Mauertote "Leichensachen" entsorgte die Stasi im Krematorium

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Mauertote "Leichensachen" entsorgte die Stasi im Krematorium

Beitragvon Interessierter » 11. März 2018, 20:02

Mauertote - "Leichensachen" entsorgte die Stasi im Krematorium

Sie wird nie wissen, warum er das getan hat. Warum ihr Vater am 7. August 1970 an der Neuköllner Kiefholzstraße in das Grenzgebiet gegangen ist. 177 Schüsse feuerten die Soldaten auf Gerald Thiem ab. "Wie auf ein Stück Vieh", sagt Monika N. Sie war 13, als sie ihren Vater verlor. Ihre Schwester war ein Jahr älter. Ihre Mutter war total verzweifelt.

Das Schlimmste an jenen Tagen im Sommer 1970 war die Ungewissheit. Denn dass Gerald Thiem von Grenzern aus Ost-Berlin erschossen worden war, das hat damals niemand im Westen gewusst. Erst 24 Jahre später erfuhren Monika N. und ihre Schwester, warum ihr Vater nicht nach Hause kam. Da war die Mutter schon einige Jahre tot. Sie hatte immer gedacht, ihr Mann hätte sich einfach aus dem Staub gemacht.

Das MfS hatte nach Thiems Tod zunächst beobachtet, wie die im Westteil der Stadt erscheinenden Zeitungen auf die Schüsse am 7. August reagierten. Als sich abzeichnete, dass niemand einen Zusammenhang zwischen den Schüssen und dem Verschwinden von Gerald Thiem in Erwägung zog, schlossen sie die "Leichensache" einfach ab. Dazu gehörte die heimliche Einäscherung des Leichnams, dessen Asche am 22. September 1970 im Aschenhain unter der Nummer 15 ausgestreut wurde.

Einsiedel starb noch im Grenzstreifen

Am frühen Morgen des 15. März 1973 entwendete er auf dem Friedhof zwei Leitern. Es gelang ihm, mit einer Leiter den sogenannten Hinterlandzaun zu überqueren. Doch als er die zweite Leiter an die echte Mauer anlegte, eröffneten zwei Grenzposten das Feuer. Einsiedel starb noch im Grenzstreifen.

Nach einigen Wochen erhielt seine Frau die Nachricht, dass die Polizei den Trabant ihres Mannes in einem Waldstück gefunden hätte. Horst Einsiedel sei aller Wahrscheinlichkeit einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.
Glaubte ihnen die Frau? Die Mitarbeiter des MfS waren sich nicht sicher. Sie fingen ihre Briefe ab, sie überwachten Telefonate. Sie bekamen heraus, dass sie Zweifel an einem Gewaltverbrechen hatte. Nach drei Monaten unterbreitete die Stasi ihr eine neue Nachricht: Sie hätten die Leiche ihres Mannes gefunden. In einem Absperrgitter bei Potsdam. Bei seinem Fluchtversuch wäre er ertrunken. Sie rieten ihr dringend ab, die stark verweste Leiche noch einmal anzusehen. Tatsächlich war Horst Einsiedel bereits eingeäschert worden. Im Krematorium Baumschulenweg.

Das Krematorium Baumschulenweg war die letzte Station in einem ausgeklügelten Verschleierungsprozess, für den das Ministerium für Staatssicherheit unter dem Titel "Bearbeitung von Leichenvorgängen, soweit es sich um Vorkommnisse an der Staatsgrenze zu Westberlin handelt" genaue Anordnungen gegeben hat. Von der Ausstellung des Totenscheins bis zur Verbrennung der Leiche leitete allein die Stasi die Vorgänge. Sie sorgte dafür, dass Beweismittel manipuliert, Totenscheine und Sterbeurkunden gefälscht wurden. Dabei gaben sich die Mitarbeiter gegenüber den verschiedenen Behörden sowie den Familien des Todesopfers als Angehörige der Volkspolizei aus.


Wie Hans-Hermann Hertle und Maria Nooke vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam während ihres Forschungsprojektes "Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989" feststellen konnten, versuchten nach der Wiedervereinigung Ärzte, Staatsanwälte, Volkspolizisten, Mitarbeiter der Standesämter sowie des Krematoriums und der Friedhofsverwaltungen die Vertuschungsstrategien zu verheimlichen. Gemeinsam mit den ehemaligen Stasiverantwortlichen bildeten sie "eine Art Schweigekartell". Bis heute könne deshalb nicht geklärt werden, wo die sterblichen Überreste von sechs Maueropfern sind.

