Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Dokumente über die Zeit der Wende

Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon pentium » 28. September 2014, 17:12

Sparta schreibt in einem anderem Thread.

...Nein, das ist kein anders Thema Kristian, das gehört genau mit hier her, denn hätte die DDR - Führung damals
entsprechend reagiert, also eine freie Ausreise und wieder Einreise garantiert, was wäre dann passiert?...

Oft vergessen:

Entwurf des Gesetzes über Reisen von DDR-Bürgern ins Ausland, 6. November 1989

Entwurf

GESETZ über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland
- Reisegesetz - vom...

§1

Geltungsbereich

(1) Die Bestimmungen des Gesetzes gelten für Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland.
(2) Reisen im Sinne dieses Gesetzes sind Dienst- und Privatreisen sowie ständige Ausreisen.

Grundsätze

§2

(1) Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht, in das Ausland zu reisen.
(2) Minderjährige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres können nur in Begleitung von Erziehungsberechtigten oder eines Beauftragten der Erziehungsberechtigten in das Ausland reisen.
(3) Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht, jederzeit in die Deutsche Demokratische Republik einzureisen.

§3

Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht, einen Reisepaß der Deutschen Demokratischen Republik zu erwerben.

§4

(1) Für Reisen in das Ausland sind ein Paß der Deutschen Demokratischen Republik und eine darin eingetragene Genehmigung -Visum- erforderlich. Soweit zwischenstaatlich vereinbart, können Dienst- und Privatreisen in das Ausland paß- und visafrei erfolgen.
(2) Eine Genehmigung kann für eine Reise oder mehrere Reisen nach einem Staat oder mehreren Staaten erteilt werden.
(3) Genehmigungen für Dienst- und Privatreisen werden befristet.
(4) Für Privatreisen und ständige Ausreisen erforderliche Einreise- bzw. Transitvisa anderer Staaten sind durch den Bürger einzuholen.

§5

(1) Die Genehmigung einer Privatreise begründet keinen Anspruch auf den Erwerb von Reisezahlungsmitteln.
(2) Festlegungen über Möglichkeiten des Erwerbs von Reisezahlungsmitteln und deren Höhe trifft der Minister der Finanzen in Abstimmung mit dem Präsidenten der Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage von Entscheidungen des Ministerrates in Rechtsvorschriften.

§6

(1) In Übereinstimmung mit Artikel 12 der Konvention über zivile und politische Rechte darf die Genehmigung für eine Reise nur dann versagt werden, wenn dies zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit oder der Moral oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
(2) Die Versagung der Genehmigung für Reisen in das Ausland trägt Ausnahmecharakter.

§7

Die Erteilung der Genehmigung für eine ständige Ausreise kann ausgesetzt werden, bis der Antragsteller
a) Zahlungsverpflichtungen oder andere Verbindlichkeiten oder Unterhaltsrückstände beglichen hat,
b) seine Eigentums- und Nutzungsrechte an Grundstücken und Gebäuden geregelt hat.

§8

Entscheidungen und Bearbeitungsfristen

(1) Entscheidungen zu Dienst- und Privatreisen treffen die Leiter Paß- und Meldewesen der zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei.
(2) Entscheidungen zu ständigen Ausreisen treffen die Leiter der Abteilungen Innere Angelegenheiten oder Genehmigungsangelegenheiten des zuständigen Rates des Kreises/Stadtbezirkes.
(3) Anträge für Dienst- und Privatreisen sind innerhalb von 30 Tagen zu entscheiden. In dringenden Fällen wird über den Antrag innerhalb von 3 Arbeitstagen entschieden.
(4) Anträge für ständige Ausreisen sind in der Regel innerhalb von 3 Monaten, spätestens jedoch innerhalb von 6 Monaten, zu entscheiden.

§9

Information über Entscheidungen

Über eine getroffene Entscheidung ist der Antragsteller zu informieren. Eine ablehnende Entscheidung ist schriftlich mitzuteilen und zu begründen.
Rechtsmittel und gerichtliche Nachprüfung

