Das Armeefilmstudio der NVA
Verfasst: 17. November 2014, 12:56
Eine Armee ist immer nur so stark wie ihr innerer Zusammenhalt. Deshalb hat bei allen Heeren des 20. Jahrhunderts neben der Disziplin stets die Propaganda in die Truppe hinein eine entscheidende Rolle gespielt – und damit militärpolitische Lehrfilme.
Natürlich galt das auch für die Nationale Volksarmee der DDR: Seit 1960 verfügte die Truppe über ein eigenes Armeestudio, dessen Filme sich vor allem an Wehrpflichtige und Zeitsoldaten der NVA richteten.
Propaganda: Die NVA hat nie Krieg geführt
Spannend ist diese gewaltige und unbedingt sehenswerte Sammlung, weil noch immer alte Kader der DDR-Armee von der "Friedensarmee" NVA schwafeln – wie der Ex-General Hans-Georg Löffler, der sich in seiner Autobiografie "Soldat der NVA vom Anfang bis zum Ende" rühmt, in der einzigen deutschen Armee gedient zu haben, die nie Krieg geführt habe.
Doch das ist höchstens die halbe Wahrheit. Denn die NVA hat sehr wohl Krieg geführt – allerdings gegen die eigene Bevölkerung, genauer gesagt: an einer Grenze, die so streng und militärisch bewacht war wie keine andere Trennlinie in der Weltgeschichte.
http://www.welt.de/kultur/article196579 ... armee.html
Mit Produktionen wie "Der Schlag hat gesessen", "Grenzsoldaten in Berlin" oder "Unsere Staatsgrenze" beabsichtigten die Macher des 1960 gegründeten Armeefilmstudios, die Grenzer auf Linie zu bringen. Enorme Energien wurden aufgebracht, um die zwischen Ost und West patrouillierenden Soldaten auf ihre Aufgabe vorzubereiten; mit hunderten von Propagandafilmen versuchte die NVA, das Image der - mit einem eigenen Feiertag am 1. Dezember bedachten - Grenzer zu heben.
Propaganda für Grenzsoldaten hatte bei der NVA oberste Priorität, gehörte die Grenzsicherung doch seit Bestehen der DDR zu einer ihrer elementaren Aufgaben: ein Offenbarungseid, den der Historiker Stefan Wolle besonders gut auf den Punkt gebracht hat: Die DDR sei kein Staat mit einer Grenze, sondern eine Grenze mit einem Staat, schrieb Wolle in Abänderung des Diktums, Preußen sei kein Staat mit einer Armee, sondern eine Armee mit einem Staat gewesen. Die DDR war noch nicht einmal gegründet, da gab es schon das Bestreben, die beiden Hemisphären Ost und West voneinander abzuriegeln - wenn es sein musste, auch mit Gewalt.
So erließ Marschall Sokolowskij, seines Zeichens "Oberkommandierender der sowjetischen Okkupationstruppen und Hauptbevollmächtigter der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland", schon am 23. August 1947 den Befehl, zur Not auf Flüchtlinge zu schießen. Der neu gegründeten Grenzpolizei befahl er, "von der Waffe Gebrauch zu machen... bei Flucht von Grenzübertretern und Übertretern der Demarkationslinie, wenn andere Möglichkeiten der Festnahme erschöpft sind".
Um die eigenen Männer sowie Zivilisten an der Flucht zu hindern, wurden seit 1968 Stasi-Mitarbeiter in die regulären Grenztruppen eingeschleust, die mit aller Härte vorzugehen hatten. "Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wen die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben", heißt es in einer Dienstanweisung vom 1. Oktober 1973. Spätestens seit Auftauchen dieses Schriftstücks kann auch der zäheste Altkommunist nicht mehr die Existenz von Schießbefehlen leugnen.
Trotzdem dauerte es volle 28 Jahre, bis die Mauer fiel und die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten aufhörte zu existieren.
