechischen Revolution
....erstmals hatte ein deutsch-tschechischer Forscher grenzüberschreitend Depeschen, Briefe, interne Aktenvermerke und Telegramme zwischen der DDR, der ČSSR, der Bundesrepublik und der Sowjetunion rund um die damaligen Geschehnisse ausgewertet.

Dabei offenbarte sich, dass die tschechischen Kommunisten die SED-Führung hinter den Kulissen „dringend baten“, die Flüchtlinge ziehen zu lassen – damit die Ostdeutschen keine Unruhe im Lande stiften sollten. Diese Hoffnung erwies sich freilich als trügerisch: Die tschechische Opposition und insbesondere die Studentenbewegung fühlte sich durch die Botschaftskrise beizeiten zu eigenen Aktionen animiert, die schließlich zum politischen Umbruch in der ČSSR führten, als die Botschaftsflüchtlinge schon längst via Dresden in den Westen abgeschoben waren.


http://computer-oiger.de/2014/08/07/ddr ... tion/29604

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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon Interessierter » 30. August 2014, 10:28

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Erinnerung an eine besondere Zugfahrt

Ein Karl-Marx-Städter war 1989 Sprecher der Prager Botschaftsflüchtlinge. Die Ereignisse wurden jetzt verfilmt.



Die Moderatorin muss warten, bevor Christian Bürger ihre Frage beantwortet. "Zuerst möchte ich Chemnitz grüßen, hier habe ich nämlich Heimspiel", sagt der Mann mit Lederjacke und Bürstenschnitt auf der Bühne der gut besuchten Filmnächte am Mittwochabend. Dass Bürger Heimspiel in Chemnitz hat, hätten viele der Zuschauer, die gerade den Film "Zug in die Freiheit" auf dem Theaterplatz gesehen haben, wahrscheinlich nicht vermutet. Denn Bürger ist einer der Zeitzeugen, die in dem 90-minütigen Dokudrama über die DDR-Flüchtlinge, die 1989 aus der deutschen Botschaft in Prag mit Zügen in die Bundesrepublik ausreisen durften, zu Wort kommen. Viel hatte er aufs Spiel gesetzt, um Karl-Marx-Stadt zu verlassen - heute lebt er wieder in seiner Heimatstadt.

Der Film ist eine Produktion von Arte und MDR und wird im Herbst im Fernsehen zu sehen sein. Die Regisseure Sebastian Dehnhardt und Matthias Schmidt haben dafür nach Zeitzeugen gesucht, deren Schicksale das Zeug zum Filmstoff haben. So kamen sie auch auf Christian Bürger. Er hatte bereits 1986 versucht, auf illegalem Weg die DDR zu verlassen. Doch ein Freund verriet ihn an die Stasi und er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. 1987 saß er in Abschiebehaft in Cottbus ein, als er aufgrund der Amnestie-Vereinbarung für politische Gefangene entlassen wurde. Politisch sei das gut gewesen, "aber für mich war es ein absolutes Desaster, weil ich wieder in die DDR entlassen wurde", erinnert sich Bürger. Die nächste Chance, dieses Land, an das er nicht mehr glaubte, zu verlassen, bot sich im Mai 1989, als er davon hörte, dass sich in der deutschen Botschaft in Prag Flüchtlinge aus der DDR aufhielten. "Ich entschloss mich, mich bis dorthin durchzuschlagen", sagt Bürger. "Ich habe den Hut gezogen vor den Menschen, die 1989 in der DDR demonstrierten. Aber ich glaubte nicht mehr an Veränderungen." Ihm gelang die Flucht über die grüne Grenze in Oberwiesenthal und er erreichte am 21. Juni 1989 die deutsche Botschaft in Prag. "Ich bin der DDR-Bürger Bürger und ich gehe hier nicht mehr raus", habe er dort gesagt. Rund 60 Flüchtlinge waren zu dem Zeitpunkt in der Botschaft, 4000 sollten es bis zum 30. September werden, als Hans-Dietrich Genscher die Ausreise bekannt gab. Christian Bürger wählten sie zu ihrem Sprecher. Er registrierte neu ankommende Flüchtlinge und vermittelte zwischen ihnen und dem Botschaftspersonal.

Noch heute wühlen ihn die Erinnerungen auf, besonders wenn er an die Zugfahrt durch die DDR bis nach Hof denkt. Es habe eine gespenstige Stimmung geherrscht. Jeder Bahnhof war menschenleer, man habe vermutet, dass "noch ein linkes Ding kommt", erinnert er sich.

"Ich stand die meiste Zeit am Fenster, um das Unheil kommen zu sehen", erinnert er sich. Doch es kam nicht, stattdessen gelangte der Zug nach Hof, wo Christian Bürger die Erde küsste. "Wir haben unsere Freiheit geküsst", erklärt er. In Bayern habe sich der Restaurantfachmann so verwirklichen können, wie er es gehofft hatte. "Es zählte die Leistung und nicht die Parteizugehörigkeit", sagt er. In Landshut wurde er Geschäftsführer eines Restaurants. Im Jahr 2006 traf er schließlich die Entscheidung, wieder nach Chemnitz zu kommen. Das sei aus rein familiären Gründen geschehen. Heute bildet er Restaurantfachleute aus und leitet einen Landgasthof.

Dass es einen Film über die Ereignisse gibt, die er mit geprägt hat, mache ihn stolz. "Wir wussten damals nicht, dass wir Geschichte schreiben", sagt er. Niemand hätte geglaubt, mit dieser Abstimmung mit den Füßen etwas Derartiges auszulösen. In drei Wellen verließen schließlich 11.000 Menschen die DDR über die Prager Botschaft.

http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMN ... 54959.php#
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Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 12. September 2014, 13:38

Tagebuch des Christian Bürger, Folge 1
FLUCHTVERSUCHE

„Dies ist mein erster oder mein letzter Tagebucheintrag. Denn entweder bin ich morgen tot oder ich habe den ersten Schritt in ein neues Leben geschafft. Ein Leben, in dem ich nicht mehr nachts wachliegen werde, weil mich die Gewissheit umklammert, dass alles um mich herum falsch ist.

Ich vergesse nie das beklemmende Gefühl in meiner Magengrube. Als würde in mir eine giftige Pille zerplatzen und im Bruchteil einer Sekunde meinen Körper lähmen. Stocksteif stehe ich in meiner Wohnung, ich halte das Dokument umklammert, doch mein Blick ist aufs Fenster gerichtet. In dem Brief der Behörde steht, dass mein Ausreiseantrag abgelehnt wurde. Und mir wird zum ersten Mal in aller Klarheit deutlich, dass ich in dem Land hinter dem Fenster nie wieder Frieden finden werde.

„Das könnte meine letzte Chance sein, das Land zu verlassen. Deswegen werde ich es diesmal schaffen oder tot sein.”


Das war 1984. Fünf Jahre lang hat seitdem das Gift in meinem Körper gewirkt. Doch es lähmt mich nicht mehr. Es hat sich in eine unbezwingbare Wut verwandelt, die ich in meinen Adern spüren kann. Und die sie mir auch nicht haben nehmen können. Das haben sie versucht. Mit Drohungen, mit Folter, mit Gefangenschaft. Ich weiß nicht, wie oft mir die Frage gestellt wurde, warum ich das Land verlassen will. Jedes Mal habe ich allen Ärger runtergeschluckt und mit antrainiert freundlicher Stimme erzählt, dass ich meine Verwandten in der Bundesrepublik, vielleicht auch die in Amerika besuchen will. Doch trotz endloser Anhörungen – oder vielleicht auch genau deswegen – wurden auch die folgenden zwei Ausreiseanträge abgelehnt.

