Waffenloser NVA-Dienst

Alles zum Thema NVA, außer GT

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon augenzeuge » 25. August 2016, 21:24

Woher wissen die Gedienten, was die Nichtgedienten wissen müssen? [denken]
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Volker Zottmann » 25. August 2016, 21:36

Also, ich habe gedient aber von einer TSM höre ich hier das erste mal.
Bei Märschen, bei Übungen fand sich immer ein Vorgesetzter, der GAS rief. Niemals TSM oder anderes.
Wir hatten Gasalarm und die Gasmasken aufzusetzen. Die hießen 1970 auch Gasmasken im Neidener Sprachgebrauch. Wenn das nun laut @Pentium die falsche Bezeichnung war, dann beweist es mir oder uns, dass dort nur Bekloppte das Sagen hatten. [grins]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Rei » 25. August 2016, 22:02

Gasmasken gab es im 1.+2. Weltkrieg
TSM gab es in der NVA
Schaut doch mal in WIKI nach,dann braucht ihr euch nicht zu streiten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Atemschutzmaske
Rei
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon augenzeuge » 25. August 2016, 22:04

Na sowas....
AZ
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Volker Zottmann » 25. August 2016, 22:37

Rei hat geschrieben:Gasmasken gab es im 1.+2. Weltkrieg
TSM gab es in der NVA
Schaut doch mal in WIKI nach,dann braucht ihr euch nicht zu streiten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Atemschutzmaske
Rei


Aber wegen einer Maske streiten wir doch nicht! Mag doch sein, dass die so hieß. Das hat mich auch nie interessiert. Nur wurde die eben damals Gasmaske genannt.
Ich brauche doch nicht mehr einrücken, weder freiwillig noch mit Zwang.
Es sei denn die Notstsandsgesetze rufen nach dem Volkssturm... Na denn... GAAAAAAAS [laugh]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Rei » 25. August 2016, 22:50

augenzeuge hat geschrieben:Na sowas....
AZ

Mach weiter so,jetzt sage ich mal "Besserwisser" oder,nein das sage ich nicht.
https://www.asmc.de/Ausruestung/Militae ... 10M-p.html
Ja Du musst ja immer recht behalten,anders geht es nicht.
Die Atemschutzmaske (umgangssprachlich Gasmaske, Atemmaske, im militärischen und Zivilschutzbereich CBRN-Schutzmaske bzw. ABC-Schutzmaske, bei der Nationalen Volksarmee Truppenschutzmaske) ist ein Atemanschluss und dient dem Schutz des Trägers vor Atemgiften. Man teilt sie ein in die Vollmasken (genormt nach EN 136) und die Halb- und Viertelmasken (EN 140). Zu den Halbmasken gehören auch die Atemschutzfilter (EN 149). Solche Atemschutzsysteme werden zum Beispiel benötigt im Rettungswesen (Feuerwehr, Technisches Hilfswerk), der Brandermittlung und an Arbeitsplätzen, an welchen Atemgifte (chemische Stoffe, Mikroorganismen, Stäube) auftreten können, z. B. bei Reinigungsarbeiten von Tanks.[1]

Die Atemschutzmaske kann aus Gummi oder Silikon gefertigt sein. Früher kam auch Leder oder Stoff, manchmal auch mit Gummiüberzug, zum Einsatz.

Atemschutzmasken können in Verbindung mit Pressluftatmersystemen umluftunabhängig oder mit Atemschutzfiltern umluftabhängig verwendet werden. Bei der umluftabhängigen Version kann der Atemschutzfilter entweder direkt an der Maske angebracht sein oder über einen Schlauch mit ihr verbunden werden. Es können auch mehrere Filter oder ein Gebläse zur Erleichterung angebracht werden. Man unterscheidet dabei zwischen Normaldruckmaske und Überdruckmaske.

Atemschutzmasken werden auch als Fetischartikel, Gasmaske (BDSM), für sexuelle Praktiken wie Breathcontrol verwendet.
Rei

Aus
https://de.wikipedia.org/wiki/Atemschutzmaske
(AZ)
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon augenzeuge » 26. August 2016, 07:09

Rei hat geschrieben:Mach weiter so,jetzt sage ich mal "Besserwisser" oder,nein das sage ich nicht.

Rei


Als Lehrer würde ich dir im Verstehen meiner Beiträge eine 5 geben. Du bist einfach nicht in der Lage zwischen Hinweisen u. Besserwisserei zu unterscheiden.
Allerdings gebe ich Volker recht. Umgangssprachlich hatten wir in der vormilitärischen Ausbildung auch nur von Gasmasken gesprochen. Lag ja auch nah, man musste sich gegen "Gasangriffe"verteidigen. Das war 1980. Korrekt mag es dennoch nicht gewesen sein.

AZ
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Beethoven » 26. August 2016, 08:40

Im Grunde genommen ist es schnurz, wie wir die Truppenschutzmaske heute bezeichnen. In der NVA wurde sie jedoch als Truppenschutzmaske bezeichnet außer natürlich in Neiden. Da tickten die Uhren ja anders.

Was mich eher verwundert ist, dass ein Unterleutnant als Spieß einer Kompanie fungiert haben soll. Das höre ich hier das erste mal und ist eigentlich nicht vorstellbar. Sicher verwechselt der User da etwas. Unterleutnante waren Zugführer, Systemführer, Abschnittskommandeure (bei VM) usw. . Spieße waren Unteroffiziere und Fähnriche. Es kam durchaus mal vor, wenn es Mangel an Uffzen und Fähnrichen gab, dass ein altgedienter Soldat, diesen Posten ausfüllte. Offiziere jedoch - niemals (würde ich meinen).

