Todesfälle außerhalb des Grenzgebietes
Verfasst: 14. Januar 2017, 11:01
Als Folge des DDR-Grenzregime kam es auch zu Todesfällen außerhalb des unmittelbaren Grenzgebiets. So wurden Sicherheitskräfte und unbeteiligte Bürger in Mitleidenschaft gezogen, wenn sie auf bewaffnete Fahnenflüchtige trafen, die ihr Vorhaben um jeden Preis in die Tat umsetzen wollten. Auch Amoktaten von Grenzsoldaten sind überliefert. Außerhalb des Grenzgebietes aber doch als Folge des DDR-Grenzregimes wählte eine unbekannte Zahl von Frauen und Männern nach gescheiterten Fluchtversuchen oder abgelehnten Ausreiseanträgen den Freitod. Nur wenn es sich nicht vermeiden ließ, berichteten örtliche Zeitungen verklausuliert über solche Vorfälle. In der Regel sorgten die Sicherheitsbehörden für ihre Geheimhaltung.
Major der VP Helmut Adam
In einem unbewohnten Wochenendhaus in Saalfeld, Am Lärchenhölzchen, wurde am 25. Dezember 1971 um 10.06 Uhr der Fahnenflüchtige Soldat der Pionierkompanie Sonneberg Gerhard Meyer aufgespürt. Der erste Stellvertreter des Volkspolizeikreisamtes Saalfeld Major Helmut Adam wurde beim Versuch, Meyer festzunehmen, angeschossen. Er erlag noch am gleichen Tag im Krankenhaus Saalfeld seinen Verletzungen.
geboren am 25. Januar 1929 in Rudolstadt
erschossen am 25. Dezember 1971
Ort des Zwischenfalls: Saalfeld (Thüringen)
Der Major der Volkspolizei Helmut Adam hatte den Tischlerberuf erlernt. Er war verheiratet, aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, die zum Zeitpunkt seines Todes zwischen sieben und 21 Jahre alt waren. Helmut Adam nahm am 25. Januar 1971 an der Suche nach dem Fahnenflüchtigen Pionier der Grenztruppen Gerhard Meyer teil, der am Vortag mit seiner Maschinenpistole und 60 Schuss Munition aus der Kaserne in Sonneberg desertiert war. Auf der Flucht hatte er einen 76-jährigen Arzt in der Nähe des Grenzübergangs Eisfeld niedergeschlagen und schwer verletzt. In Sachsenbrunn schoss er danach den Volkspolizisten und Abschnittsbevollmächtigten (ABV) Günther Michaelis nieder, der am gleichen Tag noch seinen Verletzungen erlag. Am Weihnachtsabend versuchte er in Saalfeld eine Säuglingsschwester in seine Gewalt zu bringen und verletzte sie in einem Handgemenge.
Nachdem das Versteck des Fahnenflüchtigen in einer Saalfelder Wochenendsiedlung durch eine Suchtruppe der Volkspolizei gegen 10.06 Uhr entdeckt worden war, wurde das Gelände von Sicherheitskräften des MfS und der Volkspolizei umstellt. Über Megaphon wurde der Deserteur mehrfach aufgefordert, seine Waffe aus dem Fenster zu werfen und sich zu ergeben. Dem kam er nicht nach, sondern schoss sofort auf einen Panzerwagen, als dieser sich dem Haus näherte. Nach dem Einsatz von Rauch- und Tränengas war aus dem oberen Geschoss des Gebäudes, in dem sich Meyer verbarrikadiert hatte, ein dumpfer Knall zu hören. Die Einsatzkräfte vermuteten, dass sich der Deserteur selbst erschossen hätte.
Daraufhin erteilte Oberstleutnant Hennig den Befehl zur Stürmung des Wochenendhauses. Doch abermals schoss Meyer aus dem Dachgeschoss auf den sich annähernden Panzerwagen SPW und warf mehrere ins Haus geworfene Rauchgranaten aus dem Fenster wieder heraus. Nach erneutem mehrfachem Rauchkörpereinsatz begab sich Oberstleutnant Hennig als erster in das Untergeschoss. Major Adam wurde mit einem zweiten Panzerwagen an das Gebäude heran gebracht. Sein Versuch, von einer Leiter aus eine Dachluke aufzubrechen, scheiterte. Er begab sich danach ebenfalls in das Gebäude und ließ sich von VP-Hauptmann Samper, der den Eingang sicherte, dessen Maschinenpistole geben. Mit Adam gelangte auch Oberwachtmeister Meinhardt ins Innere des Hauses.
