vs1400 hat geschrieben: herr grafe hat recherchiert, in archiven gelesen, weit nach der wende menschen dazu befragt und nen buch darüber geschrieben. ... mehr nicht!
sein leben war in der ex-ddr nicht erwähnenswert und beginnt ab januar 1989.
vs1400 hat geschrieben:er berichtet nicht.
er möchte berichten, auch er hätte eine familie kowalski befragen können, oder?
Torsten, du unterliegst einigen Irrtümern und vergleichst Dinge, die man nicht vergleichen kann. Du hast deine Grenz-Erfahrungen in einem kurzen Zeitraum in einem kleinen Gebiet erlebt. Dabei möchte ich nicht wissen, was du nicht erlebt hast, weil man es vor dir verheimlicht hat. Noch dazu fast am Ende der DDR. Mehr nicht! Was hat Grafe dagegen getan?
Er hat zig "Kowalskis" befragt, er hat mit Tätern, Opfern und Angehörigen gesprochen, ihre Sicht schildern lassen. Und das zu ganz vielen Ereignissen eines größeren Gebietes von '45-'90! Das kannst du oder andere nicht erlebt haben!
"Er berichtet nicht" sagst du. Falsch.
Er berichtet anhand von Dokumentationen. Besser und wahrheitsgetreuer geht es doch kaum. Manchmal ist das sogar realer, als wenn einer berichtet, der nur seine subjektive persönliche Sicht darstellen kann. Dabei muss der kausale Zusammenhang nicht mal stimmen.
Zu "mehr nicht":Er hat aus tausenden Akten eine überschaubare Chronik entwickelt, die seinesgleichen sucht. Wenn man das liest, bekommt man einen Überblick in die unterschiedliche Denkweise, die Abläufe, man erkennt, wie die Zeiten sich änderten. Das Buch ist kein Klagebuch, es ist keine Abrechnung. Im Gegenteil,
Grafe berichtet auch über sich entwickelnde Freundschaften, auch zwischen West und Ost Offizieren. Wie sie anfangs dachten, wie sie sich entwickelten!
Er brachte Leute zusammen durch seine Erkenntnisse. Das hatte Seltensheitswert. Und du gehst darüber hinweg und fragst nach seinem DDR-Leben? Das ist ja fast so, als ob ich sage, ich lese erst Harry Potter, wenn ich das Leben der Schriftstellerin genau kenne. Auch wenn man die Bücher natürlich nicht vergleichen kann, es ist sinngemäß das Gleiche.
Grafe war der Durchschnitts-DDR-Jugendliche, wie du und ich und doch anders, er erkannte eben nur früh was er nicht wollte, während andere etwas getan haben, nur weil es fast alle so machten.
Was hat mein DDR-Leben mit Erkenntnissen zu tun, die ich erst danach erhalten habe? Wir haben eine Kanzlerin, die FDJ-Sekretärin war, na und. Wäre ich denn schlechter, wenn ich das auch gewesen wäre? Wie wichtig kann ein junges DDR-Leben überhaupt gewesen sein, dass wir heute, nach 24 Jahren, uns anmaßen seinen gesamten Erkenntnisgewinn nach '89 und die sich danach entwickelnde Persönlichkeit infrage zu stellen, wenn wir nicht wissen, was er bis zu seinem Ausreiseantrag im Alter von 17 Jahren getan hat?
Das Buch hätte für mich Müller oder Schulze schreiben können, ist es denn eher der Schriftsteller oder der Inhalt, was zählt?
Sorry, wenn ich mich ausgelassen habe. Aber ich bin ein Typ, der es absolut nicht begreifen kann, ja, den es auch ärgert, wenn manche mit angebotenem Wissen so umgehen wie du. Nichts ist böse gemeint, es soll dich jedoch zum Nachdenken anregen.
AZ