§10

(1) Gegen eine nach diesem Gesetz getroffene Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig. Der von der Entscheidung Betroffene ist darüber zu informieren.
(2) Soweit Entscheidungen durch den Leiter Paß- und Meldewesen der Dienststelle der Deutschen Volkspolizei getroffen wurden, regelt sich das Beschwerdeverfahren nach Paragraph 19 des Gesetzes vom 11. Juni 1968 über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei (GBl. I Nr. 11 S. 232).
(3) Beschwerden gegen Entscheidungen des Leiters der Abteilung Innere Angelegenheiten oder Genehmigungsangelegenheiten des Rates des Kreises/ Stadtbezirkes sind innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntwerden der Entscheidung schriftlich bei diesem einzulegen. Kann er der Beschwerde nicht abhelfen, hat er diese bis 4 Wochen nach ihrem Eingang seinem übergeordneten Leiter des Rates des Bezirkes/ Stadtkreises vorzulegen. Dieser hat innerhalb weiterer 6 Wochen endgültig zu entscheiden. Kann diese Frist nicht eingehalten werden, ist ein Zwischenbescheid zu erteilen.

§ 11

(1) Gegen eine Entscheidung nach diesem Gesetz und den zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften kann der Betroffene, nachdem über seine Beschwerde entschieden ist, innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der abschließenden Entscheidung Antrag auf Nachprüfung durch das Gericht stellen.
(2) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes vom 14. Dezember 1988 über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen (GBl. I Nr. 28 S.327).
(3) Die gerichtliche Nachprüfung ist nicht zulässig, wenn der Beschwerde aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben wurde.

§12

Wiederholung der Antragstellung

Anträge auf Privatreisen und ständige Ausreisen können erneut gestellt werden, wenn die Gründe, die zur Ablehnung des Antrages geführt haben, nicht mehr vorliegen oder nach der Entscheidung 6 Monate vergangen sind.
Schlußbestimmungen

§13

Für Ausländer, einschließlich Staatenlose, mit ständigem Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik finden die Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Anwendung.

§14

Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften erlassen der Ministerrat, der Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei sowie der Minister der Finanzen.

§15

(1) Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.
(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:
a) die Verordnung vom 30. November 1988 über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Ausland (GBl. I Nr. 25 S.271)
b) die Erste Durchführungsbestimmung vom 14. März 1989 zur Verordnung über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Ausland (GBl. I Nr. 8 S.119).


Quelle: Neues Deutschland, 6.11.1989.

Der Gesamtreisezeitraum ist auf dreißig Tage pro Jahr beschränkt. Er enthält "Versagungsgründe", die nicht eindeutig und nachprüfbar definiert sind und der Behördenwillkür großen Spielraum lassen. Die Finanzierung der Reisen bleibt ungelöst.

Also nicht einfach Pass im VPKA Plauen abholen und Tante Klara in Hof besuchen.

Was trotz dieser Restriktionen noch wenige Wochen zuvor als Fortschritt begrüßt worden wäre, löst jetzt Empörung aus und verstärkt die Proteste auf der Straße.

mfg
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Spartacus » 28. September 2014, 18:36

Gut mit den 30 Tagen hätte man bestimmt leben können, aber diese Versagungsgründe waren wieder
mal typisch DDR, die hätte es einfach nicht geben dürfen. Jeder darf reisen, bums und aus.

Gerade bei überzeugten SED Kadern, wäre so eine Erfahrung doch interessant geworden, denke ich mal.

LG

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon pentium » 28. September 2014, 20:11

Mal noch ein paar Zahlen, als Hintergrund zum Reisegesetz.