Der Ablauf des Geschehens dort wurde in dem Abschlussbericht des Suhler Staatssicherheitsdienstes minutiös festgehalten. Demnach saß Meyer, als Oberstleutnant Hennig und ihm folgend Major Adam das Obergeschoss betraten, in einem Mansardenzimmer auf einem Stuhl und hielt sich seine Maschinenpistole unter das Kinn. Als Oberstleutnant Hennig ihn aufforderte, die Waffe niederzulegen, antwortete Meyer, er solle ihn doch erschießen. Als Hennig anlegte, um Meyer die Waffe aus der Hand zu schießen, stellte dieser die Waffe hinter seinen Körper. Inzwischen waren Hauptmann Semper und Oberwachtmeister Meinhardt ebenfalls im Dachgeschoss angelangt. „Meyer wurde in der weiteren Zeit von Oberstleutnant Hennig und Major Adam des öfteren aufgefordert, sich zu ergeben bzw. die Waffe wegzulegen, worauf er erwiderte, daß er nicht schießen werde, sondern erschossen werden will.
Dabei hielt er seine Waffe mit der Laufmündung an sein Kinn, wobei er den Finger am Abzug hatte.“ Oberstleutnant Hennig und Major Adam standen im Raum mit der Waffe in der Hand dem Fahnenflüchtigen gegenüber. Hennig legte sogar einmal seine Waffe ab und forderte Meyer auf, dies ebenfalls zu tun. Als Meyer aus dem Fenster blickte, legte Hennig an, um ihm die Waffe aus der Hand zu schießen. Im gleichen Moment gab Major Adam einen Feuerstoß ab „und rannte auf Meyer zu. [...] Aufgrund der Schußabgabe des Major Adam zuckte Meyer zusammen, neigte sich leicht nach vor und drehte nach links. In diesem Augenblick löste sich nach Angaben von Oberstleutnant Hennig ein Feuerstoß aus der Waffe des Meyer. Er fiel auf den bereits am Boden liegenden Major Adam, rollte nach links von diesem herunter und blieb in Rückenlage liegen.“
Die Obduzenten stellten später drei Schusstreffer bei Meyer fest, der tödliche Treffer lag im Bereich der linken Brustseite. Major Adam wurde durch einen Bauchschuss verletzt, an dessen Folgen er trotz einer Notoperation im Krankenhaus Sonneberg starb. Am Ende des Berichts sind insgesamt 36 Zeugen aufgeführt, die vom MfS befragt wurden. Einer Aussage zufolge soll Major Adam am Morgen des 25. Dezember vor dem Einsatz gegenüber dem Politstellvertreter der Volkspolizei Saalfeld, Major Köppe, geäußert haben: „Den Kerl bring ich um“. In dem abschließenden internen Bericht der Stasi-Zentrale wurde die hohe Einsatzbereitschaft der eingesetzten Kräfte gelobt, allerdings wurden „jedoch gleichzeitig ernste Verstöße gegen die Prinzipien des taktischen Vorgehens zur Festnahme bzw. Liquidierung des Verbrechers“ kritisiert.
http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das- ... index.html
Major der VP Helmut Adam
In einem unbewohnten Wochenendhaus in Saalfeld, Am Lärchenhölzchen, wurde am 25. Dezember 1971 um 10.06 Uhr der Fahnenflüchtige Soldat der Pionierkompanie Sonneberg Gerhard Meyer aufgespürt. Der erste Stellvertreter des Volkspolizeikreisamtes Saalfeld Major Helmut Adam wurde beim Versuch, Meyer festzunehmen, angeschossen. Er erlag noch am gleichen Tag im Krankenhaus Saalfeld seinen Verletzungen.
geboren am 25. Januar 1929 in Rudolstadt
erschossen am 25. Dezember 1971
Ort des Zwischenfalls: Saalfeld (Thüringen)
Der Major der Volkspolizei Helmut Adam hatte den Tischlerberuf erlernt. Er war verheiratet, aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, die zum Zeitpunkt seines Todes zwischen sieben und 21 Jahre alt waren. Helmut Adam nahm am 25. Januar 1971 an der Suche nach dem Fahnenflüchtigen Pionier der Grenztruppen Gerhard Meyer teil, der am Vortag mit seiner Maschinenpistole und 60 Schuss Munition aus der Kaserne in Sonneberg desertiert war. Auf der Flucht hatte er einen 76-jährigen Arzt in der Nähe des Grenzübergangs Eisfeld niedergeschlagen und schwer verletzt. In Sachsenbrunn schoss er danach den Volkspolizisten und Abschnittsbevollmächtigten (ABV) Günther Michaelis nieder, der am gleichen Tag noch seinen Verletzungen erlag. Am Weihnachtsabend versuchte er in Saalfeld eine Säuglingsschwester in seine Gewalt zu bringen und verletzte sie in einem Handgemenge.
