Das Bilderbuch der NVA-Spione
Verfasst: 26. April 2018, 17:05
Strandfotos aus Dänemark
Sand, Steine, Steilküste - Agenten der DDR sammelten in Dänemark Fotos und Infos, sogar nach dem Mauerfall noch. Wozu nur? Ein Aktenfund gibt Kopenhagener Geheimdienstlern Rätsel auf.
Gestalterisch hätten die Motive noch Luft nach oben. Zu sehen sind: Sand, Strand, Steine, Meer. Ein Boot. Ein Windrad. Ein Leuchtturm. Noch mehr Strand, Steilküste. Und immer wieder Straßen und Deiche.
Einen Dänen konnte nichts davon wirklich überraschen.
Bemerkenswert ist die Fotosammlung dennoch, die Mitte der Neunzigerjahre beim dänischen Nachrichtendienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) in Kopenhagen landete: ordentlich aufgeklebt und beschriftet in Dutzenden von Schnellheftern, immer zwei Bilder pro Seite, dazu Landkarten-Ausschnitte mit Markierungen für den Aufnahmeort jedes Fotos. In der Summe zeigen die weit mehr als 1000 Seiten fast die komplette dänische Küstenlandschaft.
Erstellt hat die Dokumentation der Militärische Nachrichtendienst der DDR, nicht dafür bekannt, touristische Interessen zu verfolgen - die Fleißarbeit diente der Vorbereitung auf einen Krieg. Die Kenntnisse über Bodenbeschaffenheit, Zuwegung und Anschlüsse ans Hinterland sollten Truppen eine Landung erleichtern, erklärt Thomas Wegener Friis. Der dänische Historiker hat den skurrilen Aktenfund gesichtet.
Mauerfall? Weitermachen!
Auf den Pappdeckeln der Hefter steht eine kurze Inhaltsangabe, mal von Hand in Druckbuchstaben, mal als maschinenbeschriebener Papierstreifen: "Küstenaufklärung Langeland, Band 5, 1. Ausfertigung". Oder: "Küstenaufklärung - Kleiner Belt. Abschnitt: Insel Fünen (III)".
Verblüffend ist die Datumsangabe auf dem Deckblatt einiger Aufklärungsmeldungen: "17.11.89", das war acht Tage nach dem Mauerfall. Die beflissenen Spione hatten sich vom Zerfall der DDR offenbar nicht beirren lassen. War es preußische Disziplin, die sie drängte, die einmal begonnene Arbeit zu Ende zu führen? Für Historiker bleibt es vorerst ein Rätsel.
Deutscher Tourist mit Kamera - unauffälliger geht's nicht
Hatte sich Gorbatschows neue Linie nicht bis zum Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee (NVA) herumgesprochen, wurden die Spione im dänischen Ferienparadies vergessen? Wer hatte überhaupt die Informationen zusammengetragen?
Die große Fotodokumentation begann bereits 1978, wie die ältesten Hefter zeigen. Zunächst ging es um militärische Objekte wie Munitionslager und Kasernen. Einiges davon offenbar so brisant, dass Teile entfernt wurden, bevor der dänische Nachrichtendienst die Dokumente lange nach Ende des Kalten Krieges freigab.
Dänemark war sowohl Operationsgebiet für eigens entsandte NVA-Agenten mit Spezialaufträgen als auch für Leute, die sich dort mehr oder weniger legal aufhielten, etwa getarnt als Botschaftsmitarbeiter. Dänische Spitzel anzuwerben war offenbar schwieriger, als Amtspersonen direkt auszufragen. Ein KGB-Offizier berichtete über eine angebliche nationale Eigenart: Die Dänen sprächen gern und viel, machten sich dabei wichtig. Wegen ihres losen Mundwerks würden sie sich hervorragend als Abschöpfungskontakte eignen, aber gerade nicht für dauerhafte konspirative Verbindungen.
Historiker Wegener Friis vermutet, dass die Marschaufklärer, wie die Spione in der NVA-Sprache hießen, sich als Urlauber tarnten: "Ein deutscher Tourist mit Kamera auf einem Strand in Dänemark - das ist das Unauffälligste, was es überhaupt gibt." Ein passendes Westauto ließ sich besorgen, auf manchen Fotos sieht man sogar den Seitenspiegel.
