NVA-Geschichte in Strausberg

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NVA-Geschichte in Strausberg

Beitragvon Werner Thal » 21. Oktober 2016, 20:20

DER SPIEGEL ONLINE - NVA-Geschichte in Strausberg v. Mittwoch, 1. März 2006:

Die uniformierte Stadt

Vor 50 Jahren wurde die Nationale Volksarmee gegründet. Ihre Befehle erhielten die
kommunistischen Krieger aus Strausberg. Das Militär hat die Stadt vor den Toren
Berlins mehr geprägt, als Politik es je vermochte. Inzwischen hat die Bundeswehr das
Erbe angetreten.

Von Olaf Sundermeyer, Strausberg

"Strausberg - An der Klapptheke von Karolas Imbiss-Bude am zugigen S-Bahnhof Strausberg
Stadt: ´Peter, so lauschig wie das bei euch in der Bundeswehr damals zuging, war das bei
uns hier nicht. Da ging alles zack, zack, und wer das nicht wollte, dem hat der Spieß das
Leben zur Hölle gemacht´, sagt einer, der im Jahr, in dem seine Erzählung spielt - 1968 -,
wahrscheinlich noch keinen Bauch hatte.

Damals war Strausberg noch DDR. ´Und in der ganzen DDR war Strausberg ein absolutes
Reizwort´, sagt ein anderer Ehemaliger der Nationalen Volksarmee (NVA), die am 1. März
1956 gegründet und von hier aus befehligt wurde, aus dem ´Ministerium der
Nationalen Verteidigung´(MfNV). Strausberg stand für Befehl und Gehorsam und
Stechschritten in steingrauen Uniformen. Das Militär war hier schon immer allgegenwärtig.
Auch die Wehrmacht und die preußische Armee saßen schon hier. Zu DDR-Zeiten waren
die Streitkräfte Arbeitgeber für 10.000 Menschen in der Stadt. Heute noch liegen
40 Prozent aller Arbeitsplätze in der 26.000-Einwohner Stadt hinter Stacheldraht.
17 Dienststellen der Bundeswehr, von der ´Akademie der Bundeswehr für Information
und Kommunation´ bis zum ´Logistikzentrum der Bundeswehr - Materialkontrollzentrum 4´.

Peter, der Wessi, weiß das alles. Er nickt stumm und lässt die nächste Armeeanekdote
seines Gegenübers über sich ergehen: ´Kenn´ Se Musikbox? Kenn´ Se nich, wa?´ -
´Also pass uff: Wenn ein neuer auf die Stube kommt, wird er erstmal in den Spind gesperrt.
Durch die Lüftungsschlitze wird dann ein Groschen geworfen, und die anderen schütteln
so lange, bis der Neue anfängt zu singen.´ Bundeswehr-Peter ist wenig beeindruckt.
´Kenn ich. War bei uns auch so.´

Und dann hält eine S-Bahn und öffnet die Türen: Beide halten inne und schauen den
kichernden Mädchen mit den neckischen Täschchen hinterher, auf denen in Siebdruck
´Fanfarenzug Strausberg´ steht.

´Die Hauptstadt der Bundeswehr´

´Ja, unsere Weltmeister, die stehen ja irgendwie in der militärischen Tradition´, sagt
Bürgermeister Hans Peter Thierfeld im Brustton. Denn Strausberg ist Weltmeister.
Im Fanfarenzugspiel. An der Wand im Büro des parteilosen Bürgermeisters hängt neben
der Partnerschaftsurkunde mit der Bundeswehr in altdeutscher Schrift ein Foto der
Weltmeister in weißen Trikots: deutsche Mädchen in weißen Kniestrümpfen rahmen
den (damaligen) Bundespräsidenten Horst Köhler und Tierfelle ein. ´Das war im
vergangenen Jahr, als er uns hier in der Barnim-Kaserne besucht hat´, sagt er.
Hans Peter Thierfeld ist als Soldat nach Strausberg gekommen.´ In der dritten Person
hört er sich an wie Winnetou. Und irgendwie ist er auch ein Krieger; als Hauptmann
der Reserve nimmt er noch gerne an Übungen teil, ´das ist schön kameradschaftlich´.
Zwölf Jahre lang diente Thierfeld als Soldat auf Zeit, seit vier Jahren nun als
Bürgermeister. ´Früher war Strausberg die Hauptstadt der NVA - heute ist es die
Hardthöhe-Ost. Etwas übertrieben gesagt, ist es die Hauptstadt der Bundeswhr.´

´Am 2. Oktober 1990 bin ich - mit der Wende - nach Strausberg gekommen und habe
einen Tag später am großen Appell teilgenommen.´ Als Bundeswehrsoldat erlebt
Thierfeld das Ende der NVA, das mit diesem Appell besiegelt wird. ´Mein damaliger
Chef war war General Schönbohm.´ 50.000 NVA-Soldaten wurden an diesem Tag dem
neugeschaffenen Bundeswehrkommando Ost in Strausberg unterstellt, von einem auf
den anderen Tag wurden aus Feinden Kameraden. Per Befehl. So einfach ist das.
Rainer Eppelmann, der als erster ziviler Verteidigungsminister der DDR die Abrüstung
der NVA 1990 hier politisch umsetzte, sagt rückblickend: ´Es war einfacher als wir es
uns vorgestellt hatten, weil es viele Ähnlichkeiten gab, im Menschlichen, wie in der
Dienstauffassung.´

Der Spaziergang vom Bürgermeister in Richtung Vorstadt geht über das wohl noch
preußische Trottoir der August-Bebel-Straße. Neu- und Altbauten stehen Spalier wie
die Grabsteine auf dem nahen Kriegsgräberfriedhof. In der Karl-Marx-Straße
(´die Thälmann geradeaus und die nächste hinter der Rosa-Luxemburg dann rein´)
findet man schließlich Rolf Barthel. ´Bei uns haben ja bei weitem nicht so viele aus
Hitlers Armee gedient wie im Westen´, erzählt er.
Barthel ist Jahrgang ´32, und die Idee mit dem antifaschistischen Staat hat ihn zur
Waffe gebracht.

