Die Wende in Leipzig und die Wahrheit, Teil 2

Dokumente über die Zeit der Wende

Die Wende in Leipzig und die Wahrheit, Teil 2

Beitragvon augenzeuge » 8. Oktober 2010, 12:09

Fortsetzung

Es wird heute, auch in anderen Foren, oft mit Befehlen von Honecker und Krenz argumentiert, welche teils zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierten. Und Krenz und Honecker werden als die Friedensengel dargestellt, obwohl sie die Macht am 9.10. an die Verantwortlichen in Leipzig abgegeben hatten...und an diesem Tag nicht mal einen telefonischen Rat geben wollten oder konnten.

An diesem Tag wurde eine Kirche zum Krankenhaus umgebaut, man rechnete mit dem Schlimmsten.

Wer trug die Verantwortung?



Am 6. Oktober wurde der von der SED in Auftrag gegebene Leserbrief eines Leipziger Kampfgruppenkommandeurs veröffentlicht, in dem es hieß: "Wir sind bereit und Willens, das von uns mit unserer Hände Arbeit Geschaffene wirksam zu schützen, um diese konterrevolutionären Aktionen endgültig und wirksam zu unterbinden. Wenn es sein muss mit der Waffe in der Hand." Diese massiven Einschüchterungsversuche seitens des Staates sowie die interne Aufforderung zu radikalen Maßnahmen verliehen der Lage eine immer schärfere Brisanz.

Am 9. Oktober standen 8000 Polizisten, Kampftruppenmitglieder und NVA-Soldaten bereit. In den Krankenhäusern waren die Blutkonserven aufgestockt worden, medizinisches Personal wurde zu Spät- und Nachtschicht zwangsverpflichtet. Die Nikolaikirche war schon seit 14 Uhr mit 600 SED-Mitarbeitern besetzt. Zugverbindungen nach Leipzig waren erschwert Trotz der drohenden Gefahr einer „chinesischen Lösung“ nach Vorbild des Massakers vom „Platz des Himmlischen Friedens“ fanden sich 70000 Bürger nach den Friedensgebeten zusammen.

In der gefahrvollen Situation verlas Gewandhauskapellmeister Kurt Masur einen von ihm, dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange, dem Theologen Peter Zimmermann und drei SED-Funktionären, Dr. Kurt Meyer, Jochen Pommert und Dr. Roland Wötzel, verfassten Text, der zur Gewaltlosigkeit aufrief....


AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Die Wende in Leipzig und die Wahrheit, Teil 2

Beitragvon Interessierter » 5. Juni 2020, 08:49

Dazu auch dieses interessante Interview mit Bernd-Lutz Lange aus dem Jahre 2019:


"Endlich nimmt die Demonstranten jemand ernst"


Es hätte blutig enden können, damals, 1989. So, wie wenige Monate zuvor auf dem Tiananmen-Platz in China. Hätte! Aber die Massendemonstration, bei der 70.000 Menschen über den Leipziger Ring zogen, blieb friedlich. An diesem 9. Oktober - also morgen vor 30 Jahren - wurde Geschichte geschrieben - und der Grundstein für den Fall der Berliner Mauer gelegt. Bernd-Lutz Lange ist Kabarettist und trug wesentlich dazu bei, dass die Montagsdemonstrationen in Leipzig nicht aus dem Ruder liefen. Er gehörte zu den "Leipziger Sechs": Gemeinsam mit Kurt Masur, Gewandhauskapellmeister, dem Theologen Peter Zimmermann und drei SED-Bezirkssekretäre. Diese Sechs verfassten einen Aufruf zur Gewaltfreiheit - dem Demonstranten, Polizisten und Politiker folgten.

Herr Lange, wenn Sie heute zurück denken: Wo hat für Sie persönlich alles angefangen?


Bild
Bernd-Lutz Lange wurde 1944 in Ebersbach geboren und wuchs in Zwickau auf.

Bernd-Lutz Lange: Angefangen hat es damit, dass ich einen dieser Funktionäre durch meine Kabarettarbeit kannte. Er war mal eine Zeit lang Kultursekretär und zuständig für die sogenannte "Abnahme" der Kabarettprogramme. Abnahme war ein geschöntes Wort für Zensur. Er war aber ein Mensch, von dem ich heute sagen würde, er war ein liberaler Funktionär. Man konnte mit ihm reden, und das haben wir dann auch genutzt. So habe ich dann mit der Zuspitzung der Situation mit ihm Kontakt aufgenommen. Und so waren wir seit Sommer 1989 im Gespräch.

Das Interview geht hier weiter:
https://www.ndr.de/kultur/Bernd-Lutz-La ... l2140.html
Interessierter
 


Zurück zu Dokumente

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast