Das Schicksal des Fluchthelfers Hermann Kirsch
Verfasst: 29. Mai 2015, 13:42
20 schreckliche Monate in Haft haben die Seele kaputt gemacht
Flutkammer, "schwarze Zelle", körperliche Gewalt: Hermann Kirsch hat vor 45 Jahren im DDR- Gefängnis das volle Programm abbekommen. Das setzt ihm bis heute zu. Trotzdem hilft er in Zwönitz sogar anderen.
Lichtenstein/Zwönitz. Hermann Kirsch ist 1948 in Papenburg an der Ems geboren, hat 1992 seine jetzige Frau in Lichtenstein kennengelernt und lebt inzwischen seit über 20 Jahren dort. "Das war vielleicht auch ein bisschen Protest von mir", bekennt er, denn vor 45 Jahren hatte er in der DDR Stasi-Methoden erlebt, von denen er bis heute gezeichnet ist. Hermann Kirsch hat einst Elektroinstallateur gelernt und direkt nach der Lehre auf einem Frachtschiff angeheuert. Weil er nicht zur Bundeswehr gehen wollte, hatte er damals seinen ersten Wohnsitz in West-Berlin, damals ein beliebter Wohnort, um dem Wehrdienst zu entgehen. Hermann Kirsch ist während seiner Landurlaube gern für einen Tag nach Ostberlin gefahren. Bei einem solchen Aufenthalt lernte er einen Chirurgen der Charité kennen, der ihn ansprach, ob er seine Schwester und deren Verlobten in den Westen bringen könnte. Hermann Kirsch überlegte nicht lange und organisierte das. Nach eigener Aussage komplett in Eigeninitiative.
Er besorgte Pässe und Passierscheine, ließ seinen Renault schusssicher präparieren, traf sich mit den beiden DDR-Flüchtlinge am Rastplatz Burg und wollte die DDR über Marienborn verlassen. Doch an der Grenze ging etwas schief. An der dritten Sperre hieß es plötzlich "Aussteigen". Hermann Kirsch trat aufs Gas. Er resümiert: "Es waren 48 Einschüsse im Auto, aber wir waren im Westen." Allerdings hatte Kirsch nun ein Problem: Er selbst war mit seinem Originalpass unterwegs gewesen, war nun also als Fluchthelfer registriert. Trotzdem lief er bei seinem Job auch Häfen von Ostblockländern an. Mit Wissen der Reederei und des Kapitäns ist Hermann Kirsch 1969 unter dem Namen "Henry de Priet" auf Fahrt von Hamburg nach Leningrad gegangen, um dort Holz zu laden. Die Hälfte der Fracht sollte in Rostock gelöscht werden. Bei der Ankunft in Rostock wartete bereits die Stasi am Pier.
Wenn Hermann Kirsch erzählt, was er nach seiner Verhaftung erlebte, klingt das ungeheuerlich und unglaublich. Was passierte, ist einigen Stasidokumenten, vor allem aber einem 23-seitigen, handschriftlichen Bericht von Hermann Kirsch und seinen mündlichen Schilderungen zu entnehmen.
Zunächst ging es zur Untersuchungshaft nach Magdeburg, wo Hermann Deeken (2011 nahm er den Namen seiner Frau - Kirsch an , wie er damals noch hieß, jeden Tag verhört wurde. Auch Gewalt wurde dabei angewendet. Kirschs Hände zeugen noch heute von schlecht versorgten Fingerbrüchen. Doch das Martyrium hatte damit kein Ende. Hermann Deeken wurde für 48 Stunden an eine voll aufgedrehte Heizung gekettet, bekam während dieser Zeit weder zu essen noch zu trinken und durfte nicht zur Toilette. Später wurde er in die sogenannte "Flutzelle" gesteckt. Das war laut Kirsch ein kleiner, mit Gummi abgedichteter Raum. "Auf einmal bemerkte ich, dass aus dem Fußboden langsam aber stetig Wasser kam. Das Wasser stieg und stieg, bis ich angefangen habe zu strampeln und zu schwimmen. Irgendwann berührte mein Kopf die Decke." Erst dann wurde das Wasser abgelassen. Das setzt ihm bis heute psychisch zu. Noch in Untersuchungshaft wollte Hermann Deeken sich erhängen.