Ich möchte bitte nochmals sagen, dass ich nicht meine ganze Zeit als NVA-Angehöriger Fallschirmjäger war. Ich war auch Stabschef eines Seelandebataillons in einem Mot-Schützenregiment (Rostock) und hatte weitere Dienstposten. Insofern weiß ich schon was in den Linieneinheiten abging und wie mit Soldaten umgegangen wurde, die ihre Wehrpflicht absolvierten.
Aber auch da habe ich Männer im Soldatendienstgrad kennen gelernt, die einen ausgezeichneten Dienst geleistet haben. Dies sogar bei der Masse der Soldaten. Und, ich glaube ich schrieb es schon mal, die größten "Innendienstschlampen" waren draußen im Felde oft die besten Soldaten, die die Truppe mitrissen. Oft, angeborene Führernaturen mit Widerspruchsgeist. In einem zu erwartenden Gefecht wären diese Männer die Korsettstangen der jeweiligen Einheit gewesen. Teilweise hatten sie bessere Führungsqualitäten als so mancher junge Unteroffizier. Einfach - verlässliche und gute Männer.

Gruß
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Werner Thal » 26. August 2016, 09:50

augenzeuge hat geschrieben:
Rei hat geschrieben:Mach weiter so,jetzt sage ich mal "Besserwisser" oder,nein das sage ich nicht.


Umgangssprachlich hatten wir in der vormilitärischen Ausbildung auch nur von Gasmasken gesprochen.

AZ

___________________________________________________

Oops!! Da ist mir ja - Gott sei´s getrommelt und gepfiffen - NICHTS entgangen, denn die 10. Klasse hatte
ich im Sommer 1961 erfolgreich beendet, ohne jeglichen (vor-)militärischen Drill!.

Die Gnade der frühen Geburt - eben! [laugh]

W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 26. August 2016, 11:26

Zurück zum Thema Bausoldaten usw.:

Soldaten ohne Waffen

Bild
Häftlinge und Bausoldaten mussten mithelfen, die DDR-Wirtschaft am Laufen zu halten. (Foto: Archiv Steffen Könau)

Vor 50 Jahren wurden in der DDR die ersten Bausoldaten eingezogen, aus diesem Anlass findet ab 5. September in Wittenberg ein Bausoldatenkongress statt. Wer in der Nationalen Volksarmee der DDR den Dienst an der Waffe verweigerte, musste ab 1964 als Bausoldat antreten. Justus Vesting, Kirchenhistoriker an der Martin-Luther-Universität, hat die Geschichte dieser Gruppe eingehend untersucht.

Anfangs, etwa von 1964 bis 1975, waren sie vorwiegend beim Bau von Straßen, Militärflughäfen oder anderen Militärobjekten beschäftigt. Weil viele von ihnen deshalb Gewissensprobleme bekamen und dagegen aufbegehrten, wurden sie fortan anderweitig eingesetzt: als zivile Angestellte verrichteten sie in kleinen Gruppen Dienst in Militärkrankenhäusern oder Erholungsheimen der NVA.

Weil die Zahlen trotz allem weiter stiegen, suchte die DDR-Regierung zu Beginn der 1980er Jahre nach einer Variante, junge Leute abzuschrecken. Man fand sie: Ab 1983 wurden die Spatensoldaten wieder in größere Kompanien zusammengefasst und mussten schwerste körperliche Arbeiten verrichten, etwa in Braunkohletagebauen oder auf Großbaustellen.

Als die Chemieindustrie durch fehlende Investitionen so marode wurde, dass an einigen Stellen kaum ein ziviler Arbeiter mehr freiwillig tätig sein wollte, entdeckte man die Bausoldaten auch für diese Zwecke. So waren sie in Bitterfeld ab 1986 im Chemiekombinat eingesetzt, ab 1988 dann auch in der Produktion der berüchtigten Aluminiumwerke. Dort wurden während des Schmelzprozesses Fluor und Fluorwasserstoff frei. Bei etlichen Arbeitern führte das zu Fluoroser, einer Krankheit, die zur Verknorpelung der Knochen bis hin zur Lähmung führen kann.

Der vollständige Beitrag hier:
http://magazin.uni-halle.de/16623/oppos ... n-uniform/
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon karnak » 26. August 2016, 14:42

augenzeuge hat geschrieben:Lag ja auch nah, man musste sich gegen "Gasangriffe"verteidigen.

AZ

Eben, Und deswegen wurde sie in "Fachkreisen"Schutzmaske" genannt, eine Maske mit der man sich im Wesentlichen vor gasförmigen Substanzen schützt. Eine Gasmaske wäre von der Logik eine mit der man sich Gas zuführen kann.Ich kenne das so weil ich 3 Jahre beim chemischen Dienst war. Wenn Soldaten in der Grundausbildung den Begriff Gasmaske verwendeten wurden sie immer zurechtgewiesen.
Was das Kommando"Gas"angeht,weil das hier angesprochen wurde,wurde ja nicht gegeben wegen der"Gasmaske" sondern weil man damit schnell das Kommando zum Aufsetzen der"Schutzmaske" geben kann.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 26. August 2016, 17:16

Ob Gas- oder Schutzmaske, da lacht das Herz der Korinthenkacker und Detailfetischisten und ich amüsiere mich köstlich [laugh]
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon karnak » 26. August 2016, 17:21

Du sollst eben allumfassend an die Dinge herangeführt werden, auch Kleinigkeiten spielen für ein Gesamtbild eine Rolle. [wink]
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon augenzeuge » 26. August 2016, 21:13

Interessierter hat geschrieben:Ob Gas- oder Schutzmaske, da lacht das Herz der Korinthenkacker und Detailfetischisten und ich amüsiere mich köstlich [laugh]


Es gab auch ne Schutzgasmaske..... [laugh]

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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Rei » 26. August 2016, 22:32

augenzeuge hat geschrieben:
Interessierter hat geschrieben:Ob Gas- oder Schutzmaske, da lacht das Herz der Korinthenkacker und Detailfetischisten und ich amüsiere mich köstlich [laugh]