Zitat:
Bis zum Ende der ersten Novemberwoche hatten allein 1989 über 225000 Ostdeutsche ihren Weg nach Westdeutschland gefunden. Innerhalb eines Tages, vom 8. zum 9. November, flohen mehr als 11000 Ostdeutsche über die Tschechoslowakei in die Bundesrepublik. Es musste daher dringend etwas geschehen.
...
Krenz und die neue SED-Führung waren sich von Anfang an darüber im klaren gewesen, dass die Frage der Reisefreiheit von größter Bedeutung, ja entscheidend, sein werde, wenn die Erneuerung des Regimes auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg haben sollte.
Der erste Entwurf eines neuen Reisegesetzes lag am 31. Oktober vor und zirkulierte zunächst in der Spitze von Partei und Regierung. Der Entwurf sah vor, dass alle Bürger der DDR das Recht haben sollten, ohne harte Währung für einen Monat im Jahr ins Ausland zu reisen, vorausgesetzt dass sie einen gültigen Reisepass und ein Visum besaßen, das von der Polizei innerhalb von dreißig Tagen nach Antragstellung zu erteilen sei.
Obwohl der Entwurf noch einige Ungereimtheiten enthielt - vor allem hinsichtlich der Notwendigkeit einer Visumserteilung -, wurde er am 6. November veröffentlicht. Die Regierung erwartete, dass die Diskussion darüber bis Ende November abgeschlossen sein werde, so dass die neuen Verfahren irgendwann im Dezember in Kraft treten könnten. Doch die vorgesehenen Bestimmungen stießen auf massive Kritik.
...
Noch am Tage der Veröffentlichung forderten mehrere Hunderttausend Menschen auf einer Massendemonstration in Leipzig "ein Reisegesetz ohne Einschränkungen". Vertretern der SED wurde es nicht mehr erlaubt, auf der Versammlung zu sprechen. "Zu spät, zu spät", erscholl es aus der Menge. Und zum ersten Mal: "Wir brauchen keine Gesetze - die Mauer muss weg!" Auch in anderen Städten der DDR gab es Protestaktionen gegen den Entwurf. Sogar das zensierte Fernsehen brachte kritische Stimmen von DDR-Bürgern. Und in Fabriken im ganzen Land kam es zu spontanen Warnstreiks von Arbeitern, die sich durch das geplante Gesetz diskriminiert fühlten, weil es für sie keine Devisen vorsah, die für Reisen ins Ausland unabdingbar waren...]

Der Entwurf wurde daraufhin am folgenden Tag vom Rechtsausschuss der Volkskammer als "unzureichend" verworfen.

http://www.deutschegeschichten.de/zeitr ... 29&Seite=2

Wie es dann weiter... siehe 9.November

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon andr.k » 29. September 2014, 00:00

@pentium, versuche mal das Buch "Chefermittler" von Gerhard Lauter zu lesen, bevor Du aus vielen anderen Foren kopierst. Speziell ab Seite 148 im Kapitel "Nenn es Rechtsmittelinformation statt Rechtsmittelbelehrung", erfährt der interessierte Leser den genauen Ablauf über die Entstehung dieser Entwürfe.

Es wurden drei Dokumente erstellt: Eine politische Entscheidungsvorlage für die SED-Führung, einen Entwurf für die Rechtsverordnung des Ministerrates, um überhaupt zu einer gewissen Rechtsgrundlage zukommen, und eine Presseerklärung für ADN, die amtliche Nachrichtenagentur, versehen mit einer Sperrfrist zum 10.November 1989, 04.00 Uhr.

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon pentium » 29. September 2014, 15:08

andr 88-1 hat geschrieben:@pentium, versuche mal das Buch "Chefermittler" von Gerhard Lauter zu lesen, bevor Du aus vielen anderen Foren kopierst. Speziell ab Seite 148 im Kapitel "Nenn es Rechtsmittelinformation statt Rechtsmittelbelehrung", erfährt der interessierte Leser den genauen Ablauf über die Entstehung dieser Entwürfe.

Es wurden drei Dokumente erstellt: Eine politische Entscheidungsvorlage für die SED-Führung, einen Entwurf für die Rechtsverordnung des Ministerrates, um überhaupt zu einer gewissen Rechtsgrundlage zukommen, und eine Presseerklärung für ADN, die amtliche Nachrichtenagentur, versehen mit einer Sperrfrist zum 10.November 1989, 04.00 Uhr.

AK


Danke für den Hinweis mit dem Buch @andr, ich bestelle es noch diese Woche.

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Beethoven » 30. September 2014, 08:44

Ohje, jetzt kriege ich Prügel. [crazy]

Jährlich hielten sich 12 Millionen Bürger der DDR aufgrund von Privater-, Touristen- und Dienstreisen im Ausland, vorwiegend im sozialistischen Ausland auf.
Allein 1986 reisten 240.000 Bürger der DDR unterhalb des Rentenalters wegen dringender Familienangelegenheiten ins kapitalistische Ausland, wobei die Gründe für „dringende Familienangelegenheiten“ ab 1982 immer großzügiger gefasst wurden. 1987 fuhren bereits 1,2 Millionen und 1988 6,7 Millionen in „dringenden Familienangelegenheiten“
Während der Existenz der DDR wurden etwa 1,5 Millionen Bürger durch die zuständigen staatlichen Organe Genehmigungen erteilt, ihren ständigen Wohnsitz im kapitalistischen Ausland zu nehmen und zu diesem Zweck aus der DDR auszureisen. (Um hier Relationen zu verdeutlichen, 1987 reisten laut Statistik 5 Millionen Bürger der DDR in die Bundesrepublik, davon 1,2 Millionen wegen dringender Familienangelegenheiten. 1987 wurden gleichzeitig 11.459 Bürgern die Ausreise zur Übersiedlung in die BRD genehmigt.)