1986 wollte ich zum ersten Mal rüber machen. Doch ein Freund hat mich verraten. Ich bin ihm nicht einmal böse. Mein Hass sagt mir, dass alles Schlechte aus dem System kommt. Das System hat ihn mürbe gemacht. Das hat es in der U-Haft auch mit mir versucht. Doch sie haben es nicht geschafft. Jede Minute Schlafentzug, jeder Schlag, jede gebrüllte Silbe hat meinen Hass nur angefacht. Schließlich mussten sie mich gehen lassen. Im Frühsommer 1987 brauchte Honecker dringend Geld und hat den Bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß um ein Darlehn in einer Höhe von einer Milliarde Mark gebeten. Strauß hat zugestimmt unter der Bedingung, dass die DDR eine Amnestie für politische Gefangene macht. Das war natürlich zum einen ein positiver Schritt, denn die DDR musste zum ersten Mal zugestehen, dass sie politische Gefangene hat. Für mich war es ein Debakel. Ich musste jede Hoffnung, dass man mich aus der DDR abschieben könnte, aufgeben.

Jetzt, zwei Jahre später, bin ich in meinem „letzten Bewährungsjahr”. Meinen Ausweis haben sie mir genommen. Das „PM-12”, eine Legitimationsbescheinigung, ist kein Ersatz sondern ein Kainsmal, das mich als Verräter ausweist. Im Frühjahr habe ich eine Freundin in den Westen verabschiedet. Sie hat eine Ausreisegenehmigung bekommen. Ich werde niemals eine kriegen. Doch in Prag sollen sich Flüchtlinge in der Prager Botschaft der Bundesrepublik versammelt haben. Es heißt, es wird verhandelt, sie ausreisen zu lassen. Das könnte meine letzte Chance sein, das Land zu verlassen. Deswegen werde ich es diesmal schaffen oder tot sein. Mein Name ist Christian Bürger. Dies ist mein letzter oder mein erster Tagebucheintrag.”

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 13. September 2014, 12:35

GEGEN ALLE WIDERSTÄNDE: ANKUNFT IN DER BOTSCHAFT

„‚Guten Tag, ich bin der Herr Bürger, ich komm aus der DDR und ich geh jetzt hier nicht mehr raus.’ Die Worte kommen mir albern vor, während ich sie jetzt aufschreibe. Doch ausgesprochen hatten sie eine unglaubliche Kraft. Nie habe ich jemals mehr aus dem Herzen gesprochen, als in dem Moment, als ich die Botschaft der BRD in Prag betrat. Jetzt liege ich in meinem Zimmer auf der oberen Etage eines Doppelbetts. Das Zimmer ist kleiner als mein Wohnzimmer und doch habe ich mich niemals freier gefühlt als hier.

Denn ich lebe noch. Mit dem „PM-12“, den ich statt meines Ausweises habe, war ich nicht berechtigt, Grenzen zu übertreten. Im Gegensatz zu den meisten meiner Flüchtlingsgenossen, es sind etwa einhundert hier in der Botschaft, musste ich also illegal nach Tschechien rüber machen. Diesmal auf mich allein gestellt – ohne Freunde aber auch ohne potenzielle Verräter. Mein erster Versuch war ziemlich naiv: Ich glaubte tatsächlich, ich könnte mit dem Zug über Bad Schandau einreisen. Ich dachte mir: Nachts sind die Grenzer müde, kontrollieren vielleicht nicht allzu genau. Ich hatte meinen alten Wehrpass noch dabei. In der DDR ist es Gang und Gebe, wer seinen Wehrpass vorzeigt wird nicht weiter kontrolliert. Doch die Jungs waren munter, haben ganz genau hingeschaut, mich identifiziert und mich aus dem Zug in eine Baracke im Niemandsland geführt – der Arbeitsplatz von zwei Herren in dunklen Anzügen, die sich wohl freuten, endlich wieder jemanden verhören zu dürfen. Sechs Stunden. Mittlerweile reine Routine für mich. Daher kam meine Story, ich hätte die Bekannte, die ich im Frühling am Bahnhof verabschieden musste, in Bratislava treffen wollen, wohl sehr glaubwürdig rüber. Ich durfte gehen, sollte mich aber bei der Behörde melden. Doch dort würde man mir nicht glauben, das wusste ich…

Zuhause packte ich gleich meine Sachen und bin nach Oberwiesenthal. Ich habe mir einen Tarnanzug angezogen und mich an der Grenze im Gebüsch versteckt. Geduldig habe ich die Abstände gemessen, in denen die DDR-Grenzer liefen und auch die der tschechischen Grenzer. Ich hatte Glück: Als ich schließlich wagte, ins Gebirge zu laufen, wurde ich nicht entdeckt. Ich wusste, dass es gefährlich ist, wenn ich loslaufe. Dass ich sofort durch eine Kugel sterben würde, wenn sie mich sehen. Aber trotzdem lief ich ganz instinktiv los. Irgendwie ohne Angst. Das Herzrasen kam erst, als ich sicher an den Grenzern vorbei war und mich hinter einem Felsen versteckte. Es war stockdunkel, als ich in den angrenzenden Wald hinein schlich, durch den ich schließlich nach Tschechien kam. Ein beschwerlicher Gang – aber nicht ansatzweise so bedrückend, wie der Gang zur Behörde gewesen wäre.

Heute Vormittag kam ich in Joachimstal an, einem kleinen tschechischen Ort. Müdigkeit und Hunger bemerkte ich nicht. Die Euphorie, es geschafft zu haben und die Angst, in letzter Sekunde aufzufliegen, machten alle körperlichen Bedürfnisse unwichtig. Ein Bus brachte mich nach Prag. Auf dem Weg zur Botschaft warnte mich ein Touristenpaar – Westdeutsche, die viel besser informiert waren als ich – dass direkt an der Botschaft eine Milizstation ist, wo streng kontrolliert wird. Die Warnung ließ meinen Adrenalinspiegel steigen. Ich war angespannt, aber gleichzeitig wieder absolut fokussiert. Ich kann es nur so beschreiben: Ich fühlte mich wie ein gejagtes Wild. Es gibt nur einen Ausweg, aber an der nächsten Ecke kann alles wieder vorbei sein.

Vor der Botschaft war ich innerlich so nervös wie niemals zuvor in meinem Leben. Ich hörte mein Blut rauschen und meinen Herzschlag bis in die Ohren donnern. Doch nach außen hin – ich glaube, es lag tatsächlich an einer Art Fluchtinstinkt – war ich ganz ruhig. Als wäre ich ein Tourist, habe ich versucht, die Miliz zu ignorieren und ganz unbefangen Gebäude fotografiert. Vor der amerikanischen Botschaft habe ich die Fahnen fotografiert, dann die Eingänge gegenüber und dann habe ich die deutsche Botschaft ins Visier meiner Kamera genommen… Langsam ging ich auf sie zu, ließ die Kamera sinken, versuchte, nicht zu den beiden Milizen zu sehen, die unweit von mir an der Straße standen und rauchten. Ich weiß nicht, ob sich einer von ihnen wirklich bewegt hat. Aber ich bin mir sicher, dass der linke plötzlich zwei Schritte in meine Richtung machte. Ich rannte. Der Herzschlag pochte schneller, das Blut rauschte so stark, dass ich kein Geräusch von außen wahrnehmen konnte.