Der vollständige Beitrag hier:
http://www.spiegel.de/einestages/nva-bi ... 02301.html
Sand, Steine, Steilküste - Agenten der DDR sammelten in Dänemark Fotos und Infos, sogar nach dem Mauerfall noch. Wozu nur? Ein Aktenfund gibt Kopenhagener Geheimdienstlern Rätsel auf.
Gestalterisch hätten die Motive noch Luft nach oben. Zu sehen sind: Sand, Strand, Steine, Meer. Ein Boot. Ein Windrad. Ein Leuchtturm. Noch mehr Strand, Steilküste. Und immer wieder Straßen und Deiche.
Einen Dänen konnte nichts davon wirklich überraschen.
Bemerkenswert ist die Fotosammlung dennoch, die Mitte der Neunzigerjahre beim dänischen Nachrichtendienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) in Kopenhagen landete: ordentlich aufgeklebt und beschriftet in Dutzenden von Schnellheftern, immer zwei Bilder pro Seite, dazu Landkarten-Ausschnitte mit Markierungen für den Aufnahmeort jedes Fotos. In der Summe zeigen die weit mehr als 1000 Seiten fast die komplette dänische Küstenlandschaft.
Erstellt hat die Dokumentation der Militärische Nachrichtendienst der DDR, nicht dafür bekannt, touristische Interessen zu verfolgen - die Fleißarbeit diente der Vorbereitung auf einen Krieg. Die Kenntnisse über Bodenbeschaffenheit, Zuwegung und Anschlüsse ans Hinterland sollten Truppen eine Landung erleichtern, erklärt Thomas Wegener Friis. Der dänische Historiker hat den skurrilen Aktenfund gesichtet.
Mauerfall? Weitermachen!
Auf den Pappdeckeln der Hefter steht eine kurze Inhaltsangabe, mal von Hand in Druckbuchstaben, mal als maschinenbeschriebener Papierstreifen: "Küstenaufklärung Langeland, Band 5, 1. Ausfertigung". Oder: "Küstenaufklärung - Kleiner Belt. Abschnitt: Insel Fünen (III)".
Verblüffend ist die Datumsangabe auf dem Deckblatt einiger Aufklärungsmeldungen: "17.11.89", das war acht Tage nach dem Mauerfall. Die beflissenen Spione hatten sich vom Zerfall der DDR offenbar nicht beirren lassen. War es preußische Disziplin, die sie drängte, die einmal begonnene Arbeit zu Ende zu führen? Für Historiker bleibt es vorerst ein Rätsel.
Deutscher Tourist mit Kamera - unauffälliger geht's nicht
Hatte sich Gorbatschows neue Linie nicht bis zum Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee (NVA) herumgesprochen, wurden die Spione im dänischen Ferienparadies vergessen? Wer hatte überhaupt die Informationen zusammengetragen?
Die große Fotodokumentation begann bereits 1978, wie die ältesten Hefter zeigen. Zunächst ging es um militärische Objekte wie Munitionslager und Kasernen. Einiges davon offenbar so brisant, dass Teile entfernt wurden, bevor der dänische Nachrichtendienst die Dokumente lange nach Ende des Kalten Krieges freigab.
Dänemark war sowohl Operationsgebiet für eigens entsandte NVA-Agenten mit Spezialaufträgen als auch für Leute, die sich dort mehr oder weniger legal aufhielten, etwa getarnt als Botschaftsmitarbeiter. Dänische Spitzel anzuwerben war offenbar schwieriger, als Amtspersonen direkt auszufragen. Ein KGB-Offizier berichtete über eine angebliche nationale Eigenart: Die Dänen sprächen gern und viel, machten sich dabei wichtig. Wegen ihres losen Mundwerks würden sie sich hervorragend als Abschöpfungskontakte eignen, aber gerade nicht für dauerhafte konspirative Verbindungen.
Historiker Wegener Friis vermutet, dass die Marschaufklärer, wie die Spione in der NVA-Sprache hießen, sich als Urlauber tarnten: "Ein deutscher Tourist mit Kamera auf einem Strand in Dänemark - das ist das Unauffälligste, was es überhaupt gibt." Ein passendes Westauto ließ sich besorgen, auf manchen Fotos sieht man sogar den Seitenspiegel.
Der vollständige Beitrag hier:
http://www.spiegel.de/einestages/nva-bi ... 02301.html