Es gab auch ne Schutzgasmaske..... [laugh]

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Die gab es aber nur bei Dir.Hoffe nur das Du das Ding noch hast.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon augenzeuge » 27. August 2016, 08:03

Rei, war ein Spaß. Nicht mitbekommen?
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 27. August 2016, 12:04

Fehlstart eines Bürgers der Bausoldat werden wollte
von Uwe Kolbe

Am 2. November 1976 erlebte ich einen kleinen Fehlstart. Die Vorbereitungen auf das Datum waren sehr unzureichend. Erst nach Erhalt der Einberufung zur NVA hatte ich auf dem Wehrkreiskommando erklärt, ich würde es vorziehen, Bausoldat zu werden, einer ohne Waffe also, einer mit dem kleinen Spaten auf den Schulterstücken, die man so selten sah in den Zügen, an den Kurzurlaubswochen­enden randvoll mit saufenden Soldaten […] In der dazu notwendigen schriftlichen Erklärung hatte ich mich zum Pazifisten stilisiert. Die Begründung war alles andere als stichhaltig. Auf Grund der Lage hatte ich versucht, unpolitisch zu formulieren, auf private Gründe zu schieben, was doch ganz und gar politisch motiviert war.

Ich war nicht bereit, "auf Befehl der Arbeiter- und Bauernregierung" jeglichen Gegner abzuwehren. Ich war nicht einmal bereit, irgendwen als Gegner zu bezeichnen. Zwar stand ich auf der üblichen, der antikapitalistischen Seite, aber eher so, wie ein rechtgläubiger Anarchist jegliche Herrschaft des Menschen über seinesgleichen abzulehnen hat. Gleich kochte die Wut in dem Offizier hoch: Na warten Sie mal hier! Erst, nachdem mich ein anderer in die Mangel genommen hatte, nahm man meine Erklärung entgegen. Am liebsten hätte dieser mich auf die Schnelle noch davon überzeugt, dass eine Verpflichtung für die dreijährige Unteroffizierslaufbahn das Allerbeste für mich wäre. Ob ich denn am 2.11 zum Stellplatz käme? Ja, sicher, als Bausoldat, nickte ich. Ich komme allein nach Storkow.

Bevor ich zum Einberufungsdatum irgendwohin hatte kommen können, waren die schon gekommen, in Form zweier Polizisten. Ich war gerade beim Rasieren, was ich damals eigentlich noch nicht regelmäßig tun musste. Schließlich hatte ich ja "freiwillig" kommen wollen. Die Grünen warteten. Mit meinem Lieblingsköfferchen ging ich mit: Jeans mit leichtem Schlag, dicker blauer Pullover, die Haare fast zu kurz für einen militärischen Schnitt. Sie fuhren mich zum Wehrkreiskommando. Ich sagte, ich wäre eigentlich schon selbständig auf dem Weg gewesen. Ach so. Nach einer halben Stunde ließen sie mich wieder ziehen. Es war knapp. Fast musste ich rennen zur S-Bahn. In Königs-Wusterhausen warteten schon die "Ellos", kleine Pritschenwagen. Man stand von Anfang an rum und wartete. Die erste Begegnung mit dem "Sinn des Solda­tenseins"(wie jener feine Ausdruck geht): Warten. Warten auf den nächsten Befehl. Warten auf das Verpflegung-Fassen. Warten auf den nächsten Krieg, der endlich das Warten beendet.

Das Kasernengelände bestand aus halbfertigen Bauten am Rande eines älteren Regimentskomplexes. Die Erklärung für die Baustelle wurde als Gerücht nachgereicht: Helsinki, die KSZE, lag zwei Jahre zurück. Die DDR hatte sich irgendwo verpflichtet, die Soldaten ohne Waffe, Bausoldaten, aus den eigentlichen militärischen Objekten und Pflichten herauszuhalten. Dieses Bataillon hier war ein Nachfolgetrupp jener Bausoldaten-Einheiten, die vor­her militärisch und zivil, z.B. am Palazzo Prozzo in Berlin, gebaut hatten. Wir mussten uns die Unterkünfte erst selber einrichten: Baupioniere.

Draußen kahle Birken. In den Zweigen Massen von laut krächzenden Krähen. Nach weiterem Herumstehen gings "geordnet" zum Erhalt der "Bekleidung und Ausrüstung", kurz B/A. Als ich an der Reihe war, sagte ich, nein, das nehme ich nicht. Ich bin schließlich Bausoldat. Wie bitte? Ja, wissen Sie das hier gar nicht? Einen Moment mal! Der Bataillonskommandeur: Sind Sie bereit in meiner Einheit zu dienen, ja oder nein? Ich: Ja, als Bausoldat. Er: Ich frage, sind Sie bereit zur Ableistung Ihres Grundwehrdienstes mit allem, was dazu gehört, also auch mit der Waffe, in meiner Einheit, ja oder nein? Ich: Nein. Es saß eine Vorzimmerdame dabei. (Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie die Frauen in Uniform, in der Regel mit Unteroffiziersrängen, in der niederen Soldatensprache hießen).

Das Protokoll war kurz: Nicht bereit usw. Der Oberstleutnant befahl etwas ins Telefon. Zwei Wachsoldaten kamen. Ist sofort in Arrest zu bringen. Sie brachten mich in eine Zelle im Wachgebäude am Tor. Am nächsten Morgen um sechs fuhr ein Trabanten-Kübel mit Planenverdeck vor mit einem Offizier und einem Fahrer drin. Man schwieg. Ich hatte noch die Zivilklamotten an. Man schwieg bis Eggersdorf bei Berlin. Militärstaatsanwalt der Landstreitkräfte.