Nur dann plötzlich meine Stimme, als ich über die Schwelle der Botschaft sprang. ‚Guten Tag, ich bin der Herr Bürger, ich komm aus der DDR und ich geh jetzt hier nicht mehr raus.’“

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 14. September 2014, 11:29

Tagebuch des Christian Bürger, Folge 3
EIN HAUCH VON FREIHEIT


„Kaum war ich über die Schwelle gesprungen, rief ein Pförtner Herrn Weber, einen Diplomaten, der vom deutschen Botschafter Huber beauftragt worden war, sich um die Flüchtlinge zu kümmern. Er holte mich am Tor ab und hieß mich sehr herzlich willkommen – ein freundlicher aber ehrlicher Mann. Denn Herr Weber gab zu, dass niemand in der Botschaft wusste, was mit den Flüchtlingen letztlich geschehen würde. Aber das war mir egal. Für mich war einzig und allein wichtig, dass ich mich auf dem Gebiet der Bundesrepublik befand und dass ich die Gewissheit hatte, dass sie mich dort nicht rausschmeißen dürfen.

Vor wenigen Tagen war ich noch auf der Flucht – heute bin ich in einem Palast. Das Palais Lobkowitz ist ein riesiges, prächtiges Gebäude. Botschafter Hermann Huber und seine Frau kümmern sich rührend um uns. Mittlerweile sind wir denke ich 100 Flüchtlinge. Es fühlt sich so an, als seien wir eine große Gruppe von Hausbesetzern, die das prächtige Palais Lobkowitz erobert haben. Hier hat die Botschaft der BRD ihren Sitz. Und was sind Hausbesetzer? Freie Menschen! So fühlt sich wirklich jeder von uns hier.

Wir leben in einem Nebengebäude der Botschaft, wo vorher die Visa-Stelle für die tschechischen Bürger war. Die Büroräume wurden ausgeräumt und mit Doppelbetten ausgestattet. Hier liegen wir zusammen und fühlen uns manchmal wie junge Leute auf einer Klassenfahrt. Jeden Tag kommen neue Flüchtlinge in die Botschaft. Die Nachricht, dass sie hier willkommen sind, scheint sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Die Wachleute der Botschaft wohnen bereits in Hotels in der Stadt, um Platz für uns zu schaffen. Wir haben alles, was wir brauchen. Manchmal wünschte ich, ich hätte mehr Klamotten mitgenommen – den Tarnanzug habe ich im Wald weggeworfen und in meinem Rucksack ist nicht nur etwas Unterwäsche und eine Ersatzjeans. Aber es ist schön, dass dies zurzeit mein größtes ‚Problem’ ist.”



28. Juni 1989

„Drei Tage ist mein letzter Tagebucheintrag alt und ich kann freudig verkünden: Mein „Problem“ wurde gelöst. Der Hausmeister der Botschaft hat mir heute Morgen Klamotten gebracht, die von Botschafter Hubers Frau in der Stadt gekauft wurden. Huber und seine Frau kümmern sich rührend um uns. Neulich haben sie ein Grillfest veranstaltet, wo ich zum ersten Mal mit den beiden sprechen konnte. Ich war überrascht, als ich sie zum ersten Mal sah: Ein kleiner schmächtiger Mann und eine noch kleinere schmächtigere Frau. Irgendwie faszinierend, dass Diplomaten nicht unbedingt dominante Erscheinungen sein müssen, sondern auch schmächtig sein können. Aber schon an diesem Nachmittag lernte ich, dass die Hubers absolut faszinierende und einnehmende Menschen sind. Sie wirkt wie eine Filmdiva und spricht mit französischem Akzent – mit Edith Piaf vergleichbar. Doch es fehlt ihr jede Arroganz, die Franzosen ja gerne unterstellt wird. Bei ihr spürt man sofort diese Herzensgüte, man weiß gleich, dass sie ein unglaublich warmherziger Mensch ist. Ihr Mann steht dem in nichts nach: Beim Grillen im Botschaftsgarten hat er jeden von uns begrüßt, hat sich mit jedem unterhalten, hat nach unseren Beweggründen gefragt. Man hat gemerkt, dass auch er ein sehr einfühlsamer Mensch ist, der sich tatsächlich für unsere Probleme interessiert. Das Ehepaar Huber ist durch und durch herzensgut. Da ist nichts gestellt, nichts gespielt und nichts gezwungen. Und weil sie hier sind fühlen wir uns sicher.“

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon tom-jericho » 14. September 2014, 12:58

Nach Ausrufung des Kriegsrechtes am 13. Dezember 1981 war ich mehrere Male in der VR Polen ohne jegliche Grenzkontrolle.

Über die grüne Grenze im Zittauer Gebirge bin ich regelmäßig in die CSSR rüber, auch alles ohne jegliche Grenzkontrolle.

Aber bei ihm war ja dann alles viel verschärfter, ist mir aber bekannt.
tom-jericho
 

Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon pentium » 14. September 2014, 14:32

tom-jericho hat geschrieben:Nach Ausrufung des Kriegsrechtes am 13. Dezember 1981 war ich mehrere Male in der VR Polen ohne jegliche Grenzkontrolle.

Über die grüne Grenze im Zittauer Gebirge bin ich regelmäßig in die CSSR rüber, auch alles ohne jegliche Grenzkontrolle.

Aber bei ihm war ja dann alles viel verschärfter, ist mir aber bekannt.


Tom, bei den Tagebucheinträgen handelt es sich um fiktionale Texte, die auf Grundlage der Erinnerungen von Christian Bürger entstanden sind.
Autor: Christoph Mathieu

http://blog.deutschland.de/das-projekt/

Als fiktional (von lat. fingere: bilden, erdichten, vortäuschen) werden Texte bezeichnet, die keinen Anspruch darauf erheben, an der außersprachlichen Wirklichkeit überprüfbar zu sein.

Ein paar Beispiele:
Zitat:
Ich glaubte tatsächlich, ich könnte mit dem Zug über Bad Schandau einreisen. Ich dachte mir: Nachts sind die Grenzer müde, kontrollieren vielleicht nicht allzu genau. Ich hatte meinen alten Wehrpass noch dabei. In der DDR ist es Gang und Gebe, wer seinen Wehrpass vorzeigt wird nicht weiter kontrolliert. Doch die Jungs waren munter, haben ganz genau hingeschaut, mich identifiziert und mich aus dem Zug in eine Baracke im Niemandsland geführt...

Welche Grenzer kontrollieren im Zug? Das tun doch eher die Jungs oder Mädels von PKE. Was soll das mit dem Wehrpass, nannte sich das Dokument in der DDR nicht Wehrdienstausweis? Wie man wurde nicht in der DDR nicht kontrolliert, wenn man den Wehrpass vorzeigt?
Als Dokument für den Grenzübertritt ist dieses Dokument ja völlig ungeeignet, schon wegen der Stempel und die Tschechichen Kontrolleure hätten sich einen Ast gelacht!
Schön ist auch diese Baracke im Niemandsland. Wo bitte ist das Niemandsland? Wenn schon wurde man in Bad Schandau aus dem Zug geführt!