Plötzlich war auch die Grenzsicherung kein Thema mehr. Das NVA-Filmstudio wurde aufgelöst; dessen Produktionen gingen in das Eigentum des Bundesarchivs über.
http://www.spiegel.de/einestages/grenzs ... 46868.html
Die Produktionen des Filmstudios der NVA folgten den Leitmotiven: Wir alle - Treue - Ehrendienst - Waffenbrüderschaft - Frieden sichern. Im Vokabular sind die Phrasen „alle“, „gute“, „niemals“, „unverrückbar“ und „für immer“ von besonderer Bedeutung. Häufig wiederholte Lügen sind: „... hier regiert das Volk“, „demokratisch“, „Antifaschistischer (Friedens-)Schutzwall“, „Souveränität der DDR“. Bürger der Bundesrepublik Deutschland werden gezeichnet als „Schieber“, „Spekulanten“, „Verbrecher“, „Imperialisten“, „Kriegstreiber“. Dem westlichen Verteidigungsbündnis werden „NATO-Angriffspläne“ und der „NATO-Erstschlag“ unterstellt. Jede dramaturgische Grundidee der Produktionen des Filmstudios der NVA hatten folgende Werteparameter zu berücksichtigen.
In der Armeefilmschau „5. Jahrestag NVA“[38] werden die Leistungen der Volksarmee verherrlicht. Zwischen den Zeilen klingt die wirkliche gesellschaftliche Stellung der Angehörigen der bewaffneten Organe an: Ablehnung durch eine Mehrheit der Bevölkerung! Die Armeefilmschauen hatten die Aufgabe, diese Ablehnung in ein „wir alle kämpfen vereint als Kollektiv für die Sicherung des Weltfriedens“ umzuwandeln und dem Volkssoldaten die Illusion vorzugaukeln, er würde den Frieden beschützen.
Im Dokumentarfilm Grenzposten[86] werden die Aufgaben von Posten und Postenführer an der Staatsgrenze West dargestellt. Einzigartig ist die filmische Überlieferung der Vergatterung der Grenzsoldaten bei Dienstantritt mit der Formel „ Der 1. Zug sichert den Sicherungsabschnitt 1 bis 3 der Kompanie mit der Aufgabe, Grenzdurchbrüche nicht zuzulassen, Grenzverletzer vorläufig festzunehmen bzw. zu vernichten und den Schutz der Staatsgrenze unter allen Bedingungen zu gewährleisten“.
Die Einschwörungsformel „Grenzverletzer sind zu vernichten“ bezog sich auf alle Menschen, die sich den Grenzen der DDR zur Bundesrepublik und Berlin näherten. Durch Anwendung der Schusswaffe starben z.B. der westdeutsche Journalist Kurt Lichtenstein (U10.12.1961) und der ehemalige DDR-Bürger und freigekaufte Michael Gartenschläger (U30.04.1976). Insgesamt mussten aufgrund des Schiessbefehls und der Völkerrechtswidrigkeit[87] der DDR-Grenze 474[88] Menschen sterben. Die Tätigkeit der „Schöpferkollektive“ des Filmstudios der NVA muss als aktive Mithilfe am Mord von unschuldigen Menschen betrachtet werden, weil sie die Grenz- und Volkssoldaten einschworen, Menschen, die weglaufen wollten und zudem noch unbewaffnet waren, mit militärischer Präzision in den Rücken zu schießen. Das dies auch so von der DDR-Führung gesehen wurde, bestätigte der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke am 28. April 1989 als er wortwörtlich sagte: „Ich will euch überhaupt etwas mal sagen Genossen, wenn man schon schießt, dann muss man das so machen, dass nicht der Betreffende noch weg rennt, sondern dann muss er eben dableiben, bei uns. Ja – so ist die Sache! Was ist denn das! 70 Schuss los ballern und der rennt nach drüben und die machen eine richtige Campagne. Da haben sie recht, Mensch, zu schießen! Soll'n sie doch eine Campagne machen. Wie hat Heinz Alberts gesagt: Schieß das Scheißhaus (ha ha ha)! Das kann man ruhig ein bisschen lustig machen. Na ist doch klar, hör mal zu Mensch ...!“ Das ist ein Aufruf, eine Aufforderung, sogar ein Befehl des Ministers für Staatssicherheit für die vorbildlichen Genossen der Grenz- und Volkssoldaten beim sozialistischen Ehrendienst an der Grenze rücksichtslos „Grenzverletzter“ zu vernichten.