Joachim Nawrocki war einer der wenigen in der Bundesrepublik, der sich bezüglich der Reisetätigkeit der Ostdeutschen an die Fakten hielt. In der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb er 1987: „Es gibt Millionen Reisen hin und zurück … In diesem Jahr sind rund drei Millionen DDR Bürger in den Westen gereist; 1,7 Millionen Rentner und 1,2 Millionen unterhalb des Rentenalters. Da viele mehrfach reisten, werden es fünf Millionen Reisen gewesen sein, ebensoviel wie die Reisen von Bundesbürgern in die DDR und das bei einer fast vierfach höheren Einwohnerzahl in der Bundesrepublik.“


Quelle: „Die Sicherheit“ Teil 2, Seite 164 und 165; ISBN 3-360-01044-2
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Volker Zottmann » 30. September 2014, 11:21

Du @Beethoven,
benutzt auch noch diese krankhafte DDR-Redewendung "großzügig"
Was war großzügig?
Etwa, dass ich in den letzten 3 Jahren 4 mal fahren durfte?
Was war großzügig?
Dass meine Familie als Geiseln bleiben mussten, damit ich auch ja zurückkehre?

Nein, nichts war großzügig, egal wie viele zum Schluss reisen durften. Das Reisen aus der DDR war kleinkariert! So erniedrigende Regelungen gab es weltweit kein zweites mal. (Nordkorea wollen wir mal ausklammern)

Gruß Volker
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Beethoven » 30. September 2014, 12:32

Na, sach ich doch - "Prügel" [grins]

Lieber Volker, Dir ist entgangen, dass ich ein Zitat eingesetzt habe. Siehe Quelle.

Egal, die Zahlen sprechen für sich ob nun "großzügig" oder nicht.

Gruß
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon pentium » 30. September 2014, 12:55

Ja die Zahlen, Beethoven. Was besagen den die Zahlen?

...Während der Existenz der DDR wurden etwa 1,5 Millionen Bürger durch die zuständigen staatlichen Organe Genehmigungen erteilt, ihren ständigen Wohnsitz im kapitalistischen Ausland zu nehmen und zu diesem Zweck aus der DDR auszureisen...

Jetzt besagen die Zahlen aber nicht: Wieviele von den 1, 5 Millionen Bürger waren Rentner, deren Anträge ohne grosse Probleme genehmigt wurden. Wieviele waren davon Spätaussiedler (Wolgadeutsche) deren Anträge ebenfalls schnell genehmigt wurden. Fehlen noch die Anträge wegen Eheschliessungen?

...Allein 1986 reisten 240.000 Bürger der DDR unterhalb des Rentenalters wegen dringender Familienangelegenheiten ins kapitalistische Ausland, wobei die Gründe für „dringende Familienangelegenheiten“ ab 1982 immer großzügiger gefasst wurden...

240.000 Bürger im Jahre 1986! Bei einer Bevölkerung von ca. 16 Millionen, ja die Zahl spricht wirklich für sich, @ Beethoven. Ach ja du kennst doch die Gründe für „dringende Familienangelegenheiten“ und auch die Versagungsgründe für eine Ablehnung?

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Beethoven » 30. September 2014, 13:35

Ja Pentium - und nun?

Was willst Du von mir hören? [muede]

Es ist ein Zitat, wie ich schon bemerkte [hallo]

Vielleicht liest Du es mal ganz und versuchst zu begreifen.

"Joachim Nawrocki war einer der wenigen in der Bundesrepublik, der sich bezüglich der Reisetätigkeit der Ostdeutschen an die Fakten hielt. In der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb er 1987: „Es gibt Millionen Reisen hin und zurück … In diesem Jahr sind rund drei Millionen DDR Bürger in den Westen gereist; 1,7 Millionen Rentner und 1,2 Millionen unterhalb des Rentenalters. Da viele mehrfach reisten, werden es fünf Millionen Reisen gewesen sein, ebensoviel wie die Reisen von Bundesbürgern in die DDR und das bei einer fast vierfach höheren Einwohnerzahl in der Bundesrepublik.“

Quelle: „Die Sicherheit“ Teil 2, Seite 164 und 165; ISBN 3-360-01044-2

Damit will ich nicht in Abrede stellen, dass es Millionen Bürger der DDR gab, die nicht in den Westen reisen konnten. Ich zählte übrigens auch dazu. [hallo]
Allerdings hat mir das nicht gefehlt.