Auch schön:
Ich habe mir einen Tarnanzug angezogen und mich an der Grenze im Gebüsch versteckt. Geduldig habe ich die Abstände gemessen, in denen die DDR-Grenzer liefen und auch die der tschechischen Grenzer....


Zwei mal am Tag kam der Grenz-ABV vorbei. Um 89 herum war die bewachung etwas verdichteter. Aber lange im Gebüsch liegen und Abstände der Grenzpatrollie zu messen, brauchte an der Grenze niemand!

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon augenzeuge » 14. September 2014, 15:31

pentium hat geschrieben: Zwei mal am Tag kam der Grenz-ABV vorbei. Um 89 herum war die bewachung etwas verdichteter. Aber lange im Gebüsch liegen und Abstände der Grenzpatrollie zu messen, brauchte an der Grenze niemand!

pentium


Mir hatte mal Rainman erzählt, dass es im Herbst zu deutlichen Sicherungsmaßnahmen an der Grenze dort kam. Er selbst war ja dabei. Da gab es regelmäßige Streifen. Und hunderte Festnahmen. Es kann allerdings sein, dass dies erst ab dem Zeitpunkt passierte, als man die CSSR vom Freizügigkeitsverkehr sperrte.

Übrigens, wer Einreiseverbot in die DDR hatte, fand hier oft einen Weg, um seine Familie zu sehen. Man reiste als BRD-Bürger in die CSSR ein, ging über die grüne Grenze in die DDR.....und so wieder zurück.
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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon tom-jericho » 14. September 2014, 18:46

Pentium,

Dankeschön.

Das habe ich gar nicht so mitbekommen, weil erst mal flüchtig nur gelesen. [hallo]

Aber ist er nicht schon Juni 89 rüber?

Und Rainman schrieb was vom Herbst 89 mit der verschärften Sicherung.
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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 15. September 2014, 10:02

„Vor drei Tagen ist Herr Huber mit seiner Frau in den Urlaub gefahren. Das hätte der Botschafter sicher nicht getan, hätte er geahnt, was seit seiner Abreise passiert ist. Seit etwa einem Monat bin ich „Botschaftsflüchtling“. So werden wir in der Westpresse genannt, die regelmäßig über uns berichtet. Wir haben ein paar Radios hier, die einige Flüchtlinge mit in die Botschaft gebracht haben. Zunächst stießen täglich etwa drei bis fünf Leute zu uns. Als wir irgendwann dreihundert Flüchtlinge waren, schlug Hans Joachim Weber vor, dass wir uns organisieren und alles zentraler regeln sollten. Wir setzten uns zusammen und gründeten eine „Lagerleitung“ – bestehend aus zehn Leuten. Und ich, der ich sehr schnell zu den „alteingesessenen“ Flüchtlingen gehörte, bin auch ein Leiter, was bedeutet, dass ich mit Zetteln durch die Botschaft ziehe und aufschreiben lasse, welche Bedürfnisse die Leute haben. Die gehen dann an Herrn Weber und der kümmert sich darum, dass so viele Wünsche wie möglich erfüllt werden: Seien es neue Anziehsachen, Decken oder Medikamente. Eine schöne Aufgabe, die mich vor der Qual erlöst hat, Tag für Tag nur Löcher in die Luft starren zu müssen. Bis vor einigen Tagen war sie auch noch einfach zu bewältigen. Ich bin täglich von Zimmer zu Zimmer gegangen, habe mich mit den Leuten unterhalten und die Listen gemacht. Hier und da habe ich Streits geschlichtet, alles vollkommen harmlos.

Doch von Tag zu Tag werden es mehr Menschen. Und damit auch mehr Aufgaben. Die letzten fünf Tage habe ich täglich 18 Stunden lang gearbeitet. Jeden Tag habe ich diesen Eintrag erneut aufgeschoben. Doch jetzt zwinge ich mich, die Erschöpfung zu ignorieren und ihn zu schreiben. Heute habe ich zum ersten Mal bei der Registratur der Neuankömmlinge geholfen. Mit einem Kran wurde ein Bürocontainer in die Orangerie gehoben. In dem sitze ich und fülle Bögen aus, befrage Flüchtlinge nach ihrer Vergangenheit und nach ihrer Geschichte.

Über vierhundert Menschen sind mittlerweile in der Botschaft. Das bayerische Rote Kreuz hat sechs Mannschaftszelte geliefert, in denen wir Leute unterbringen können – denn im Palais Lobkowitz ist kein Platz mehr. Die Regeln sind klar: Frauen und Kinder kommen in die Räume des Palais, Männer in die Zelte.“


12. September 1989

„Immer mehr Reporter sind jetzt da. Jeden Tag stehen mindestens zwei Kameras hinter den Zäunen und Journalisten fragen uns nach unserem Leben in der Botschaft. Sie sind freundlich und stellen uns freundlich dar. Das sagen zumindest die Botschafts-Mitarbeiter, die uns jeden Tag in der Tagesschau und den Tagesthemen sehen und uns dann erzählen, dass wir im Westfernsehen wie Helden inszeniert werden. Das ist gut, auch wenn sich natürlich niemand von uns wie ein Held fühlt. Aber erst recht fühlen wir uns natürlich nicht wie Erpresser. So werden wir in der Aktuellen Kamera im DDR-Fernsehen genannt. Deutlicher kann uns wohl nicht mehr gemacht werden, wo wir hingehören. Ich bin abends unendlich erschöpft von meiner Arbeit. Morgens aber euphorisiert. Alles, was hier passiert, ist aufregend für mich, für uns, für die Leute draußen. Erst recht, seit wir Anfang September die magische Grenze von über 1000 Flüchtlingen gesprengt haben. Neulich kam sogar eine komplette Gaststätte aus Berlin. Komplett! Von der Servierkraft bis über die Kellner und Köche bis hin zur Restaurantleiterin. Die kamen alle zusammen in einer Nacht bei uns an und sagten: „Wir sind der Richtenberger Hof“.

Obwohl gefühlt jeder Quadratmeter besetzt ist, versuchen wir, so gut wie möglich einen normalen Tagesablauf zu schaffen. Gestern haben wir das „Kinderzelt“ eröffnet. Eine Notlösung, denn auf zwei Erwachsene kommt ein Kind. Wir haben einen Kindergarten und eine Schule in dem Zelt eingerichtet. Von 9 bis 12 Uhr morgens wird Unterricht gegeben, danach darf gespielt werden. Frau Huber ist extra nach Prag gefahren und hat die halbe Spielwarenabteilung eines Kaufhauses leer gekauft. Ich habe noch nie so lautes Kindergeschrei gehört, wie in dem Moment, als der Lieferwagen Spielzeug über Spielzeug ausgeschüttet hat. Trotz aller Anstrengungen gibt es also Fröhlichkeit hier. Alle geben sich Mühe, dass das Leben in unserer kleinen Zeltstadt angenehm ist. Der Vorteil der riesigen Menschenmenge ist natürlich, dass wir das gesamte Potenzial an Berufen da haben: Von der Kindergärtnerin bis zum Chefarzt. Wir sorgen dafür, dass jeder etwas zu tun hat.“

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Eine Geschichte, die mir auch heute noch unter die Haut geht.

