Spezialtruppen im rückwärtigen gebiet des Gegners

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Spezialtruppen im rückwärtigen gebiet des Gegners

Beitragvon Beethoven » 15. Dezember 2023, 09:40

Ich möchte mal wieder etwas aus meinem einstigen Leben als Angehöriger einer kleinen Truppe in Euer Gedächtnis holen. Den Beitrag schrieb ich vor ~ 20 Jahren mal für das damalige FJ-Forum. Manches davon ist heute wohl nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Da bitte ich um Entschuldigung.

Da ich so ein richtig verknöcherter Einsatzgruppenmann bin, da ich die Luftsturm-Taktik am eigenen Leibe nur am Rande erlebte, ist dieser Beitrag natürlich aus der Zeit, als im damaligen Fallschirmjägerbataillon der NVA noch die Einsatzgruppentaktik einziger Lehr- und Ausbildungsinhalt war.

Wer kann sich noch an diese Zeiten erinnern?

Basis oder Warteplatz, wo ist der Unterschied ?

Jeder Soldat der Aufgaben im rückwärtigen Gebiet des Gegners (rGG) zu erfüllen hat, hat vor seinem Einsatz eine umfangreiche Ausbildung, über das Verhalten im rGG genossen.

Das zieht sich über die verschiedenen Methoden des Eindringens ins rGG, über die Bewegung dort, über die Aufklärung auf dem Marsch oder von Objekten, Plätzen usw. von den Handlungen vor, bei und nach Gefechtshandlungen unterschiedlicher Art, von der Ernährung aus der Natur, dem gedeckten Überwinden von Hindernissen und vielem mehr.

Immer wieder auch das Beziehen und Einrichten eines Warteplatzes (WaP) oder einer Basis (Ba) und des Regimes innerhalb dieser taktischen Handlungen /Plätze.

Was ist das nun und was für Voraussetzungen müssen diese, auf einer Landkarte, nur als kleine Punkte dargestellte, Flecken Erde erfüllen und was spielt sich dort ab?

Man muss vorausschicken, dass der Raum für eine Basis und einen oder mehrere Warteplatz sowie die Wechselbasis und die Wechselwarteräume, bereits vor dem Einsatz befohlen werden. Mit Raum ist nicht der konkrete Platz gemeint sondern ein großes Waldmassiv oder ein anderer, schwer zugänglicher und schwer durch den Gegner aufklärbarer Raum.

Die Basis wird nur dann angelegt, wenn die Gruppe entsprechend Ihrer Gefechtsaufgabe damit rechnet, längere Zeit an diesem Punkt zu verweilen. Mit längerer Zeit ist mehr als zwei, drei Tage gemeint. Deshalb werden an eine Basis auch bestimmte Anforderungen gestellt, die wir bei einem Warteplatz nicht unbedingt beachten müssen, wobei viele Gesichtspunkte auch auf den WaP zu treffen.

Das ist eigentlich auch der gravierendste Unterschied zwischen Basis und Warteraum. Die Basis wird für längere Zeit bezogen und pioniertechnisch recht hoch ausgebaut, so gut es eben mit eigenen Mitteln möglich ist, der Warteplatz wird nur für einen begrenzten Zeitraum bezogen und der pioniertechnische Ausbau hält sich in Grenzen, da die Jäger diesen Platz nur kurzzeitig (bis zu 24 Stunden) nutzen.

Die Basis ist immer sehr weit entfernt vom eigentlichen Objekt der Begierde der Fallschirmjäger. Durchaus 25 – 50 km. Von hier aus könnten auch mehrere Aufgaben durch die Fallschirmjäger erfüllt werden. Auf dem Weg zu Erfüllung der Gefechtsaufgabe von der Basis aus, bezieht die Fallschirmjägergruppe, Warteplätze um von diesen aus die Aufklärung des Objektes durchzuführen, die Gefechtsaufgabe zu präzisieren, soll heißen, den Gefechtsbefehl durch den Einsatzgruppenführer an die Jäger und Trupps zu stellen (günstig anhand eines kleinen, selbst errichteten Sandkastens innerhalb des WaP) und zum Gefecht aufzubrechen. Im Warteplatz verbleibt auch kein Jäger mehr, wenn die Gruppe an die Erfüllung der Gefechtsaufgabe geht, weil dieser nicht noch mal bezogen werden wird. Bei einer Basis ist das anders. Die Gruppe kann durchaus noch mal zurück kehren, eine gewisse Zeit abwarten, durch Lastenabwürfe neu versorgt werden und zu neuen Gefechtsaufgaben aufbrechen, wenn die Gruppe dazu noch in der Lage ist.

Für eine Basis und einen Warteplatz muss als erstes gelten:

- der Platz der Basis muss weit entfernt von jeder menschlichen Ansiedlung und von stark frequentierten Straßen liegen (3 – 5 km Minimum),

- die Ba und der WaP muss ein gedecktes, unerkanntes Beziehen und Verlassen ermöglichen und das bei Möglichkeit an mehreren Stellen,

- für die Ba muss eine Wasserquelle in der Nähe sein (ca. 3 km) die ebenfalls gedeckt zu erreichen ist (Fluss durch einen Wald ist immer gut da fließendes Wasser sauberer ist als stehendes Wasser),

- die Ba muss einen abgesetzten Platz (3 – 5 km) geben, von welchem Funksprüche abgesetzt werden können,

- In der Ba muss es möglich sein, mindestens eine Feuerstelle einzurichten um Wasser aufzukochen und warme Speisen zubereiten zu können aber auch um sich wärmen zu können. (Den kleinen, selbst gemachten Ofen beschreibe ich hier noch, den sich die Jäger selber gemacht haben.)