Sehr ausführliches Material zum Armeefilmstudio der NVA findet man hier:
http://www.berliner-mauer.tv/aktuell-20 ... oeren.html
" Der Interessierte "
Natürlich galt das auch für die Nationale Volksarmee der DDR: Seit 1960 verfügte die Truppe über ein eigenes Armeestudio, dessen Filme sich vor allem an Wehrpflichtige und Zeitsoldaten der NVA richteten.
Propaganda: Die NVA hat nie Krieg geführt
Spannend ist diese gewaltige und unbedingt sehenswerte Sammlung, weil noch immer alte Kader der DDR-Armee von der "Friedensarmee" NVA schwafeln – wie der Ex-General Hans-Georg Löffler, der sich in seiner Autobiografie "Soldat der NVA vom Anfang bis zum Ende" rühmt, in der einzigen deutschen Armee gedient zu haben, die nie Krieg geführt habe.
Doch das ist höchstens die halbe Wahrheit. Denn die NVA hat sehr wohl Krieg geführt – allerdings gegen die eigene Bevölkerung, genauer gesagt: an einer Grenze, die so streng und militärisch bewacht war wie keine andere Trennlinie in der Weltgeschichte.
http://www.welt.de/kultur/article196579 ... armee.html
Mit Produktionen wie "Der Schlag hat gesessen", "Grenzsoldaten in Berlin" oder "Unsere Staatsgrenze" beabsichtigten die Macher des 1960 gegründeten Armeefilmstudios, die Grenzer auf Linie zu bringen. Enorme Energien wurden aufgebracht, um die zwischen Ost und West patrouillierenden Soldaten auf ihre Aufgabe vorzubereiten; mit hunderten von Propagandafilmen versuchte die NVA, das Image der - mit einem eigenen Feiertag am 1. Dezember bedachten - Grenzer zu heben.
Propaganda für Grenzsoldaten hatte bei der NVA oberste Priorität, gehörte die Grenzsicherung doch seit Bestehen der DDR zu einer ihrer elementaren Aufgaben: ein Offenbarungseid, den der Historiker Stefan Wolle besonders gut auf den Punkt gebracht hat: Die DDR sei kein Staat mit einer Grenze, sondern eine Grenze mit einem Staat, schrieb Wolle in Abänderung des Diktums, Preußen sei kein Staat mit einer Armee, sondern eine Armee mit einem Staat gewesen. Die DDR war noch nicht einmal gegründet, da gab es schon das Bestreben, die beiden Hemisphären Ost und West voneinander abzuriegeln - wenn es sein musste, auch mit Gewalt.
So erließ Marschall Sokolowskij, seines Zeichens "Oberkommandierender der sowjetischen Okkupationstruppen und Hauptbevollmächtigter der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland", schon am 23. August 1947 den Befehl, zur Not auf Flüchtlinge zu schießen. Der neu gegründeten Grenzpolizei befahl er, "von der Waffe Gebrauch zu machen... bei Flucht von Grenzübertretern und Übertretern der Demarkationslinie, wenn andere Möglichkeiten der Festnahme erschöpft sind".
Um die eigenen Männer sowie Zivilisten an der Flucht zu hindern, wurden seit 1968 Stasi-Mitarbeiter in die regulären Grenztruppen eingeschleust, die mit aller Härte vorzugehen hatten. "Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wen die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben", heißt es in einer Dienstanweisung vom 1. Oktober 1973. Spätestens seit Auftauchen dieses Schriftstücks kann auch der zäheste Altkommunist nicht mehr die Existenz von Schießbefehlen leugnen.
Trotzdem dauerte es volle 28 Jahre, bis die Mauer fiel und die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten aufhörte zu existieren.
