Der Rückzug

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Der Rückzug

Beitragvon Beethoven » 3. April 2024, 08:31

Militärischer Rückzug

I. Allgemeines

Bei uns damals, in der NVA und vermutlich auch in den anderen Staaten des Warschauer Vertrages,
wurde an den mittleren-, höheren- und der höchsten militärischen Bildungseinrichtung (Uffz.-Schulen,
Offiziershochschulen, Militärakademien), der „Rückzug“ als militärische, taktische- oder operative
Handlung von Gruppen bis zur operativen Vereinigung, nicht gelehrt.

Warum eigentlich nicht, kann man durchaus fragen?

Waren wir so stark davon überzeugt, keine Rückzugsgefechte führen zu müssen?
Dann wäre das eine Überheblichkeit.
Nun diese Gedanken möchte ich nicht weiter spinnen, es käme nichts Gutes dabei heraus.

Betrachten wir den militärischen Rückzug also „nüchtern“, ohne politische Wertung.

Es gibt unterschiedliche Arten des Rückzuges, wie zum Beispiel:

- der geordneter (geplanter) Rückzug;
- der überstürzter (ungeordneter) Rückzug;
- die schlimmste Form des Rückzuges dürfte die Flucht sein.

II. Definition und Erklärung (darüber sollte man durchaus diskutieren)

Geordneter Rückzug bedeutet, dass man sich aus einem besetzten Raum / Gebiet (durchaus auch Seegebiet),
unter Mitnahme des kompletten Personalbestandes (inkl. Verwundeter), der Bewaffnung und Ausrüstung
aus dem einst gehaltenen Gebiet zurück zieht und dem Gegner / Feind (ich nutze ab jetzt das Wort „Gegner“)
den Raum / das Gebiet (ich nenne es ab jetzt Gebiet) überlässt.

Ein geordneter Rückzug kann aus verschiedenen Gründen durchgeführt werden.

1. Um einem überlegenen Gegner auszuweichen um eine neue Verteidigungslinie
zu erreichen und das unter geringst möglichen eigenen Verlusten

2. Rückzug auf Befehl des dazu befugten Vorgesetzten aus welchem Grund auch immer.

3. Weil die militärische Auseinandersetzung beendet ist und die Truppen sich
entflechten, um in ihre Heimatstandorte zurück kehren zu können.

Der überstürzte Rückzug wird durch einen oder mehrere kurze Befehle des dazu berechtigten Vorgesetzten
(das kann schon der Gruppenführer der Schützengruppe sein) befohlen wenn:

1. Ein stark überlegener Gegner im Angriffsgefecht die Verteidigungsräume
der eigenen Truppen zu überrennen droht.

2. Der Einsatz von Massenvernichtungsmitteln unmittelbar bevor steht und diese
Handlung des Gegners zu spät erkannt wurde.

Dabei werden große Teile der Bewaffnung und Ausrüstung, als durchaus auch Teile des Personalbestandes
zurück gelassen und der Gnade des Gegners überlassen.

Die Truppen bleiben jedoch im Wesentlichen zusammen und werden von einem Kommandeur geführt.
Meist werden Züge oder Kompanien als kleine Kampfgruppen zusammenbleiben und sich in der eigenen
Tiefe der Verteidigung wieder zu größeren Truppenkontingenten vereinigen und aufgefüllt werden.

Die Flucht (ich weiß gar nicht ob man die „Flucht“ als Rückzug bezeichnen kann) weil es eigentlich
keine militärische Handlung ist, sondern eine rein menschliche Handlung.

Die Flucht kann geschehen wenn:

- der angreifende, wesentlich stärkere Gegner, die eigenen Linien durchbricht und mit überlegenen Kräften,
unter großen eigenen Verlusten, in die Tiefe der eigenen Verteidigung durch stößt;

- Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden und es keinerlei Verbindung mehr zu eigenen Truppen gibt.

Es wird keine Befehle zu einer Flucht geben sondern es wird gehandelt nach dem Motto
„Rette sich wer kann!“. Hier geht es um das Überleben jedes Einzelnen.
Es wird alles was zur Flucht nicht benötigt wird zurück gelassen.

III. Vorbereitung und Durchführung des Rückzuges

Bei einem geordneten, planmäßigen Rückzug kann der Kommandeur und sein Stab, aus Zeitgründen,
weil der Rückzug wohl eher sehr schnell eingeleitet werden muss, nicht das volle Pensum der Arbeiten
des Kommandeurs nach Erhalt der Aufgabe, durchführen.

Jedoch muss es klare Anweisungen und Befehle geben, da ansonsten der Rückzug im Chaos endet.
Was ist zu befehlen?

- welche Einheiten / Truppenteile werden als Deckungstruppen den Rückzug
decken / verschleiern?
+ welche Räume haben diese Truppen zu besetzen und
+ bis wann mit welchen Mittel zu halten;
+ Signale für den Rückzug dieser Einheiten / Truppenteile;
+ Marschstraßen des Rückzuges;
+ Signale für die Unterstützung dieses Rückzuges durch den
Vorgesetzten mit Feuer unterschiedlicher Art.

- Reihenfolge und Marschstraßen als auch Ablaufzeiten für Einheiten / Truppenteile

+ Signale und Handlungen auf bestimmte Signale;
+ Ablaufzeiten, passieren ALA durch welche Einheiten /Truppenteile;
+ Erreichen Endräume bis wann und wo;
+ Handlungen nach Erreichen des Endraumes (z.B. Übergang zur
Verteidigung);
+ Kommandantendienstabschnitte (wenn notwendig);
+ Marschsicherungen gegen Luftangriffsmittel des Gegners;
+ Pioniertechnische Handlungen (Bildung von ASB´s);
+ technische Schlüsse;

Sicherlich erkennt Ihr noch wesentlich mehr zu befehlende Handlungen.


Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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