- In der Ba gibt es eine gewisse sanitäre Komponente für die Notdurft aber auch für medizinische Notfälle,

- die Basis sollte schwer aus der Luft aufklärbar sein,

- für die Ba muss Material zum Ausbau selbiger im nahen Umfeld zu finden sein, bzw. die gedeckte Lagerung von Erdaushub.

Was für Orte kommen für die Ba und den WaP also in Frage?

- Dichte, große Waldgebiete mit ordentlich Unterholz,

- trockene Stellen in Mooren oder Sümpfen, die wenigsten an zwei Seiten mit dichtem Wald umgeben sind und über diese erreicht oder verlassen werden können,

- Verlassene Weiler mitten im Wald, bei Möglichkeit mit Keller,

- Felsenhöhlen im gebirgigen Gebiet mit zwei Ausgängen

- alte, verlassene Steinbrüche und Kiesgruben an deren Rändern die Natur gesiegt hat,

- In der Winterzeit – verlassene Ferieneinrichtungen und Erholungseinrichtungen in absoluter Alleinlagen,

- Alleinstehende Ruinen (hier wiederum mit Keller wobei die Sicherung vom Dach aus geschieht).


In der Ba als auch im Wap wird durch den Einsatzgruppenführer nach der taktischen und topographischen Orientierung befohlen:


- Wege und Punkt des Betreten und Verlassens der Ba und des WaP mit Parolenaustausch,

- Alarmsystem und Signale der Alarmierung und des Verlassens,

- Ort, Platz und Zeit (nach Signal) und durchaus auch den Weg des Beziehens der Wechselbasis oder des Wechselwarteplatzes,

- Feuerregime, wenn nach einer Entdeckung, ein gedecktes Verlassen nicht möglich ist,

- Plätze und Schusssektoren sowie Linien der Feuereröffnung der handelnden Paare,

- Reihenfolge des Absetzens der FJ nach erkennen der Ba oder des WaP und Richtungen des Absetzens,

- Drittelsystem der Ruhe, der Bereitschaft und der Sicherung,

- Seinen Stellvertreter und

- zu erfüllende Aufgaben zum pioniertechnischen Ausbau und der Tarnung.

- Ich hab bestimmt noch was vergessen. Aber was?

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Re: Spezialtruppen im rückwärtigen gebiet des Gegners

Beitragvon Beethoven » 15. Dezember 2023, 09:40

Die Basis als auch der Warteplatz werden grundsätzlich nur über einen Weg angelaufen. Hier liegt, vorgelagert, ein oder Zwei Fallschirmjäger in Deckung und der sich nähernde Fallschirmjäger wird nur nach Parolenaustausch der Zugang gewährt.

Parole: z.B. Weltfrieden 555

Der gedeckt liegende Jäger ruft an: „Parole ! Welt 300“

Der ankommende Jäger erwidert. „Frieden 255“. Die Zahlen sind Variabel - es muss immer 555 raus kommen.

Nun darf er passieren. Der gedeckt liegende Jäger teil das Eintreffen per Funk (R 126) oder mechanisch (Seil und Dose) mit, dass ein Jäger die Basis, den WaP betritt.

Die Basis als auch der Warteplatz, werden vor ihrem Beziehen, durch ein oder zwei Späherpaare weitläufig aufgeklärt. Das kann aus einem Sammelpunkt aber auch, wenn mehr Zeit dazu benötigt wird, aus einem Warteplatz heraus geschehen. Ein Jäger oder ein Späherpaar verbleibt in der zukünftigen Ba oder dem WaP bis der andere Jäger oder das andere Späherpaar die Gruppe herangeführt hat und über den Punkt des Betretens der Ba oder des WaP diese beziehen. Er oder das Paar weisen den ankommenden Jägern die ersten Plätze der Sicherung zu, bis der Kommandeur sich orientiert hat und die Führung in der Ba oder dem WaP selber übernimmt.

Vom Warteplatz aus, sendet der Kommandeur der Gruppe entsprechend der Aufgabe Späherpaare aus, die die Aufklärung des Objektes oder des Raumes durchführen, der für die Erfüllung der Gefechtsaufgabe notwendig ist. Nach Rückkehr der Späherpaare, werden die Aufklärungsergebnisse zusammengefasst und der Kommandeur führt die Aufgaben der Entschlussfassung bis hin zum Geben des Gefechtsbefehles durch. Dann bricht die Gruppe zur richtigen Zeit zur Erfüllung der Aufgabe auf, versetzt aber den WaP vorher in den Zustand, dass ein Suchkommando keine Anhaltspunkte über Stärke, Aufgabe, Richtung der Handlungen aus hinterlassenen Spuren ziehen kann.

Sicherlich gibt es noch viel mehr dazu zu schreiben und zu sagen. Ich wollte nur einen kurzen, oberflächlichen Abriss hier veröffentlichen um unsere Leser ein wenig an alte Zeiten zu erinnern.

Freundlichst
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