Plötzlich war auch die Grenzsicherung kein Thema mehr. Das NVA-Filmstudio wurde aufgelöst; dessen Produktionen gingen in das Eigentum des Bundesarchivs über.
http://www.spiegel.de/einestages/grenzs ... 46868.html
Die Produktionen des Filmstudios der NVA folgten den Leitmotiven: Wir alle - Treue - Ehrendienst - Waffenbrüderschaft - Frieden sichern. Im Vokabular sind die Phrasen „alle“, „gute“, „niemals“, „unverrückbar“ und „für immer“ von besonderer Bedeutung. Häufig wiederholte Lügen sind: „... hier regiert das Volk“, „demokratisch“, „Antifaschistischer (Friedens-)Schutzwall“, „Souveränität der DDR“. Bürger der Bundesrepublik Deutschland werden gezeichnet als „Schieber“, „Spekulanten“, „Verbrecher“, „Imperialisten“, „Kriegstreiber“. Dem westlichen Verteidigungsbündnis werden „NATO-Angriffspläne“ und der „NATO-Erstschlag“ unterstellt. Jede dramaturgische Grundidee der Produktionen des Filmstudios der NVA hatten folgende Werteparameter zu berücksichtigen.
In der Armeefilmschau „5. Jahrestag NVA“[38] werden die Leistungen der Volksarmee verherrlicht. Zwischen den Zeilen klingt die wirkliche gesellschaftliche Stellung der Angehörigen der bewaffneten Organe an: Ablehnung durch eine Mehrheit der Bevölkerung! Die Armeefilmschauen hatten die Aufgabe, diese Ablehnung in ein „wir alle kämpfen vereint als Kollektiv für die Sicherung des Weltfriedens“ umzuwandeln und dem Volkssoldaten die Illusion vorzugaukeln, er würde den Frieden beschützen.
Im Dokumentarfilm Grenzposten[86] werden die Aufgaben von Posten und Postenführer an der Staatsgrenze West dargestellt. Einzigartig ist die filmische Überlieferung der Vergatterung der Grenzsoldaten bei Dienstantritt mit der Formel „ Der 1. Zug sichert den Sicherungsabschnitt 1 bis 3 der Kompanie mit der Aufgabe, Grenzdurchbrüche nicht zuzulassen, Grenzverletzer vorläufig festzunehmen bzw. zu vernichten und den Schutz der Staatsgrenze unter allen Bedingungen zu gewährleisten“.
Die Einschwörungsformel „Grenzverletzer sind zu vernichten“ bezog sich auf alle Menschen, die sich den Grenzen der DDR zur Bundesrepublik und Berlin näherten. Durch Anwendung der Schusswaffe starben z.B. der westdeutsche Journalist Kurt Lichtenstein (U10.12.1961) und der ehemalige DDR-Bürger und freigekaufte Michael Gartenschläger (U30.04.1976). Insgesamt mussten aufgrund des Schiessbefehls und der Völkerrechtswidrigkeit[87] der DDR-Grenze 474[88] Menschen sterben. Die Tätigkeit der „Schöpferkollektive“ des Filmstudios der NVA muss als aktive Mithilfe am Mord von unschuldigen Menschen betrachtet werden, weil sie die Grenz- und Volkssoldaten einschworen, Menschen, die weglaufen wollten und zudem noch unbewaffnet waren, mit militärischer Präzision in den Rücken zu schießen. Das dies auch so von der DDR-Führung gesehen wurde, bestätigte der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke am 28. April 1989 als er wortwörtlich sagte: „Ich will euch überhaupt etwas mal sagen Genossen, wenn man schon schießt, dann muss man das so machen, dass nicht der Betreffende noch weg rennt, sondern dann muss er eben dableiben, bei uns. Ja – so ist die Sache! Was ist denn das! 70 Schuss los ballern und der rennt nach drüben und die machen eine richtige Campagne. Da haben sie recht, Mensch, zu schießen! Soll'n sie doch eine Campagne machen. Wie hat Heinz Alberts gesagt: Schieß das Scheißhaus (ha ha ha)! Das kann man ruhig ein bisschen lustig machen. Na ist doch klar, hör mal zu Mensch ...!“ Das ist ein Aufruf, eine Aufforderung, sogar ein Befehl des Ministers für Staatssicherheit für die vorbildlichen Genossen der Grenz- und Volkssoldaten beim sozialistischen Ehrendienst an der Grenze rücksichtslos „Grenzverletzter“ zu vernichten.
Sehr ausführliches Material zum Armeefilmstudio der NVA findet man hier:
http://www.berliner-mauer.tv/aktuell-20 ... oeren.html
" Der Interessierte "