Zwei Dienstgrade mit Schreibmaschinen. Dazwischen ich in der Zange. Name, Geburtsdatum usw. Sie verweigern also den Wehrdienst. Nein, ich verweigere nur den Dienst mit der Waffe. Sie haben das zu spät erklärt. Ich habe es bereits auf dem Wehrkreiskommando erklärt. Sie haben es nach Erhalt der Einberufung erklärt. Sie unterliegen jetzt der Militärgerichtsbarkeit. Sie begehen bzw. haben bereits begangen Wehrdienstverweigerung und werden entsprechend Militärrecht als Angehöriger der NVA behandelt. Ich erkläre nochmal, dass ich nur den Dienst mit der Waffe, nicht den Militärdienst verweigere. Das ist zu spät. Sie haben doch ein Kind, nicht? Ja, das ist jetzt zwei Monate alt […] Sie werden es dann wohl mindes­tens zwei Jahre nicht sehen. Ich bekam feuchte Augen: Ich verweigere doch nur die Waffe. Ich bin Bausoldat. Sie können erklären, was Sie wollen. Bleiben Sie dabei? Unter Tränen: Ja. Dafür ist dann der Militärrichter von Berlin zuständig.

Mit dem Kübel nach Berlin. Dieselben, Offizier und Fahrer. Schweigen bzw. einzelne, quasi freundliche Bemerkungen des Offiziers. Wir kannten uns jetzt schon immerhin einen halben Tag. In Eggersdorf hatten wir ja auch etwas essen müssen. Keibelstraße Berlin, Polizeipräsidium. Hinter irgendeiner Eisentür hintenrum in einen neondunklen Gang. Ein Schließer offenbar, einer in Blau: Lümmel da nicht so rum! Weg von der wand! Der Weg in den Knast hoch. Die Umgänge. Die Netze gegen das "Fliegen". Wie hieß der amerikanische Film nochmal? "Das Glashaus". Taschen ausleeren. Gürtel ab. Schnürsenkel. Die Zelle. Etwa eineinhalb Stunden zu warme, zu feuchte Luft. Bleiches Tageslicht durch die Glasziegel.

An vielen Zellen vorbei. Ausführliches zeigen des Instrumentes. Der zweite "Raupenschlepper" meiner kurzen Laufbahn: ein Oberstleutnant, daneben ein Schreiberdienstgrad. Papiere: "Der Militärrichter von Berlin". Die letzte Freundlichkeit des erzürnten Vaters gegenüber dem ungehorsamen Sohn: Na, haben Sie es sich noch mal überlegt? Ja, ich möchte Bausoldat werden. Das können Sie nicht mehr. Sie haben in subjektiver und objektiver Hinsicht den Tatbestand der Wehrdienstverweigerung erfüllt. Sie können vor Gericht erklären, was Sie wollen. Zwei bis fünf Jahre Haft. Hier ist Ihr Haftbefehl. Ein gelber Zettel. Für Sie gibt es nur noch eine Möglichkeit, mit einem blauen Auge davonzukommen. Sie können jetzt sofort zu Ihrer Einheit nach Storkow zurückfahren, wenn Sie erklären, dass Sie bereit sind, Ihren Wehrdienst zu leisten.

Ich war bereit. Ich war bereit, schriftlich zu erklären (und hab es noch heute im Kopf):"Ich, Name, geboren, bin bereit, unter Hinweis auf die strafrechtlichen Konsequenzen der Verweigerung der Waffe, meinen Grundwehrdienst entsprechend den Vorschriften zu leisten. Ort, Datum."

http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -46/04616/

Die Genossen hatten schon ein merkwürdiges Demokratieverständnis.. [flash]
Interessierter
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Volker Zottmann » 27. August 2016, 12:19

Interessierter hat geschrieben:Die Genossen hatten schon ein merkwürdiges Demokratieverständnis.. [flash]


Ja, das hatten sie immer!
Und Uwe Kolbe wurde dann Baupionier. Hätte seinem Vater Ulrich auch nicht gefallen, zu verweigern.
Wäre dem Daddy (OibE) sicher auf die Füße gefallen. [grins]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 6. Oktober 2016, 12:14

Befehlsverweigerung von Bausoldaten

Ein telefonischer Rundruf von Mitarbeitern des Berliner Vereins zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur, Bürgerbüro e.V., bei den fünf Landesbeauf­tragten für die Stasi-Unterlagen und den anderen Berliner Beratungsinitiativen zur Rehabilitierung von SED-Unrecht im Frühjahr 2004 ergab, dass der Beratungsbedarf gerade bei ehemaligen Bausoldaten besonders gering zu sein scheint. Die wenigen Ratsuchenden haben zumeist Fragen zur Einsicht in die Stasiunterlagen oder zu Problemen der beruflichen Rehabilitierung und erwähnen nur am Rande, dass sie den Waffendienst verweigert haben. Das verwundert nur zunächst. Schließlich war die Entscheidung zum waffenlosen Dienst bei vielen nur eine Facette ihres widerständigen Verhaltens gegenüber dem SED-Regime. So hatten Bausoldaten einen entscheidenden Anteil am Entstehen einer unabhängigen Friedensbewegung in der DDR; prominente Exponenten der DDR-Menschen­rechtsbewegung wie Rainer Eppelmann, Gerd Poppe und Ralf Hirsch waren Bausoldaten.