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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon pentium » 15. September 2014, 10:34

Am Abend des 30. Septembers 1989, verkündete der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon des Palais Lobkowicz, der Deutschen Botschaft Prag, seinen historischen Halbsatz: „Liebe Landsleute, wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise…“. Der Rest des Satzes, der die unkonditionierte Ausreise der ostdeutschen Botschaftsflüchtlinge in die Bundesrepublik bewilligte, ging im Jubel der fast 4000 DDR-Bürger im Innenhof der Botschaft unter.

Zitat:

Die Ausreisewelle schaukelt sich hoch

Die Zuflucht ostdeutscher Bürger in die Ständige Vertretung Bonns in Ost-Berlin sowie in die bundesdeutschen Botschaften in Warschau, Budapest und Prag begann bereits im Juni 1989. Konnten diese Flüchtlinge noch mehrheitlich zu einer Rückreise in die DDR bewegt werden, gestaltete sich die Situation im August und September des Jahres 1989 ungleich dramatischer. Mitte August befanden sich bereits mehr als 100 DDR-Bürger auf dem Botschaftsgelände in Prag. Während die Botschaft anfangs noch 20 bis 50 Neuzugänge pro Tag verzeichnete, so waren es später oft Hunderte, die täglich Zuflucht suchten. Einer der Hauptgründe für den plötzlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen war die Furcht, dass die DDR noch vor den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag ihrer Gründung im Oktober die Grenze zur Tschechoslowakei schließen würde, das einzige Land in das ostdeutsche Bürger ohne Visum reisen konnten. Der Weg nach Prag wäre dann verschlossen gewesen.

Der nicht abreißende Flüchtlingsstrom zwang schließlich am 23. August 1989 das Auswärtige Amt dazu, die Deutsche Botschaft in Prag, in der mittlerweile knapp 4000 Menschen (!) unter abenteuerlichen Umständen lebten, wegen Überfüllung zu schließen.

Die deutschen Botschaften in Warschau und Budapest wurden aus dem gleichen Grund geschlossen. Dies allerdings tat dem Zustrom der Flüchtenden nur wenig Abbruch. Zahllose DDR-Bürger versuchten in Prag verzweifelt über den Zaun in die Botschaft zu gelangen und wurden dabei nicht selten von den tschechoslowakischen Sicherheitskräften, die vermehrt außerhalb des Botschaftsgeländes an den Zäunen patrouillierten, gewaltsam daran gehindert. Dabei kam es nicht selten zu Tragödien: Familien wurden getrennt, als der Vater als letzter über den Zaun kletternd von der Polizei zurückgezogen wurde, oder auch zu Unfällen, als Flüchtlinge sich an den spitzen Zäunen schwerste Verletzungen zuzogen. Die Flüchtlinge in der Botschaft taten ihr bestes, um die Neuankömmlinge sicher über den Zaun zu bekommen: Oft wurden Sicherheitskräfte mit Steinen und gar Schuhen beworfen, um von Verhaftungsversuchen abzulassen. Zunehmend schien aber der Widerstand der Flüchtlinge sowie ‚Glasnost’ und ‚Perestroika’ als auch ausbleibende Direktiven aus Moskau, die tschechoslowakische Führung unter Husák und später Jakeš zutiefst zu verunsichern, denn mehrheitlich standen die Sicherheitskräfte dem Flüchtlingsstrom hilflos gegenüber.

Leben unter dramatischen Bedingungen – Solidarität der Tschechen

Die Lebensverhältnisse in der Prager Botschaft wurden mit dem enormen Flüchtlingszustrom immer dramatischer. Da die bundesdeutschen Behörden von der tschechoslowakischen Führung keine Erlaubnis bekam, Ausweichquartiere zu beziehen, wurden kurzerhand Repräsentationsräume der Botschaft mit Stockbetten in Notunterkünfte umgewandelt, die Konsularabteilung in ein Prager Hotel ausgelagert, Flüchtlinge richteten sich auf den Treppen und sogar im Heizungskeller ein und im Innenhof der Botschaft reihte sich Zelt an Zelt, die jeweils bis zu 60 Flüchtlinge beherbergen konnten.

Auch die Versorgung mit ausreichenden Lebensmitteln gestaltete sich, trotz Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes, immer schwieriger. Zur Minderung der kritischen Lage trugen vor allem Prager Bürger bei, die Essen in die Botschaft schmuggelten und sich sogar in eigene Gefahr brachten, indem sie ostdeutsche Bürger bei sich aufnahmen, die es nicht in die Botschaft geschafft hatten. Die prägendste Erinnerung für die Tschechen an die Ereignisse rund um die Prager Botschaft im Herbst 1989 scheinen jedoch die zahllosen Trabenten und Wartburgs zu sein, die von den ostdeutschen Flüchtlingen über ganz Prag verteilt zurückgelassen wurden und nun auf neue Besitzer warteten. Hieran erinnert ein Bronzeabguss der Skulptur „Quo Vadis“ (ein Trabant auf Beinen) von David Černý, der seit 2001 im Garten der Deutschen Botschaft Prag steht. In der Botschaft selbst prägte langes Anstehen vor den wenigen sanitären Anlagen und den Feldküchen den Alltag der Flüchtlinge. Starke Regenfälle im September verwandelten den Garten der Botschaft in eine Schlammwüste und spülten Fäkalien aus den Chemietoiletten auf die Zeltplätze, was die hygienischen Verhältnisse dramatisch verschlechterte und die Gefahr von Seuchen erheblich vergrößerte.

Die Prager Stadtwerke, die unermüdlich tankwagenweise Wasser lieferten und Berge von Müll entsorgten, konnten der Situation schließlich nicht mehr Herr werden. Schlimmer noch als die hygienischen Bedingungen, die Kälte und die drängende Enge war jedoch die Angst und Ungewissheit der Flüchtlinge, die zum Teil mehr als einen Monat in diesem Provisorium ausharren mussten. Besonders der Argwohn vor Stasi-Spitzeln innerhalb der Botschaft und die Angst, wieder in die DDR abgeschoben zu werden, belastete die Atmosphäre, da man trotz offiziell zugesicherter Straffreiheit bei freiwilliger Rückkehr in die DDR willkürliche Sanktionen der Staatsmacht fürchtete. Wilde Stasi-Anschuldigungen kursierten im Lager und erzeugten zum Teil tiefes gegenseitiges Misstrauen, was nicht selten zu teils heftigen gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Die eingeschleusten Stasi-Agenten unter den Flüchtlingen fürchteten zunehmend ihre Enttarnung und Meuchelmord und enttarnten sich deshalb sogar freiwillig den bundesdeutschen Behörden, um aus der Botschaft entlassen zu werden. Die mangelhafte Informationslage und die unklare Aussicht, wann etwas passieren würde, ließ zunehmend Verzweiflung aufkommen, so dass die Botschaft auch psychologische Hilfestellung leisten musste.

Die Botschaftsflüchtlinge waren aber, trotz ihrer Verzweiflung, entschlossen, dem Regime die Stirn zu bieten. Verließen beim ersten Besuch des DDR-Rechtsanwalts Wolfgang Vogel am 12. September 1989 noch 280 Personen die Botschaft, um unter Garantie von Zugeständnissen in die DDR zurückzukehren, so schlug Vogel bei seinem zweiten Besuch am 26. September wachsender Unmut und offene Feindseligkeit seitens der Botschaftsflüchtlinge entgegen.

