Tötungen an der DDR-Grenze;

Die innerdeutsche Grenze. Alles was in das Thema Grenze, Grenztruppen, BGS, Zoll, Fluchten, Teilung, Leben im Sperrgebiet, usw.

Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon Interessierter » 28. Oktober 2020, 10:49

BGH 4 StR 30/01 - Urteil v. 26. April 2001 (LG Schwerin)

Tötungen an der DDR-Grenze; Totschlag; Beihilfe; Grenztruppen; Befehle 101, 80, 20; Versuch; Unvermeidbarer Verbotsirrtum; Mineneinsatz (Rechtswidrigkeit auch gegenüber Grenzübertritten aus der BRD); Menschenrechte

§ 212 StGB; § 27 StGB; § 22 StGB; § 17 S. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters


1. Die Staatspraxis der DDR, die die vorsätzliche Tötung von Flüchtlingen durch Schußwaffen, Selbstschußanlagen oder Minen zur Vermeidung einer Flucht aus der DDR in Kauf nahm, war wegen offensichtlichen, unerträglichen Verstoßes gegen elementare Gebote der Gerechtigkeit und gegen völkerrechtlich geschützte Menschenrechte nicht geeignet, die Täter zu rechtfertigen (vgl. BGHSt 40, 218, 232). Dies gilt in besonderem Maße für den Einsatz von Splitterminen zur bloßen Durchsetzung des Verbots, die innerdeutsche Grenze ohne besondere Erlaubnis zu überschreiten (BGHSt 44, 204, 209). Der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz solcher blinder Tötungsautomaten ist eklatant menschenrechtswidrig (BGH aaO).

2. Wegen der Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit scheidet ein Schuldausschluß aus, wenn nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände gegen eine Erkennbarkeit des Strafrechtsverstoßes für den Täter sprechen (vgl. auch BVerfGE 95, 96, 142, 143). Die "doktrinäre Einbindung in die - alle gesellschaftlichen Bereiche beherrschende - Ideologie der führenden Partei" stellt keine Besonderheit, sondern für Straftaten der hier gegebenen Art den Regelfall dar. Es bedarf daher besonderer Darlegung, warum ein Angeklagter bei dieser Sachlage (unkontrollierter Einsatz von Splitterminen), in der auch für einen indoktrinierten Menschen der Verstoß gegen das elementare Tötungsverbot augenfällig war, nicht durch Nachdenken zu einer Unrechtseinsicht hätten gelangen können.

3. Wenn Personen von der Bundesrepublik Deutschland aus das Staatsgebiet der DDR unbewaffnet und ohne Gefährdung allgemein anerkannter Rechtsgüter betreten wollten, ist der Einsatz unkontrolliert wirkender Erdminen zur bloßen Durchsetzung des Verbots, die innerdeutsche Grenze in Richtung auf das Staatsgebiet der DDR ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu überschreiten als rechtswidrig zu qualifizieren. Dem richtig ausgelegten Recht der DDR (vgl. hierzu BGHSt 39, 1, 26, 29; 41, 101) kann ein Rechtfertigungsgrund hierfür nicht entnommen werden. Auch insoweit gilt, daß der regelmäßig verheerend wirkende und nicht kontrollierbare Einsatz von Minen an der innerdeutschen Grenze von vornherein eklatant menschenrechtswidrig war.


Den Entscheidungstenor dazu, findet man hier:
https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/4/01/4-30-01.php3
Interessierter
 

Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon augenzeuge » 28. Oktober 2020, 11:37

Der letzte Absatz sagt es deutlich.

AZ
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon HPA » 28. Oktober 2020, 11:43

Aus diesem Grund sind die Hauptverantwortlichen Streletz, Kessler und Krenz ja auch vor dem EUGH krachend gescheitert.
HPA
 

Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon pentium » 28. Oktober 2020, 12:10

HPA hat geschrieben:Aus diesem Grund sind die Hauptverantwortlichen Streletz, Kessler und Krenz ja auch vor dem EUGH krachend gescheitert.


Ja doch wie oft denn nun noch?
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon zoll » 28. Oktober 2020, 12:12

Eigentlich brauchte es für die Einschätzung von Minen und Schusswaffen zur Sicherung der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland keines Gerichts. Das diese Grenze über ein erträgliches Maß hinaus ging war ganz offensichtlich. Das konnte jeder Besucher erkennen.
Das konnte auch jeder Bewohner in der DDR ermessen. Eine Sperrzone vor einer Grenze, ein Zaun, Wachtürme, Minen, Doppelposten mit MP, Hundelaufanlagen, beleuchtete Grenzabschnitte, Sichtschutzblenden zur Verdeckung von Sichtkontakten, das konnte jeder normal geistig entwickelte Mensch nur als eine Gefängnisabsicherung deuten.
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon HPA » 28. Oktober 2020, 12:22

pentium hat geschrieben:
HPA hat geschrieben:Aus diesem Grund sind die Hauptverantwortlichen Streletz, Kessler und Krenz ja auch vor dem EUGH krachend gescheitert.