Inhaftierungen von Bausoldaten geschahen vorrangig wegen Befehlsverweigerung.3 Erste Verhaftungen erfolgten schon bald nach Einrichtung der Baueinheiten. 1965 wurden 8 Bausoldaten zu jeweils 6 Monaten Militärhaft verurteilt, weil sie den angeordneten Bau einer Schießanlage verweigerten.4 Bis in die 1980er Jahre hinein stellte die Weigerung, an militärtechnischen Anlagen zu arbeiten, einen Hauptgrund zur Verurteilung von Bausoldaten dar.5

Auch die Verweigerung des Gelöbnisses hatte für Bausoldaten bis in die 80er Jahre hinein Verurteilungen zu Militärhaft zur Folge. Die Bestrafung erfolgte in der Regel ebenfalls wegen Befehlsverweigerung. Gegenwärtige Re­ha­bi­litierungsbestrebungen von Betroffenen – das zeigen exemplarisch die beiden folgenden Fälle - stoßen jedoch bei den Rehabilitierungskammern der entsprechenden Ge­richte zunächst auf Widerstand.

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -46/04610/
Interessierter
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 15. November 2016, 13:11

Christfried Berger – ein Brückenbauer für Frieden und Versöhnung

Erste Begegnung

Als am Morgen des 4. November 1964 auf dem Berliner Ostbahnhof der Theologe Traugott Vogel mir den Kriegsdienstverweigerer Christfried Berger vorstellte, konnte ich noch nicht ahnen, dass damit eine lebenslang andauernde Freundschaft beginnen würde. Das Kennenlernen war bereits symptomatisch für spätere Aktionen. Wir begaben uns in den Zug nach Stralsund, der uns zu unserem Bausoldatenstandort nach Prenzlau und Jörg Hilde­brandt, der hinzugekommen war, zu seiner Einsatzkaserne Stralsund bringen sollte. Sofort begannen wir, gemeinsame Strategien zu entwickeln für das Vorgehen an den sechs verschiedenen Bausoldaten-Standorten zu den Fragestellungen:

wie kann der militärisch orientierte Bausoldatendienst zu zivilen Zielen gewandelt werden?

wie gelingt es uns, den Kameraden eine möglichst geschlossene Ablehnung des – den unbedingten Gehorsam einschließenden – Gelöbnisses nahezubringen?


Diese beiden Fragen sollten schließlich 26 Jahre lang alle Generationen der Waffendienstverweigerer in der DDR beschäftigen.
Welche Lebensereignisse haben Christfried Berger zum Wehrdienstverweigerer werden lassen?

18 Monate in der Baueinheit

Vier Wochen nach der Einberufung hieß der Befehl in der "Roten Kaserne" in Prenzlau: "Heraustreten zur Ablegung des Gelöbnisses!"
Mit diesem sollte versprochen werden:

"meine Kraft zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft einzusetzen,

als Angehöriger der Baueinheiten durch gute Arbeitsleistungen aktiv dazu beizutragen, dass die NVA [...] den sozialistischen Staat gegen alle Feinde verteidigen und den Sieg erringen kann,

den Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten"

Die gute konspirative Vorarbeit zeigte Früchte! Nur wenige Bausoldaten folgten dem Ansinnen des Seelenverkaufes. Diese metaphysische Daumenschraube wurde rundweg abgelehnt. Auch die Parteiführer Götting (CDU), Gerlach (LDPD) sowie die Militärs General Stechbart, Chef des Militärbezirks V, und der aus Strausberg herbeigeeilte Stellvertretende Verteidigungsminister Admiral Verner konnten dieses starke und geschlossene Bekenntnis von ca. 50 Bausoldaten nicht zu Fall bringen. Christ­fried übte mit seiner starken Persönlichkeit und immer neuen Ideen eine überzeugende Führungsrolle aus. An wechselnden versteckten Orten der Kaserne wurde von den Vertrauenspersonen der Bausoldaten das jeweils nächste Vorgehen vorbesprochen.

Eine Verweigerung von Arbeitsleistungen für den Bau eines Schießplatzes hatte für fünf Kameraden eine sechsmonatige Haftstrafe im Armeestraflager Berndshof bei Ueckermünde zur Folge, ebenso wie ein hungerstrei­kender Bausoldat zum gleichen Strafmaß verurteilt wurde. Diese Strafzeit musste "nachgedient" werden.

Anlässlich seiner Hochzeit mit der Theologin Almuth Brennecke am 5. Dezember 1964 erhielt er im letzten Moment doch noch einen dreitägigen Sonderurlaub. Beinahe hätte die Braut vergeblich gewartet.
Ein Husarenstück gelang 1965 Bischof Dr. Johannes Jänicke (Magdeburg), als er Christfried zu einer "fachlichen Beratung" über den Dienstweg der militärischen Führung erfolgreich einlud. Beraten und vorbereitet wurde die "Handreichung für Seelsorge an Wehrpflichtigen", die später hasserfüllte Attacken der Regierung an die Kirchenleitung zur Folge hatte. War doch in dieser Handreichung deutlich Stellung bezogen worden: "Vielmehr geben die Verweigerer, die im Straflager für ihren Gehorsam mit persönlichem Freiheitsverlust leidend bezahlen und auch die Bausoldaten, welche die Last nicht abreißender Gewissensfragen und Situationsentscheidungen übernehmen, ein deutlicheres Zeugnis des gegenwärtigen Frie­densgebots unseres Herrn."

Maßgeblich hat Christfried den "Aufruf der Prenzlauer Bausoldaten vom März 1966" formuliert, mit dem Eltern, Männer, Frauen und Mädchen, Wehrpflichtige, Schüler und Studenten aufgefordert werden, gegen die wachsende Aufrüstung in der DDR klare Stellung zu beziehen. Auch in den weiteren Jahren widmete er sich immer wieder der Sammlung und Organisierung von Friedensgruppen.

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -45/04514/

Ein weiteres interessantes Kapitel aus der Geschichte der Bausoldaten.
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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Beethoven » 15. November 2016, 14:25

Ein aktives Mitglied im NVA Forum, hat einen längeren, interessanten Beitrag recherchiert und geschrieben.

Hier ist dieser Beitrag.