Engels hat einmal geschrieben: "... Freiheit ist auch die Einsicht in die Notwendigkeit ..."
Schon die alten Römer hielten sich daran - Lets loqui cum altera parte.

Gruß Jörg
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Volker Zottmann » 30. September 2014, 14:14

Beethoven hat geschrieben:
Engels hat einmal geschrieben: "... Freiheit ist auch die Einsicht in die Notwendigkeit ..."
Schon die alten Römer hielten sich daran - Lets loqui cum altera parte.

Gruß Jörg


....was war denn das für einer, der Engels? Kannten den die Römer?
Also mal im Ernst, der Engels kann doch palavert haben was er will, nur wegen dem wollte ich mir nicht die Weltsicht versagen... [flash]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon karnak » 30. September 2014, 16:45

Volker Zottmann hat geschrieben:Du @Beethoven,
benutzt auch noch diese krankhafte DDR-Redewendung "großzügig"
Was war großzügig?
Etwa, dass ich in den letzten 3 Jahren 4 mal fahren durfte?
Was war großzügig?
Dass meine Familie als Geiseln bleiben mussten, damit ich auch ja zurückkehre?

Nein, nichts war großzügig, egal wie viele zum Schluss reisen durften. Das Reisen aus der DDR war kleinkariert! So erniedrigende Regelungen gab es weltweit kein zweites mal. (Nordkorea wollen wir mal ausklammern)

Gruß Volker

Du hast natürlich recht, mit großzügig hatte das nichts zu tun. Letztlich musste der DDR-Bürger schon das Wort"großzügig" als Provokation, als Anmaßung des Staates ihm gegenüber empfinden, schlichtweg als Frechheit. Wenn ich für die Ausarbeitung eines solchen Amtspapier zu den Reisemöglichkeiten Verantwortung getragen hätte, ich hätte dieses Wort niemals verwandt, zumindest nicht freiwillig. [flash] Fakt ist und unterm Strich bleibt einfach übrig, man wusste genau, ökonomisch, moralisch,ethisch waren und sind wie dem Westen einfach nicht gewachsen, ein zu großer Teil unserer Leute ist für unsere Wert-und Lebensvorstellungen einfach nicht zu begeistern, wir haben ihnen einfach zu wenig zu bieten. Sind wir mehr als"großzügig" und eigentlich ist das schon zu viel, wenden sich einfach zu viele von uns ab, dass können wir uns bei Strafe unseres Unterganges nicht leisten. Dieser "Teufelskreis" war einfach nicht zu durchbrechen, es gab eigentlich keine andere Lösung als sich selbst aufzugeben, also haben wir den Deckel auf den Topf gedrückt und immer nur so viel Dampf rausgelassen wie es gerade noch erträglich und machbar war. Das wurde immer schwieriger und ging irgendwann gar nicht mehr, das Ende war vorprogrammiert,wir wussten das, haben es aber nicht wahr haben wollen, so mach einer bis zum Schluss nicht, ein Drama und Dilemma.
Ich habe das schon mal irgendwo geschrieben, ich war und konnte nicht in den Westen, aber er ist viele Jahre an mir vorbeigefahren, das hat mich geprägt und mir mehr und mehr Bauchschmerzen gemacht. Nicht in der Hinsicht was einen eventuellen Verrat an meinen Land angeht, in der Hinsicht, wie sollen wir das bloß hinbekommen mit einer" Erfolgsgeschichte "DDR. Ich weiß nicht was mit mir passiert wäre wenn wir noch 10 Jahre hätten weiter machen können, irgendwie bin ich froh,dass dieser Kelch an mir vorbei gegangen ist, es wäre eine schwierige Entscheidung geworden.
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon augenzeuge » 30. September 2014, 16:51

Beethoven hat geschrieben:Gruß Jörg


Ohjee, hoffentlich bringt man unsere Namen nicht durcheinander, Beethoven.... [flash]
AZ (auch Jörg) [grins]
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon andr.k » 30. September 2014, 16:54

Ich beginne gleich mit einem Zitat: Jährlich hielten sich 12 Millionen Bürger der DDR aufgrund von Privater-, Touristen- und Dienstreisen im Ausland, vorwiegend im sozialistischen Ausland auf.