Den vollständigen Beitrag findet man hier:
https://www.welt.de/kultur/history/arti ... orium.html
Interessierter
 

Re: Mauertote "Leichensachen" entsorgte die Stasi im Krematorium

Beitragvon Volker Zottmann » 11. März 2018, 22:19

Immer das Selbe!
Im Osten nichts Neues, könnte man sarkastisch sagen.
Doch hier ging es um einfache Menschen, die ermordet wurden, nur um keinesfalls eine Grenze ungenehmigt zu passieren, egal ob von West nach Ost oder umgekehrt.
Immer das Selbe Szenario:
Schaut auf die Verhaltensweisen der Stasi nach der befohlenen Ermordung Heiko Runges... Verschleierung war Programm!
Wer wann, wo, zu welcher Beerdigung durfte, wurde auch noch reglementiert und überwacht.
Straftäter unter der Stasi, dazu zähle ich auch all die Trunkenheitsfahrer mit Unfallverursachung erfuhren steten Schutz ihres Organs. Arbeitende fleißige Menschen aber wurden zu deren Wohl über Monate suspendiert, von ihrer Arbeit freigestellt, egal, welche persönlichen Konsequenzen dies zog.

Kriminelle Vereinigung wäre der treffendere Name gewesen. Zumindest für den Stasiteil, der nur der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung diente.

Prof. Dr. Guido Knopp sagte gerade im MDR-Riverboot, dass der DDR-Untergang kein Wunder war, im Angesicht der Tausenden nutzlosen Stasispitzel, die ihre produktive Zeit verplemperten, anstelle zu arbeiten. (sinngemäß)


Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Mauertote "Leichensachen" entsorgte die Stasi im Krematorium

Beitragvon Interessierter » 24. März 2018, 14:20

Leichensache „unbekannt“ – Wie die Stasi die Mauertoten verschwinden ließ

Bild
„Krematorium Baumschulenweg“ von Jörg Kantel [CC BY-NC-ND 2.0]

Im sozialistischen Menschenbild der DDR stand das Interesse der Gemeinschaft in jedem Fall über dem des Individuums. Von jedem Einzelnen wurde erwartet, den Sozialismus mit aufzubauen und zu verteidigen. Gemäß diesem, von der politischen Führung vermittelten, Menschenbild galten Flüchtlinge als Verräter der sozialistischen Idee, gegen die der Einsatz von Schusswaffen zur Verhinderung des Grenzübertrittes gerechtfertigt war. Die Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen war in der Verfassung der DDR verankert und war von höchstem Interesse für den Staat. Persönliche Rechte, sogar das Recht auf Leben, wurden den Flüchtlingen von der Staatsführung abgesprochen.

Wurde ein Flüchtling verwundet oder getötet, wurden noch im Grenzbereich Maßnahmen zur Verschleierung des Vorfalls ergriffen. Zunächst sorgten die Soldaten dafür, dass man den Flüchtling bzw. dessen Leiche vom Westen aus nicht sehen konnte. Danach folgte ein schneller Abtransport. Auch hier wurde auf Unauffälligkeit geachtet, medizinische Hilfe gab es keine. Die Leichen getöteter Flüchtlinge wurden in die Pathologie der Charité gebracht. An jeder Station die folgte, hatte die Stasi Kontaktleute. In der Pathologie wartete bereits der Spezialist von der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit, der den Pathologen zunächst die Papiere und die persönlichen Gegenstände des Toten abnahm. Die Ärzte stellten dann einen Totenschein aus, auf dem als Familienname „unbekannt“ eingetragen wurde. Diesen Totenschein brachte der Stasimitarbeiter daraufhin zum Einwohnermeldeamt am Alexanderplatz, wo der „unbekannte“ Tote registriert und eine Beerdigungsbescheinigung ausgestellt wurde.

Die Leiche wurde anschließend ins Krematorium Baumschulenweg transportiert und dort eingeäschert, um die Todesursache unkenntlich zu machen. Die Asche wurde sogar gesiebt, um Kugeln, die sich eventuell noch im Körper des Toten befanden, zu entfernen. Danach war es für die Stasi von höchster Priorität, das Geschehene sowohl vor der Westpresse als auch vor den Angehörigen der Getöteten geheim zu halten. Oft wurden die Angehörigen und das Umfeld der Mauertoten von der Stasi überwacht. Man hörte ihre Telefone ab und kontrollierte ihre Post um in Erfahrung zu bringen, ob die Familien etwas von den Fluchtversuchen wussten. Um die tatsächlichen Todesumstände zu verschleiern erfand die Stasi Legenden, die sie dann den Angehörigen mitteilte. In einigen Fällen zwangen die Stasimitarbeiter Angehörige, die Legende zu bestätigen, indem sie diese selbst aufschrieben.

Den vollständigen Beitrag findet man hier:
https://userpage.fu-berlin.de/melab/wordpress/?p=4816
Interessierter
 

Re: Mauertote "Leichensachen" entsorgte die Stasi im Krematorium

Beitragvon Grenzwolf62 » 24. März 2018, 15:22

Ganz daneben fand ich immer das, wenn in der DDR ein Todesurteil vollstreckt wurde, man den Leichnam des Deliquenten nicht den Angehörigen zur Bestattung überließ.
Die Urteile waren ja "rechtsstaatlich" ergangen.
Was dann dieser unmenschliche Geheimterz nach der Vollstreckung sollte ist eigentlich unverständlich.
Auch wenn jemand ein Mörder war, oder Verräter, oder gar nur ein geistig behinderter Brandstifter, die vollkommene Auslöschung mit anonymer Verscharrung ist für einen Staat kein Ruhmesblatt.
Alles wird, vielleicht, gut.
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