Nachdem das Versteck des Fahnenflüchtigen in einer Saalfelder Wochenendsiedlung durch eine Suchtruppe der Volkspolizei gegen 10.06 Uhr entdeckt worden war, wurde das Gelände von Sicherheitskräften des MfS und der Volkspolizei umstellt. Über Megaphon wurde der Deserteur mehrfach aufgefordert, seine Waffe aus dem Fenster zu werfen und sich zu ergeben. Dem kam er nicht nach, sondern schoss sofort auf einen Panzerwagen, als dieser sich dem Haus näherte. Nach dem Einsatz von Rauch- und Tränengas war aus dem oberen Geschoss des Gebäudes, in dem sich Meyer verbarrikadiert hatte, ein dumpfer Knall zu hören. Die Einsatzkräfte vermuteten, dass sich der Deserteur selbst erschossen hätte.
Daraufhin erteilte Oberstleutnant Hennig den Befehl zur Stürmung des Wochenendhauses. Doch abermals schoss Meyer aus dem Dachgeschoss auf den sich annähernden Panzerwagen SPW und warf mehrere ins Haus geworfene Rauchgranaten aus dem Fenster wieder heraus. Nach erneutem mehrfachem Rauchkörpereinsatz begab sich Oberstleutnant Hennig als erster in das Untergeschoss. Major Adam wurde mit einem zweiten Panzerwagen an das Gebäude heran gebracht. Sein Versuch, von einer Leiter aus eine Dachluke aufzubrechen, scheiterte. Er begab sich danach ebenfalls in das Gebäude und ließ sich von VP-Hauptmann Samper, der den Eingang sicherte, dessen Maschinenpistole geben. Mit Adam gelangte auch Oberwachtmeister Meinhardt ins Innere des Hauses.
Der Ablauf des Geschehens dort wurde in dem Abschlussbericht des Suhler Staatssicherheitsdienstes minutiös festgehalten. Demnach saß Meyer, als Oberstleutnant Hennig und ihm folgend Major Adam das Obergeschoss betraten, in einem Mansardenzimmer auf einem Stuhl und hielt sich seine Maschinenpistole unter das Kinn. Als Oberstleutnant Hennig ihn aufforderte, die Waffe niederzulegen, antwortete Meyer, er solle ihn doch erschießen. Als Hennig anlegte, um Meyer die Waffe aus der Hand zu schießen, stellte dieser die Waffe hinter seinen Körper. Inzwischen waren Hauptmann Semper und Oberwachtmeister Meinhardt ebenfalls im Dachgeschoss angelangt. „Meyer wurde in der weiteren Zeit von Oberstleutnant Hennig und Major Adam des öfteren aufgefordert, sich zu ergeben bzw. die Waffe wegzulegen, worauf er erwiderte, daß er nicht schießen werde, sondern erschossen werden will.
Dabei hielt er seine Waffe mit der Laufmündung an sein Kinn, wobei er den Finger am Abzug hatte.“ Oberstleutnant Hennig und Major Adam standen im Raum mit der Waffe in der Hand dem Fahnenflüchtigen gegenüber. Hennig legte sogar einmal seine Waffe ab und forderte Meyer auf, dies ebenfalls zu tun. Als Meyer aus dem Fenster blickte, legte Hennig an, um ihm die Waffe aus der Hand zu schießen. Im gleichen Moment gab Major Adam einen Feuerstoß ab „und rannte auf Meyer zu. [...] Aufgrund der Schußabgabe des Major Adam zuckte Meyer zusammen, neigte sich leicht nach vor und drehte nach links. In diesem Augenblick löste sich nach Angaben von Oberstleutnant Hennig ein Feuerstoß aus der Waffe des Meyer. Er fiel auf den bereits am Boden liegenden Major Adam, rollte nach links von diesem herunter und blieb in Rückenlage liegen.“
Die Obduzenten stellten später drei Schusstreffer bei Meyer fest, der tödliche Treffer lag im Bereich der linken Brustseite. Major Adam wurde durch einen Bauchschuss verletzt, an dessen Folgen er trotz einer Notoperation im Krankenhaus Sonneberg starb. Am Ende des Berichts sind insgesamt 36 Zeugen aufgeführt, die vom MfS befragt wurden. Einer Aussage zufolge soll Major Adam am Morgen des 25. Dezember vor dem Einsatz gegenüber dem Politstellvertreter der Volkspolizei Saalfeld, Major Köppe, geäußert haben: „Den Kerl bring ich um“. In dem abschließenden internen Bericht der Stasi-Zentrale wurde die hohe Einsatzbereitschaft der eingesetzten Kräfte gelobt, allerdings wurden „jedoch gleichzeitig ernste Verstöße gegen die Prinzipien des taktischen Vorgehens zur Festnahme bzw. Liquidierung des Verbrechers“ kritisiert.
http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das- ... index.html