Gruß

Die ersten 220 Bausoldaten wurden im November 1964 eingezogen. Die Bausoldaten waren in besondere militärische Einheiten zusammengefaßt und unter Leitung von "normalen" Offizieren und Unteroffizieren der NVA z.T. direkt an militärischen aber auch zunehmend an zivilen Bauvorhaben eingesetzt. Ihr Dienstgrad war "Bausoldat" ohne Beförderungs- (oder Degradierungs)möglichkeit. Das äußere Zeichen war der Spaten auf dem Soldatenschulterstück - daher auch die landläufige Bezeichnung als "Spatensoldaten". Sie leisteten kein Fahneneid sondern ein Gelöbnis .

Ihr Dienst dauerte die gleiche Zeit, wie der „normale“ Grundwehrdienst - 18 Monate. Die Ausbildung kann wie folgt zusammengefaßt werden:

* Staatspolitische Schulung sowie Schulung über gesetzliche und militärische Bestimmungen
* Exerzierausbildung ohne Waffe und Militärische Körperertüchtigung
* Pionierdienst und spezialfachliche Ausbildung
* Schutzausbildung und Ausbildung in der ersten Hilfe

Dabei lag der Schwerpunkt ihres Wehrersatzdienstes weniger in der (Grund-) Ausbildung, die oft nur 14 Tage oder weniger dauerte, sondern mehr in der Arbeitsleistung.

Die normale Verweigerung (Bausoldat) wurde "einfach" beim Wehrkreiskommando (WKK) erklärt. Es gab keine weiteren Formalitäten, Gewissensprüfung o.ä. - es war ein Rechtsanspruch der genutzt wurde. Trotz des Rechtsanspruches war dessen Wahrnehmung keine einfache Sache: Naheliegend wurden die Verweigerer durch die "zuständigen Organe" verbal unter Druck gesetzt und schikaniert, mit dem Ziel sie von ihrer Entscheidung wieder abzubringen.

Von der Möglichkeit waffenlos als Bausoldat zu dienen machten ursprünglich je Einberufungsjahrgang ca. 400, später bis zu 1.000 Wehrpflichtige Gebrauch. Während die Anzahl der Erklärungen für einen waffenlosen Dienst von 1964 bis 1976 etwa gleich bleibend war, hatte sie in den Jahren 1977 bis 1979 und vor allem ab 1980 eine stark steigende Tendenz. Insgesamt dienten zwischen 1964 und 1990 etwa 12.000 bis 15.000 als Bausoldaten. In diesem Zeitraum dienten ca. 2 bis 3 Millionen Wehrpflichtigen, d.h. deutlich weniger als ein Prozent gingen als Bausoldat zur NVA. Eine Analyse der sozialen Struktur dieses Personenkreises durch das MfS ergab, dass er sich zu ca. 80 % aus den Söhnen von Handwerkern zusammensetzte sowie aus Personen, die beabsichtigten eine kirchliche Laufbahn einzuschlagen.

Ursprünglich gab es bei den beiden Militärbezirken und den Teilstreitkräften je ein Baupionierbataillon. Ab 1974 wurden die Bausoldaten überwiegend dezentral - in Stäben, Schulen oder beim Bau von Erholungsheimen und Krankenhäusern - eingesetzt. Auf Grundlage des Befehls 11/83 des Ministers für Nationale Verteidigung erfolgte seit der Einberufung November 1982 wieder der konzentrierte Einsatz von Bausoldaten in Baueinheiten. In den 80er Jahren war Prora (Insel Rügen) mit der Baueinheit-2, Einsatzbereich: Fährhafenbau Mukran, der größte Bausoldatenstandort. Ab 1983 waren dort durchschnittlich 360, Ende der 80er bis zu 600 Bausoldaten stationiert. Im Krisenjahr 1989 waren allein in der chemischen Industrie des Bezirkes Halle ca. 1.600 Bausoldaten eingesetzt, wovon 500 in Buna arbeiteten. Der Bestand an Bausoldaten war inzwischen auf insgesamt 2.142 angestiegen, davon dienten 1.304 in den dem Ministerium für Nationale Verteidigung und 90 bzw. 91 dem Militärbezirken III bzw. V direkt unterstellten Einheiten sowie 348 bei den Landstreitkräften, 248 bei den LSK/LV und schließlich 61 bei der Volksmarine.

Auch die Motivation als Bausoldaten zu dienen änderte sich im Laufe der Zeit. Während bis in die 70er Jahre noch vorrangig religiös motivierte Wehrpflichtige aus den evangelischen Landes- und Freikirchen als Bausoldaten dienten, waren es ab ab Mitte der 80er Jahre überwiegend Menschen, die die DDR als Staat ablehnten, darunter viele mit laufenden Anträgen zur ständigen Ausreise. Im Mai 1988 wurden aus Veranlassung des MfS sogar rd. 700 Wehrpflichtige nicht zum Dienst in den Baueinheiten herangezogen, da u.a. Befehlsverweigerungen und "demonstrative Handlungen" erwartet wurden.

Die Propagierung des Wehrersatzdienstes erfolgte vorrangig durch die evangelischen Kirchen in der DDR. So wurde bereits 1965 ein Papier, die sog. "Handreichung für Seelsorge an Wehrpflichtigen zum Friedensdienst der Kirche" in Umlauf gebracht. In den folgenden Jahren nahm die Beratung von Wehrpflichtigen durch Mitarbeiter der Kirche zunehmend organisierte Formen an. Am 7. und 8. November 1970 fand erstmalig eine Zusammenkunft von ehemaligen Bausoldaten unter der Bezeichnung "Arbeitskreis für Friedensarbeit in der DDR" im Gemeindesaal der Bartholomäusgemeinde in Berlin statt.