Diplomatische Lösung im Hintergrund

Während die Situation in der deutschen Botschaft immer dramatischer wurde, verhandelten der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und der damalige Kanzleramtschef Rudolf Seiters im Hintergrund über das Schicksal der Flüchtlinge. Das Regime der DDR stand dabei mit Blick auf die am 4. Oktober beginnenden Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR sowie durch die Grenzöffnung in Ungarn am 11. September und die dadurch verursachte Massenflucht erheblich unter Druck. Nicht zuletzt war es auch das internationale Echo auf die emotionalen und teilweise schockierenden Bilder, das eine diplomatische Einigung beschleunigte. Am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York, wenige Tage vor der Balkonrede Genschers, konnte in Verhandlungen mit dem tschechoslowakischen Außenminister, DDR-Außenamtschef Oskar Fischer sowie dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse schließlich Einigkeit über die Ausreise der ostdeutschen Bürger in die Bundesrepublik erzielt werden.

Diese musste aber – so Erich Honeckers Bedingung – über das Territorium der DDR erfolgen, was die Souveränität des Regimes bei der Ausreise der Flüchtlinge dokumentieren sollte. Um den gegenüber den Versprechungen des SED-Regimes sehr misstrauischen Bürgern persönlich die Sicherheit der garantierten, ungehinderten Ausreise zu geben, flogen Seiters und Genscher zusammen nach Prag, wo es am Abend des 30. September zu dem mittlerweile legendär gewordenen Auftritt auf dem Botschaftsbalkon kam.

Ende Zitat

http://www.kas.de/tschechien/de/publications/17607/

Zu den Zügen steht weiter oben ein längerer Beitrag.

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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 15. September 2014, 16:21

pentium hat geschrieben:Starke Regenfälle im September verwandelten den Garten der Botschaft in eine Schlammwüste und spülten Fäkalien aus den Chemietoiletten auf die Zeltplätze, was die hygienischen Verhältnisse dramatisch verschlechterte und die Gefahr von Seuchen erheblich vergrößerte.

Die Prager Stadtwerke, die unermüdlich tankwagenweise Wasser lieferten und Berge von Müll entsorgten, konnten der Situation schließlich nicht mehr Herr werden. Schlimmer noch als die hygienischen Bedingungen, die Kälte und die drängende Enge war jedoch die Angst und Ungewissheit der Flüchtlinge, die zum Teil mehr als einen Monat in diesem Provisorium ausharren mussten. Besonders der Argwohn vor Stasi-Spitzeln innerhalb der Botschaft und die Angst, wieder in die DDR abgeschoben zu werden, belastete die Atmosphäre, da man trotz offiziell zugesicherter Straffreiheit bei freiwilliger Rückkehr in die DDR willkürliche Sanktionen der Staatsmacht fürchtete. Wilde Stasi-Anschuldigungen kursierten im Lager und erzeugten zum Teil tiefes gegenseitiges Misstrauen, was nicht selten zu teils heftigen gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Die eingeschleusten Stasi-Agenten unter den Flüchtlingen fürchteten zunehmend ihre Enttarnung und Meuchelmord und enttarnten sich deshalb sogar freiwillig den bundesdeutschen Behörden, um aus der Botschaft entlassen zu werden.


Man kann sich nur schwer vorstellen, was die Leute mitmachen mussten. Und das MfS im tiefsten Dreck mit dabei....irre.

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 18. September 2014, 16:28


Tagebuch des Christian Bürger, Folge 5
DER GANZ NORMALE WAHNSINN


„Ein verrücktes Bild: Ich liege auf der Treppe in der Eingangshalle des Palais Lobkowitz. Ich schlafe in der Nähe von Jens Hase, einem Flüchtling, der sich besonders engagiert. Überall um uns herum quetschen sich die Menschen zusammen und versuchen Ruhe zu finden. Überall stinkt es, weil wir ungewaschene Klamotten tragen. Der Dreck verklebt alles. Wir werden ihm nicht mehr Herr. Und dann wache ich plötzlich auf, als ich höre, wie sich im Wohnbereich der Hubers eine Tür öffnet. Ein Paar in Cocktailkleid und Frack schlängelt sich zwischen uns die Treppe hindurch. Und erst im dritten Augenblick erkenne ich, dass es die Hubers selbst sind. Gestriegelt und wohlriechend waten sie durch uns hindurch, um irgendwo da draußen – in einer Welt, die uns allen hoffentlich auch bald zugänglich sein wird – ihren Pflichten als Botschafter nachzukommen. Bevor sie die Botschaft verlassen, erkundigen sie sich noch einmal bei uns: „Alles okay? Kommen Sie zurecht? Sind alle satt?“ Dass sie nach der langen Zeit, in der wir hier sind, immer noch so geduldig und freundlich sind, öffnet mir das Herz.

Mittlerweile sind wir aus den Medien nicht mehr wegzudenken, weswegen die Flüchtlingsströme, die uns erreichen nicht weniger werden. Herr Huber gibt sich kampflustig. „Und wenn 6000 kommen, wir werden Platz für sie finden“, sagt er optimistisch. Wir sind bereits über 5000 Flüchtlinge. Es gibt keinen Platz mehr, die Luft ist schlecht, die Stimmung immer öfter gereizt. Wir versuchen den Leuten so gut wie möglich klar zu machen, dass wir unser gemeinsames Ziel nur schaffen, wenn wir zusammenhalten. Im Großen und Ganzen funktioniert gutes Zureden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die bereit sind für ihre Ziele alles zurückzulassen, sehr vernünftige Menschen sind. Ich habe keine Ahnung, wo noch ein weiterer Ankömmling unterkommen soll. Aber das wusste ich auch schon nicht, als wir „nur“ 4000 waren. Zelte, die für 25 Personen ausgelegt sind, werden mittlerweile von 60 bis 70 Menschen bewohnt. Nicht alle können nachts schlafen, wir haben „Schlafschichten“ bestimmt. Toiletten und Sanitäreinrichtungen sind komplett zusammengebrochen. Das rote Kreuz hat Toilettenwagen organisiert. Dort stehen den ganzen Tag lang Menschen an. Duschen ist nicht mehr möglich. Wir versuchen in Schüsseln und Gießkannen Wasser aus der Botschaft zu holen, damit man sich wenigstens Gesicht und Hände waschen kann. Doch Hygiene gibt es faktisch nicht mehr. Besonders macht uns der Regen zu schaffen. Er verwandelt den wunderschönen Park in der Botschaft in eine Schlammwüste.

Mit Holzpaletten versuchen wir, Wege zu befestigen. Plastikplanen werden zwischen die Zelte gespannt. Auch die tschechische Miliz war lange ein Problem. Sie hat immer wieder versucht, Menschen vom Zaun zu zerren, die zu uns klettern wollen. Die gingen brutal zur Sache. Letzte Woche hat Botschafter Huber selbst gesehen, wie einer Frau, die am Zaun hing, die Hose runter gerissen wurde. Er trat daraufhin persönlich zu den Milizen an den Zaun und hat mit seinen Mitarbeitern die Milizionäre daran gehindert, die Flüchtlinge weiter zu belästigen. Seitdem haben sie sich nicht mehr eingemischt.