Das hat "Die Sicherheit" richtig toll geschrieben. In dem Zitat fehlt nur, wer überhaupt und wohin fahren durfte. Das mit dem vorwiegend im sozialistischen Ausland klingt doch schon etwas beschränkter. Wobei "Die Sicherheit" doch gegen das Verlassen der DDR war, oder? Egal...

Natürlich reisten immer mehr DDR-Bürger besuchsweise in die BRD, was man auch statistisch bezeugen wollte/konnte. Aber es gab weder eine gesetzliche Grundlage für Privatreisen noch für ständige Ausreisen, lediglich eine Regierungsverordnung, mit der geregelt wurde, was eine dringliche Familienangelegenheit war, die als Reisegrund galt. Das alles war sehr vage, man kann es auch positiv interpretieren: Es gab einen Entscheidungsspielraum. Aber es war kein geregeltes Recht, kein fixiertes Gesetz, dessen Einhaltung notfalls juristisch von jedermann eingefordert werden Konnte. Und genau darauf zielten Forderungen unter anderem Nachfolgekonferenzen der KSZE.

Betrachten wir mal die beiden Dokumente:

EH - 1.jpg

EH - 2.jpg


Erich Honecker hat unter Punkt 3, wo die Privatreisen aufgeführt worden waren, aus dem Minus ein Plus gemacht. Im I. Quartal 1989 waren, im Vergleich zum I. Quartal 1988, 19,8 Prozent weniger DDR-Bürger in den Westen gefahren, das heißt es wurden etwa ein Fünftel weniger genehmigt. Was auch nicht überrascht, da die Zahl der für immer Ausgereisten stetig am Wachsen war. Dadurch haben sich zwangsläufig die Proportionen verschoben.
Honecker hatte nun aus 19,8 eine 9,8 gemacht und das Minus zum Plus erklärt. Aus den 290.922 Reisenden waren 390.922 geworden, wobei die Differenz, ich habe es nicht nachgerechnet, ganz gewiss nicht jene 9,8 Prozent ausmachte, die er dann unterm Strich zu stehen hatte. Diese kleine Korrektur erfolgte einzig zu dem Zweck, die DDR beim Klassenfeind besser erscheinen zu lassen, es war mithin eine Finte im Klassenkampf.

AK
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon augenzeuge » 30. September 2014, 17:05

Beethoven hat geschrieben:Jährlich hielten sich 12 Millionen Bürger der DDR aufgrund von Privater-, Touristen- und Dienstreisen im Ausland, vorwiegend im sozialistischen Ausland auf.
Allein 1986 reisten 240.000 Bürger der DDR unterhalb des Rentenalters wegen dringender Familienangelegenheiten ins kapitalistische Ausland, wobei die Gründe für „dringende Familienangelegenheiten“ ab 1982 immer großzügiger gefasst wurden.


Wahnsinn! Wollen wir das mal mit den Zahlen der Ausreisenden/ Flüchtenden im 2. Halbjahr 1989 gegenüberstellen? [denken] Das so viele dann überhaupt noch den Drang hatten.....wegzugehen?
[denken]

Großzügig, dringende Familienangelegenheiten? Für mich wirkt es heute noch arrogant, dieses Wort in diesem Zusammenhang überhaupt zu gebrauchen. Wenn Kinder nicht mal ihre Eltern mit unter die Erde bringen durften, wie würdest du das nennen?
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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon Spartacus » 30. September 2014, 18:36

Engels hat einmal geschrieben: "... Freiheit ist auch die Einsicht in die Notwendigkeit ..."


Ein beliebtes Zitat im real existierendem Sozialismus der DDR. Gehört habe ich das zum letzten Mal, als
es mein Führungsoffizier ( Leutnant) in Bautzen dazu benutzte, um den verirrten Schäflein im Rotlichtuntericht
klar zu machen, das Freiheit nicht unbedingt so gesehen werden muss, das man mal eben hinreisen kann, wo
hin man will.

Billig, wie ich ihn dann gleich darauf belehrte. [flash]

LG

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Re: Reisen von DDR-Bürgern i. Ausland (Entwurf)

Beitragvon augenzeuge » 30. September 2014, 18:40

Spartacus hat geschrieben: um den verirrten Schäflein im Rotlichtuntericht klar zu machen, das Freiheit nicht unbedingt so gesehen werden muss....

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Darf, Sparta, nicht gesehen werden darf.... [super]
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