Ergänzungen

Außenpolitische Rahmenbedingungen
Die DDR war bis zuletzt das einzigste sozialistische Land, in dem ein Dienst ohne Waffe möglich war. Der Ersatzdienst in Baueinheiten wurde bereits kurz nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eingeführt. Erst 1970 nahm sich die UN-Menschenrechtskommission des Themas "Wehrdienstverweigerung" unter dem Tagesordnungspunkt "Die Rolle der Jugend bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte, einschließlich der Frage der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen" an. Dabei hatte die Parlamentarische Versammlung des westeuropäischen "Europarats" ihre erste Resolution und Empfehlung zum Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen 1967 (Resolution 337 und Empfehlung 478) verabschiedetet, gefolgt von Empfehlung 816 im Jahr 1977. Erst am 29. Juni 1990 wurde durch das Schlussdokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa folgendes formuliert: "... die Einführung verschiedener Formen des Ersatzdienstes zu erwägen, die mit den für die Wehrdienstverweigerung geltend gemachten Gewissensgründen vereinbar sind, wobei diese Arten des Ersatzdienstes grundsätzlich nicht-kriegsdienstlicher beziehungsweise ziviler Natur sind, im Interesse der Öffentlichkeit stehen und keinen Strafcharakter haben". Mithin entfiel es für die DDR die Einführung eines Ersatzdienstes "grundsätzlich ziviler Natur" zu "erwägen".

Totalverweigerer
In geringerer Anzahl, je Einberufungsjahrgang ca. 100 Personen, traten sog. Totalverweigerer auf, Personen, die jeden Wehrdienst verweigerten und dafür eine Haftstrafe in Kauf nahmen. Bereits vom ersten zur NVA einberufenen Jahrgang traten etwa 2 (zwei) eine Haftstrafe von 4 bzw. 7 Monaten wegen Wehrdienstverweigerung an. In der Mehrzahl handelte es sich bei Totalverweigeren um Angehörige der Sekte "Zeugen Jehova". Die Haftstrafen betrugen grundsätzlich zwischen 20 bis 24 Monate und bei Verweigerung des Reservistendienstes zwischen 4 bis 9 Monaten. Im November 1985 wurden alle Totalverweigerer aus der Haft entlassen - von diesem Zeitpunkt an wurde dieser Personenkreis grundsätzlich nicht mehr einberufen bzw. für die Totalverweigerung bestraft. Das führte dazu, daß die Totalverweigerung zu Methode der Wahl wurde. Die Propagierung der Totalverweigerung erfolgte ebenfalls unter dem Dach der evangelischen Kirche. Im Mai 1988 fand in Berlin-Schmökwitz das vom "Freundeskreis der Totalverweigerer" organisierte 1. DDR-weite Wehrdienstverweigerertreffen, ein zweites im Mai 1989 in Kirchmöser statt. Die Anzahl der Totalverweigerer stieg zuletzt auf ca. 2.000 Personen eines Einberufungsjahrganges, mit weiter steigender Tendenz. Insgesamt wurden rd. 7.500 Totalverweigerer in weniger als dreißig Jahren gezählt.

Zwischen 1964 und 1989 standen insgesamt 3.144 Wehrdienstverweigerer vor DDR-Gerichten.

Quelle: http://home.snafu.de/veith/bausolda.htm
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

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Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 2. Dezember 2016, 10:45

Bausoldaten und Totalverweigerer in der DDR

Anmerkungen zu einem Kompromiß und zur Wehrdienstverweigerung, der deutlicheren Form des "Neins"

Bausoldatenkongreß und Bausoldatengedenken
Das Bausoldatenthema hat in der DDR-Erinnerungsszene zweifelsohne Konjunktur. Denn vor vierzig Jahren, am 7. September 1964, wurde die Anordnung über die Aufstellung von Baueinheiten im Rahmen der Nationalen Volksarmee (NVA) erlassen. Marksteine der auf säkulare Sinnstiftung abzielenden Erinnerungsfeiern waren unter anderem der von der Robert-Havemann-Gesellschaft organisierte Bausoldatenkongresß in Potsdam vom 3. bis 5. September 2004 und das begleitend erscheinende Bausoldaten-Heft (2/2004) der Zeitschrift Horch und Guck.

Bei der Vorbereitung dieses Heftes kam es innerhalb der Redaktion und im Bürgerkomitee "15. Januar" e.V. zu einer Diskussion, die auch die Ambivalenz dieses Gegenstandes widerspiegelte. Einzelne Redaktionsmitglieder meinten, die Entscheidung zur Verweigerung des Waffendienstes – bzw. zum Eintritt in die Bausoldateneinheiten – werde allzu schnell mit Widerständigkeit oder sogar mit oppositionellem Handeln gleichgesetzt. Herauszustellen sei vielmehr die Widersprüchlichkeit jener Entscheidung, die keine Wehrdienstverweigerung bedeutet, sondern nur einen Militärdienst ohne Waffe zur Folge gehabt habe. Ihre Bestätigung fand diese Position auch in einigen in diesem Heft abgedruckten Erfahrungsberichten von Bausoldaten selbst (z.B.: "Waffenlose Aufrüstung", S. 30). Der folgende Beitrag ist somit auch als Produkt, als Nachlese der oben beschriebenen Diskussion anzusehen.

Drei Fragen soll im folgenden nachgegangen werden: Wie ist der Bausoldatendienst im Spannungsverhältnis der Begriffe "Verweigerung" und "Widerspruch" zu bewerten? Und: Welches Ausmaß hatte die Wehrdienstverweigerung in der DDR, welche Motive lagen ihr zu­grunde?1 Nicht weiter eingegangen werden kann im weiteren auf die Entwicklung der Totalverweigererbewegung im engerer Sinne, das heißt, die Verweigerer-Freundeskreise, Gesprächsgruppen zur Einführung eines zivilen Ersatzdienstes2 usw.: Dies würde unweigerlich den hier gegebenen Rahmen sprengen.