Der vollständige Beitrag hier:
http://www.freiepresse.de/LOKALES/ERZGE ... 201820.php
Flutkammer, "schwarze Zelle", körperliche Gewalt: Hermann Kirsch hat vor 45 Jahren im DDR- Gefängnis das volle Programm abbekommen. Das setzt ihm bis heute zu. Trotzdem hilft er in Zwönitz sogar anderen.
Lichtenstein/Zwönitz. Hermann Kirsch ist 1948 in Papenburg an der Ems geboren, hat 1992 seine jetzige Frau in Lichtenstein kennengelernt und lebt inzwischen seit über 20 Jahren dort. "Das war vielleicht auch ein bisschen Protest von mir", bekennt er, denn vor 45 Jahren hatte er in der DDR Stasi-Methoden erlebt, von denen er bis heute gezeichnet ist. Hermann Kirsch hat einst Elektroinstallateur gelernt und direkt nach der Lehre auf einem Frachtschiff angeheuert. Weil er nicht zur Bundeswehr gehen wollte, hatte er damals seinen ersten Wohnsitz in West-Berlin, damals ein beliebter Wohnort, um dem Wehrdienst zu entgehen. Hermann Kirsch ist während seiner Landurlaube gern für einen Tag nach Ostberlin gefahren. Bei einem solchen Aufenthalt lernte er einen Chirurgen der Charité kennen, der ihn ansprach, ob er seine Schwester und deren Verlobten in den Westen bringen könnte. Hermann Kirsch überlegte nicht lange und organisierte das. Nach eigener Aussage komplett in Eigeninitiative.
Er besorgte Pässe und Passierscheine, ließ seinen Renault schusssicher präparieren, traf sich mit den beiden DDR-Flüchtlinge am Rastplatz Burg und wollte die DDR über Marienborn verlassen. Doch an der Grenze ging etwas schief. An der dritten Sperre hieß es plötzlich "Aussteigen". Hermann Kirsch trat aufs Gas. Er resümiert: "Es waren 48 Einschüsse im Auto, aber wir waren im Westen." Allerdings hatte Kirsch nun ein Problem: Er selbst war mit seinem Originalpass unterwegs gewesen, war nun also als Fluchthelfer registriert. Trotzdem lief er bei seinem Job auch Häfen von Ostblockländern an. Mit Wissen der Reederei und des Kapitäns ist Hermann Kirsch 1969 unter dem Namen "Henry de Priet" auf Fahrt von Hamburg nach Leningrad gegangen, um dort Holz zu laden. Die Hälfte der Fracht sollte in Rostock gelöscht werden. Bei der Ankunft in Rostock wartete bereits die Stasi am Pier.
Wenn Hermann Kirsch erzählt, was er nach seiner Verhaftung erlebte, klingt das ungeheuerlich und unglaublich. Was passierte, ist einigen Stasidokumenten, vor allem aber einem 23-seitigen, handschriftlichen Bericht von Hermann Kirsch und seinen mündlichen Schilderungen zu entnehmen.
Zunächst ging es zur Untersuchungshaft nach Magdeburg, wo Hermann Deeken (2011 nahm er den Namen seiner Frau - Kirsch an , wie er damals noch hieß, jeden Tag verhört wurde. Auch Gewalt wurde dabei angewendet. Kirschs Hände zeugen noch heute von schlecht versorgten Fingerbrüchen. Doch das Martyrium hatte damit kein Ende. Hermann Deeken wurde für 48 Stunden an eine voll aufgedrehte Heizung gekettet, bekam während dieser Zeit weder zu essen noch zu trinken und durfte nicht zur Toilette. Später wurde er in die sogenannte "Flutzelle" gesteckt. Das war laut Kirsch ein kleiner, mit Gummi abgedichteter Raum. "Auf einmal bemerkte ich, dass aus dem Fußboden langsam aber stetig Wasser kam. Das Wasser stieg und stieg, bis ich angefangen habe zu strampeln und zu schwimmen. Irgendwann berührte mein Kopf die Decke." Erst dann wurde das Wasser abgelassen. Das setzt ihm bis heute psychisch zu. Noch in Untersuchungshaft wollte Hermann Deeken sich erhängen.
Der vollständige Beitrag hier:
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