Ja doch wie oft denn nun noch?


So oft es notwendig ist

Und vor allem immer dann wenn einer derjenigen als "honorige" Interviewpartner präsentiert werden. [grin]
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon pentium » 28. Oktober 2020, 12:28

HPA hat geschrieben:
pentium hat geschrieben:
So oft es notwendig ist

Und vor allem immer dann wenn einer derjenigen als "honorige" Interviewpartner präsentiert werden. [grin]


Könnte auch eine Zwangshandlung sein? Muss aber nicht...
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon HPA » 28. Oktober 2020, 12:30

Hätte, könnte..ein bisschen viel Spekulatius, nicht?

Du kannst aber ruhig aussprechen dass es Dir nicht gefällt ,dass ich wiederholt die Namen der Hauptverantwortlichen für die Toten an der innerdeutschen Grenze nenne. [grin]
HPA
 

Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon pentium » 28. Oktober 2020, 12:39

HPA hat geschrieben:Hätte, könnte..ein bisschen viel Spekulatius, nicht?

Du kannst aber ruhig aussprechen dass es Dir nicht gefällt ,dass ich wiederholt die Namen der Hauptverantwortlichen für die Toten an der innerdeutschen Grenze nenne. [grin]


Gefällt? Von mir aus kannst du das immer wieder wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholen. Mich interessiert nur mal der Hintergrund, warum man das immer wieder schreibt, wenn der Name Krenz fällt? Aber ich denke ich kann damit leben...na ja und Haupt verantwortlich...seit 1945...? Ist aber nicht das Thema.
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon HPA » 28. Oktober 2020, 12:46

.na ja und Haupt verantwortlich.


ja genau. dafür wurden sie rechtskräftig verurteilt.

Gefällt? Von mir aus kannst du das immer wieder wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholen.


Aber gerne doch

[grin]
HPA
 

Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon ratata » 28. Oktober 2020, 15:57

Ich war Grenzsoldat der DDR , ich habe mich nicht freiwillig zum morden an die innerdeutschen Grenze gemeldet . Mit 18 Jahren bin ich am 2.05 .1969 zur Volksarmee GR 23 eingezogen wurden . Während meiner Grundausbildung wurde ich systematisch auf meinen Dienst an der Grenze vorbereitet . Politisch wurde ich so überzeugt , das meine späteren Handlungen zum Schutze des Arbeiter und Bauernstaates dienten .
Bei meiner Vereidigung schwor ich dem Arbeiter und Bauernstaat treu zu dienen ...... .
Mein erster Einsatz zur Sicherung der DDR Grenze erfolgte bei der Vergatterung mit den Worten .. Grenzverletzer sind festzunehmen oder zu vernichten .....

Aus meiner heutigen Sicht gab es wohl keinen Soldaten aus meiner damaligen Dienstzeit , der nicht geschossen hätte . Zum Glück war das Grenzsystem nicht so übersichtlich wie an der Berliner Mauer . Es gab zwar Grenzverletzungen , die aber nicht erkannt wurden .
leider bin ich nicht mit den Urteilen gegen Grenzsoldaten einverstanden , wie es auch geschildert wurde in den Urteilsbegründungen , sie haben alle nur auf Grund der Befehle gehandelt .
mfg ratata

Wer die Befehle zum vernichten von Grenzverletzern gegeben hat .. die haben ihre Würde behalten .
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Re: Tötungen an der DDR-Grenze;

Beitragvon HPA » 28. Oktober 2020, 16:17

2. Wegen der Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit scheidet ein Schuldausschluß aus, wenn nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände gegen eine Erkennbarkeit des Strafrechtsverstoßes für den Täter sprechen (vgl. auch BVerfGE 95, 96, 142, 143). Die "doktrinäre Einbindung in die - alle gesellschaftlichen Bereiche beherrschende - Ideologie der führenden Partei" stellt keine Besonderheit, sondern für Straftaten der hier gegebenen Art den Regelfall dar. Es bedarf daher besonderer Darlegung, warum ein Angeklagter bei dieser Sachlage (unkontrollierter Einsatz von Splitterminen), in der auch für einen indoktrinierten Menschen der Verstoß gegen das elementare Tötungsverbot augenfällig war, nicht durch Nachdenken zu einer Unrechtseinsicht hätten gelangen können.


Dieser von mir fett markierte Satz gefällt mir besonders gut
HPA
 


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