Doch trotz aller Unannehmlichkeiten bleibt also die Gewissheit, dass hier in der Botschaft etwas ganz Wunderbares passiert. Wir wissen alle nicht, was mit uns geschehen wird. Aber wir waren niemals hoffnungsvoller, dass wir irgendwann in Sicherheit sein werden.
Das Gefühl hatte ich vor allem am 13. September. Der FC Hansa Rostock spielte im Europapokal gegen Caník Ostrava aus der Tschechei. An diesem Tag fuhr ein Sonderzug mit Rostock-Fans nach Ostrava. 300 von ihnen stiegen bereits in Prag aus und kletterten bei uns über den Zaun. 300 blau gekleidete Hansa-Fans klettern über den Zaun, einer nach dem anderen bis in die Nacht hinein. Ein unglaubliches Bild, das mich im ersten Moment annehmen ließ, die DDR hätte ihre Grenzen jetzt komplett aufgemacht. Ich bin überzeugt, dass alle Botschaftsflüchtlinge nie wieder in die DDR zurück müssen. Doch dass dieses Glück alle ostdeutschen Bürgern zuteilwerden wird, wird wohl noch für lange Zeit eine Utopie bleiben…”

http://blog.deutschland.de/der-ganz-normale-wahnsinn/
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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon augenzeuge » 18. September 2014, 16:44

Interessierter hat geschrieben: Letzte Woche hat Botschafter Huber selbst gesehen, wie einer Frau, die am Zaun hing, die Hose runter gerissen wurde. Er trat daraufhin persönlich zu den Milizen an den Zaun und hat mit seinen Mitarbeitern die Milizionäre daran gehindert, die Flüchtlinge weiter zu belästigen. Seitdem haben sie sich nicht mehr eingemischt.
[b]


Erstaunlich.... [wink]
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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 19. September 2014, 15:27

Tagebuch des Christian Bürger, Folge 6
EIN BLICK ZURÜCK


„Ich weiß nicht, ob ich jemals so aufgewühlt war, wie jetzt. Meine Gefühle niederzuschreiben, wird nicht einfach sein, aber ich versuche, so ehrlich wie möglich zu sein. Niemals hätte ich gedacht, ich könnte so etwas wie Heimweh empfinden. Aber absurderweise fühle ich heute genau das. Heimweh nach dem Staat, aus dem ich fliehen will. In all unserem Chaos und der Unwirklichkeit hinter den Mauern der Botschaft hatten wir heute einen unverhofft idyllischen Abend. Wir saßen in einem Zelt rund um einen Kanonenofen, haben Gulasch gelöffelt und uns an unsere Kindheit und Jugend erinnert. An die schönen Dinge, die wir irgendwie auch zurücklassen, wenn wir der DDR den Rücken kehren.

Ich bin systemkonform aufgewachsen, meine Eltern glaubten fest daran, im richtigen Teil Deutschlands zu leben. Ich war in der FDJ und diesen ganzen schulischen Organisationen vertreten. Ich konnte Sport machen, hatte viele Freude, großen Spaß und fühlte mich wohl im System. Wir haben heute Abend alle Geschichten aus der FDJ- Zeit erzählt und von den Abenteuern, die wir bei den Jungen Pionieren erlebt haben. Idyllische glückliche Zeiten, die leider nicht mehr zurückkommen werden und die zum Teil unserer Identität geworden sind. Lassen wir unsere Identität zurück, wenn wir in die BRD kommen? Werden wir dort jemals so glücklich sein können, wie wir damals als Kinder waren? Ist dies überhaupt für irgendeinen Erwachsenen möglich?

Erwachsenwerden assoziiere ich mit Unglücklichwerden. Ich war etwa 15 Jahre alt, als die ersten Zweifel kamen. Während eines Urlaubs in Ungarn lernte ich Menschen aus Österreich und Ungarn kennen. Mit denen habe ich abends zusammen gesessen und mir fiel auf, dass die ja gar nicht die bösen Kapitalisten sind, wie uns jeden Tag in der Schule erzählt wurde. Das waren ganz normale Menschen, die Sorgen und Probleme hatten. Da wurde mir klar, dass mir zu Hause Scheiß erzählt wurde. Seitdem kann ich das System nicht mehr positiv sehen. Ich bemerkte immer mehr Widersprüche. Doch heute Abend fiel mir wieder ein, wie schön es war, als ich das System, das ja meine Heimat war, noch positiv sehen konnte. Vielleicht ist „Heimweh“ das falsche Wort. Ich habe kein Heimweh. Ich bin einfach nur traurig, dass diese Zeit für immer zu Ende ist. Mit 17 Jahren wurde ich Vollwaise und musste mein Leben komplett selber gestalten. Plötzlich war niemand mehr um mich herum, der darauf achtete, dass ich das System nicht hinterfrage. Ich wurde erwachen – und alles um mich herum erschien falsch und machte mich unglücklich. Wie hätte ich keinen Ausreiseantrag stellen sollen?

Also: Trotz aller Nostalgie, die heute wieder hochgespült wurde, ist mein Entschluss felsenfest. Ich will raus aus diesem System, das mich niemals glücklich machen wird, auch wenn ich dort einmal glücklich war. Bei anderen scheint der Entschluss weniger fest zu sein, wenn auch nicht bei vielen. Heute kam Professor Vogel, ein Anwalt der DDR zusammen mit seinem Assistenten Gregor Gysi in die Botschaft. 24 Leute konnten sie überreden, wieder mit zurück in die Heimat zu kommen. Einer von ihnen hat sich bei uns entschuldigt. Vogel hatte ihm ein schlechtes Gewissen gemacht, da seine Mutter krank, pflegebedürftig und allein sei. Wer weiß, ob dem wirklich so ist.

Am Abend haben wir überlegt, warum wir in die DDR zurückkehren würden. Und da fielen allen im Zelt nur glückliche Stunden in der Kindheit ein. In der Zeit der Unwissenheit. Heute wissen wir zu viel. Und da kam die Frage auf, was wir tun würden, sollten wir jemals die Botschaft verlassen müssen. Wir könnten dann alle zusammen in einem Konvoi Richtung tschechisch-österreichische Grenze gehen. 6000 Menschen in einer langen Schlange. Eine verrückte Vorstellung. Doch als die Idee aufkam, hat niemand im Zelt gesagt, dass er nach einer Räumung der Botschaft wieder zurück in die Heimat gehen würde. Dafür haben wir alle mittlerweile einen zu hohen Preis gezahlt.“

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon tom-jericho » 21. September 2014, 05:34

Boah äh!

Er durfte sich hinter der MAUER an seine KINDHEIT und JUGEND erinnern!!!

Das ist mir in diesem KUHKAFF hier schon seit ewigen ZEITEN verboten worden.
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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 21. September 2014, 08:38

Tagebuch des Christian Bürger, Folge 7
DAS GIFT WIRKT


„Die Stasi kann hier nicht viel ausrichten. Zumindest nicht, wenn sie von außen kommt. Dafür sind wir alle zu entschlossen, die Botschaft nicht zu verlassen. Doch wir haben auch lange genug im System gelebt und wissen, wie es funktioniert. Das heißt: Es ist allen klar, dass unter uns Spione der Staatssicherheit sind. Bisher sind nur zwei von ihnen aufgeflogen: Der erste hielt dem Druck im Lager nicht mehr stand, hat sich selbst entlarvt und die Botschaft verlassen. Der andere wurde enttarnt und hat noch versucht, über den Zaun flüchten, bevor sie ihn sich geschnappt haben. An dem armen Kerl hat sich zügellose Wut entladen…


Man muss sich hier extrem zusammenreißen und zurücknehmen. Dem einen gelingt das besser, dem anderen weniger gut. Das Wichtige an der Sache ist aber, dass man nicht das Ziel aus den Augen verliert. Wer an der falschen Stelle zu emotional reagiert oder seiner Wut freien Lauf lässt, der riskiert, dass er alles, was er bisher durchgestanden hat, verliert. Auch ich bin angespannt. Auch in mir kocht die Wut, wenn ich erfahre, dass die Stasi hier ist. Herr Weber hat mir erst neulich erzählt, dass die Bundesrepublik nah an einer Lösung dran ist. Sie sind in engem Kontakt mit DDR-Außenminister Oskar Fischer. Wenn wir jetzt auf unseren Hass hören, dann kann die Situation in der Botschaft schnell umschlagen. Dann kann uns je nachdem nicht mehr geholfen werden.

