Letzte Dienstberatung MfS Karl-Marx-Stadt

Dokumente über die Zeit der Wende

Letzte Dienstberatung MfS Karl-Marx-Stadt

Beitragvon pentium » 1. Juni 2017, 17:13

Tondokument
http://www.chemnitzer-geschichten.de/im ... -Stadt.MP3

Karlheinz Reimann zum Tondokument:
Dieses historisch bedeutsame Tondokument zeigt einen Ausschnitt aus der letzten Dienstberatung der MfS-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt am 4. Dezember 1989. Zunächst spricht der Stasi-Chef von Karl-Marx-Stadt, Generalleutnant Siegfried Gehlert: "Mit den Enthüllungen ... nimmt der Haß auf die Mitarbeiter dieses Ministeriums dermaßen zu ... wir können doch nicht zusehen, dass man uns identifiziert mit den Verbrechern da oben ... " Danach ergreift Peter Bombik, Sekretär der Zentralen SED-Parteileitung der Stasi-Bezirksverwaltung das Wort: "Ich habe im Prinzip überhaupt keine andere Meinung. Aber das Schlimmste, was uns passieren kann ist, dass wir in Panik verfallen ... " Im weitern Verlauf spricht Gehelert über die künftige Tätigkeit der Stasi-Mitarbeiter: "...egal, ob wir Flaschen abfüllen, als Kraftfahrer arbeiten, in die Justiz gehen, zum Zoll, zur Polizei ..." und Bombik erläutert die Bildung einer PGH Kraftfahrzeuginstandsetzung: "... der Genosse Koch ist, wenn ich richtig informiert bin ... Ingenierökonom ... von der Ökonomie hast du nicht viel Ahnung und von der Ingenieurerei auch nicht, aber du bist's nun mal ... und da wird der Genosse Koch Vorsitzender der PGH ... so und da wirst du noch mehr Geld verdienen, als du jetzt verdienst ... " mit hämischem Lachen, und weiter "weil die Menschen so gemein sind, dass sie es ... nicht verdient haben, dass wir noch einen Schritt tun, um uns für unsere aufopferungsvolle Arbeit als Verbrecher abstempeln zu lassen".

Niemals vorher war die Stasi Karl-Marx-Stadt in einer derartig desolaten Verfassung wie zu dieser letzten Dienstberatung. Mit Verwunderung schaut man auf das Bild von sich selbst, das die oberste Stasi-Führung - immerhin ein General - hier demonstriert. Die Stasi, vor der so viele Menschen so viele Jahre so große Angst hatten. Begründete Angst, angesichts der Verknüpfung dieses Eigenbildes und ihrer fast unbegrenzten Macht.

Zwei Tage später wurde Generalleutnant Gehlert entlassen und erhielt eine Abfindung von 52.250 Mark/DDR, die mit der Einführung der DM am 1. Juli 1990 zu etwa 26.125 DM geworden sind. Bis zum 15. Januar 1990 musste die Stasi sämtliche Waffen übergeben. Im Januar 2010 ist Gehlert in Chemnitz gestorben und auf dem Städtischen Friedhof Reichenhain namenlos beigesetzt worden.

(Die Veröffentlichung des Tondokumentes hier erfolgt mit freundlicher Genehmigung der BStU-Außenstelle Chemnitz, archiviert unter der Signatur: BStU, MfS BV KMST/KA/1(Z) )
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