Vor 70 Jahren - Kohleabbau Büddenstedt-Hötensleben

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Vor 70 Jahren - Kohleabbau Büddenstedt-Hötensleben

Beitragvon Interessierter » 27. Juni 2021, 09:46

Kohleabbau im Grenzgebiet zwischen Büddenstedt und Hötensleben

Schüsse bei Helmstedt

April 1956 Der Morgen graute. An jener Stelle, an der die Zonengrenze den Braunkohlentagebau Wulfersdorf der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke (BKB) zu Helmstedt in einen östlichen und einen westlichen Teil zerschneidet, sah ein Beamter des bundesrepublikanischen Zollgrenzdienstes, wie eine Anzahl Männer von Osten her ganz offen auf die Zonengrenze losmarschierte und Anstalten machte, diese Linie zu überschreiten. Der Zollbeamte riss aufgeregt seinen Karabiner von der Schulter, entsicherte und legte an. Sekunden später peitschten scharfe Schüsse über die Köpfe der Männer aus dem Osten. Das Echo der Schüsse – niemand wurde getroffen – war zwischen den Kohlenhalden kaum verhallt, als der Zollbeamte Befehl erhielt, in solchen Fällen künftig nichts mehr zu unternehmen.
Aus dem Befehl ging hervor, dass die Zonengrenze an dieser Stelle keine Zonengrenze im alten Sinne mehr sei.

Seit diesem Tage kommen an jener Stelle jeden Morgen Arbeiter aus der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik völlig unbehelligt in die Bundesrepublik. Zugleich passieren bundesrepublikanische Arbeiter kaum fünf Kilometer weiter südlich im Tagebau Viktoria den Stacheldraht in Richtung Osten, und kein Volkspolizist der sowjetzonalen „Deutschen Grenzpolizei” kümmert sich darum.


Damit, so scheint es, ist ein erster Schritt getan, um an dieser Stelle dem Eisernen Vorhang den Charakter eines unüberquerbaren Todesstreifens zwischen der östlichen und der westlichen Welt zunehmen und die Zonengrenze wieder zu dem zu machen, was sie ursprünglich war: zu einer von alliierten Befehlshabern gezogenen Demarkationslinie zwischen ihren Besatzungsbereichen in Deutschland.

1947– Kohle soll trotz Zonengrenze abgebaut werden können

Im Jahre 1947 waren die vier Besatzungsmächte übereingekommen, dass alle Maßnahmen zu unterbinden seien, die den Abbau der reichhaltigen Kohlenflöze des Helmstedter Gebietes sowie die Rentabilität der Gesamtanlagen der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke beeinträchtigen könnten. Dazu war es nötig, der Zonen-grenze nicht mehr als administrative Bedeutung beizumessen. Die Linie lief nämlich – etwa entlang der Grenze zwischen dem ehemaligen Land Braunschweig und der Provinz Sachsen – mitten durch die Tagebaue hindurch.

1952 — Die Grenze wird undurchlässig

Die Grenze wurde jedoch auch in diesem Gebiet eine wider alle wirtschaftliche Vernunft unübersteigbare Barriere, als sich Anfang Mai 1952 abzeichnete, dass es der Bundesregierung in Bonn und drei Westmächten mit der Unterzeichnung des damals noch Generalvertrag genannten Deutschlandvertrages ernst war. Schon am 6. Mai 1952 verwehrten Volkspolizisten im Tagebau Wulfersdorf, der von der Demarkationslinie genau wie der Tagebau Viktoria durch-schnitten wird, achthundert westdeutschen Arbeitern den Übertritt in die Sowjetzone. Das war aber erst der Anfang. Am 25. Mai erhielt die Betriebsführung der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke in ihrem Helmstedter Bürohaus eine Mitteilung der sowjetzonalen Volkspolizei, dass der Arbeitergrenzverkehr zwischen Ost und West eingestellt werde.

Um 7.30 Uhr am nächsten Tage, drei Stunden, bevor im Bonner Bundesratssaal die Außenminister Eden, Schuman, Acheson und der Kanzler Adenauer den Generalvertrag unterzeichneten, besetzten Volkspolizisten die ostwärts der Zonengrenze gelegenen Betriebe der BKB – nämlich Teile des Tagebaus Viktoria, das Kraftwerk Harbke und die Brikettfabrik Fürst Bismarck in Völpke – und vertrieben die Westarbeiter. Punkt 1O Uhr desselben Tages wurde die Zonengrenze auch im Tagebau Wulfersdorf abgeriegelt, unbeschadet der Tatsache, dass östlich noch westliche Bagger standen, an denen bis heute schwarzrotgoldene Fähnchen der Deutschen Demokratischen Republik flattern. Zur gleichen Stunde wurde auch der Werkstelephon-verkehr zwischen beiden Deutschlands unterbrochen, und im Kraftwerk Harbke, wohin die Verbindung noch funktionierte, sagte ein Vopo-Offizier barsch: „Legen Sie auf, es hat keinen Zweck.” Die Sowjetzonen-Teilstücke der BKB wurden zu einem „Volkseigenen Betrieb” gemacht.

Wie es weiterging erfährt man hier:
https://heimatmuseum-schoeningen.de/vor-70-jahren/
Interessierter
 

Re: Vor 70 Jahren - Kohleabbau Büddenstedt-Hötensleben

Beitragvon zoll » 27. Juni 2021, 13:24

Ich habe die "Segnungen" des Kraftwerks Harbke noch an der Wäsche verspürt. Bei Ostwind haben mit affenartiger Geschwindigkeit unsere Frauen die Wäsche von der Leine genommen. Wer es nicht getan hat, durfte dem nochmaligen Vergnügen eines erneuten Waschvorganges nachgehen.
Auch die ostzonale Brikettfabrik war nicht besser. Nicht vergessen zu erwähnen möchte ich das Schwelwerk Offleben. Dort wurde aus Braunkohle u. a. Leichtöl und Koks gewonnen. Der Gestank der von dieser Einrichtung ausging war auch nicht ohne.
Also alles in allem eine "gesunde" Landluft, die den Aufenthalt im Freien an manchen Tagen zur Belastung werden ließ.
Als Ausgleich gab es aber in Alversdorf (abgebaggert) ein kostenloses Hallenbad, von der Braunschweiger Braunkohle bereit gestellt.
Man darf auch nicht vergessen, dass die Beschäftigten nach dem Bergmannstarif mit den entsprechenden Vergünstigen (jährlich Freikohle oder umgewandelt in Stromverbrauch) entlohnt wurden. Die heutigen Rentner haben nichts zu meckern.
Die Einschränkung die aber für alle galt, war, sie konnten ihre ehem. Kumpel und die Verwandtschaft in den nahe gelegenen Dörfern nicht besuchen.
In Sichtweite vom Schlagbaum in Offleben lag der dort bis Kriegsende genutzte Friedhof. Ältere Einwohner berichteten, dass sie diesen bis Anfang der 1950er Jahre noch besuchen konnten
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