Daher mussten wir die Prügler, die den entlarvten Stasi-Mann verhauen haben, ermahnen, sich zu beherrschen. Auch wenn ich nur zu gut verstehen kann, warum sie ausgerastet sind. „Nicht provozieren lassen“, ist das wichtigste Motto. In Zukunft gilt: Wenn wir einen Stasi-Spitzel erkennen, wenn wir einen schnappen, dann schaffen wir den zu den Mitarbeitern der Botschaft und übergeben ihn.

Nicht provozieren lassen, sonst riskieren wir alles.


Und das Wichtigste: Niemals dürfen wir uns dazu hinreißen lassen, uns gegenseitig zu verdächtigen. Das stärkste Gift der Stasi heißt Misstrauen. Wir alle haben jahrelang im DDR-System gelebt. Uns wurde eingebläut, dass wir uns gegenseitig nicht vertrauen können. Dass potenziell jeder uns verraten könnte, wenn wir etwas tun, was nicht systemkonform ist. Und wir alle hier tun etwas nicht systemkonformes. Damals, bei meinem ersten Fluchtversuch wurde ich verraten. Ich muss zugeben, dass es mir seitdem schwer fällt, Menschen aus der DDR zu vertrauen. Und ich hasse mich dafür, dass ich mich seit der Enttarnung des Spitzels dabei ertappe, wie ich überlege, wer von den anderen Flüchtlingen ein Verräter sein könnte.

Ich verbiete mir, so zu denken! Ich will mit diesem Denken nichts mehr zu tun haben! Ich will das System ja verlassen, damit ich nicht mehr so denken muss. Aber es ist schwer. Ich weiß, dass schon bald etwas passieren muss. Ich muss in die Freiheit, sonst werde ich irgendwann meine Wut nicht mehr kontrollieren können, die sich aus der Angst speist, dass all die Kraft, die wir hier seit Monaten aufbringen müssen, nirgendwohin führt.“

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Re: Die Ausreise aus Prag.............1989

Beitragvon augenzeuge » 22. September 2014, 16:43

Noch einer berichtet, wie es war......

„Wir hatten Panik, dass sie die DDR noch dichter machen, die Mauer höher ziehen, noch mehr Strom darauf legen. Wir wussten: Hier und heute müssen wir los“, erinnert sich der heute 60-Jährige, der in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) geboren wurde und 1974 ins Vogtland zog. Spontan setzten Homann und seine damalige Frau ihre zehn- und achtjährigen Töchter sowie ihren sieben Monate alten Sohn, ins Auto, sie nahmen nur den Kinderwagen mit. Das Ziel: Die deutsche Botschaft in Prag......

http://www.nordbayerischer-kurier.de/na ... hte_295951

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Re: Zug in die Freiheit

Beitragvon Interessierter » 23. September 2014, 07:29

Tagebuch des Christian Bürger, Folge 8
FLÜCHTLINGSSTOPP


„Eine Lösung muss her. Wenn wir noch eine Woche länger hier sind, wenn nur eine Handvoll mehr Flüchtlinge kommen, dann fürchte ich, dass bald das absolute Chaos ausbricht. Bisher sind wir von einem Krankheitsausbruch verschont worden. Aber wie lange noch? Die hygienischen Bedingungen spotten jeder Beschreibung. Permanent stehen wir dicht an dicht, niemand ist gewaschen. Zu allem Überfluss muss ich immer wieder Interviews im Namen der Flüchtlinge geben und Statusmeldungen für westliche Fernsehsender durchsagen. Immer dieselben Fragen, immer freundlich und gut gelaunt bleiben, niemals erschöpft oder wütend wirken. Letzten Samstag habe ich die letzten Flüchtlinge registriert. Auf dem Weg zu Herrn Weber habe ich es kaum durch die Menschenmassen geschafft. Ich würde mich nicht wundern, wenn ich in der Botschaft eine ausgeprägte Klaustrophobie entwickeln sollte.

Als ich Herrn Weber die Tagesbelege gab, sagte ich, dass es absolut keinen Zweck mehr hätte, noch irgendjemanden zu registrieren. Ich wäre mir nicht einmal sicher, ob überhaupt jeder registriert sei. Denn spätestens seit ich den 4000. Flüchtling aufgenommen habe, habe ich die Übersicht verloren, wer überhaupt alles hier ist, wen ich schon aufgeschrieben habe, wer neu hinzugekommen ist. Ich rechnete damit, dass Weber meine Bedenken beiseiteschieben und die bisher gültige Parole von Botschafter Huber wiederholen würde: „Und wenn wir 6000 aufnehmen müssen, dann ist es eben so.“ Stattdessen klopfte mir Weber auf die Schulter, nickte mir leicht zu und sagte nur: „Na, dann mach dein Büro zu.“ Er signalisierte vollstes Verständnis und wusste, dass ich nicht über einen Flüchtlingsstopp nachdenken würde, wenn ich nicht wirklich ernsthafte Gefahren für die Sicherheit der Menschen in der Botschaft sehen würde.

Bevor wir uns verabschiedeten, bat ich ihn, mir ein Megafon zu besorgen. Anders habe ich keine Chance mehr, mir in der Menschenmenge Gehör zu verschaffen. Heute Morgen war ich wieder bei Weber. „Wie schaut es denn aus mit meinem Megafon?“ Weber blickt zu mir auf. Seine Augen sind irgendwie glasig. So als würde er mich gar nicht richtig wahrnehmen. Er sieht durch mich hindurch, als er antwortet: „Das brauchst du nicht mehr.“ – „Wie? Das brauche ich nicht mehr? Hier sind tausende Menschen! Was, wenn dringend einer Hilfe braucht, wenn ich etwas wichtiges…“ Weber unterbricht mich völlig unvermittelt. „Genscher kommt heute“, sagt er. Ich kann zunächst nicht zuordnen, was er da gesagt hat. Genscher? Warum sollte der zu uns kommen? „Wie? Genscher kommt heute?“ Erst als ich diese Frage ausgesprochen habe, wird mir klar, was Weber mir da eigentlich gesagt hat. Der Moment, auf den wir seit Monaten warten, wird heute kommen. Genscher wird unsere Hoffnungen erfüllen. Oder sie zerstören.

„Umsonst kommt der jedenfalls nicht her“, sagte Weber noch, bevor ich sein Büro verließ. Als ich mich durch die Massen schob, fragten nicht wenige, ob alles mit mir in Ordnung sei. Ich antwortete nicht. Was weiß ich, ob alles in Ordnung ist? Entweder ist alles in Ordnung oder nichts. Das werden wir heute Nachmittag wohl erfahren. Es fällt mir schwer, das zu schreiben. Denn meine Hand zittert vor Aufregung.“

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