´Wir hätten ja nur zurückgeschossen´

Als Kind war er ein Pimpf in Hitlers Jugendorganisation. ´>Nie wieder!< hieß danach
unser Motto. Dafür mussten wir den Sozialismus verteidigen. Die ganze Stadt war damals
voller Uniformen, das ist ja heute nicht mehr so.´

Der studierte Historiker ging als junger Mann zunächst zur Kasernierten Volkspolizei (KVP).
Kurz nach ihrer Gründung folgte er der NVA nach Strausberg - ins Ministerium, ´wo es so
einen großen Sandkasten gab mit dem Kriegsschauplatz Europa´. Barthel erlebt die Kuba-
Krise und den Prager Frühling, Zeiten, in denen die NVA unter erhöhter Gefechtsbereit-
schaut stand. ´Aber uns allen war immer klar, dass der Feind aus dem Westen zuerst
schießt - wir hätten ja nur zurückgeschossen.´ Über die Formulierung muss er selbst
lachen.

Der Major a.D. hat einen scharfen Verstand, eine ungebrochene Überzeugung und ein Haus,
das ordentlicher als eine Rekrutenbude vor dem Stubendurchgang ist: Alles liegt auf Kante,
so wie die Ausgaben des ´Neuen Deutschland´aus den vergangenen Tagen. Strausberg ist
auch die Stadt der roten Rentner. ´Die meisten der ehemaligen Armeeangehörigen wählen
die PDS-Punkt-Partei, und viele Offiziere sind Mitglied´, sagt Barthel.
Tradionell stellt die PDS hier die stärkste Fraktion.

Im Laufe der Geschichte, von den Anfängen der DDR bis zum großen Strausberger Appell,
dienten zweieinhalb Millionen Menschen in der NVA. Barthel glaubt daran, dass sich bald
etwas ändern muss in Deutschland, verbittert ist er nicht, und das wirtschaftliche Klagelied
muss er auch nicht singen. ´Schließlich sind wir Offiziere rentenmäßig vergleichsweise
gut versorgt.´

Aber für die aktiven Soldaten auf dem Gelände des ehemaligen Verteidigungsministeriums
ist die Rente längst nicht sicher. Vor der Barnim-Kaserne an der Protzerei Chaussee bläht
sich zwar noch stolz die deutsche Fahne im Wind, aber wohl nur auf der echten Hardthöhe,
im Bonner Verteidigungsministerium, weiß man, wie lange die Soldaten hinter diesen
Mauern noch Arbeit finden."

W. T.
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Re: NVA-Geschichte in Strausberg

Beitragvon Werner Thal » 21. Oktober 2016, 21:25

Sorry, aber mein PC zeigte bei jeder Eingabe "Strausberg" automatisch "Stromberg" an,
kann ich leider nicht mehr korrigieren! - ist halt so - hatte ich also übersehen.

W. T.
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Re: NVA-Geschichte in Strausberg

Beitragvon augenzeuge » 21. Oktober 2016, 21:31

Mein PC zeigts richtig an. Seltsam.... [shocked]
AZ
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Re: NVA-Geschichte in Strausberg

Beitragvon Werner Thal » 21. Oktober 2016, 21:38

An meinem 19 Monate alten Rechner dürfte es eher nicht liegen - aber ich habe das Apple/iMAC-System!

W. T.
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Re: NVA-Geschichte in Strausberg

Beitragvon Beethoven » 22. Oktober 2016, 07:44

Hm, stimmt schon. Viele ehemalige Armeeangehörige der NVA wohnen noch in Strausberg und die Stadt hat mittlerweile, noch eine Bundeswehreinheit hinzu bekommen. Es sind 18 Einheiten.

Herr Thierfeld war ein guter Mann. Wir hatten oft Kontakt zu einander. Er ist aber schon lange kein Bürgermeister mehr sondern hat eine Baufirma in Seelow. Und die Bürgermeisterin die nun schon zwei Legistraturperioden der "Boss" ist, ist ein SPD-Dame und keine Linke. Thierfeld war parteilos, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Insofern ist das mit der PDS oder den Linken nicht so ganz richtig. Eben Propaganda.
Aber ich wohne schon lange nicht mehr in Strausberg sondern in einem kleinen Ort zwischen Berlin und Strausberg.

So richtig Ahnung hat der Schreiber aber nicht von Strausberg. Die Karl - Marx - Straße ist eine kleine Nebenstraße in Vorstadt. Und die Barnimkaserne ist nicht in Strausberg, sondern in Eggersdorf in Hennickendorfer Chaussee. In der Prötzeler Chaussee liegt die Henning Treskow Kaserne. Aber das ist wohl eher unbedeutend.

Strausberg liegt landschaftlich sehr schon eingebettet in Seen und Wäldern nur 18 km ostwärts des Berliner Stadtrandes. Touristisch war es eher nicht erschlossen, weil Mandas damals nicht wollte. Aber damals wie heute kennen viele (gerade Ost-) Berliner den Bötzsee und den Fängersee als phantastische Badeseen. Da im Sommer einen Parkplatz zu bekommen ist reine Glückssache.


Gruß
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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