Die Antworten findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -48/04811/

Sehr interessante und unterschiedliche Motivationen der Verweigerer und wie manche jungen Menschen ganz bewußt eine Gefängnisstrafe riskierten.
Interessierter
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 15. März 2017, 17:38

Das MfS bzw. die Stasi in Prora

Das MfS bzw. die Stasi (Ministerium für Staatssicherheit) war in Prora allgegenwärtig. Wie ein großes unsichtbares Gespenst, das ständig und überall auf seine Opfer lauerte und dem man nicht entkommen konnte. Selbst NVA-Vorgesetzte schienen dieses Gefühl zu kennen und wirkten verunsichert.

Während der Zeit der Bausoldaten in Prora gab es sehr viele Gerüchte um diesen mächtigen Staatsapparat. Genaues wusste man nicht. Die Konspiration war schließlich das „Heiligtum“ der Stasi. Dass die Stasi die gesamte Bandbreite ihrer Möglichkeiten in Prora ausnutzen würde, das ahnte/wusste man. Immerhin wurden die Bausoldaten in der DDR als „Staatsfeinde“ betrachtet, die es wagten, aus der loyalen Masse heraus zu treten und unter Inkaufnahme von Nachteilen ihren eigenen Weg gingen und sich damit dem System entgegenstellten. Dass die Angst der Stasi vor den Bausoldaten nicht unbegründet war, hat sich während der friedlichen Wende 1989 deutlich gezeigt. Nicht wenige ehemalige Spatis engagierten sich in dieser Zeit sehr aktiv und leisteten damit einen wichtigen Beitrag.

Die Unterlagen, die über die ehemaligen Bausoldaten angelegt wurden, waren aus Sicht der Stasi deshalb besonders brisant. Kein Wunder, dass man sie möglichst schnell los sein wollte. Zeitzeugen berichten von hektischen Vernichtungsaktionen.
Zunächst ging man davon aus, dass alle Unterlagen in diesem Zusammenhang vernichtet wurden. Inwieweit das wirklich geschehen ist, kann derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Ein erstes Forschungsprojekt hat allerdings gezeigt, dass sich das Suchen lohnt. Nicht alle Papiere sind dem Reißwolf oder dem Feuer zum Opfer gefallen. Tausende Aktenseiten warten nun darauf, etwas Licht in diesen Teil der Proraer Geschichte zu bringen.
Diese Internetseite möchte sich möglichst offen und sachlich mit diesem Thema auseinandersetzen, gleichzeitig aber nicht zu einem öffentlichen „Pranger“ verkommen. Ob dieser Spagat gelingt, wird sich zeigen.
Mit der Aufarbeitung der Unterlagen sollen weitere wichtige Puzzleteile in das große Bild der Proraer Bausoldaten eingefügt werden.

Bild

http://www.proraer-bausoldaten.de/html/stasi___mfs.html
Interessierter
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon Interessierter » 17. März 2017, 12:19

Mikrofone richt‘ euch!

Szenen aus einem Abhörprotokoll vorgelesen von Florian Israel (I), Bernd Volker (V), Andreas Neumann (N), Thomas Zimmermann (Z), Bausoldatenkongress, Potsdam, 04.09.2004 – Grundlage ist das Stasi-Originalmanuskript, das auf einem Mitschnitt aus dem Sommer 1984 beruht, aufgenommen in Prora/Rügen.


Einführung durch den Erzähler:

„In der folgenden halben Stunde lesen Florian, Bernd, Andreas und Thomas aus einem Abhörprotokoll, das sie in ihren Stasi-Akten gefunden haben. Die Mitschnitte entstanden im Sommer 1984 in Prora. Aus Gründen der Verständlichkeit haben wir den Text überarbeitet und in einigermaßen sinnvolle Zusammenhänge gesetzt. Das Originalmanuskript stellt eine Aneinanderreihung von Fragmenten dar. Die sind für jemanden, der nicht selber in dem Zimmer war, kaum verständlich.

Zu unserer Beruhigung konnten wir aus der vorliegenden Abschrift erkennen, dass der Staatsicherheitsdienst unfähig war, aus dem abgehörten Material zusammenhängende Informationen zu gewinnen. Die überwiegende Mehrzahl der 35 Seiten reiht sinnfrei Worte aneinander, deren Kontext sich kaum erschließt. Durch die Tücken der Technik wird der wenige Sinn komplett vernebelt: entweder behindern Flugzeuggeräusche den guten Empfang oder ein eingesetzter Tauchsieder bzw. eine Kaffeemaschine erschweren das Verständnis unserer „subversiven“ Gespräche.

Zur Erinnerung: In jenem Orwell-Jahr fand in der DDR eine Kommunalwahl statt, deren Manipulation wir versuchten, öffentlich zu machen. Mitte des Jahres besuchte uns dann der Armee-Minister Heinz Hoffmann in Prora. Aufgrund dieses Besuches durfte auch das „“Neue Deutschland““ erstmals von Bausoldaten Notiz nehmen.

Die Szenen, die wir für euch herausgesucht und nachbearbeitet haben, stehen beispielhaft für unsere Weigerung, den Armeealltag ernst zu nehmen, die DDR gut zu finden und uns im Umgang miteinander zu schonen….“

Das Abhörprotokoll findet man hier:
http://zettmann.de/akteneinsicht/mikrofone-richt-euch/
Interessierter
 

Re: Waffenloser NVA-Dienst

Beitragvon augenzeuge » 17. März 2017, 12:47

I: „Wer hat die Dienstvorschrift?“
Z: „Die hat der Kompaniechef, aber sie ist Verschluss-Sache.“
N: „Die Nummer müsste man raussuchen.“
V: „Ich wüsste jemand, der das raussuchen kann.“


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